© Klaus Rüschhoff, Springer Medizin

Urologe 2014 · 53:1215–1226 DOI 10.1007/s00120-014-3506-4 Online publiziert: 7. August 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Redaktion

M.-O. Grimm, Jena A. Gross, Hamburg C.-G. Stief, München J.-U. Stolzenburg, Leipzig in Zusammenarbeit mit M.-S. Michel, Mannheim, Vorsitzender der Akademie der Deutschen Urologen

3 Punkte sammeln auf...

springermedizin.de/ eAkademie Teilnahmemöglichkeiten Diese Fortbildungseinheit steht Ihnen als e.CME und e.Tutorial in der Springer Medizin e.Akademie zur Verfügung. – e.CME: kostenfreie Teilnahme im Rahmen des jeweiligen Zeitschriftenabonnements – e.Tutorial: Teilnahme im Rahmen des e.Med-Abonnements

CME Zertifizierte Fortbildung M. Horstmann1 · T. Franiel2 · M.O. Grimm1 1 Klinik und Poliklinik für Urologie, Universität Jena 2 Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie II, Universitätsklinikum Jena

Zertifizierung Diese Fortbildungseinheit ist mit 3 CMEPunkten zertifiziert von der Landesärztekammer Hessen und der Nordrheinischen Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung und damit auch für andere Ärztekammern anerkennungsfähig.

Hinweis für Leser aus Österreich Gemäß dem Diplom-Fortbildungs-Programm (DFP) der Österreichischen Ärztekammer werden die in der e.Akademie erworbenen CME-Punkte hierfür 1:1 als fachspezifische Fortbildung anerkannt.

Kontakt und weitere Informationen Springer-Verlag GmbH Springer Medizin Kundenservice Tel. 0800 77 80 777 E-Mail: [email protected]

Differenzialdiagnose der Hämaturie Zusammenfassung

Hämaturie ist das Leitsymptom etlicher urologischer und nephrologischer Erkrankungen. Bei der Differenzialdiagnose wird zwischen schmerzhafter und schmerzloser und zwischen der mit bloßem Auge sichtbaren Makro- und der nicht sichtbaren Mikrohämaturie unterschieden. Als Grund für eine Hämaturie kommen prinzipiell renale (glomeruläre) und nicht renale (nichtglomeruläre) Ursachen in Frage. Um einerseits Frühsymptome maligner und relevanter gutartiger Erkrankungen nicht zu verpassen und um andererseits eine übermäßige Diagnostik zu vermeiden, ist ein differenziertes Vorgehen wichtig.

Schlüsselwörter

Makrohämaturie · Mikrohämaturie · Risikofaktoren · Ursachen · Diagnostik

Der Urologe 8 · 2014

| 1215

CME

Lernziele Mit dem Absolvieren dieser Fortbildungseinheit … F werden die Begriffsdefinitionen zur Hämaturie wiederholt und aufgefrischt. F erwerben Sie Kenntnisse über die alters- und risikofaktorabhängige Gewichtung der in der urologischen Praxis wichtigsten Differenzialdiagnosen der Hämaturie sowie deren leitlinienkonforme Abklärung. F erhalten Sie einen Überblick über die derzeit aktuellen und zum Teil nicht einheitlichen Leitlinienempfehlungen zur Abklärung der asymptomatischen Mikrohämaturie.

Die Hämaturie ist ­Leitsymptom etlicher urologischer und ­nephrologischer Erkrankungen

Die Hämaturie ist nach den altgriechischen Begriffen „häma“ (= Blut) und „ouros“ (= Urin) als Blutbeimengung zum Urin definiert. Sie ist Leitsymptom etlicher urologischer und nephrologischer ­Erkrankungen und kann ihren Ursprung vom Glomerulum bis zur Harnröhre im gesamten Harntrakt haben. Je nach Klinik und Vorgeschichte kommen unterschiedliche Differenzialdiagnosen als Ursache in Frage. Im Folgenden sollen die möglichen Ursachen einer Hämaturie differenzialdiagnostisch erfasst und die derzeit empfohlenen diagnostischen Schritte zur Abklärung besprochen werden.

Begriffe und Definitionen Makrohämaturie (sichtbare Hämaturie) Bereits ab 1 ml Blut pro Liter Urin kann die Hämaturie für das bloße Auge sichtbar werden

Der Hämoglobinnachweis im Urinstreifentest reicht für die Diagnose einer Hämaturie nicht aus

Makrohämaturie bezeichnet jede sichtbare Hämaturie. Der Begriff „sichtbare Hämaturie“ wird daher synonym benutzt. Bereits ab 1 ml Blut pro Liter Urin kann die Hämaturie für das bloße Auge sichtbar werden [1]. Je nach Farbintensität und Diuresevolumen kann zwischen einer starken und einer schwachen Blutung differenziert werden. Weiterhin kann zwischen einer frischen [rosé bis hellrot bis zu intensiv rot (Ketchup)] und einer alten Blutung [dunkelrot (bordeauxrot), mit und ohne Koagelbeimengung] unterschieden werden. Da eine Rot- bzw. Dunkelfärbung des Urins neben einer Erythrozytenbeimengung auch andere Ursachen wie z. B. eine Myoglobinurie oder Hämoglobinurie haben kann, reicht der Hämoglobinnachweis im Urinstreifentest für die zweifelsfreie Diagnose einer Hämaturie nicht aus. Hierfür muss ein qualitativer und quantitativer mikroskopischer Nachweis von Erythrozyten z. B. im Urinsediment erbracht werden [2].

Mikrohämaturie (unsichtbare Hämaturie) Bei der Mikrohämaturie handelt es sich nach der Definition der aktuellen, 2012 publizierten evidenzbasierten Leitlinien der amerikanischen Gesellschaft für Urologie (AUA; [3]) um eine nicht ­sichtbare Hämaturie ab einer Erythrozytenbeimengung von 3 Erythrozyten pro Geschichtsfeld. ­Voraussetzung für das Vorliegen einer Mikrohämaturie ist, dass die Bestimmungen in sauber gewonnenen und nichtkontaminierten Urinproben erfolgen. In solchen Urinproben gilt die Erythrozytenausscheidung unter diesem Schwellenwert als physiologisch.

Differential diagnosis of hematuria Abstract

Hematuria is the main symptom of many urological and nephrological diseases. In the differential diagnostics a distinction is made between painful and pain-free and between macrohematuria which is visible to the naked eye and microhematuria which is not visible. The reasons for hematuria are basically renal (glomerular) and non-renal (non-glomerular) causes. In order not to overlook early symptoms of malignant and relevant benign diseases and also to avoid excessive diagnostic tests, a differentiated approach is necessary.

Keywords

Macrohematuria · Microhematuria · Risk factors · Causes · Diagnostics

1216 | 

Der Urologe 8 · 2014

CME Tab. 1  Differenzierung der Hämaturie. (Nach [1])   Farbe Koagel Proteinurie Erythrozytenform Erythrozytenzylinder

Nichtglomeruläre Hämaturie Rot oder pink Evtl. vorhanden In der Regel 500 mg/dl Dysmorph >30% Evtl. vorhanden

Häufig ist eine Mikrohämaturie nur episodisch und daher in nur einzelnen Untersuchungen nachweisbar. In diesem Fall wird sie als transient bezeichnet [1]. Als signifikant wird eine Hämaturie ­gemäß Definition der britischen Leitlinien zur Hämaturie der Gesellschaft für Nephrologie und Urologie bezeichnet, wenn sie in mindestens 2 von 3 aufeinanderfolgenden Untersuchungen nachgewiesen wurde [4]. Einen besonderen Stellenwert nimmt in der Literatur die asymptomatische ­Mikrohämaturie (AMH) ein, da sie per Definition ohne klinisches Korrelat auftritt und sich bei ihr in ­besonderem Maße die Frage nach Notwendigkeit und Art der weiteren diagnostischen ­Abklärung stellt [3].

Schmerzlose Hämaturie und schmerzhafte Hämaturie Prinzipiell kann das Symptom Hämaturie sowohl isoliert als auch im Rahmen eines Symptomkomplexes mit z. B. Schmerzen oder klinischen Infektzeichen auftreten. Die Hämaturie wird dann als schmerzlos oder schmerzhaft bezeichnet [2].

Initiale, terminale und komplette Hämaturie Diese Einteilung erlaubt Rückschlüsse auf den Ursprung der Hämaturie. Eine initiale Hämaturie spricht z. B. für eine subvesikale Blutungsquelle und eine terminale Hämaturie für eine vesikale Ursache. Demgegenüber hat eine totale Hämaturie häufig einen supravesikalen Ursprung [5].

Urinverfärbung ohne Hämaturie Auch ohne Blutbeimengung (Erythrozyten) im Urin kann der Urin rot oder dunkel gefärbt sein und dies mit einer Hämaturie verwechselt werden. Bleibt im Urinsediment nach Zentrifugation der Nachweis von Erythrozyten aus und der Urinüberstand rot verfärbt, muss differenzialdiagnostisch an eine Myoglobinurie oder Hämoglobinurie gedacht werden [1]. Andere mögliche Ursachen der Urinverfärbung sind: F Einnahme von Medikamenten (Doxorubicin, Ibuprofen, Rifampicin oder Chloroquin), F Aufnahme bestimmter Nahrungsmittel (Rote Beete) oder Metaboliten (Porphyrine, ­Methämoglobin, Gallefarbstoffe oder Urate; [1]).

Auch ohne Blutbeimengung im Urin kann dieser rot oder dunkel gefärbt sein

Glomeruläre und nichtglomeruläre Hämaturie Beim Nachweis von Erythrozyten im Sediment kann je nach Blutungsquelle zwischen einer glomerulären und einer nichtglomerulären Hämaturie unterschieden werden. Die glomeruläre Hämaturie ist in der Regel mit einer Proteinurie von mehr als 500 mg/dl assoziiert, und es finden sich typischerweise dysmorphe Erythrozyten mit z. B. Akanthozyten oder Erythrozytenzylindern darunter. Im Fall einer sichtbaren Hämaturie (Makrohämaturie) ist die nichtglomeruläre Hämaturie meist rosa bis rot verfärbt und führt im Unterschied zur glomeruläre Hämaturie ab einer bestimmten Blutungsmenge zur Koagelbildung (. Tab. 1). Die weitere Abklärung einer glomerulären Hämaturie findet durch einen Nephrologen statt. Im Rahmen dessen findet bei Risikofaktoren für eine progressive renale Erkrankung (Proteinurie, Bluthochdruck oder erhöhte Kreatininwerte) eine Nierenbiopsie statt [1].

Bei Risikofaktoren für eine progressive renale Erkrankung findet eine Nierenbiopsie statt

Der Urologe 8 · 2014 

| 1217

CME

Traumatische Hämaturie Im Rahmen verschiedener Traumata vom stumpfen Perinealtrauma bis hin zum Polytrauma kann es zu Verletzungen der Harnwege kommen. Bei Verletzungen mit Anschluss zum Hohlsystem der Harnwege kann eine Hämaturie als typisches Symptom auftreten. Andere Formen der traumatischen Hämaturie sind iatrogene Harnwegsverletzungen im Rahmen von Katheterisierungen oder nach ­operativen Maßnahmen im Bereich der Harnwege.

Hämaturie bei Infektzeichen Jeder Infekt der Harnwege kann zu einer Hämaturie führen

Jeder Infekt der Harnwege kann zu einer Hämaturie führen. In Kombination mit einem Infektnachweis im Urin, irritativen Beschwerden und/oder systemischen Infektzeichen wie Fieber, Asthenie oder Schüttelfrost können sowohl eine Mikro- als auch eine Makrohämaturie als Symptom auftreten.

Ursachen Epidemiologie Mit einer Prävalenz von 2–16% in einer erwachsenen Population ist die Hämaturie ein häufiges Symp­tom [6]. Je nach Alter und Zusammensetzung der untersuchten Populationen sind die Ursachen für eine Hämaturie sehr unterschiedlich.

Häufigste Ursachen und Differenzialdiagnosen

Ab dem 40. Lebensjahr steigt der Anteil der Patienten, bei denen ein malignes urologisches Leiden Ursache der Hämaturie ist

1218 | 

Der Urologe 8 · 2014

In einer retrospektiven Analyse von 1000 erwachsenen Patienten aller Altersgruppen wurden von Mariani et al. [7] die häufigsten Ursachen einer Hämaturie untersucht. Als häufigste Ursachen wurden hierbei Urethritis/Trigonitis mit 38% und benigne Prostatahyperplasie mit 17,5% beschrieben, gefolgt von Zystitis (7,3%) und Blasenkrebs (6,5%). In einer Subpopulation von 100 Männern im ­Alter unter 40 Jahren zeigte sich im Vergleich eine deutlich andere Verteilung der Ursachen: In ­dieser Subpopulation ergab die Abklärung der Hämaturie nur bei 32 Patienten eine klare Ursache. Als häufigste Ursache wurde in 10 Fällen eine Urethritis bzw. Prostatitis und in 7 Fällen eine Marschhämaturie diagnostiziert. Bei keinem der Patienten war ein malignes Leiden Ursache der Hämaturie [8]. Diese Beobachtung trifft auch auf Kinder und Adoleszenten zu, bei denen im Gegensatz zu Erwachsenen maligne Erkrankungen als Ursache einer Hämaturie eine Rarität sind. Bei ihnen treten ­ursächlich vor allem Glomerulopathien, hereditäre Erkrankungen und Infektionskrankheiten auf [9]. Ab dem 40. Lebensjahr steigt allerdings der Anteil der Patienten, bei denen ein malignes urologisches Leiden Ursache der Hämaturie ist, stetig an. In einer prospektiven Studie von Khadara et al. [10] wurden insgesamt 1930 Patienten mit Mikro- und/oder Makrohämaturie mittels flexibler Zystoskopie, Ausscheidungsurgraphie und Ultraschall abgeklärt. Hierbei zeigte sich bei Männern und Frauen bei Makro- und Mikrohämaturie mit zunehmendem Lebensalter der Patienten eine stetige Zunahme der Patienten mit Tumorerkrankungen. Zwischen dem 40. und 49. Lebensjahr (Lbj.) lag z. B. bei Männern der Anteil der Makrohämaturiepatienten mit relevanten Tumorerkrankungen als Ursache der Blutungen bei 15,9%, zwischen dem 50. und 59. Lbj. bei 20,4% sowie zwischen dem 60. und 69. Lbj. bei 28,9%. Ein ähnlicher altersabhängiger Anstieg des Anteils der Tumorpatienten ­ergab sich auch bei Frauen mit Makrohämaturie und traf bei einem insgesamt niedrigeren Anteil an ­Tumorpatienten auch auf Patienten mit reiner Mikrohämaturie zu. Während bei der Mikrohämaturie je nach untersuchten Personengruppen bei 2% bis maximal 12,5% der Patienten eine maligne Erkrankung als Ursache gefunden wird, liegt dieser Anteil bei der Makrohämaturie gemäß Literatur zwischen 5 und 23% deutlich höher [5]. Als weitere klar altersassoziierte, aber benigne Ursache der Hämaturie spielt die benigne Prostatahyperplasie (BPH) eine wichtige Rolle im klinischen Alltag der Urologie. Ihr Anteil bei erwachsenen Makrohämaturiepatienten liegt etwa bei 20% und gilt aufgrund des intermittierenden und meist schmerzlosen Blutungscharakters bei Patienten über 50 Jahre als wichtigste Differenzialdiagnose zu urologischen Malignomen [11, 12]. Verschärft wird die Problematik der Hämaturie bei diesen Patienten durch die steigende Zahl antikoagulierter Patienten. In einer 2012 veröffentlichen australischen Studie in der urologischen Grundversorgung wurde gezeigt, dass von 268 Hämaturiepa-

CME Tab. 2  Differenzialdiagnose der Hämaturie. (Nach [14]) Ätiologie der Hämaturie Glomeruläre Ursachen IgA-Nephropathie (Berger-Nephropathie) Nephropathie vom Typ der dünnen Basalmembran Hereditäre Nephritis (Alport-Syndrom) Poststreptokokkenglomerulonephritis Mesangioproliferative Glomerulonephritis Fokale glomeruläre Sklerose Rapide progressive Glomerulonephritis Lupusnephritis Morbus Fabry Tubulointerstitielle Erkrankungen Papillennekrosen Interstitielle Nephritis Analgetikanephropathie Nephrolithiasis Refluxnephropathie Hydronephrose Ureterabgangsenge Nierentumoren

Familiäre Erkrankungen Polyzystische Nierenerkrankung Markschwammnieren

Vaskuläre Ursachen Arteriovenöse renale Malformationen Nierenvenenthrombosen Niereninfarkt Maligner Hypertonus Vaskulitiden (Purpura Schönlein-Henoch, Periarteritis nodosa, Wegener-Granulomatose) Metabolische Erkrankungen Hyperkalziurie Hyperurikosämie

Extrarenale Tumoren Blasenkarzinom Prostatakarzinom Nierenbecken-, Harnleiter-, Urethrakarzinom Benigne Blasen oder Harnleiterpolypen

Unterer Harntrakt Benigne Prostatahyperplasie Urolithiasis oder Fremdkörper Interstitielle Zystitis Radiogene Zystitis Blasendivertikel Harnröhren- oder Meatusstriktur Systemisch oder andere Erkrankungen Erhöhte Blutungsneigung (Hämophilie) Sichelzellanämie Abdominelles Aortenaneurysma Lymphome Multiples Myelom Infektiöse Erkrankungen Pyelonephritis, Zystitis, Prostatitis, Urethritis, Epididymitis Bilharziose Urogenitaltuberkulose Zytomegalievirusinfektion Mononukleose Condylomata accuminata Urogenitaltrauma Einliegende Blasen- oder Harnleiterkatheter Körperliche Anstrengung (Marschhämaturie)

Medikamente Exzessive Antikoagulation Chemotherapeutika, die zur hämorrhagischen Zystitis führen Analgetika, die zur Analgetikanephropathie führen

tienten in der Altersgruppe über 60 Jahre 123 (46%) unter irgendeiner Form der oralen Antikoagulation standen [13]. Zwar gilt gemeinhin die Antikoagulation nicht als Ursache der Hämaturie [3], ­sodass eine weitere Ursachenabklärung indiziert bleibt, doch kann durch sie die Hämaturie verschärft ­werden. Dies bestätigte die australische Hämaturiestudie, in der im Vergleich zu anderen Antikoagulationsformen gerade die doppelte Plättchenaggregationshemmung mit Clopidogrel und Acetylsalicylsäure am häufigsten die Notwendigkeit einer Blasenspülung nach sich zog (92%) [13]. In dieser Studie war die BPH mit 21%, gefolgt von Blasenkarzinomen, der häufigste Grund für die Hämaturie. Neben diesen im urologischen Alltag häufigen ­Erkrankungen zeigt . Tab. 2 weitere mögliche Differenzialdiagnosen einer Hämaturie [14]. Wie von einigen Autoren vorgeschlagen, können dieDer Urologe 8 · 2014 

| 1219

CME se zur Gewichtung ihrer klinischen Relevanz in vital bedrohliche, signifikante Erkrankungen, die einen Eingriff oder eine Observation erfordern, und insignifikante Befunde unterteilt werden [15]. Aus urologischer Sicht sind hier vor allem maligne Tumoren wie das Urothelkarzinom, das Nierenzellkarzinom und das Prostatakarzinom als potenziell ­lebensbedrohliche Erkrankungen sowie benigne Erkrankungen wie Steinleiden oder die BPH als signifikante Erkrankungen zu nennen.

Abklärung und diagnostische Verfahren Prinzipiell gilt jede Form der Hämaturie als abklärungsbedürftig

Tab. 3  Risikofaktoren für bösartige Er-

krankungen des Harntrakts bei Patienten mit Mikrohämaturie (AUA 2013). (Nach [3]) Risikofaktoren Männliches Geschlecht Alter >35 Jahre Ehemaliger oder aktueller Raucher Berufliche oder andere Exposition gegenüber Chemikalien oder Lösungsmitteln (Benzole oder aromatische Amine) Analgetikaabusus Z. n. Makrohämaturie Andere urologische Beschwerden oder Erkrankungen Irritative Miktionsbeschwerden Z. n. Beckenbestrahlung Rezidivierende Infekte des Harntrakts Exposition gegenüber bekannten karzinogenen Substanzen oder Chemotherapie wie z. B. alkylierende Substanzen

Prinzipiell gilt jede Form der Hämaturie als abklärungsbedürftig, allerdings müssen Art und Umfang der ­Abklärung in einem sinnvollen Verhältnis zum möglichen Benefit einer Abklärung stehen. Während die komplette urologische Abklärung einer schmerzlosen Makrohämaturie vor allem bei Risikopatienten (. Tab. 3) zum Ausschluss eines Malignoms als Diktum gilt [5], können und müssen bei klar erkennbaren passageren Z. n. dauerhafter transurethraler oder Ursachen einer Hämaturie, wie z. B. einem Harnwegsinsuprapubischer Katheterversorgung fekt oder einer außergewöhnlichen körperlichen Belastung, Art und Umfang der Abklärung der klinischen Situation angepasst werden. Für eine initiale adäquate Risikoabschätzung muss daher primär anamnestisch erfasst werden, ob die Hämaturie symptomatisch ist oder nicht, bestimmte Vorerkrankungen Rückschlüsse auf ihre Ursachen zulassen und ob Risikofaktoren für das Vorliegen maligner Erkrankungen vorhanden sind (. Tab. 3). Darüber hinaus sollten Art und Dauer der Hämaturie erfasst und eine Medikamentenanamnese inkl. gerinnungshemmender Medikamente und Ernährungsgewohnheiten erfolgen.

Urinuntersuchungen Urinstreifentest und Urinsediment

Bei rot gefärbtem Urin und Verdacht auf eine sichtbare Hämaturie wird bei klinischen Zweifeln zunächst der Urin zentrifugiert. Zeigt sich eine Rotfärbung des Sediments, liegt eine Hämaturie vor. Bei der nicht sichtbaren Hämaturie steht am Anfang der Untersuchung meist ein Urinstreifentest. Dabei zeigen handelsübliche Tests (z. B. Sangur®-Test,  Combur®-Test) schon ab einer Mikrohämaturie von 5 Erys/μl einen positiven Testbefund [5]. Dieser Wert liegt unterhalb einer als signifikant geltenden Mikrohämaturie von 10 Erys/μl oder 2 Erythrozyten/Gesichtsfeld (GF). Zur Vermeidung falsch-positiver Mikrohämaturiediagnosen sollte daher immer ein Sediment als diagnostischer Goldstandard erfolgen. Unabhängig davon gibt der Urinstreifentest weitere wichtige Hinweise für das ­Vorliegen ­anderer Befunde wie einer Proteinurie oder eines Infekts.

Erythrozytenmorphologie Der mikroskopische Nachweis von dysmorphen Erythrozyten dient als Hinweis für das Vorliegen einer ­glomerulären Hämaturie

Der mikroskopische Nachweis von dysmorphen Erythrozyten dient als Hinweis für das Vorliegen einer glomerulären Hämaturie (. Abb. 1). Gemäß den aktuellen Leitlinien der AUA zur Mikrohämaturie reicht ihr Nachweis aufgrund der hohen Testvarianz für den sicheren Beweis einer glomerulären Hämaturie aber nicht aus. Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass zeitgleich zu einer ­glomerulären auch eine nichtglomeruläre Blutung vorliegen kann [3].

Urinkultur Eine Urinkultur sollte bei allen Patienten mit klinischem Verdacht auf oder Hinweisen für eine Harnwegsinfektion erfolgen. Bei Nachweis eines Infekts kann die Hämaturie zum Teil hierdurch erklärt werden.

1220 | 

Der Urologe 8 · 2014

CME

Abb. 1 8 Erythrozytenmorphologie. (Nach [5])

Labor Renale Funktionsparameter wie Kreatinin sollten zu Beginn einer Abklärung erfasst werden, da sie Hinweise für renale Erkrankungen ergeben und gleichzeitig für die Auswahl weiterer bildgebender Verfahren wie Ausscheidungsurographie oder Computertomographie wichtig sind [3].

Klinische Untersuchung Neben dem Erfassen des kompletten urologischen Status inkl. digitaler rektaler Untersuchung sollten Blutdruckmessungen erfolgen, da sie ebenfalls auf renale Erkrankungen hinweisen können.

Bildgebende Verfahren und Zystoskopie Zystoskopie

Die Zystoskopie bleibt der Goldstandard der Abklärung des unteren Harntrakts bei Hämaturie [16]. Sie ist indiziert bei jeder Makrohämaturie und wird nach den gegenwärtigen Mikrohämaturieleitlinien der AUA generell ab dem 35. Lebensjahr empfohlen [3]. Bei jüngeren Patienten soll die Entscheidung hierüber nach der klinischen Einschätzung des behandelnden Arztes erfolgen. Nach den britischen Leitlinien zur Hämaturie wird die routinemäßige Zystoskopie bei der nicht sichtbaren ­Hämaturie erst ab dem 40. Lebensjahr empfohlen [4]. Zumindest zur Mikrohämaturieabklärung wird ­derzeit aufgrund fehlender Evidenz der Einsatz der photodynamisch unterstützen Zystoskopie (PDD) trotz ihrer publizierten Vorteile bei der Detektion von Blasentumoren [17] nicht empfohlen [3].

Abklärung des oberen Harntrakts bei Hämaturie CT-Urographie, MR-Urographie, Ausscheidungsurographie und retrograde Harnleiterdarstellung

Die Notwendigkeit einer Bildgebung des oberen Harntrakts gilt bei der kompletten urologischen Hämaturieabklärung als unumstritten. Allerdings wird hierfür die Wahl des bildgebenden Verfahrens sehr unterschiedlich gehandhabt. Für die meisten Kliniker und Radiologen gilt die Computertomographie (CT)-Urographie mit Nativphase, renaler arterieller und parenchymatöser Kontrastmittelphase sowie urographischer Spätphase als beste bildgebende Abklärung [18]. Diese Meinung wird auch von den derzeitigen Leitlinien der AUA zur Mikrohämaturieabklärung geteilt [3]. Vorteile gegenüber der Ausscheidungsurographie sind F bessere Beurteilbarkeit des Nierenparenchyms, F bessere Steindetektion, F ähnlich gute Beurteilbarkeit des Hohlsytems des oberen Harntrakts.

Die CT-Urographie gilt als beste bildgebende Abklärung

Der Urologe 8 · 2014 

| 1221

CME +AMH (≥3 RBC pro Gesichtsfeld des Harnsediments)

Wiederholte Mikroskopie des Harnsediments nach Therapie

Anamnese und klinische Untersuchung auf mögliche AMHUrsachen (z. B. Infektionen, Menstruation, kürzlich durchgeführte urologische Eingriffe)

Entlassung aus der Behandlung

Nephrologische Abklärung bei Proteinurie und/oder dysmorphen Erythrozyten

Abklärung der Nierenfunktion, Zystoskopie, Bildgebung (Kontrastmittel-CT), Erythrozytenmorphologie

Alternativen bei Undurchführbarkeit eines KM-CT • MR-Urogramm • retrogrades Pyelogramm, kombiniert mit Nichtkontrastmittel-CT, MRT oder Ultraschall

Jährliche Urinanalyse über einen Zeitraum von 2 Jahren

Follow-up bei persistierender Hämaturie: • jährliche Urinanalyse • nephrologisches Konsil • Wiederholung des kompletten Work-up nach 3 bis 5 Jahren

Behandlung

Reevaluierung der Hämaturie nach Therapie und Follow-up, Schema abhängig von Diagnose

Entlassung aus der Behandlung

Abb. 2 8 Leitlinien der American Urological Association (AUA) zur asymptomatischen Mikrohämaturie aus dem Jahr 2012 (AMH asymptomatische Mikrohämaturie, RBC „red blood cells“, KM Kontrastmittel, CT Computertomographie, MR Magnetresonanz). (Nach [3])

Als Nachteil gilt die höhere Strahlenbelastung, die mit etwa 10,0 mSv etwa 4-mal so hoch ist wie bei der Ausscheidungsurographie [19]. Obwohl die Ausscheidungsurographie zur Hämaturieabklärung für viele nicht mehr als Bildgebung der ersten Wahl gilt [3], wird sie in Deutschland zum Teil mit erheblichen regionalen Unterschieden weiterhin angewandt. Aus Sicht der Autoren bleibt sie hierfür in Kombination mit der Sonographie allerdings weiterhin ein probates Mittel, da sie in wenigen Bildfolgen eine gute Übersicht über die Ausscheidungs- und Abflussverhältnisse des oberen Harntrakts gibt. Aufgrund der notwendigen Kontrastmittelapplikation sind aber auch hier, wie bei der CT-Urographie, eine gute ­Nierenfunktion und Kontrastmittelverträglichkeit Voraussetzungen. Um eine Strahlenexposition zu vermeiden, besteht die Möglichkeit einer Magnetresonanztomographie (MRT)-Urographie zur Abklärung des oberen Harntrakts [1]. Als Nachteil gelten bei ihr die Schwächen in der Steindiagnostik und die Tatsache, dass auch bei ihr eine ausreichende Nierenfunktion vor Kontrastmittelapplikation nachgewiesen werden muss. Bei eingeschränkter Nierenfunktion oder Kontrastmittelunverträglichkeit bleibt die retrograde Harnleiterdarstellung eine wichtige Option [20]. In Kombination mit der Zystoskopie ermöglicht sie eine selektive Uringewinnung für z. B. eine Zytologie aus dem oberen Harntrakt und kann mit weiterer Diagnostik (Harnleiterspiegelung) oder Therapie (Harnleiterschienung) kombiniert werden.

Urinzytologie Nach den neuen Leitlinien der AUA wird der routinemäßige Einsatz der Zytologie zur Mikrohämaturieabklärung nicht empfohlen, allerdings wird sie aufgrund ihrer guten Sensitivität und Spezifität bei High-grade-Tumoren als Option erwähnt [3]. Bei der Makrohämaturieabklärung wird sie nach den gegenwärtigen Leitlinien der EAU zum nichtmuskelinvasiven Blasenkarzinom (NMBIC) insbe-

1222 | 

Der Urologe 8 · 2014

CME Sichtbare Hämaturie Plasmakreatinin (GFR), Ausschluss vorübergehender Ursachen inklusive Harnwegsinfekt (HWI)

Nicht sichtbare Hämaturie Ausschluss vorübergehender Ursachen inklusive Harnwegsinfekt (HWI)

Symptomatische nicht sichtbare Hämaturie

Asymptomatische nicht sichtbare Hämaturie 2/3 Urinteststreifen positiv

Ja

Nein

Stop

Blutdruck Plasmakreatinin/GFR

≥ 40 Jahre

Urologische Abklärung - Bildgebung - Zystoskopie

Normal Alle Befunde: eGFR ≥ 60ml/min und ACR < 30 oder PCR < 50 und Blutdruck < 140/90 mm Hg

< 40 Jahre

Pathologisch Mindestens einer der folgenden Befunde: eGFR < 60ml/min und ACR ≥ 30 oder PCR ≥ 50 und Blutdruck ≥ 140/90 mm Hg

Nephrologische Abklärung

Ursache gefunden

Keine Ursache gefunden

Ursache gefunden

Monitoring Jährliche Bestimmung von Blutdruck, GFR und ACR/PCR, wenn Hämaturie persistiert Urologische Abklärung bei Entwicklung einer sichtbaren oder symptomatischen Hämaturie Überweisung zur nephrologischen Abklärung, wenn: • signifikante oder zunehmende Proteinurie (ACR > 30 oder PCR > 50) • GFR < 30ml/min (bestätigt in mindestens 2 Messungen und ohne identifizierbare reversible Ursache) • Verschlechterung der GFR > 5ml/min in 1 Jahr oder >10ml/min innerhalb von 5 Jahren

Abb. 3 8 Abklärungs- und Überweisungsalgorithmus bei Hämaturie, Joint Consensus Statement über die initiale Bewertung einer Hämaturie (ACR „albumin-creatinin ratio“, PCR „protein-creatinin ratio“, GFR glomeruläre Filtrationsrate, eGFR geschätzte GFR). (Nach [4])

sondere bei Verdacht auf ein Urothelkarzinom als Option genannt, aber auch hier nicht zur ­primären Abklärung empfohlen [21].

Urinbasierte Tumormarker Trotz der Zulassung und der kommerziellen Verfügbarkeit verschiedener urinbasierter Tumormarker wird ihre systematische Anwendung zur Hämaturieabklärung derzeit von keiner Richtlinie ­empfohlen [22]. Dies trifft insbesondere auf die erwähnten Richtlinien zur ­Mikrohämaturieabklärung der AUA zu, in denen von der Anwendung urinbasierter Tumormarker sogar abgeraten wird [3]. Als Hauptgrund hierfür gilt die hohe Rate falsch-positiver Testergebnisse mit der Notwendigkeit einer weiteren, zum Teil invasiven Abklärung. Bei der Makrohämaturieabklärung mit klinischem Verdacht auf ein Blasenkarzinom wird gemäß den EAU-Leitlinien zum NMIBC, ähnlich wie für die Zytologie, die Anwendung urinbasierter Tumormarker als Option in Kombination zur Zystoskopie ­genannt. Es Der Urologe 8 · 2014 

| 1223

CME Derzeit kann keine urinbasierte Untersuchung die Zystoskopie ersetzen

wird allerdings explizit darauf hingewiesen, dass derzeit keine urinbasierte Untersuchung die Zystoskopie ersetzen kann.

Verlaufskontrollen nach einer negativen Hämaturieabklärung Nach einer negativen urologischen und nephrologischen Makrohämaturieabklärung bleiben bei ­unklarer Ursache der Hämaturie weitere Folgeuntersuchungen vor allem bei weiteren Makrohämaturieepisoden obligat [1]. Nach einer negativen urologischen und nephrologischen Mikrohämaturieabklärung werden nach den Leitlinien der AUA zunächst jährliche Urinuntersuchungen ­empfohlen ([3]; . Abb. 2). Sollten diese in 2 darauf folgenden Jahren unauffällig bleiben, ist aus Sicht der Leitlinienautoren das Risiko, im Verlauf einen urologischen Tumor zu detektieren, nicht höher als in der Normalbevölkerung. Aus diesem Grund werden in dieser Situation keine weiteren routinemäßigen Urinanalysen empfohlen [3]. Im Falle einer persistierenden asymptomatischen Mikrohämaturie werden jährliche Kontrollen und eine erneute Diagnostik nach 3 bis 5 Jahren empfohlen [3]. Bei Symp­tomen und unter Berücksichtigung der Risikofaktoren muss eine solche Re-Evaluation ggf. schon früher erfolgen.

Besondere Aspekte und Unterschiede der gegenwärtigen Leitlinien und Empfehlungen bei asymptomatischer Mikrohämaturie

Primäres Ziel in der urologischen Praxis ist es, Patienten mit hohem Risiko für urologische Malignome zu identifizieren und sie bei Hämaturie einer Abklärung zuzuführen

Aufgrund der hohen Komplexität der Hämaturieproblematik und der limitierten Verfügbarkeit evidenzbringender Studien unterscheiden sich das Management in verschiedenen Institutionen und die bestehenden Empfehlungen verschiedener Fachgesellschaften insbesondere zum Thema „asymptomatische Mikrohämaturie“ erheblich. Als Beispiel hierfür wurden das Arbeitsdiagramm der AUA und das der britischen nephrologischen und urologischen Gesellschaft in . Abb. 2 und 3 gegenübergestellt. Hierbei fällt im Vergleich der deutlich strengere Algorithmus der AUA auf. So ist z. B. nach den amerikanischen Leitlinien eine komplette urologische Abklärung schon ab dem 35. Lbj. und nach dem 1-maligen Nachweis einer asymptomatischen Mikrohämaturie indiziert [3]. Im Gegensatz dazu wird nach den britischen Leitlinien eine generelle urologische Abklärung erst ab dem 40. Lbj. und nach zumindest einem 2-maligen Nachweis einer Mikrohämaturie empfohlen (signifikante Mikrohämaturie; [4, 23]; . Abb. 3). Während in den amerikanischen Leitlinien auch bei Nachweis einer renalen Erkrankung auf eine zusätzliche komplette urologische Abklärung Wert gelegt wird, gilt dies in den britischen Leitlinien zumindest für Patienten im Alter unter 40 Jahren nicht als zwingend indiziert. Weitere wichtige Aspekte zu Unterschieden in den Leitlinien sind, dass nach den AUA-Leitlinien zum Beweis der Mikrohämaturie prinzipiell ein Urinsediment gefordert wird, während in den britischen Leitlinien Urinstreifentests als ausreichend erachtet werden, und dass nach den AUA-Leitlinien für die Abklärung des oberen Harntrakts die CT-Urographie klar favorisiert wird, während in den britischen Leitlinien die Art der Bildgebung offen gelassen wird. In beiden Leitlinien wird allerdings darauf hingewiesen, dass sie uneingeschränkt auch für Patienten unter Antikoagulation gelten [3, 4]. In Gegensatz vor allem zu den strengen Leitlinien der AUA steht die tägliche urologische Praxis, in der die Vorgaben aufgrund der hohen Anzahl Betroffener wohl kaum vollumfänglich umgesetzt werden können [23]. Primäres Ziel in der urologischen Praxis muss daher sein, Patienten mit einem hohen individuellen Risikoprofil für urologische Malignome zu identifizieren und sie bei Hämaturie bevorzugt einer Abklärung zuzuführen. In der täglichen Praxis kann dabei als Richtschnur gelten, dass zumindest der Minimalkonsens aus beiden erwähnten Leitlinien, nämlich die urologische Abklärungspflicht bei einer signifikanten Mikroämaturie ab einem Alter von 40 Jahren, Beachtung findet und die in den Leitlinien der AUA erwähnten Risikofaktoren (. Tab. 3) mitberücksichtigt werden. Bei der individuellen Risikoabschätzung könnten sicher hierbei nach Meinung verschiedener Autoren in Zukunft auch hierfür gezielt entwickelte Risiko-Scores als hilfreich erweisen [23, 24].

Fazit für die Praxis F Für die urologische Praxis gilt die zügige Abklärung der Makrohämaturie vor allem bei älteren Patienten und solchen mit Risikofaktoren als Priorität. Hierbei müssen etliche Differenzialdia-

1224 | 

Der Urologe 8 · 2014

CME gnosen, u. a. auch nephrologische, berücksichtigt werden. Am häufigsten tritt die schmerzlose Makrohämaturie bei BPH und bei urologischen Malignomen wie Blasen- und Prostatakarzinom auf. F Die steigende Zahl an Patienten unter oraler Antikoagluation erschwert die Behandlung, entbindet die behandelnden Ärzte aber nicht von der urologischen und nephrologischen Abklärungspflicht. F Bei der asymptomatischen Mikrohämaturieabklärung bleibt es eine besondere Herausforderung, in Abwägung zu den existierenden Leitlinien das richtige Augenmaß bei Art und Umfang der gewählten Abklärungen zu wahren. Als Richtschnur hierfür empfehlen wir, unter Berücksichtigung von Risikofaktoren den Minimalkonsens der erwähnten Leitlinien zu beachten und eine urologische Abklärung, d. h. Zystoskopie und Bildgebung des oberen Harntrakts, bei einer signifikanten Mikrohämaturie und ab einem Alter von 40 Jahren durchzuführen. F Zumindest von der AUA wird von der Anwendung urinbasierter Tumormarker bei der Abklärung einer asymptomatischen Mikrohämaturie abgeraten.

Korrespondenzadresse Dr. M. Horstmann Klinik und Poliklinik für Urologie, Universität Jena, Lessingstr. 1, 07743 Jena [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  M. Horstmann, T. Franiel und M.O. Grimm geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur   1. Feldman A, Hsu C, Kurtz M, Cho K (2013) Etiology and evaluation of hematuria in adults. Wolters Kluwer Health, http://www.uptodate.com/ contents/etiology-and-evaluationof-hematuria-in-adults   2. Jichlinski P (2010) Hämaturie. In: Hubert J (Hrsg) Urologische Fragen in der Grundversorgung. UNI-MED, Bremen, S 31–47   3. Davis R, Jones JS, Barocas DA et al (2012) Diagnosis, evaluation and follow-up of asymptomatic microhematuria (AMH) in adults: AUA guideline. J Urol 188(6 Suppl):2473–2481   4. Anderson J, Fawcett D, Feehally J et al (2008) Joint consensus statement on the initial assessment of haematuria. BAUS/RA Guidelines 2008:1–5   5. Roth S (1995) Hämaturiediagnostik und Erythrozytenmorphologie. In: Rathert P (Hrsg) Urinzytologie. Springer, Heidelberg, S 195–221   6. Rockall AG, Newman-Sanders AP, alKutoubi MA, Vale JA (1997) Haematuria. Postgrad Med J 73:129–136   7. Mariani AJ, Mariani MC, Macchioni C et al (1989) The significance of adult hematuria: 1,000 hematuria evaluations including a risk-benefit and cost-effectiveness analysis. J Urol 141:350–355

  8. Jones DJ, Langstaff RJ, Holt SD, Morgans BT (1988) The value of cystourethroscopy in the investigation of microscopic haematuria in adult males under 40 years. A prospective study of 100 patients. Br J Urol 62:541– 545   9. Vester U, Hoyer PF (2001) Microsopic hematuria in childhood. Monatsschr Kinderheilkd 149:770–773 10. Khadra MH, Pickard RS, Charlton M et al (2000) A prospective analysis of 1,930 patients with hematuria to evaluate current diagnostic practice. J Urol 163:524–527 11. Foley SJ, Soloman LZ, Wedderburn AW et al (2000) A prospective study of the natural history of hematuria associated with benign prostatic hyperplasia and the effect of finasteride. J Urol 163:496–498 12. Vasdev N, Kumar A, Veeratterapillay R, Thorpe A (2012) Hematuria secondary to benign prostatic hyperplasia: retrospective analysis of 166 men identified in a single one stop hematuria clinic. Curr Urol 6:146–149 13. Satasivam P, Reeves F, Lin M et al (2012) The effect of oral anticoagulation on the prevalence and management of haematuria in a contemporary Australian patient cohort. BJU Int 110(Suppl 4):80–84

14. Massry SG, Glassock RJ (2001) Massry & Glassock’s Textbook of Nephrology, 4th edn. Lippincott Willians & Wilkins, Philadelphia 15. Grossfeld GD, Litwin MS, Wolf JS Jr et al (2001) Evaluation of asymptomatic microscopic hematuria in adults: the American Urological Association best practice policy – part II: patient evaluation, cytology, voided markers, imaging, cystoscopy, nephrology evaluation, and follow-up. Urology 57:604–610 16. Rodgers M, Nixon J, Hempel S et al (2006) Diagnostic tests and algorithms used in the investigation of haematuria: systematic reviews and economic evaluation. Health Technol Assess 10:iii–iv, xi-259 17. Mowatt G, N’Dow J, Vale L et al (2011) Photodynamic diagnosis of bladder cancer compared with white light cystoscopy: systematic review and meta-analysis. Int J Technol Assess Health Care 27:3–10 18. Choyke PL (2008) Radiologic evaluation of hematuria: guidelines from the American College of Radiology’s appropriateness criteria. Am Fam Physician 78:347–352

19. Chow LC, Kwan SW, Olcott EW, Sommer G (2007) Split-bolus MDCT urography with synchronous nephrographic and excretory phase enhancement. AJR Am J Roentgenol 189:314–322 20. Patschan O, Horstmann M, Thomas C et al (2008) Diagnostic procedures in upper urinary tract urothelial carcinoma. Urologe A 47:1487–1496 21. Babjuk M, Burger M, Zigeuner R et al (2013) EAU guidelines on non-muscle-invasive bladder cancer (TaT1 and CIS). European Association of Urology, http://www.uroweb.org/gls/ pdf/05_TaT1_Bladder_Cancer_ LR.pdf 22. Horstmann M (2012) Currently available urine-based tumour markers in the detection of new and recurrent urothelial bladder cancer. NephroUrol Mon 4:345–349 23. Tombinski J (2013) Asymptomatische Mikrohämaturie: Wie viel Diagnostik ist notwendig? J Urol Urogynäkol 20:4 24. Loo RK, Lieberman SF, Slezak JM et al (2013) Stratifying risk of urinary tract malignant tumors in patients with asymptomatic microscopic hematuria. Mayo Clinic Proc 88:129–138

Der Urologe 8 · 2014 

| 1225

springermedizin.de/eAkademie

CME-Fragebogen Bitte beachten Sie: • Teilnahme nur online unter: springermedizin.de/eAkademie • Die Frage-Antwort-Kombinationen werden online individuell zusammengestellt. • Es ist immer nur eine Antwort möglich.

??Nach den Leitlinien der amerikanischen







Gesellschaft für Urologie (AUA) ist das Vorliegen einer asymptomatischen Mikrohämaturie durch folgende Charakteristika definiert: Der Patient hat keine urologischen Beschwerden. Die Mikrohämaturie wurde anhand Urinsediment mit mindestens 3 Erys/GF nachgewiesen. Die Urinuntersuchung erfolgte in sauber gewonnen und nichtkontaminierten Urinproben. Die Mikrohämaturie wurde durch einen Urinstreifentest nachgewiesen. Durch einen Urinstreifentest wurde ein Infekt ausgeschlossen.

??Eine initiale Makrohämaturie spricht am

ehesten für eine … subvesikale Blutungsquelle. vesikale Blutungsquelle. supravesikale Blutungsquelle. renale Blutungsquelle. glomeruläre Blutungsquelle.

??Welche Aussage ist falsch? Eine Rotfär

bung des Urins kann auftreten bei … einer glomerulären Hämaturie. einer nichtglomärulären Hämaturie. einer Mikrohämaturie. einer Porphyrinämie. einer Nahrungsmittelaufnahme von Rote Beete.

??Welche Aussage trifft für die Differenzierung zwischen einer glomerulären und einer nichtglomerulären Hämaturie nicht zu? Bei der nichtglomerulären Hämaturie ist der Urin rot oder pink und bei der der glomerulären Hämaturie dunkelrot oder „Coca-Cola“-farben. Bei der nichtglomerulären Hämaturie finden sich in der Regel keine Koagel, wäh-

rend sie bei der glomerulären häufig auftreten. Bei der nichtglomerulären Hämaturie findet sich in Regel keine Proteinurie und bei der glomerulären Hämaturie eine ­Proteinurie. Die nichtglomeruläre Hämaturie ist durch isomorphe Erythrozyten gekennzeichnet und die glomeruläre durch einen Anteil von >30% dysmorphen Erythrozyten. Bei der nichtglomerulären Hämaturie finden sich in der Regel keine Erythrozytenzylinder, während sie bei der glomerulären Hämaturie häufig auftreten.

Der Urologe 8 · 2014





­ atienten unter 40 Jahren ergibt die P ­urologische Abklärung bei den meisten ­Patienten … einen urologischen Tumor. eine BPH. keine klare Blutungsursache. eine Prostatitis. ein Steinleiden.

??Bei Männern im Alter über 50 Jahre liegt



in einem Hämaturiekollektiv der Anteil der BPH-bedingten Blutungen bei etwa … 5%. 10%. 20%. 30%. 40%.

??Heutzutage liegt der Anteil urologischer



Patienten, die sich unter oraler Antikoagulation zur Abklärung einer Makrohämaturie vorstellen, bei etwa … 10%. 20%. 30%. 50%. 70%.

den Leitlinien der AUA im Rahmen einer Mikrohämaturieabklärung abgeraten? Urinzytologie Urethrozystoskopie CT-Urographie Erythrozytenmorphologie Urinbasierte Tumormarker

??Was ist nach den Leitlinien der AUA kein

??Bei der Hämaturieabkärung von

D Für Zeitschriftenabonnenten ist die Teilnahme am e.CME kostenfrei 1226 | 

??Von welcher Untersuchung wird nach



Risikofaktor für das Vorliegen einer bösartigen Erkrankung des Harntrakts? Rauchen Diabetes mellitus Alter >35 Jahre Männliches Geschlecht Irritative Miktionsbeschwerden

??Welche Aussage entspricht nicht den ak







tuellen Leitlinien der AUA zur Mikrohämaturie? Urinbasierte Tumormarker werden zur Mikrohämaturieabklärung nicht empfohlen. Die CT-Urographie ist die zu bevorzugende Methode zur Abklärung des oberen HarntraktsDie Urinzytologie kann im Rahmen der Mikrohämaturieabklärung eingesetzt werdenAuch bei antikoagulierten Patienten muss eine komplette Hämaturieabklärung ­erfolgenBeim Nachweis von dysmorphen Ery­ throzyten im Urinsediment entfällt die Notwendigkeit einer urologischen Abklärung.

Diese zertifizierte Fortbildung ist 12 Monate auf springermedizin.de/ eAkademie verfügbar. Dort erfahren Sie auch den genauen Teilnahmeschluss. Nach Ablauf des Zertifizierungszeitraums können Sie diese Fortbildung und den Fragebogen weitere 24 Monate nutzen.

[Differential diagnosis of hematuria].

Hematuria is the main symptom of many urological and nephrological diseases. In the differential diagnostics a distinction is made between painful and...
657KB Sizes 2 Downloads 9 Views