Editorial 135

Diskussion erwünscht!

Autor D. Singer

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1385889 Z Geburtsh Neonatol 2014; 218: 135 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0948-2393 Korrespondenzadresse Prof. Dr. Dominique Singer Sektion Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin Zentrum für Geburtshilfe, Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) Martinistraße 52 / N23 20246 Hamburg Tel.: + 49-(040)/7410-52723 [email protected]

Liebe Leserinnen und Leser, „Säuglingssterblichkeit im Westen höher als im Osten“ titelten Ende August/Anfang September 2013 zahlreiche Deutsche Medien von der „Bild“ bis zur „tagesschau“. Auslöser dieser ungewöhnlichen Aufmerksamkeit für ein neonatologisches Thema war ein Beitrag des Nachrichtenmagazins „Focus“, in dem von Sterblichkeitsraten zwischen maximal 36/10 000 in den „alten“ und minimal 14/10 000 in den „neuen“ Bundesländern berichtet worden war. Als Ursache für dieses beträchtliche und – wie es hieß – „beschämende“ WestOst-Gefälle wurde die unterschiedliche Versorgungsstruktur für eine Untergruppe von Neonaten mit besonders hohem Mortalitätsrisiko, nämlich Frühgeborene, genannt: Anders als im Westen, wo die Behandlung von „Frühchen“ auf viele kleine Kliniken verteilt stattfinde, sei sie im Osten auf wenige spezialisierte Einrichtungen konzentriert. „Baby-Versorgung im Osten am besten“, lautete denn auch nicht ohne Stolz die Schlagzeile einer regionalen Tageszeitung. Die genannten Daten sind in der Tat bemerkenswert und verdienen eine kritische Analyse – nicht zuletzt im Interesse der zu Recht aufmerksam gewordenen Öffentlichkeit. Durch die von den Medien verbreitete Interpretation herausgefordert, haben sich die Autoren eines Beitrages, der in der vorliegenden Ausgabe der Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie erscheint (S. 153 ff.), nun der Statistik erneut angenommen und zunächst die Begrifflichkeiten präziser definiert. Im Ergebnis ihrer Auswertung plädieren sie insbesondere dafür, neben den bundesländerspezifischen neonatalen Mortalitäts- auch die jeweiligen Totgeburtenraten ins Auge zu fassen. Dann, so die Autoren, nivelliere sich das West-Ost-Gefälle, und auch die daraus abgeleitete strukturelle Schlussfolgerung lasse sich – jedenfalls anhand dieser Daten – nicht mehr substantiieren. Das Beispiel zeigt einmal mehr, wie unterschiedlich vermeintlich nüchterne statistische Angaben aus verschiedenen Blickwinkeln gedeutet werden können – wobei jede dieser Deutungen vermutlich nur einen Teil der „Wahrheit“ widerspiegelt.

So ungewiss es für ein Thema sein mag, in die Schlagzeilen der großen Medien zu gelangen, so hürdenreich kann auch der Weg zu einer Publikation mit wissenschaftlichem Anspruch sein! Im vorliegenden Fall verlief er über ein umfangreiches Begutachtungsverfahren mit mehreren Durchgängen und zahlreichen Korrekturvorschlägen, bis dass 3 namhafte Gutachter ihr „accept“ ausgesprochen haben. Den Autoren ist zu danken, dass sie sich der entsprechenden Prozedur geduldig unterzogen haben. Doch nicht genug damit, schien es den Herausgebern der Zeitschrift angesichts der kontroversen Sachlage zudem angemessen, 2 kundige Kommentatoren unabhängig voneinander um eine Stellungnahme zu bitten. Ihre Gastkommentare sind dem Originalbeitrag beigefügt. So ist schließlich ein Themenschwerpunkt entstanden, in dem nicht nur die Medienberichte einen Gegenpart erhalten, sondern beide – Medienberichte und Gegenpart – in einen größeren Zusammenhang eingeordnet werden. Zu diesem Themenschwerpunkt möchten wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, heute ausdrücklich zu Diskussionbeiträgen ermuntern. Die Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie als interdisziplinäres Forum der deutschsprachigen Perinatalmedizin sieht es als ihre Aufgabe an, für solche Diskussionen Anstoß und Raum zu geben. Gerne werden wir daher Ihre Leserbriefe – selbstverständlich mit einer abschließenden Stellungnahme der Autoren – in einem der kommenden Hefte veröffentlichen. Doch auch über dieses Schwerpunktthema hinaus beinhaltet das vorliegende Heft der ZGN wieder eine ganze Reihe interessanter Beiträge aus Geburtshilfe und Neonatologie – von der Betreuung drogenabhängiger Schwangerer bis zur historischen Entwicklung von „Brutkästen“. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und grüße Sie auch im Namen meiner Co-Editoren. Ihr

Dominique Singer

 Singer D. Diskussion erwünscht!. Z Geburtsh Neonatol 2014; 218: 135

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