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Entlassungs- und Überleitungsmanagement

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Rubrikherausgeber: D. Jocham, Lübeck K. Miller, Berlin S. Roth, Wuppertal

M. Mille, A. Stier Erstveröffentlichung in: Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 2014; 8: 179 – 195

Zusammenfassung Der demografische Wandel sowie zunehmend kürzere Krankenhausverweildauern führen zu einer Umgestaltung bisheriger Versorgungsstrukturen. Nicht zuletzt aufgrund der gesetzlichen Forderung einer poststationären Versorgungssicherung nimmt deswegen das Entlassungs- bzw. Überleitungsmanagement einen zunehmend wichtigeren Bereich im stationären Alltag ein und soll so im poststationären Bereich Versorgungslücken vermeiden. Ein erfolgreiches Entlassungsmanagement ist durch das Zusammenspiel einiger Professionen charakterisiert. Deshalb ist es wichtig, die Kernpunkte und die unterschiedlichen Konzepte als solche zu verstehen. Ein erfolgreiches Entlassungsmanagement sichert den chirurgischen Therapieerfolg und ist auch mittlerweile zu einem Aushängeschild der jeweiligen Abteilung bzw. Klinik geworden. Nur durch ein qualitativ hochwertiges Entlassungs- bzw. Überleitungsmanagement wird es in Zukunft möglich sein, hochwertige Medizin mit wirtschaftlichen Interessen und Konkurrenzfähigkeit verbinden zu können. Dieser Artikel soll einen Überblick über die möglichen Konzepte im Bereich des Entlassungs-/Überleitungsmanagements geben sowie notwendige Schritte und Strukturen zum erfolgreichen Entlassen des Patienten darstellen.

Schlüsselwörter " Entlassmanagement l " Rehabilitation l " Case Management l " Strukturen l " Ablauf l " l " l " l " l " l

discharge management rehabilitation case management structures sequence

Abstract !

The demographic changes together with the increasingly shorter duration of hospital stays are leading to changes in the current health care systems. Not least due to statutory requirement for an assured access to post-hospital health care, the discharge or, respectively, medical transfer management accordingly represent an increasingly important component of hospital routine and should thus help to avoid health-care gaps in the post-hospital periods. A successful discharge management is characterised by the interdisciplinary cooperation of several professions. It is thus necessary to understand as such the issues at stake and the differing concepts. A successful discharge management ensures the success of surgical treatment and in the meantime has also emerged as a showcase for the respective department of hospital. In future it will only be possible to combine high quality medicine with economic interests and competitiveness with the help of a qualitatively high class discharge or, respectively, medical transfer management. The present article is intended to provide an overview of the possible concepts in the files of discharge/medical transfer management and also to illustrate the steps and structures necessary for the successful discharge of the patient.

Abkürzungen !

AHB BI BRASS CM DNQP DRG FBI GKV

Anschlussheilbehandlung Barthel-Index Blaylock-Risk-Assessment-Score Case Manager Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege Diagnosis related Groups Frührehabilitations-Barthel-Index Gesetzliche Krankenversicherung

Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, HELIOS Klinikum Erfurt

Entlassungs- und Überleitungsmanagement Akt Urol 2014; 45: 381 – 397

VNR 2760512014144213682 Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1383031 Akt Urol 2014; 45: 381 – 397 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0001-7868 Korrespondenzanschrift Dr. med. univ. Markus Mille Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie HELIOS Klinikum Erfurt Nordhäuser Straße 74 99089 Erfurt Tel.: 03 61/7 81-61 63 Fax: 03 61/7 81-23 32 E-Mail: markus.mille@helios-kliniken. de

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GKV‑VStG

Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung Gesetzliche Rentenversicherung International statistical Classification of Diseases and related Health Problems (aktuell gültige Fassung: ICD-10-GM Version 2013) multiresistenter Staphylococcus aureus Operationen- und Prozedurenschlüssel pathologische Klassifikation von Tumor (engl. „tumor“) – Lymphknoten (engl. „node“) – Fernmetastasierung (engl. „metastases“); Tumorklassifikationssystem der UICC Sozialgesetzbuch Union for International Cancer Control

GRV ICD MRSA OPS pTNM

SGB UICC

Einleitung ! " Laut Angaben des Statistischen l Bundesamtes lag 1995 die durchschnittliche Verweildauer noch bei 11,4 Tagen, während sie 2008 bereits auf 8,1 Tage gesunken war.

Die immer älter werdende Bevölkerung stellt stationäre Versorgungseinrichtungen sowie die Kostenträger sowohl vor zunehmende finanzielle als auch soziale Herausforderungen. So ist laut Statistischem Bundesamt in den nächsten Jahren mit einer weiteren Zunahme der stationären Behandlungen zu rechnen (Abb. 1). Vor diesem Hintergrund sind alle Beteiligten zu einem Umdenken bzw. einer Umstrukturierung bestehender Versorgungsmuster gezwungen. Spätestens mit der Einführung des DRG‑Systems 2004 ist das Thema Entlassungs-/Überleitungsmanagement vor allem zunehmend in den Fokus der Krankenhausträger gerückt. So ist es in den letzten Jahren zu einer stetigen Verkürzung der Krankenhausverweildauern gekommen, verursacht durch das Finanzierungswesen und die verbesserte medizinische Versorgung. Um optimale Ergebnisse erzielen zu können, ist es deshalb sowohl aus Sicht des Qualitätsmanagements als auch der Ökonomie erforderlich, die Übertritte des Patienten in einzelne Sektoren (ambulant, stationär, Hausarzt, Pflegeheim, Rehabilitation) möglichst reibungslos und effektiv durchzuführen. Dies gestaltet sich jedoch nicht zuletzt aufgrund der unterschiedlichen Schnittstellen im Gesundheitssystem vielfach problematisch (Abb. 2). Sehr häufig kommt es bei der Überleitung der Versorgung zu einem nicht unwesentlichen Informationsverlust bzw. zu mangelnder poststationärer Patientenversorgung, was nicht zuletzt in einer erhöhten Wiederaufnahmerate („Drehtüreffekt“; s. Definition) resultiert. Dies stellt nicht nur einen Qualitätsverlust dar, sondern führt auch zu erheblichen Kosten im Gesundheitswesen. Um derartige Versorgungsbrüche zu vermeiden, ist ein entsprechendes Entlassungs-/Überleitungsmanagement erforderlich. Gerade im chirurgischen Bereich ist seit vielen Jahren die Integration der prä- und poststationären Versorgung ein essenzieller Bestandteil des klinischen Alltags geworden.

Drehtüreffekt Der Begriff „Drehtüreffekt“ bezeichnet eine unerwartete Wiederaufnahme des Patienten bei kurz zuvor stattgefundener stationärer Therapie.

20

19,3

18,8

19 17,8

18

Abb. 1 Anzahl der bisherigen und zu erwartenden Krankenhausfälle in Millionen (Statistisches Bundesamt 2010).

17,2

17

17,0

16 15,8

15 0 1995

2000

2005

2010

2015

2020

2025

2030

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Abb. 2 Zu berücksichtigende Schnittstellen in Bezug auf eine stationäre Behandlung.

Hausarzt

PalliativCare-Team

Facharzt

Krankenhaus

Rehaklinik

MVZ

Gesetzliche Vorgaben !

Die Probleme der Patienten beim Übergang in verschiedene Versorgungsbereiche wurden vom Gesetzgeber durchaus bereits erkannt. § 11 Abs. 4 des fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) legt hier fest, dass für jeden Patienten Anspruch auf Problemlösungen im Sinne eines Überleitungsmanagements in einzelne Versorgungsbereiche besteht (s. Infobox „Hintergrund“). Wie dies genau gestaltet werden sollte, wird jedoch vom Gesetzgeber nicht weiter festgelegt. Da das Entlassungsmanagement eine wesentliche Schnittstelle des übergreifenden Versorgungsmanagements darstellt und um alle Beteiligten im Rahmen einer medizinischen Behandlung mehr in die Verantwortung zu ziehen, hat der Gesetzgeber mit dem Inkrafttreten des Versorgungstrukturgesetzes (GKV‑VStG) am 01. 01. 2012 jedem gesetzlich Krankenversicherten Anspruch auf Entlassungsmanagement im Rahmen der Krankenhausbehandlung zugesichert (s. Infobox „Hintergrund“). Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist die Durchführung eines adäquaten Entlassungs-/Überleitungsmanagements für alle Krankenhäuser verpflichtend. Der Gesetzgeber lässt den Begriff des Entlassungsmanagements jedoch offen und gibt keine spezifische Definition an. Aus diesem Grund sollte bei jedem Patientenkontakt, vor allem bei multimorbiden Patienten, die Versorgungssituation angesprochen und entsprechend geprüft werden.

Rechtsgrundlage des Versorgungsmanagements § 11 Abs. 4 SGB V „Versicherte haben Anspruch auf ein Versorgungsmanagement insbesondere zur Lösung von Problemen beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche; dies umfasst auch die fachärztliche Anschlussversorgung. Die betroffenen Leistungserbringer sorgen für eine sachgerechte Anschlussversorgung des Versicherten und übermitteln sich gegenseitig die erforderlichen Informationen. Sie sind zur Erfüllung dieser Aufgabe von den Krankenkassen zu unterstützen. In das Versorgungsmanagement sind die Pflegeeinrichtungen einzubeziehen; dabei ist eine enge Zusammenarbeit mit Pflegeberatern und Pflegeberaterinnen nach § 7a des Elften Buches zu gewährleisten. Das Versorgungsmanagement und eine dazu erforderliche Übermittlung von Daten darf nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen.“

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" Es gilt auch zu beachten, dass das l Entlassungsmanagement gemäß SGB V sowohl voll- und teilstationäre, vor- und nachstationäre als auch ambulante Krankenhausbehandlungsformen umfasst.

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zuweisende Klinik

Pflegedienst

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Versorgungstrukturgesetz vom 22. 12. 2011 (Art. 1 Nr. 8 GKV‑VStG) „Die Krankenhausbehandlung umfasst auch ein Entlassmanagement zur Lösung von Problemen beim Übergang in die Versorgung nach der Krankenhausbehandlung. Das Entlassmanagement und eine dazu erforderliche Übermittlung von Daten darf nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen.“

Begriffsbestimmungen !

Um den Erfolg eines chirurgischen Eingriffes auch poststationär sicherzustellen, ist eine adäquate Nachsorge bzw. häusliche Versorgung unabdingbar. Dazu gilt es, stationäre und ambulante Versorgung fließend ineinander überzuführen, um Versorgungsbrüche zu vermeiden. Aufgrund der zahlreichen Aspekte (medizinisch, pflegerisch, Hilfsmittelversorgung, Anschlussheilbehandlung, Wundmanagement etc.), die im Rahmen der Entlassung geplant und berücksichtigt werden müssen, ist ganz klar, dass ein erfolgreiches Entlassungsmanagement ein multiprofessioneller Prozess ist, der längst nicht mehr von einem Fachbereich abgedeckt werden kann. Um den Bogen zwischen den einzelnen Professionen zu spannen und ein effizientes Versorgungsmanagement zu ermöglichen, haben sich in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Konzepte und Begriffe entwickelt, die sehr häufig synonym verwendet werden. Gerade die Begriffe Entlassungs-, Überleitungs- und Case Management werden häufig im klinischen Alltag gebraucht und teilweise vermengt. Hierbei gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass sich diese sehr wohl mitunter inhaltlich unterscheiden. In weiterer Folge soll zum besseren Verständnis auf die einzelnen Begriffe eingegangen werden.

Case Management

" Ziel ist es, eine möglichst hochl wertige und umfassende Versorgungsleistung sicherzustellen, die über verschiedene Versorgungsbereiche hinausgeht, um so die Lebensqualität zu erhöhen und auch möglichst kosteneffektiv zu arbeiten.

Historisch betrachtet stammt dieser Begriff ursprünglich aus Programmen der Sozialarbeit in den USA und wurde zum ersten Mal 1863 im Rahmen der Koordination von Versorgungsleistungen für Einwanderer und Siedlungsbewegungen beschrieben. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde das Case Management um medizinische Aspekte erweitert, wobei es sich bis Mitte der 1980er-Jahre vor allem auf die Versorgung Langzeitpflegebedürftiger und chronisch Kranker in der ambulanten Versorgung konzentrierte. Danach etablierte sich das Case Management jedoch zunehmend in stationären Einrichtungen, was durchaus zunächst aus ökonomischen Gesichtspunkten geschah, um steigende Kosten im Gesundheitswesen zu kontrollieren. Betrachtet man die derzeitige Situation im Gesundheitswesen, so ist aufgrund des Zeitdrucks und der mangelnden personellen Ressourcen sehr oft nur eine fragmentierte Betrachtung des Patienten möglich und erfasst diesen nicht immer in seiner Gesamtheit. Dies lässt nicht immer eine kontinuierliche und integrierte Versorgung in allen Bereichen zu. Gerade bei Patienten mit kürzlicher Änderung der Lebenssituation aufgrund einer Erkrankung bzw. stattgehabten Operation ist dies jedoch essenziell. Eine Methode, die sich diesem Problem besonders widmet, stellt das Case Management dar. Hier werden der gesamte Krankheitsverlauf, die vorhandenen Ressourcen des Patienten sowie der sich daraus ergebende Versorgungsbedarf betrachtet. Hierfür speziell ausgebildete Case Manager (CM) übernehmen die Rolle des Vermittlers zwischen den Bedürfnissen des Patienten und den vorhandenen Leistungsangeboten. Wichtig dabei ist, dass das Case Management nicht mit dem Übergang stationär → ambulant aufhört, sondern den Patienten im gesamten Krankheitsverlauf begleitet. Dadurch erfahren Patienten und die Angehörigen Kontinuität, anstatt immer wieder Versorgungsbrüche zu erleiden. Das Prinzip des Case Managements wird sehr oft im klinischen Alltag angewandt, wobei eine weitere Behandlung über die institutionellen Grenzen manchmal nicht möglich ist. Genauso wie beim Entlassungsmanagement ist zum Erreichen der Versorgungsziele eine multiprofessionelle Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen erforderlich.

Entlassungsmanagement Gerade nach chirurgischen Eingriffen liegt bei Patienten nach dem Krankenhausaufenthalt erstmals ein poststationärer Versorgungsbedarf vor, oder ein bereits präoperativ vorhandener hat sich möglicherweise entsprechend verändert. Das wesentliche Ziel des Entlassungsmanagements ist es, diesen Bedarf zu erfassen und einen möglichst nahtlosen Übergang von stationärer in die poststationäre Versorgung zu schaffen. Dies soll eine kontinuierliche und gute Versorgung nach der stationären Therapie sicherstellen, um den Behandlungserfolg zu gewährleisten.

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Es ist nicht weiter verwunderlich, dass eine frühzeitige Sicherung der poststationären Nachsorge und Betreuung sowohl eine Verkürzung der Verweildauer als auch eine signifikante Kostenreduktion ermöglicht. Da das deutsche DRG‑System bei Wiederaufnahme innerhalb von 14 Tagen nach Entlassung mit der gleichen Hauptdiagnose keinen erneuten Erlös für die erbrachte Leistung vorsieht, besteht hier ein besonderer ökonomischer Anreiz, das Entlassungsmanagement möglichst effizient zu gestalten. In der Vergangenheit waren das Entlassungsmanagement und die Sicherstellung der poststationären Versorgung eine Domäne der Kliniksozialarbeiter. Da jedoch auch notwendige medizinische Maßnahmen, pflegerische Inhalte sowie das Bereitstellen von Heil-/Hilfsmitteln zu den wichtigen Aspekten des Entlassungsmanagements zählen, ist offensichtlich, dass es sich hier um einen interdisziplinären Prozess handelt. Jede Berufsgruppe, die direkt am Patienten arbeitet, ist unweigerlich in das Entlassungsmanagement mit einzubeziehen. Schlussendlich ist es erforderlich, die einzelnen professionellen Sichtweisen zusammenzuführen und für die weitere Versorgung zu koordinieren. Für das ärztliche Personal wird es ebenfalls immer schwieriger, sämtliche Aspekte zusammenzuführen und zu koordinieren, nicht zuletzt aufgrund der ausgeprägten Dokumentationstätigkeit. Aufgrund dieser Tatsache werden zunehmend mehr Verantwortungsbereiche im Rahmen des Entlassungsmanagements auf Case Manager (CM) oder Entlassmanager übertragen.

Aufgaben und Angebote des Entlassungsmanagements " " " " " " "

ambulante Versorgung (Pflegedienst, Essen auf Rädern, Palliative Care Team) medizinische Rehabilitation (ambulant, teilstationär oder stationär) stationäre Versorgung (Pflegeheimunterbringung, Kurzzeitpflege) Hilfsmittelversorgung krankheitsspezifische Beratung (Schulungen, Vermittlung von Selbsthilfegruppen) Vorsorgevollmacht/Patientenverfügung sozialrechtliche Leistungen (Beantragung einer Pflegestufe, Finanzierungsfragen)

Beteiligte Berufsgruppen am Entlassungsmanagement Damit nicht nur eine möglichst effiziente Überleitung in den nächsten Versorgungsbereich erreicht werden kann, sondern die Versorgung des Patienten auch langfristig sichergestellt ist, gilt es, alle Aspekte der medizinischen, pflegerischen, rehabilitativen und sozialen Situation des Patienten und auch der Angehörigen im Rahmen des Entlassungsmanagements zu betrachten. Es ist ersichtlich, dass es hier weite Bereiche zu berücksichtigen gilt, die von einer einzelnen Profession schon lange nicht mehr abgedeckt werden können. Die Checkliste zeigt die beteiligten medizinischen Professionen. Aufgrund dieser Multiprofessionalität ist es erforderlich, notwendige Strukturen und Prozessabläufe zu schaffen, um möglichst alle Aspekte zu betrachten und unter einem Nenner zusammenzuführen. Der vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) im Jahre 2002 herausgegebene Expertenstandard zum Thema Entlassungsmanagement, welcher 2009 nochmals aktualisiert wurde, hat sicherlich einen wesentlichen Beitrag zur Etablierung und Weiterentwicklung des Entlassungsmanagements beigetragen. Während hier ebenfalls der multiprofessionelle Charakter betont wurde, beschränkt sich diese Handlungsempfehlung jedoch im Wesentlichen nur auf die pflegerische Perspektive des Entlassungsmanagements und die ärztliche Sicht wird eher vernachlässigt. Aus diesem Grund sollte sicherlich kritisch betrachtet werden, dass es gerade beim Entlassungsmanagement noch Barrieren zu durchbrechen gibt.

Konzepte des Entlassungsmanagements Zur Durchführung eines effizienten Entlassungsmanagements gibt es bereits einige Konzepte. Die Frage nach dem effektivsten Vorgehen lässt sich jedoch nicht beantworten, da dieses auch durchaus an die jeweiligen örtlichen und personellen Voraussetzungen gebunden ist. Prinzipiell wird unterschieden zwischen " dem direkten Entlassungsmanagement, " dem indirekten Entlassungsmanagement und " dem externen Entlassungsmanagement.

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" Die Qualität des Entlassungsmal nagements lässt sich sehr gut am sog. „Drehtüreffekt“ ablesen.

" Die fachliche Verantwortung l im Rahmen des Entlassungsmanagements trägt jedoch nach wie vor der behandelnde Arzt.

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Am Entlassungsmanagement beteiligte Berufsgruppen " " " " " " "

" Direktes Entlassungsmanagel ment lässt sich nur in Bereichen mit einem äußerst begrenzten pflegerischen und organisatorischen Bedarf umsetzen.

" Damit die poststationäre Versorl gung gewährleistet werden kann, ist der Aufbau eines regionalen Netzwerkes von Kooperationspartnern unerlässlich.

Arzt Pflegepersonal Physiotherapie Sozialdienst Psychoonkologe Schmerztherapeut Ernährungsberatung

Direktes Entlassungsmanagement. Dieses Konzept des Entlassungsmanagements wird auch als die dezentrale Form bezeichnet und beschreibt die Übernahme von Teilaufgaben des Entlassungsmanagements direkt in den Arbeitsbereich der Pflegekraft. Aufgrund neu geschaffener Kompetenzen und Qualifikation erfordert dieses Vorgehen entsprechende Fortbildungen, um derartige Aufgaben leisten zu können. Das Konzept setzt natürlich auch einen intensiven Bezug der Pflegekraft zum Patienten und dessen Angehörigen voraus, um auch über den sozialen Status entsprechend informiert zu sein. Das Pflegepersonal steht bei diesem Konzept im engen Kontakt mit den behandelnden Ärzten als zentrale Koordinierungsinstanz. Vorteil dieses Systems ist, dass eine zusätzliche Schnittstelle, wie sie im indirekten Entlassungsmanagement geschaffen wird, vermieden wird und eher kurze Kommunikationswege vorliegen. Als Nachteil müssen sicherlich die fehlenden Kenntnisse der Mitarbeiter im Sozialrecht betrachtet werden. Insgesamt sind die limitierten zeitlichen Ressourcen des Pflegepersonals im Rahmen der Stationsarbeit als nachteilig zu werten. Entlassungsmanagement bei multimorbiden Patienten mit komplexen Versorgungsbedürfnissen erfordert viel Zeit, um eine effektive poststationäre Versorgung zu garantieren. Sehr oft lässt der Stationsalltag jedoch gerade eben diese Zeit nicht zu. Aufgrund dieses Zeitmangels würden wahrscheinlich eher pflegerische Aspekte in den Vordergrund geraten, während andere medizinische und sozialrechtliche Aspekte des Entlassungsmanagements in den Hintergrund treten würden. Eine Übernahme dieses Konzeptes an chirurgischen Kliniken kann aus diesem Grund kaum empfohlen werden. Indirektes Entlassungsmanagement. Im Gegensatz zum direkten werden beim indirekten (zentralen) Entlassungsmanagement sämtliche Aufgaben durch eine Person bzw. ein Team übernommen. Der Entlassmanager bzw. Case Manager (CM) führt die Informationen aller an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen zusammen und erstellt daraus den poststationären Versorgungsbedarf. Dabei ist es essenziell, dass der Entlassungsmanager über poststationäre Versorgungsangebote und Kooperationspartner verfügt. Auch die Finanzierungsmöglichkeiten müssen dem Entlassmanager bekannt sein. Dieses Konzept kommt aktuell am häufigsten im Krankenhausalltag zum Einsatz. Die Durchführung des Entlassungsmanagements wird sehr häufig von eigens dafür abgestelltem Personal, meist Case Manager, übernommen. Durch zentrale Übernahme dieser Aufgaben führt das indirekte Entlassungsmanagement zu einer deutlichen Entlastung des ärztlichen und auch pflegerischen Personals vor allem durch die Übernahme administrativer Tätigkeiten. Dieses Konzept setzt jedoch auch eine gewisse gegenseitige Akzeptanz der in die Behandlung involvierten Berufsgruppen voraus. Der Entlassmanager übernimmt bei dieser Form des Entlassungsmanagements die Prozesssteuerung und somit auch Teilbereiche, welche früher durch den Stationsarzt abgedeckt wurden. Vorteile entstehen durch dieses Konzept auch für externe Kooperationspartner (z. B. Pflegedienste). Da eine zentrale Koordination erfolgt, ist auch ein zentraler Ansprechpartner für Kooperationspartner vorhanden. Dies erleichtert die Koordination und vermeidet Informationsverluste durch weitere Schnittstellen. Externes Entlassungsmanagement. Viele Kliniken bedienen sich bei der Form des indirekten Entlassungsmanagements der Dienstleistung externer Unternehmen wie z. B. ambulanter Pflegedienste, Home-Care-Unternehmen etc. Die Finanzierung der erbrachten Dienstleistung erfolgt über das Akquirieren von Kunden, die Leistungen der entsprechenden Pflegedienste oder Home-Care-Unternehmen in Anspruch nehmen. Aufgrund dieser Tatsache besteht natürlich ein finanzieller Vorteil des Krankenhauses, da weder Kosten entstehen noch Personal zur Verfügung gestellt werden muss. Zusätzlich besteht in aller Regel bereits ein dichtes Netz an Kooperationspartnern durch den externen Entlassmanager, auf das die Klinik unkompliziert zurückgreifen kann.

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Überleitungsmanagement " Das Überleitungsmanagement l soll gerade bei dieser Schnittstellenproblematik ein Fortführen der bereits begonnenen stationären Therapie im neuen Umfeld sicherstellen und einen Informationsverlust verhindern.

Ziele des Entlassungs-/Überleitungsmanagements " " " " " "

Sicherstellen der nachstationären Versorgung Steigerung der Patienten- und Angehörigenzufriedenheit verbesserte Kommunikation mit Kooperationspartnern Vermeiden von unnötig verlängerten Liegezeiten Vermeiden des „Drehtüreffektes“ und Sicherung des Therapieerfolges Optimieren der Organisations- und Prozessstrukturen mit konsekutiver Entlastung des medizinischen Personals

Ablauf des Entlassungsmanagements Dieser Satz hat mittlerweile in den meisten Kliniken Einzug erhalten. Genauer betrachtet, beginnt das Entlassungsmanagement aber gerade in der Chirurgie oft schon früher. Die meisten Aufnahmen erfolgen geplant im Rahmen eines elektiven Eingriffes. Aus diesem Grund werden die präoperative Diagnostik sowie entsprechende OP‑Vorbereitungen meist prästationär in der Sprechstunde durchgeführt, um auch den stationären Aufenthalt so kurz wie möglich zu gestalten. Bereits bei diesem Patientenkontakt lässt sich jedoch vielfach klären, ob postoperativ mit einem erweiterten Versorgungsbedarf zu rechnen ist. Folglich erscheint es sinnvoll, dass das Entlassungsmanagement bereits bei diesem Kontakt begonnen wird. So kann es z. B. sein, dass ein älterer Patient, der sich präoperativ noch allein versorgt hatte, postoperativ vorübergehend einer häuslichen Mitversorgung durch die Angehörigen oder einer Kurzzeitpflege bedarf. Es ist daher essenziell, dass Patienten und Angehörige präoperativ über den stationären Ablauf, die zu erwartende Aufenthaltsdauer und den postoperativen Verlauf inklusive Versorgungsbedarf aufgeklärt werden (Abb. 3). Nur so können bereits erste Maßnahmen durch die Patienten und Angehörigen im Sinne eines Selbstmanagements in die Wege geleitet und der Grundstein für eine erfolgreiche Entlassung gelegt werden. So sollte dem Patienten auch bereits im Vorfeld mitgeteilt werden, dass z. B. eine Anschlussheilbehandlung möglich wäre, damit dieser sich bereits über einen Antritt Gedanken macht. Auch dass sich die körperliche Belastungsfähigkeit nach dem Eingriff zumindest vorübergehend ändern kann, ist in sehr vielen Fällen für das soziale Umfeld wichtig. So können sich Angehörige bereits im Vorfeld auf eine veränderte Lebenssituation einstellen und möglicherweise bereits im Sinne der Selbststeuerung die häusliche Versorgung postoperativ sicherstellen. In Bezug auf den Ablauf eines Entlassungsmanagements stellt das DNQP mit dem Expertenstandard „Entlassungsmanagement“ eine erste Grundlage dar und trifft vor allem verbindliche Aussagen für das pflegerische Entlassungsmanagement. Dieser Expertenstandard definiert 6 Standardkriterien, welche den Rahmen für einen strukturierten Entlassungsprozess abbilden (s. Checkliste). Dieser Standard ist bereits in vielen Kliniken implementiert und den dortigen Gegebenheiten angepasst. Damit jedoch ein strukturierter Entlassungsprozess stattfinden kann, ist es selbstverständlich erforderlich, dass alle beteiligten Professionen diese Struktur kennen und sich dementsprechend einfügen. Abb. 4 zeigt die Umsetzung des Entlassungsmanagements am HELIOS Klinikum Erfurt sowie die daran Beteiligten und deren Aufgaben unter Berücksichtigung des Expertenstandards und aller Professionen.

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" „Das Entlassungsmanagement l beginnt bereits mit der Aufnahme des Patienten.“

" Je mehr im Vorfeld im Rahmen l der OP‑Planung bezüglich des postoperativen und poststationären Verlaufs gemeinsam mit Patienten und Angehörigen erörtert wird, umso strukturierter und reibungsloser gestaltet sich auch die Entlassungsplanung.

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Beim Überleitungsmanagement wird das Entlassungsmanagement vor allem um den Aspekt des Wechsels in eine andere weiterversorgende Institution erweitert. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich hierbei um eine Verlegung in ein anderes Krankenhaus, in eine Rehabilitationsoder Pflegeeinrichtung. Aus diesem Grund sollten bei Verlegungen in andere Krankenhäuser, Reha- oder AHB‑Einrichtungen immer ein vollständiger Arztbrief sowie Unterlagen zu diagnose- und therapierelevanten bildgebenden Verfahren mitgegeben werden. Das Überleitungsmanagement beinhaltet aber auch z. B. die Einweisung eines Patienten vom niedergelassenen Kollegen in das Krankenhaus. Bereits hier gilt es, Versorgungsbrüche zu vermeiden. Der Patient sollte durch den niedergelassenen Kollegen bereits im Vorfeld über den weiteren Ablauf aufgeklärt werden. Auch die Kontaktaufnahme mit dem Krankenhaus sollte in ausgewählten Fällen erfolgen, sodass bereits hier erste Schritte zur Übernahme der Versorgung in die Wege geleitet werden können. Das Mitgeben einer aktuellen Medikationsliste sowie eine Zusammenstellung der aktuellen Erkrankungen des Patienten empfehlen sich, um bereits hier Übertragungsfehler zu vermeiden.

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Abb. 3 Patienten und Angehörige sollten bereits präoperativ über den stationären Ablauf, die zu erwartende Aufenthaltsdauer und den postoperativen Verlauf inklusive Versorgungsbedarf aufgeklärt werden (Bild: A. Fischer/Thieme Verlagsgruppe).

Die 6 Standardkriterien des DNQP‑Expertenstandards „Entlassungsmanagement“ " " " " " "

Identifikation von Patienten mit Unterstützungsbedarf innerhalb von 24 Stunden individuelle Entlassungsplanung Beratung und Schulung des Patienten sowie der Angehörigen Koordination der Entlassung Überprüfung der Entlassungsplanung 24 Stunden vor Entlassungstermin Qualitätskontrolle innerhalb von 48 Stunden nach Entlassung

Identifikation von Patienten mit Unterstützungsbedarf (Assessment) " Bereits bei Erheben der Anamnel se sollte deshalb die aktuelle häusliche Versorgung bzw. ein bereits vorhandener Pflegebedarf erfragt werden.

Wie schon erwähnt, ist die Identifikation von Patienten mit postoperativem Unterstützungsbedarf der erste wesentliche Schritt im Entlassungsmanagement. Aus diesem initialen Screening und dem aktuellen Aufnahmegrund lässt sich dann der poststationäre Unterstützungsbedarf absehen und die Patienten identifizieren, welche eines entsprechenden Entlassungsmanagements bedürfen. Dieses erste Assessment stellt einen wesentlichen Schritt in der Entlassungsplanung dar, da alle weiteren geplanten Maßnahmen von diesen Einschätzungen und erhobenen Informationen abhängen. Im Rahmen der täglichen Visite sollte diese Bedarfserhebung durch das ärztliche und pflegerische Personal abgestimmt werden und, wenn notwendig, ein Entlassungsmanagement veranlasst bzw. der Case Manager eingeschaltet werden. Zur Durchführung eines systematischen Assessments existieren mittlerweile verschiedene Scores (z. B. BRASS‑Index, Barthel-Index, Funktionale Selbstständigkeitsmessung), mit denen der Versorgungsbedarf systematisch erhoben werden sollte. Die Anwendung der Scores ist jedoch nicht zwingend erforderlich.

Individuelle Entlassungsplanung

" Dadurch können alle Beteiligten l jederzeit den aktuellen Stand der Entlassungsplanung mit den eingeleiteten Maßnahmen nachvollziehen und bei Bedarf abrufen.

Damit eine individuelle Entlassungsplanung durch den Entlassmanager bzw. Case Manager erfolgen kann, sind regelmäßige Gespräche mit dem Patienten sowie den Angehörigen bezüglich des individuellen Versorgungsbedarfs erforderlich. Nur wenn alle Beteiligten in die Entlassungsplanung mit einbezogen werden, können deren Bedürfnisse, Ängste und Sorgen berücksichtigt werden und der entsprechende Therapieerfolg sichergestellt werden. Derartige Gespräche erfolgen auf allen Ebenen, wobei sicherlich der Arzt häufig als primäre Ansprechperson für die Angehörigen und Patienten gesucht wird. Das Ergebnis dieser Gespräche sollte dementsprechend sorgfältig dokumentiert werden, damit alle Professionen einen eventuellen zusätzlichen Bedarf nachvollziehen können. Dabei sollten auch bereits vorhandene Fortschritte im Entlassungsmanagement mit dem Patienten und Angehörigen regelmäßig abgeglichen werden. Generell empfiehlt sich das Erstellen eines Maßnahmenplanes sowie einer zentralen Dokumentation des Entlassungsmanagements in der Krankenakte durch den Entlassungsmanager bzw. Case Manager. Die weitere Übernahme der Koordinierung und Organisation der Entlassungsplanung erfolgt durch den Entlassungsmanager bzw. Case Manager. Dies führt selbstverständlich zu einer deutlichen Reduktion der Belastung des medizinischen Personals vor allem in Bezug auf organisato-

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Aufnahme des Patienten Einschätzung poststationärer Unterstützungsbedarf durch Arzt und Pflegepersonal innerhalb 24 Stunden nein

Bedarf vorhanden

Entlassung gemäß Standard

ja Einschalten des Case Managers (extern)

Pflegepersonal

Sozialdienst

Case Manager (CM)

Patienten-/Angehörigengespräche zur Klärung des Unterstützungsbedarfs auf allen Ebenen An-/Verordnungen AHB-Meldebögen Entlassungstermin Konsile

Beratung/Schulung unter Einbeziehen der Angehörigen

AHB-Beantragung Leistungen der Pflegeversicherung

Einschalten von Pflegediensten, Wunddokumentation Hilfsmittelbeschaffung

zentrale Dokumentation über Fortschritt in der Entlassungsplanung durch CM regelmäßige Evaluierung der geplanten poststationären Maßnahmen im Rahmen der Visiten und ggf. Anpassung (Arzt/Pflegepersonal/CM) 24 Stunden vor Entlassung

Kontakt Hausarzt bzw. stationäre Einrichtung

Evaluation der Entlassungsplanung (Arzt/Pflege/CM)

Arztbrief fertigstellen

Entlassung/Überleitung Evaluation des Entlassungsmanagements durch CM innerhalb von 48 Stunden Abb. 4

Beispiel des Entlassungsmanagements mit einem externen Case Manager am Modell des HELIOS Klinikum Erfurt.

rische Tätigkeiten. Aber auch Angehörige haben so ihren primären Ansprechpartner für die weitere Versorgung. Im Rahmen des Entlassungsmanagements sollten auch die bestehenden Ressourcen des Patienten und der Angehörigen evaluiert werden. Dieses Vorgehen wird unter dem Begriff Selbstmanagement („Empowerment“) zusammengefasst und beinhaltet, gerade diese Ressourcen zu stärken und zu aktivieren, damit eine gewisse Eigenverantwortlichkeit gefördert wird. Im Speziellen bedeutet dies, dass der Patient gewisse Tätigkeiten (z. B. Wechsel des Stomabeutels, Wundmanagement etc.) bzw. den Umgang mit seiner Erkrankung (z. B. Ernährung, körperliche Aktivitäten etc.) im Rahmen von Beratungen oder Schulungen erlernt, um so eine nachhaltige Versorgung im ambulanten Bereich zu garantieren. Zusätzlich sollte die Anbindung in Bezug auf das Selbstmanagement an professionelle Selbsthilfegruppen erfolgen.

Regelmäßige Reevaluation der Entlassungsplanung bzw. des Unterstützungsbedarfs In regelmäßigen Abständen sollte der Fortschritt der Entlassungsplanung im Team (Arzt, Pflege, Case-/Entlassungsmanager) besprochen werden, um den bereits vorhanden Unterstützungsbedarf bzw. eventuelle Versorgungslücken nochmals zu identifizieren. Zusätzlich müssen sich der Case Manager und das ärztliche Personal in Bezug auf den Entlassungstermin abstimmen. Ein

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Arzt

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Abb. 5 Die Qualität des Entlassungsmanagements zeigt sich u. a. in der Patienten- und Angehörigenzufriedenheit (Bild: A. Fischer/ Thieme Verlagsgruppe).

" Um eine Verzögerung der Entlasl sung bzw. eine unmittelbare Rehospitalisierung zu vermeiden, ist eine frühzeitige Information des Patienten bzw. der Angehörigen bezüglich des Entlassungstermins wesentlich.

gutes Entlassungsmanagement lässt sich daran erkennen, dass der Patient nach entsprechender Genesung umgehend entlassen werden kann und es zu keiner organisatorischen Verzögerung gekommen ist, weil z. B. der Pflegedienst nicht organisiert wurde (Abb. 5). Zusätzlich sollte die Entlassung möglichst frühzeitig bzw. spätestens 24 Stunden vor Entlassung mit den Angehörigen abgesprochen werden, damit hier eventuelle Bedürfnisse und Probleme noch behoben werden können. Spätestens 24 Stunden vor der Entlassung sollten auch gemeinsam im Team (Arzt, Pflege, Case-/ Entlassungsmanager) nochmals die eingeleiteten Maßnahmen abgeglichen und überprüft werden. Zusätzlich sollten nochmals alle Aspekte der weiteren Versorgung gemeinsam mit dem Patienten und seinen Angehörigen rekapituliert werden.

Qualitätskontrolle des Entlassungsmanagements Um eine entsprechende Qualität des Entlassungs-/Überleitungsmanagements gewährleisten zu können bzw. Verbesserungen zu ermöglichen, ist deren Evaluation erforderlich. Aus diesem Grund sollte laut Expertenstandard innerhalb der ersten 2 Tage nach Entlassung der Entlassungsmanager Kontakt mit der weiter versorgenden Einrichtung oder mit dem Patienten aufnehmen, um festzustellen, ob die Versorgungsziele erreicht werden konnten bzw. ob es zu Leistungsdefiziten kam. Sofern Versorgungsbrüche bzw. Organisationsprobleme erhoben werden konnten, sollten diese nochmals im Team besprochen werden, um mögliche Schritte zur Optimierung des Entlassungsmanagements in die Wege zu leiten.

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Spezielle ärztliche Aufgabengebiete im Bereich des Entlassungs-/Überleitungsmanagements !

Kontakt mit weiterbehandelnden Kollegen

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Zur Sicherstellung der Kontinuität in der Versorgung chirurgischer Patienten ist gerade das frühzeitige Einbinden von weiterversorgenden Einrichtungen wichtig. So empfiehlt es sich z. B. gerade bei aufwendigen Wundversorgungen, frühzeitig Kontakt mit dem Weiterbehandler, vor allem in stationären Einrichtungen, aufzunehmen. Nicht selten machen sich bei komplexen Fällen ärztliche Kollegen der Rehabilitationseinrichtung einen ersten Überblick vor Ort in der Klinik. Gerade bei komplizierten Verläufen sind deswegen der Griff zum Telefonhörer und die Kontaktaufnahme mit dem Weiterbehandler wesentliche Instrumente zur Sicherung der weiteren Versorgung. Die Kontaktaufnahme mit dem Hausarzt bei komplizierten Verläufen bzw. bei weiterem ambulantem Versorgungsbedarf sollte ebenfalls eine Selbstverständlichkeit darstellen. Dieser Kollege sollte idealerweise 1 – 2 Tage vor Entlassung kontaktiert und über den Verlauf informiert werden. Neben einer optimierten Überleitung resultiert diese Kontaktaufnahme auch in einer deutlich verbesserten Kommunikation und stärkt die Position der Klinik als zuverlässiger Behandlungspartner.

Einleitung von Rehabilitationsmaßnahmen Die Möglichkeit einer medizinischen Rehabilitation sollte bei jedem chirurgischen Patienten in Betracht gezogen werden. Hauptziel einer Rehabilitation liegt in der Minderung oder Behebung von Krankheitsfolgen. Folgende Ziele der Rehabilitation lassen sich demzufolge definieren: " Erhalt bzw. Steigerung der Leistungs-/Erwerbsfähigkeit und somit der Verbleib im Berufsleben, " Verbesserung der Lebensqualität, " Verringerung von weiteren Ausgaben in anderen Sektoren. Bereits früh sollte man deswegen auch den Wunsch des Patienten eruieren, da gerade eine Rehabilitation nur bei motivierten Patienten Sinn macht. Neben der Motivation müssen auch der Rehabilitationsbedarf und die Rehabilitationsfähigkeit durch den behandelnden Arzt festgestellt werden (s. Infobox).

Definitionen gemäß gemeinsamem Bundesausschuss über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (2009) Rehabilitationsbedürftigkeit (§ 8) Rehabilitationsbedürftigkeit besteht, wenn aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Schädigung " voraussichtlich nicht nur vorübergehende alltagsrelevante Beeinträchtigungen der Aktivität vorliegen, durch die in absehbarer Zeit eine Beeinträchtigung der Teilhabe droht, oder " Beeinträchtigungen der Teilhabe bereits bestehen und " über die kurative Versorgung hinaus der mehrdimensionale und interdisziplinäre Ansatz der medizinischen Rehabilitation erforderlich ist. Zu den Beeinträchtigungen der Teilhabe gehört auch der Zustand der Pflegebedürftigkeit. Rehabilitationsfähigkeit (§ 9) Entsprechende psychische und körperliche Verfassung, um an entsprechender Rehabilitationsmaßnahme teilzunehmen.

Barthel-Index (BI) Ein häufig verwendetes und teilweise auch gefordertes Assessmentinstrument im Rahmen der Planung von Rehabilitationsmaßnahmen stellt der Barthel-Index (BI) dar. Dieser erhebt Aktivitäten des täglichen Lebens und eignet sich im Speziellen für die rehabilitative Diagnostik, auch um die Pflegebedürftigkeit festzustellen. Für die Frührehabilitation wurde der BI um besondere Aspekte, wie z. B. Beatmung, absaugpflichtiges Tracheostoma oder Intensivüberwachung, erweitert. Ermittlung von Barthel-Index (BI) und Frührehabilitations-Barthel-Index (FBI). Beide Scores werden durch einfache Addition der jeweiligen Punkteanzahl erhoben, sodass beim BI eine Maximalpunktzahl von 100 Punkten erreicht werden kann. Der FBI beschreibt zusätzliche Funktionsbeeinträchtigungen und spielt vor allem für die Zuordnung zu den einzelnen neurologi-

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" Sowohl der Barthel-Index (BI) als l auch der Frührehabilitations-Barthel-Index (FBI) stellen zusätzliche Assessmentinstrumente zur Einschätzung der Rehabilitationsfähigkeit dar. Tab. 1 zeigt den Aufbau bzw. die Erhebung beider Indizes.

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CME

Entlassungs- und Überleitungsmanagement

Tab. 1 Erhebungsbogen des Barthel-Index (BI) in Kombination mit dem Frührehabilitations-Barthel-Index. Barthel-Index (BI) 1. Essen und Trinken

Punkte

7. Treppensteigen

Punkte

Unabhängig, Patient isst selbstständig, benutzt Geschirr und Besteck

10

Unabhängig

10

Benötigt Hilfe oder Überwachung

5

Braucht etwas Hilfe, z. B. mundgerechte Vorbereitung

5

Auch mit Hilfe ist Treppensteigen nicht möglich

0

Total hilfsbedürftig

0

8. An- und Auskleiden

2. Bett-Rollstuhl-Transfer

Unabhängig

Unabhängig

15

Geringe Hilfe erforderlich

10

Erhebliche Hilfe beim Transfer; Lagewechsel selbstständig möglich

5

Total hilfsbedürftig

0

10

Benötigt Hilfe, kann jedoch 50% der Tätigkeit selbstständig durchführen

5

Nicht selbstständig

0

9. Stuhlkontrolle Kontinent

5 0

Unabhängig

5

Inkontinent

Total hilfsbedürftig

0

10. Urinkontrolle

4. Toilettenbenutzung

10

Gelegentlich inkontinent, maximal 1×/Woche

Kontinent

Unabhängig

10

Benötigt Hilfe, z. B. Gleichgewicht, An- und Ausziehen der Kleider

5

10

Gelegentlich inkontinent, maximal 1×/Woche

5

Inkontinent

0

Gesamtpunktzahl (maximal 100 Punkte erreichbar) Total hilfsbedürftig

0

5. Baden

Frührehabilitations-Barthel-Index (FBI) Intensivmedizinisch überwachungspflichtiger Zustand

− 50

Unabhängig

5

Absaugpflichtiges Tracheostoma

− 50

Total hilfsbedürftig

0

Intermittierende Beatmung

− 50

Beaufsichtigungspflichtige Orientierungsstörung

− 50

Beaufsichtigungspflichtige Verhaltensstörung

− 50

Schwere Verständigungsstörung

− 25

Beaufsichtigungspflichtige Schluckstörung

− 50

6. Gehen auf ebenem Grund Unabhängig beim Gehen über 50 m; Hilfsmittel außer Gehwagen erlaubt

15

Geringe Hilfe erforderlich; kann mit Hilfsmittel 50 m gehen

10

Nicht selbstständig beim Gehen, Rollstuhl wird aber bedient

5

Total hilfsbedürftig beim Gehen oder Rollstuhlfahren

0

Gesamtpunktezahl (BI + FBI; − 325 – 100 Punkte erreichbar)

schen Frührehabilitationsphasen eine Rolle. Beim FBI werden die entsprechenden negativen Punktewerte zum Ergebnis des BI addiert, sodass dieser Werte zwischen − 325 und 100 Punkten erreichen kann. Bei Patienten mit einem FBI ≤ 30 kann nach Abschluss der Akutbehandlung eine Frührehabilitation in Betracht gezogen werden, sofern eine Rehabilitationsfähigkeit gegeben ist. Ab einem BI bzw. FBI von 70 ist hingegen die Durchführung einer AHB möglich. Zusätzlich lassen sich durch beide Scores die Einschränkungen des Patienten und der Pflegeaufwand einschätzen.

Leistungen der medizinischen Rehabilitation Die Leistungen der medizinischen Rehabilitation sind untergliedert in " stationäre Leistungen " stationäre Rehabilitation " Anschlussrehabilitation/Anschlussheilbehandlung " Frührehabilitation " ambulante/teilstationäre Leistungen Grundsätzlich sollte beachtet werden, dass, sofern dies möglich ist, ambulante vor stationären Maßnahmen gewählt werden. Dies setzt jedoch entsprechende Angebotsstrukturen in der örtlichen Umgebung voraus. Außerdem müssen von Patientenseite eine ausreichende Mobilität, eine zumutbare Fahrzeit sowie die häusliche Versorgung gewährleistet sein. Aufgrund dieser Bedingungen erscheinen stationäre Behandlungen für chirurgische Patienten in der Mehrzahl der Fälle sinnvoller.

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3. Waschen

Fortbildung

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Anschlussheilbehandlung/Anschlussrehabilitation " Generell gilt, dass eine Anschlussl heilbehandlung nur bei bestimmten Erkrankungen aus einem festgelegten Indikationskatalog durchgeführt werden kann und innerhalb von 14 Tagen nach Beendigung des stationären Aufenthaltes begonnen wird.

Kriterien für die Rehabilitationsfähigkeit zur Durchführung einer AHB " "

" "

Abschluss der Akutbehandlung überwiegende Eigenständigkeit in den Aktivitäten des täglichen Lebens (z. B. sich selbstständig waschen, ohne fremde Hilfe essen) vorhandene Frühmobilisation und ausreichende Belastbarkeit Motivation und Motivierbarkeit des Patienten

Um eine möglichst rasche Beantragung und Bewilligung der AHB zu gewährleisten, wurde ein Indikationskatalog geschaffen, der alle Erkrankungen bzw. Eingriffe zusammenfasst, bei denen eine solche Maßnahme durchgeführt werden kann. Nach Prüfung der Rehabilitationsfähigkeit und der Indikation ist es ärztliche Aufgabe, einen AHB‑Befundbericht (vorgefertigte Formblätter) auszufüllen, damit eine rasche Einleitung der AHB gewährleistet ist. Die weitere Organisation bzw. Klärung von versicherungsrechtlichen Fragen sowie Übernahmeplanung mit den AHB‑Kliniken übernimmt der Sozialdienst.

Frührehabilitation Besteht bei dem Patienten keine Rehabilitationsfähigkeit im Sinne einer AHB aufgrund eines noch ausgeprägten Defizits (FBI < 30 Punkte), so kann eine Frührehabilitation nach Abschluss der Akuttherapie erwogen werden. Meist liegen bei Patienten, welche für eine Frührehabilitation vorgesehen sind, noch Bewusstseinsstörungen vor und diese sind deswegen voll von pflegerischer Hilfe abhängig. Ziel einer Frührehabilitationsstation ist die Komplikationsvermeidung.

Ziele der Frührehabilitation " " "

Stabilisierung bzw. Verbesserung des Gesundheitszustandes sowie der Bewusstseinslage zunehmende Mobilisation Verminderung der Pflegebedürftigkeit

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" Bei malignen Erkrankungen erl folgt in aller Regel eine Kostenübernahme durch die GRV oder GKV.

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Unter diesem Begriff werden stationäre Leistungen zur Rehabilitation zusammengefasst, die sich unmittelbar oder in engem zeitlichem Zusammenhang an eine Krankenhausbehandlung anschließen. Ist die Erwerbsfähigkeit gemindert oder gefährdet, so werden die Kosten in aller Regel bei berufstätigen Personen von der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) übernommen. Trifft dies nicht zu, so werden die Kosten von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) oder einer anderen Sozialversicherung übernommen. Im Unterschied zu anderen stationären Rehabilitationen gilt, dass nicht der Versicherte selbst die AHB beantragt, diese wird vielmehr direkt vom Stationsarzt beantragt. Aus diesem Grund sollte möglichst früh durch den Stationsarzt die Fähigkeit zur AHB geprüft werden, um keine Verzögerungen in Hinblick auf die Entlassung in Kauf nehmen zu müssen. In ihrer Zielsetzung und Durchführung unterscheidet sich die AHB kaum von der herkömmlichen stationären Rehabilitation. Jedoch liegt aber meist ein höherer Schweregrad von Erkrankungen vor; der BI sollte jedoch mindestens 70 Punkte betragen. Kriterien für die Rehabilitationsfähigkeit zur Durchführung einer AHB sind in der Checkliste genannt. Ergänzend ist hier zu erwähnen, dass eine asymptomatische MRSA‑Besiedelung eine AHB nicht automatisch ausschließt. Diese kann bei vorliegender Rehabilitationsfähigkeit und positiver Rehabilitationsprognose durchaus durchgeführt werden, sofern angemessene Rehabilitationsziele trotz entsprechender Isolierungsmaßnahmen erreicht werden können. Dies wird jedoch im Einzelfall geprüft.

CME

Entlassungs- und Überleitungsmanagement

Verfassen von Arztbriefen ! " Idealerweise wird bereits ein vorl läufiger Arztbrief 1 – 2 Tage vor Entlassung an den Hausarzt oder die weiterversorgende Einrichtung gesandt, sodass garantiert werden kann, dass Medikamente, Hilfs- und Pflegemittel unmittelbar bei Entlassung verfügbar sind und z. B. die Wundversorgung durch den Pflegedienst nahtlos übernommen werden kann.

Der Arztbrief stellt im Rahmen des Entlassungs-/Überleitungsmanagements das zentrale Dokument für die weitere Versorgung dar. Nicht selten ist dieser leider das einzige Kommunikationsmittel zwischen Klinik und Weiterbehandler. Zusätzlich ist der Arztbrief bis zu einem gewissen Grad auch das Aushängeschild einer Klinik und repräsentiert die qualitative Arbeit einer Klinik. Aus diesem Grund sollten gewisse Standards und Ansprüche an das Verfassen dieses Dokumentes gestellt werden. Im Hinblick auf eine unkomplizierte Überleitung ist es deshalb nach unserer Meinung erforderlich, dass der Arztbrief bereits bei Entlassung bzw. Verlegung des Patienten in vollem Umfang vorliegt. Handschriftliche Kurzarztbriefe haben sich in der Vergangenheit nicht bewährt bzw. führen unweigerlich zu einem Informationsverlust, weswegen diese nicht mehr verwendet werden sollten.

Aufbau eines Arztbriefes Der Arztbrief sollte alle wichtigen Informationen für die weitere Behandlung bzw. Nachsorge des Patienten enthalten. Die Checkliste „Was sollte ein Arztbrief beinhalten?“ führt wesentliche Kernpunkte eines strukturierten Arztbriefes an (s. u.). Neben der Entlassungsdiagnose sowie weiteren behandlungsrelevanten Diagnosen, Therapien und relevanten Prozeduren sind entsprechende Untersuchungsbefunde anzufügen, um Doppeluntersuchungen zu vermeiden. Die Ergebnisse präoperativer Diagnostik sollten hier ebenso angeführt werden wie z. B. die exakte Beschreibung des Tumorbefundes, die Höhenlokalisation etc. Selbstverständlich ist auch ein ausführlicher histologischer Bericht anzuführen.

Was sollte ein Arztbrief beinhalten? Haupt- und relevante Nebendiagnosen (inkl. ICD‑Schlüssel) " An erster Stelle steht die Hauptdiagnose " Bei Karzinomen pTNM‑Klassifikation und UICC‑Stadien anführen " Anführen von Infektionen (MRSA etc.) inkl. Lokalisation Sämtliche durchgeführte Therapien/Prozeduren (kodiert nach OPS) Anamnese " Aufnahmegrund " kurze Sozialanamnese Wesentliche Befunde " präoperative Befund " radiologische Befunde " Sonografie " Endoskopie " Histologie " Tumormarker " ggf. wichtige mikrobiologische Befunde Stationärer Verlauf " kurz und prägnant geschildert " Erwähnung wesentlicher intraoperativer Befunde " Änderungen in bereits vorhandener Medikation anführen " durchgeführte Patientenschulungen bzw. Beratungen " ggf. Beschreibung von Wundverhältnissen Empfehlungen bzw. weitere Nachbehandlung " medizinische Empfehlungen " Beschluss des interdisziplinären Tumorboards " weitere durchzuführende Therapien (z. B. Chemotherapie etc.) " Termine für weitere Behandlung bzw. Nachsorge " empfohlene klinische und laborchemische Kontrollen " weitere Versorgung " Anschlussheilbehandlung " Pflegedienst " Verlegung in Pflegeheim " Kurzzeitpflege " Betreuungsverhältnis Aktuelle Medikationsliste " Angabe aller Medikamente mit entsprechenden Wirkstoffen

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CME

In einem strukturierten Arztbrief sollte der stationäre Verlauf insgesamt kurz und prägnant geschildert werden, wobei alle relevanten Informationen enthalten sind. Auch besondere intraoperative Befunde sollten hier ggf. angeführt werden, um gewisse Entscheidungen und Nachbehandlungen weiter nachvollziehen zu können. In Bezug auf die weitere Versorgung ist es ebenso erforderlich, die aktuelle soziale und pflegerische Versorgungssituation zu schildern, damit der Weiterbehandler sich sofort einen Überblick verschaffen kann, um eventuelle Maßnahmen zur Sicherung der Weiterversorgung des Patienten ergreifen zu können. Schlussendlich sollten alle weiteren Therapie- sowie Nachsorgeempfehlungen zusammengefasst werden. Diese sollten möglichst verständlich und detailliert vorliegen, sodass kein Informationsverlust entsteht. Besonders bei Tumorpatienten bietet es sich an, auch dem Weiterbehandler einen Nachsorgeplan mit den entsprechenden geforderten Untersuchungen und dem jeweiligen Datum an die Hand zu geben. Auch sollten Entscheidungen des Tumorboards nochmals erläutert werden. Ganz wesentlich für das Entlassungsmanagement ist an dieser Stelle die Schilderung der weiteren Versorgung. Am Ende jedes Arztbriefes sollte eine vollständige Medikationsliste des Patienten angeführt werden, insbesondere sollte hier auf die Angabe der enthaltenen Wirkstoffe Wert gelegt werden. Formulierungen wie „Hausmedikation unverändert weiter“ sollten deshalb der Historie angehören.

Fazit !

Das Entlassungs-/Überleitungsmanagement ist nicht zuletzt aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen und des demografischen Wandels ein essenzieller Bestandteil im Rahmen des klinischen Alltages geworden. Ein universelles Konzept zur Anwendung an den unterschiedlichen Kliniken existiert bis dato nicht. Unterschiedliche Systeme haben sich hierzu etabliert, angepasst an die jeweiligen Standorte und Gegebenheiten. In Zukunft sind jedoch noch weitere Verbesserungen und vor allem Schaffung von Organisationsstrukturen im Rahmen des Entlassungsmanagements erforderlich, um den Erfordernissen eines zunehmenden ökonomischen Druckes und den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden.

Interessenkonflikt !

Die Autoren bestätigen, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Zum Weiterlesen und Vertiefen ! 1 Ballsieper K, Lemm U, von Reibnitz C. Überleitungsmanagement. Heidelberg: Springer; 2012 2 Deimel D, Müller M‑L. Entlassungsmanagement. Stuttgart: Thieme; 2013 3 Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege, Hrsg. Expertenstandard Entlassungsmanagement in der Pflege, 1. Aktualisierung. Hochschule Osnabrück; 2009 4 Matschke G. Expertenstandard Entlassungsmanagement in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen – Anspruch und Wirklichkeit. Hamburg: Diplomica; 2010

Quellenangaben ! 1 Statistisches Bundesamt, Hrsg. Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2 – Auswirkungen auf Krankenhausbehandlungen und Pflegebedürftige. Wiesbaden: 2010: 12 2 Deimel D, Müller M‑L. Entlassungsmanagement. Stuttgart: Thieme; 2013

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" Eckpfeiler für ein gutes Entlasl sungs-/Überleitungsmanagement ist jedoch generell ein funktionierendes multiprofessionelles Team.

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Fortbildung

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CME

Entlassungs- und Überleitungsmanagement

CME‑Fragen Entlassungs- und Überleitungsmanagement

A B C

D E

2 n A B C D E

3 n A B C D E

4 n A B C D E

Eine der folgenden Aussagen zum Entlassungsmanagement trifft nicht zu. Welche? Ein gutes Entlassungsmanagement lässt sich am „Drehtüreffekt“ messen. Es sollen Versorgungsbrüche vermieden werden. Seit 01. 01. 2012 hat jeder gesetzlich versicherte Patient Anspruch auf ein Entlassungsmanagement. Entlassungsmanagement umfasst nur stationäre Behandlungsformen. Das Entlassungsmanagement ist ein multiprofessioneller Prozess. Welche Aussage zum Case Management trifft zu? Das Case Management beschäftigt sich unter anderem mit besseren Kodierungsmöglichkeiten. Ein Entlassungsmanagement ohne Case Manager ist nicht möglich. Case Management geht über den stationären Bereich hinaus. Das direkte Entlassungsmanagement beinhaltet immer einen Case Manager. Case Management beginnt mit der Entlassung.

Das direkte Entlassungsmanagement ist charakterisiert durch … … einen vorhandenen externen Case Manager. … die Übernahme von Teilaufgaben des Entlassungsmanagements durch das Pflegepersonal. … direkten Beginn des Entlassungsmanagements bei Beginn der Aufnahme. … vermehrten Personalaufwand mit Schaffung zusätzlicher Stellen. … die Abschaffung des Sozialdienstes. Wodurch ist das indirekte Entlassungsmanagement gekennzeichnet? durch Schaffung zusätzlicher Schnittstellen durch einen erhöhten Drehtüreffekt durch die mögliche Einbindung eines Case Managers durch die alleinige Übernahme des Entlassungsmanagements durch den Arzt Eine zusätzliche Bezeichnung des indirekten Entlassungsmanagements lautet „dezentrale Form des Entlassungsmanagements“.

5 n A B C D E

6 n A B C

D E

7 n A B C D E

8 n A B C D E

9 n A B C D E

Was gehört nicht zu den Zielen des Entlassungsmanagements? Verlagerung der Therapie in den ambulanten Bereich Sicherstellen der nachstationären Versorgung Erhöhung der Patientenzufriedenheit Sicherung des Therapieerfolges Optimierung vorhandener Organisationsstrukturen Welches ist kein unbedingt notwendiger Schritt des Entlassungsmanagements? Assessment Empowerment Evaluation der Entlassungsplanung 24 Stunden vor tatsächlicher Entlassung Qualitätskontrolle des Entlassungsmanagements Erhebung des BRASS‑Index Wie schnell muss eine Anschlussheilbehandlung nach Operation bzw. Beendigung des stationären Aufenthaltes angetreten werden? 7 Tage 3 Wochen < 1 Monat 14 Tage Es gibt keine Grenze. Wie hoch sollte der Barthel-Index bei Patienten mit dem Antrag auf eine AHB liegen? < 30 ≥ 70 > 65 < 45 ≥ 80 Was ist kein Kriterium zur Durchführung einer Anschlussheilbehandlung? ausreichende Belastbarkeit abgeschlossene Wundbehandlung abgeschlossene Akutbehandlung stattgehabte Frühmobilisation überwiegende Eigenständigkeit

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1 n

Fortbildung

A B C

D E

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Eine der folgenden Aussagen zur Anschlussheilbehandlung trifft nicht zu. Welche? Die Kosten werden in aller Regel von der GRV oder GKV getragen. Das Anfertigen des AHB‑Befundberichtes ist ärztliche Aufgabe. Die Indikationen zur Durchführung einer AHB sind in einem speziellen Indikationskatalog festgelegt. Die Rehabilitationsfähigkeit sollte möglichst früh geprüft werden. Bei malignen Erkrankungen erfolgt die Kostenübernahme grundsätzlich durch die GKV.

Viel Erfolg bei Ihrer CME-Teilnahme unter http://cme.thieme.de Bitte informieren Sie sich über die genaue Gültigkeit dieser Fortbildungseinheit unter http://cme.thieme.de Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, unter http://cme.thieme.de/hilfe finden Sie eine ausführliche Anleitung.

Impressum ! Fortbildung Urologie Entlassungs- und Überleitungsmanagement Autoren: M. Mille, A. Stier Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, HELIOS Klinikum Erfurt

Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und ggf. nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in dieser Broschüre abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf dem Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. © 2014 Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart

Konzeption und Umsetzung: Joachim Ortleb Georg Thieme Verlag KG Klinik und Praxis Zertifizierte Fortbildung

Unsere Homepage: http://www.thieme.de Printed in Germany Satz: Ziegler + Müller, text form files, Kirchentellinsfurt

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[Discharge and transfer management].

The demographic changes together with the increasingly shorter duration of hospital stays are leading to changes in the current health care systems. N...
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