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Übersicht

Differenzialdiagnostik der Bipolaren Störung: historische und klinische Implikationen und Perspektiven Differential Diagnosis of Bipolar Disorder: Historical and Clinical Implications and Perspectives Autoren

F. M. Schmidt1, H. Steinberg2, H. Himmerich1

Institute

1

Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Fakultät der Universität Leipzig Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Fakultät der Universität Leipzig, Archiv für Leipziger Psychiatriegeschichte

Schlüsselwörter

Zusammenfassung

Abstract

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Im DSM-5 wird die Bipolare Störung (BS) nicht länger zusammen mit der unipolaren Depression als affektive Störung konzeptualisiert, sondern als Brücke zwischen Schizophrenien und depressiven Störungen angesehen. In dieser nosologischen Einordnung spiegelt sich der medizinhistorische Kontext des 19. Jahrhunderts wider. Neben unipolarer Depression und Schizophrenie weisen differenzialdiagnostisch auch die schizoaffektive Störung, die emotional-instabile Persönlichkeitsstörung und das Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) Überlappungen mit der BS auf. Überschneidungen zeigen außerdem somatische Erkrankungen wie die Multiple Sklerose, das Cushing-Syndrom und die Syphilis und iatrogen bedingte affektive Syndrome.

In DSM-5, bipolar disorder (BS) is no longer conceptualised as a pure mood disorder together with unipolar depression, but as a bridge between schizophrenia and depressive disorders. This nosological classification is founded on the historical context of the 19th century. In addition to unipolar depression and schizophrenia, schizoaffective disorder, borderline personality disorder and attention-deficit hyperactivity disorder (ADHD) overlap with BS symptomatology. Overlap also exists with somatic diseases such as multiple sclerosis, Cushing’s syndrome and syphilis as well as iatrogenic affective syndromes.

Einleitung

nosologische Zuordnung der Symptome und die Differenzialdiagnostik der BS sind nicht nur eine wissenschaftlich-akademische Herausforderung, sondern spielen darüber hinaus eine entscheidende Rolle für die korrekte störungsspezifische Patientenversorgung.

● Bipolare Störung ● Differenzialdiagnosen ● Komorbiditäten ● Kraepelin ● sekundäre Manie " " " "

Key words

● bipolar disorder ● differential diagnosis ● comorbidities ● Kraepelin ● secondary mania " " " " "

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Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1398934 Fortschr Neurol Psychiatr 2015; 83: 74–82 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0720-4299 Korrespondenzadresse Prof. Hubertus Himmerich Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Fakultät der Universität Leipzig, Semmelweisstraße 10 04103 Leipzig hubertus.himmerich@ medizin.uni-leipzig.de

Die Bipolare Störung (BS) ist eine durch das Auftreten von manischen und depressiven Episoden gekennzeichnete affektive Störung. Aufgrund unterschiedlicher Diagnosekriterien in den verschiedenen Klassifikationssystemen – der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme 10 (ICD-10) [1] und den statistischen Manualen zur Diagnose psychischer Erkrankungen (DSM-IV und -5) [2, 3] –, einer hohen Dunkelziffer an Erkrankten und der Überschneidung mit und schwierigen Abgrenzbarkeit von anderen psychiatrischen Syndromen und körperlichen Erkrankungen variieren die Zahlen zur Prävalenz und Inzidenz teilweise erheblich [4]. Es besteht eine aktuelle Diskussion, ob die Diagnose einer BS aufgrund der variablen Auslegung gültiger Diagnosekriterien zu selten oder zu häufig gestellt wird [5]. Diagnostik und Therapie werden dadurch teilweise erheblich erschwert. Die

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Unterschiedliche Einteilungen in den Klassifikationssystemen !

In der ICD-10 wird zur Diagnosestellung einer hypomanischen Episode (F30.0), einer manischen Episode ohne psychotische Symptome (F30.1) oder mit psychotischen Symptomen (F30.2) das einmalige Vorliegen von anhaltender, situativ inadäquater, überschwänglicher oder gereizter Stimmung über die Dauer von mindestens vier Tagen für eine hypomanische oder mindestens einer Woche für eine manische Episode gefordert [1]. Für die Diagnose einer BS (F31) sind dagegen wiederholte, also mindestens zwei (hypo-)manische

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Abgrenzende Kriterien zur BS

Unipolare Depression

Langsamerer Beginn, selteneres Auftreten von „soft bipolar signs“

ADHS

Beginn vor Pubertät, keine Episodenhaftigkeit mit Remission

Emotional-instabile PKS

Häufiger selbstverletzende Handlungen, Angst vor dem Verlassenwerden, instabiles Selbstbild, keine Episodenhaftigkeit mit Remission

Paranoid-halluz. Schizophrenie

Auftreten von schizophrenen Erstrangsymptomen, parathymer Wahn, ausgeprägte formale Denkstörungen

Hebephrene Schizophrenie

Verlust der Persönlichkeitsstruktur, Affektverflachung, Antriebsminderung, geringes Ansprechen auf Psychopharmakotherapie, hohe Chronifizierungsrate

Schizoaffektive Störung

Auftreten von schizophrenen Erstrangsymptomen, parathymer und bizarrer Wahn, schizophrene Symptome, affektiven Symptomen gleichrangig

Drogenabhängigkeit

Positives Drogenscreening, positive Drogenanamnese

Alkoholabhängigkeit

Vegetative Symptome, positiver Alkoholtest

Multiple Sklerose

Retrobulbärneuritis + weitere neurologische Ausfallerscheinungen, auffälliger LB, MS-Herde im MRT-Befund

Zerebrale Tumoren

Raumforderung in der kraniellen Bildgebung

HIV-Enzephalopathie

Auffälliger Befund in der kraniellen Bildgebung, erniedrigte T-Helferzellzahl, positiver HIV-Test

Epilepsie

Anfallsgeschehen, auffälliges EEG

Syphilis

Tabes dorsalis, gleichmäßige Progression der manischen und neurologischen Symptome, keine Episodenhaftigkeit, auffälliger LB

Thyreotoxikose

Hyperthyreote Stoffwechsellage, AK gegen SD positiv

Vitamin-B12-Mangel

Zusätzlich kognitive Störungen, Myelosis funicularis, megaloblastäre Anämie, Homocysteinämie

Urämie

Nierenversagen in der Anamnese, auffälliger Laborbefund bzgl. harnpflichtiger Substanzen

Cushing-Syndrom

Büffelnacken, „lemon on sticks“, Prednisolontherapie, erhöhte Cortisolspiegel, positiver Dexamethason-Hemmtest

Antidepressiva

Möglichkeit einer sekundären Manie bei TZA, niedrigste Wahrscheinlichkeit einer BS bei Bupropion

Schlafentzugsbehandlung

Remission häufig bereits kurz nach Therapie-Beendigung

Lichttherapie

Remission häufig bereits kurz nach Therapie-Beendigung

Tab. 1 Übersicht der differenzialdiagnostischen Hinweise.

AK: Antikörper, EEG: Elektroenzephalografie, HIV: Humanes Immundefizienz-Virus, LB: Liquorbefund, SD: Schilddrüse, TZA: Trizyklische Antidepressiva.

Episoden oder eine (hypo-)manische und eine depressive Episode notwendig. Nach DSM-IV und DSM-5 kann bereits bei Vorliegen einer einzelnen manischen Episode die Diagnose einer BS gestellt werden [2, 3]. Im DSM-IV waren die Unterschiede zur Diagnosestellung einer BS gegenüber der ICD-10 relativ gering. Der Hauptunterschied bestand darin, dass im DSM-IV lediglich eine nicht organisch oder durch psychotrope Substanzen bedingte manische Episode die Diagnose einer BS rechtfertigte, während nach ICD-10 mindestens eine bereits durchlaufene depressive Episode in der Vorgeschichte oder zwei manische Episoden notwendig sind, um eine BS zu diagnostizieren. Im DSM-5 gibt es dagegen wesentliche Unterschiede gegenüber der ICD-10: Die BS wird nunmehr von den depressiven Störungen getrennt gesehen, aus der Gruppe der affektiven Störungen herausgelöst und – aufgrund von überlappender Symptomatik, Familienanamnese und genetischen Befunden – eher als „Bridge“ (Übergang, Überleitung) zwischen die Erkrankungen des psychotischen Formenkreises und die depressiven Störungen gestellt. Diese beiden Konzepte der Einteilung der BS stellen jedoch nicht die einzigen möglichen Klassifikationssysteme dar. Das Konzept des bipolaren Spektrums [6] umfasst, entgegen der scharfen Trennung in der ICD-10 und entgegen der DSM-Einteilung in Bipolar-I- und Bipolar-II-Störungen, verschiedene Krankheiten mit zyklothym-ängstlichen Eigenschaften, die sich auf Stimmung, Ängstlichkeit, Impulskontrolle und Essverhalten auswirken. So werden von der Arbeitsgruppe um Hagop Akiskal bis zu sechs verschiedene Unterformen der Bipolaren Spektrumsstörungen

beschrieben, unter anderem eine Bipolar-III-Störung, die die hypomane Schwankung bei Antidepressiva-Einnahme erfasst und deren Auftreten nach DSM-5 Ausdruck einer „true“ (echten, wahren) BS ist, und die Bipolar-IV-Störung, die durch ein hyperthymes Temperament der Erkrankten gekennzeichnet ist [7]. Da bislang keine Untersuchungsergebnisse darüber vorliegen, welche psychiatrischen Störungen, somatischen Erkrankungen oder pharmakologischen Ursachen am häufigsten als BS fehldiagnostiziert werden, sollen in Anlehnung an die aktuellen S3-Leitlinien zur Diagnose und Behandlung der BS [8] im Folgenden eine Auswahl der häufigsten und klinisch schwer zu differenzierenden psychiatrischen, somatischen sowie pharmakologisch oder iatrogen verursachten Differenzialdiagnosen und ihre klinisch relevanten symptomatischen und pathogenetischen Schnittmen" Tab. 1). Das Bemühen um die Differengen dargestellt werden (● zierung von manisch-depressiven Syndromen soll auch im medizinhistorischen Kontext vorgestellt werden, für den die Arbeiten Emil Kraepelins eine wesentliche Rolle spielen.

Die BS und ihre Abgrenzung in der Geschichte der Psychiatrie !

Bipolare Krankheitsbilder sind seit dem Altertum bekannt (z. B. von Aretaeus von Kappadokien beschrieben) [9]. Nachdem während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts u. a. Johann Christian August Heinroth oder Wilhelm Griesinger Konzepte affektiv-zirkulärer Krankheitsformen entworfen hatten [10, 11], Ersterer in sei-

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Differenzialdiagnose

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ner Klassifikation sogar Mischzustände des Manisch-Depressiven [9] berücksichtigte, entstammen die wegweisenden Beschreibungen der bipolaren manisch-depressiven Erkrankungen der Mitte der 1850er Jahre [12]. Vor allem sehe man hier die Auseinandersetzung zwischen den französischen „Irrenärzten“ Jean-Pierre Falret, der wechselnde Manie und Depression zum Krankheitsbild der „folie circulaire“ ausformulierte [13, 14], und Jules Baillarger, der 1854 eine BS als „folie à double forme“ beschrieb [15]. Für die allgemeine Anerkennung sowie für die nosologische Zuordnung dieser Krankheitsform war es essenziell, dass Emil Kraepelin sie unter dem Aspekt zirkulärer manisch-depressiver Verläufe in die Gruppe affektiver Erkrankungen, also die des Manisch-Depressiven Irreseins, aufnahm [16]. Doch steht sein ca. 45 Jahre währendes eigenes Schaffen auch für das Ringen um valide Aussagen um diese Gruppe und verwandte andere Entitäten, die er in Ablehnung einer Einheitspsychose als naturgegeben verschieden betrachtete. Unabhängig von aller auf ihn einstürzenden Kritik war sich der die eigenen Forschungsresultate stets selbst infrage stellende Kraepelin der Problematik bewusst. Bis zur letzten von ihm autorisierten 8. Auflage seines Lehrbuchs war er davon überzeugt, dass zirkuläre, periodische und einfache Manien und Melancholien, viele Fälle der Amentia, Stimmungsfärbungen, die zum Teil als Vorstufe „schwerer psychischer Störungen“ aufträten, und viele persönliche Veranlagungen „nur Erscheinungsformen eines einzigen Krankheitsvorganges darstellen“. Die einzelnen Formen sah er ohne erkennbare Grenzen ineinander übergehen, sich vertreten und ablösen. „Grundsätzlich wie praktisch“ sei es also „gänzlich unmöglich, einfache, periodische und zirkuläre Verlaufsarten irgendwie zuverlässig auseinanderzuhalten“. Auch „Zustände tiefster Verworrenheit und Ratlosigkeit, ausgeprägte Wahnbildungen“ seien dabei präsent oder wechselten mit den Störungen des Gemüts [16]. Diese Aussage steht auch stellvertretend dafür, dass besonders hinsichtlich des Formenkreises der Kraepelinschen Endogenen Psychosen, also des Manisch-Depressiven Irreseins, der Dementia praecox und der Paranoia (Letztere beide v. a. im Konzept der Schizophrenien aufgegangen), im weiteren Verlauf der Geschichte der Psychiatrie nosologische und differenzialdiagnostische Schwierigkeiten im Zentrum der Aufmerksamkeit standen. Geradezu mit Händen zu greifen sind die Schwierigkeiten, die Dementia praecox vornehmlich von den affektiven Störungen abzugrenzen, in der ersten öffentlichen Vorstellung der Kraepelinschen Dichotomie der Endogenen Psychosen. Diese sechsseitige Vortragspublikation von 1899 ist nichts anderes als ein auf der Ebene der Symptomatologie mitunter schwer nachzuvollziehender „Versuch … [unter] differenzialdiagnostischem Gesichtspunkt“ [17]. Die wesentlichen differenzialdiagnostischen Kriterien aus Krae" Tab. 2 aufgeführt. Unter dem Einfluss von pelins Arbeit sind in ● Karl Ludwig Kahlbaums nosologischer Prämisse des Verlaufsaspekts der Krankheiten kämpft sich Kraepelin zu der später allerdings von Eugen Bleuler [18] wieder revidierten Aussage durch, dass Bilder der Dementia praecox eine schlechtere Prognose besäßen, mehrheitlich „deren Ausgang ein eigenartiger geistiger Schwächezustand zu bilden pflegt“. Bilder des Manisch-Depressiven Irreseins hingegen endeten nicht in blödsinnigen Zuständen, remittierten oder heilten häufiger ab. Seinen Patientenschilderungen sieht man an, dass er dabei hauptsächlich die BS im Blick hatte. Doch neben der noch selbstständig klassifizierten Paranoia sowie der Hysterie und Amentia bereiteten Kraepelin auch organische Störungen erhebliche differenzialdiagnostische Probleme, vor allem die Epilepsie und die damals als Dementia paralytica bezeichnete Neurosyphilis [17].

Kraepelins bis dato allgemein anerkannte großzügige Vereinigung der affektiven Krankheitsformen in der Gruppe des Manisch-Depressiven Irreseins, die er also unter einem Krankheitsvorgang sah und in die psychotische Symptome mit hineinspielten, wurde 1966 grundsätzlich revidiert. Unter der Betonung genetischer Befunde postulierten Jules Angst und Carlo Perris die Existenz zweier unipolarer Formen – Depression und Manie – sowie einer BS, die wiederum zwei episodische Typen aufweise [19, 20]. Im Wesentlichen bilden diese beiden Studien die Grundlage der seitherigen und heutigen wissenschaftlichen Diskussion und der Einteilung der Erkrankungen nach ICD-10, während sich das aktuelle Verständnis des DSM-5 bezüglich der Einordnung der BS in die psychiatrischen Erkrankungen bewusst an die Auffassungen anlehnen möchte, wie sie die oben genannten führenden Kliniker und Wissenschaftler des psychiatrischen Fachgebiets im 19. Jahrhundert vertraten: „The bipolar I disorder criteria represent the modern understanding of the classic manic-depressive disorder of affective psychosis described in the nineteenth century“ [3].

Differenzialdiagnose Schizophrenie !

Seit Schizophrenie und BS anhand von Verlaufsparadigmen und auf der Symptomebene unterschieden werden, wird aufgrund der Überlappung von Symptomen diskutiert, ob diese Einteilung neurobiologischen Grundlagen entspricht oder nicht besser einer dimensionalen Einteilung von Symptomen weichen sollte. Die Positivsymptome Wahn und Halluzinationen prägen das klinische Bild der Schizophrenie, v. a. der paranoiden Schizophrenie, wohingegen diese Symptome für die BS trotz der Beschreibung einer Subpopulation von Patienten mit konstantem Auftreten psychotischer Symptome nicht typisch sind. Wahninhalte der BS sind im Gegensatz zu denen der Schizophrenie synthym, also stimmungskongruent. Bei Vorliegen von Haupt- und Nebensymptomen für eine manische Episode sollen klassische Wahninhalte der Schizophrenie, wie Verfolgungs- und Beziehungswahn, nicht auftreten. Auch Ich-Grenzstörungen sowie kommentierende und dialogisierende Stimmen, wie sie als Erstrangsymptome der Schizophrenie gelten, sind für das Bild der BS nicht charakteristisch. Bei gleichzeitigem Vorliegen solcher psychotischen und affektiven Symptome sollte eher eine schizoaffektive Störung diagnostiziert werden. Andererseits treten enthemmtes Sozialverhalten und enthemmte Libido, wie der Psychiater sie häufig bei dem Vollbild einer Manie sieht, bei der Schizophrenie typischerweise nicht auf. Betrachtet man jedoch die Krankheitsepisoden von Patienten mit BS und schizophrener Störung im Längsschnitt, so fällt oft ein polymorpher Zeitverlauf auf, in dem die Krankheitsepisoden eines Patienten einmal affektiv dominierte Symptome, ein anderes Mal schizo-dominierte Symptome aufweisen können [21], so dass man es klinisch mit einem psychotischen Kontinuum ohne klare diagnostische Grenzen zu tun haben kann. Auch die Tatsache, dass Antipsychotika in der Therapie beider Erkrankungen wirksam sind, sowie weitere nachfolgend erläuterte Untersuchungen und theoretische Überlegungen weisen darauf hin, dass die BS auf neurobiologischer Ebene nicht ohne Weiteres von der Schizophrenie getrennt werden kann. Genetische Untersuchungen ermittelten verschiedene Kandidatengene, die sowohl bei der BS als auch bei der Schizophrenie Bedeutung besitzen könnten [22, 23]. Es könnte sein, dass eine Reihe von Risikogenen eher einen Einfluss auf die Ausprägung bestimmter Symptome als auf die Ausbildung einer gesamten

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Dementia praecox

Manisch-Depressives Irresein (unter besonderer Berücksichtigung zirkulärer manisch-depressiver Verläufe)

Besondere differenzialdiagnostische Schwierigkeit bei bzw. während: 1. Negativismus (v. a. bei Katatonie)

Depressive Phasen

– depressive Verstimmung, im Spätverlauf gemütliche Stumpfheit

– psychische Hemmung

– Verlust der geistigen Regsamkeit, Selbstständigkeit

– ausgeprägte Denkhemmung

– anfangs bisweilen jedoch Schlagfertigkeit, rasche Auffassung

– verlangsamte Willensäußerung (u. a. bei Bewegungen und kognitiven Prozessen)

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Tab. 2 Versuch einer differenzialdiagnostischen Synopse Dementia praecox (Außerachtlassung der Entität Paranoia) vs. Manisch-Depressives Irresein anhand Kraepelins erster öffentlicher Vorstellung seiner Dichotomie der Endogenen Psychosen aus dem Jahr 1899 [17].

– Verlust der Reaktionsfähigkeit bis zu Gegenantrieben – einzelne spontane Bewegungen – gegenüber der Umwelt Gleichgültigkeit, Teilnahmslosigkeit, Furchtlosigkeit

– Anteilnahme an der Umwelt

– keine Fixierung mit den Augen

– ängstlicher bis trauriger Affekt (äußert sich bisweilen stürmisch, unerwartet)

– Sinnestäuschungen 2. Häufige Verläufe der Dementia praecox mit Schüben der Erregung

Manische Phasen

– Sinnestäuschungen

– Dominanz des Handelns durch Gemütsbewegungen und Vorstellungen

– Wahnideen (v. a. Verfolgungs- und Größenwahn), Zerfahrenheit, Urteilsschwäche (u. a. keine Krankheitseinsicht) – mitunter Echolalie und -praxie – (oft nur geringfügige, mitunter epileptoide) Erregung unabhängig von Umwelt; jedoch Fälle mit großer Reizbarkeit

– lebhafte Anteilnahme an Umwelt

– Kontaktstörung, Beziehungslosigkeit, gemütliche Stumpfheit = > soziale Isolierung – Besonnenheit und Orientierung (im Spätverlauf aber verloren gehend), trotzdem inhaltlich zusammenhanglose Ideenflucht

– Ideenflucht mit inhaltlichem Zusammenhang

– Sprachverwirrtheit (v. a. Verbigerieren) – zwangsmäßiger, zielloser, einförmiger, nicht von außen beeinflusster Bewegungsdrang, Unruhe – Grimassieren, Manierismen, läppisches Lachen ohne Erregung Prognose: Mehrheitlich geistige Schwächezustände bis Schwachsinn (v. a. bei Hebephrenie)

Kein Schwachsinn; mehrheitlich Remission oder Abheilung

psychischen Erkrankung hat. Die Schwierigkeit, Suszeptibilitätsgene für komplexe psychiatrische Erkrankungen, z. B. für BS und Schizophrenie, zu finden, wird auf die ätiologische Heterogenität des in den Klassifikationssystemen psychopathologisch definierten Krankheitsphänotyps zurückgeführt. Aktuell wird deshalb versucht, abgrenzbare neurobiologische Krankheitskomponenten wissenschaftlich herauszuarbeiten. Diese Komponenten werden als „Endophänotypen“ bezeichnet und als erfolgversprechende Zielphänotypen betrachtet, weil sie von den Geneffekten direkter beeinflusst werden können. Eine oder mehrere dieser Krankheitskomponenten können ihrerseits zur Ausprägung einer psychiatrischen Erkrankung beitragen. Ob bestimmte, auch neurophysiologische Endophänotypen gleichermaßen zur Schizophrenie und zur BS beitragen, ist Gegenstand aktueller Untersuchungen [24, 25]. Möglicherweise sind die strukturellen Veränderungen, die bei beiden Erkrankungen beispielsweise im Gesamthirnvolumen oder auch im präfrontalen Kortex der Kranken gegenüber gesunden Probanden festgestellt wurden [26], in diesem Kontext zu sehen. Volumetrische Untersuchungen einzelner Hirnregionen, wie sie z. B. zu den Habenulae durchgeführt wurden [27], sollten

nicht nur nach Assoziationen mit einer klinischen Diagnose, sondern auch nach einer Beziehung zwischen der Gehirnstruktur und Symptomen, Symptomkomplexen oder Endophänotypen suchen, denn möglicherweise sind häufige klinische Symptomcluster stärker mit neurobiologischen Korrelaten assoziiert als die Diagnosen nach ICD-10, DSM-IV oder DSM-5.

Differenzialdiagnose schizoaffektive Störung !

Eines der sicherlich am schwersten von der BS abzugrenzenden Störungsbilder und daher ein strenges quer- und längsschnittdiagnostisches Vorgehen voraussetzendes Krankheitsbild ist die schizoaffektive Störung. Nach den S3-Leitlinien zur BS sollte die Diagnose der schizoaffektiven Störung aufgrund der „geringen Zuverlässigkeit […] der Diagnosestellung […] nur als Ausschlussdiagnose nach längerer Verlaufsbeobachtung gestellt werden“. Die Diagnose schizoaffektive Störung sollte den Vorzug erhalten, wenn die Krankheitsepisoden mehrheitlich von einer psychotischen Symptomatik bestimmt werden [8], obschon die Symptome im Längsschnitt eher der BS als der schizophrenen Störung

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– Wahnideen

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zu ähneln scheinen [28]. Dass die Diskussion, ob die schizoaffektive Störung eine Variation der BS oder Schizophrenie, ein psychotisches Kontinuum zwischen Schizophrenie und BS oder eine eigenständige nosologische Entität darstellt, nicht abschließend geklärt ist, lässt sich anhand der von ICD-10 und DSM-5 versuchten Klassifikationen erkennen. So müssen nach ICD-10 die Kriterien einer affektiven Störung und einer Schizophrenie gleichzeitig oder nur durch wenige Tage getrennt vorliegen. Um die Diagnosen „schizoaffektive Störung, gegenwärtig manisch“ oder „gemischte schizoaffektive Störung“ stellen zu können, wird das Vorliegen mindestens eines schizophrenen Symptoms gefordert. Entgegen der Symptomatik der BS ist der Wahninhalt der schizoaffektiven Störung nicht synthym, die Symptomatik der schizoaffektiven Störung fällt gegenüber den psychotischen Symptomen der BS bizarrer aus, wird eventuell durch Ich-Grenzstörungen begleitet und kann durch akustische Halluzinationen gekennzeichnet sein. Bei gelegentlichem Auftreten von schizoaffektiven Episoden zwischen typischen Phasen der BS soll die Diagnose einer BS nicht verlassen werden [1]. Um unter anderem der niedrigen Reliabilität und Validität in der Diagnosestellung zu begegnen und um der Wechselhaftigkeit der auftretenden Symptome während der Gesamtdauer der Erkrankung Rechnung zu tragen, wurde im DSM-5 insbesondere das Kriterium C spezifiziert und steht im Widerspruch zum Vorgehen in der ICD-10: Zur Diagnosestellung muss das Vollbild einer affektiven Störung während mindestens der Hälfte der gesamten Erkrankungsdauer und nicht nur innerhalb einer Episode vorhanden sein [3, 29].

Differenzialdiagnose unipolare Depression

Stimmung seltener bei der BS als bei der unipolaren Depression sein [35]. Diagnostisch wegweisend sind zudem der frühe Beginn der ersten depressiven Episode, mehrere depressive Episoden in der Vorgeschichte und eine positive Familienanamnese [8, 33]. Der unterschiedlich schnelle Erkrankungsbeginn einer uni- und bipolaren depressiven Episode konnte auch mithilfe des Fragebogens Onset-of-Depression-Inventory (ODI) gezeigt werden. Bei 50 % der Patienten mit BS entwickelte sich die depressive Episode innerhalb einer Woche, während dies nur bei etwa 17 % der Patienten mit einer depressiven Episode und bei 25 % der Patienten mit einer rezidivierenden depressiven Störung der Fall war [36].

Weitere psychiatrische Differenzialdiagnosen !

Da die Mehrzahl der Patienten mit einer BS psychiatrische Komorbiditäten aufweist [37], muss auch die Frage geklärt werden, ob eine komorbide Erkrankung oder eine Differenzialdiagnose vorliegt. Zu den häufigen komorbiden Erkrankungen gehören Angststörungen, Alkohol- und Drogenmissbrauch oder -abhängigkeit, das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS), Persönlichkeitsstörungen v. a. innerhalb des Clusters B, wie die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) und die histrionische Persönlichkeitsstörung. Bei Kindern werden hypomanische Symptome häufig als ADHS fehlgedeutet, da hier eine große Symptomüberlappung vorliegt. Gemäß den aktuellen S3-Leitlinien (Empfehlungsgrad 0) ist insbesondere bei jungen Erwachsenen mit einem ADHS sowie einer BPS das Vorliegen einer BS zu prüfen. Auf diese beiden Störungen soll deshalb hier genauer eingegangen werden.

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Je nach Screeningverfahren, Beobachtungszeitraum und Alter der untersuchten Kohorte variieren die Gesamtzahlen der Patienten, die bei zuvor diagnostizierter unipolarer Depression eine hypomanische oder manische Episode entwickeln, zwischen 3 und 25 % [30] mit einer jährlichen Konversionsrate von 1,5 % in die Bipolar-I- oder Bipolar-II-Störung [31]. Die Frage, ob eine depressive Episode im Rahmen einer unipolaren Depression oder einer BS auftritt, ist bei bisherigem Fehlen einer (hypo-)manischen Episode eine Herausforderung in der psychiatrischen Diagnostik. Bislang gibt es keine klaren Kriterien auf der Grundlage einer aktuellen Querschnittssymptomatik. Auf das Vorliegen einer bipolaren Depression können im Rahmen eines probabilistischen Ansatzes sogenannte „soft bipolar signs“ hinweisen, die eine bislang unbemerkte BS aufdecken könnten [32]. Diese wurden unter anderem in das Konsensuspapier zur Bipolaren Depression des European College of Neuropsychopharmacology (ECNP) [33], nicht jedoch in die S3-Leitlinien zur Diagnostik einer BS aufgenommen: Bipolar depressive Patienten zeigen demnach häufiger atypische depressive Symptome wie Gewichts- und Appetitsteigerung sowie ein erhöhtes Schlafbedürfnis. Die psychomotorische Verlangsamung, die nach dem Konzept von Parker und Kollegen als Kernelement der melancholischen Depression gesehen wird [34], soll bei der BS häufiger als bei der unipolaren Depression auftreten [33, 35]. Einige Symptome des melancholischen Subtyps der Depression sprechen eher für eine zugrundeliegende unipolare, andere eher für eine bipolare Störung: Während beispielsweise Morgentief und Schuldgefühle häufiger bei bipolarer Depression auftreten, sollen Appetitminderung und mangelnde Auslenkbarkeit der

Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) !

In der Kinder- und Jugendpsychiatrie besteht die Schwierigkeit in der Abgrenzung der pädiatrischen BS (PBS) gegenüber dem ADHS. Gestörte Stimmungslage, affektive Instabilität, Aufmerksamkeitsstörungen, aggressives Verhalten und Agitiertheit können im Rahmen beider Erkrankungen auftreten und eine eindeutige Zuordnung erschweren. Die ein ADHS charakterisierenden Konzentrationsstörungen, häufige Flüchtigkeitsfehler, erhöhte Ablenkbarkeit, psychomotorische Unruhe, Verminderung des sozial erwünschten Verhaltens, die Probleme im Organisieren und zielgerichteten Handeln sowie eine übermäßige Ungeduld treten auch in der Manie auf [38]. Umgekehrt treten DSM-5-Symptome der Manie wie vermehrter Rededrang, erhöhte Ablenkbarkeit, erhöhte Aktivität und reduzierte soziale Hemmung auch beim ADHS häufig auf. Im DSM-5 wird der hohen Überlappung der Störungen auch durch die Schaffung einer neuen Entität, der „Disruptive Mood Dysregulation Disorder“ (affektive Dysregulation), Rechnung getragen, die jedoch gleichwohl die klare Zuordnung präsentierter Symptome zu einer Entität nicht vereinfacht. Eine Unterscheidung ist jedoch anhand verschiedener Kriterien möglich. Die Symptomatik des ADHS beginnt meist vor dem siebten Lebensjahr, während eine PBS selten vor der Pubertät auftritt. Beim ADHS sind die Symptome nahezu durchgängig vorhanden, während sie bei der PBS episodisch auftreten. Beim ADHS sind durch Lebensereignisse getriggerte, kurzfristig auftretende Stimmungsschwankungen häufig, bei der PBS seltener, dafür von längerer Dauer. Im Erwachsenenalter reduziert sich das hyperaktive

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Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) !

Die BS und die BPS weisen mit der späten Adoleszenz und dem jungen Erwachsenenalter sowohl ein ähnliches Ersterkrankungsalter als auch eine hohe Komorbidität von bis zu 16 % auf [45]. Bis zu 23 % der Patienten mit Bipolar-II-Störung erfüllen zudem die Kriterien für eine BPS [46]. Zusätzlich liegt eine hohe symptomatische Überlappung vor: Beide Störungen können ein instabiles Selbstbild und eine instabile Selbstwahrnehmung aufweisen, eine übermäßige Impulsivität kann zu enthemmtem sexuellen Verhalten sowie zu Substanzmissbrauch führen. Bei beiden Erkrankungen können affektive Instabilität, dysphorische Episoden, erhöhte Irritabilität und Ängstlichkeit bestehen. Auf der Verhaltensebene werden sowohl bei der BPS als auch bei der BS Suizidraten von etwa 10 % gefunden. Diese Überschneidungen führten auch zu der Überlegung, ob die BS und die BPS weniger eigenständige Entitäten als vielmehr überlappende Symptomcluster auf der Grundlage eines zyklothymen Temperaments sein könnten [47]. Die wesentlichen symptomatischen Unterschiede der Erkrankungen lassen sich differenzialdiagnostisch nutzen: Das bei der BPS das Leitsymptom darstellende selbstverletzende Verhalten tritt in der Manie nicht auf. Die Furcht vor dem Verlassenwerden als ein Kernsymptom der BPS ist bei der BS in der Regel nicht vorhanden. Die affektive Instabilität bei der BPS tritt meist als Reaktion auf ein Umweltereignis auf, bei der BS lassen sich dagegen nur selten exogene Ursachen feststellen. Bei der BPS bestehen insbesondere hypomanische Symptome nur kurz für einige Stunden. Die Unfähigkeit der Verhaltensplanung und Voraussicht von Konsequenzen ist oft nahezu durchgängig vorhanden. Dagegen zeichnet sich die BS durch einen episodischen Verlauf mit meist vollständiger Remission zwischen den Episoden aus. Neurobiologische Untersuchungen weisen sowohl auf Ähnlichkeiten als auch auf fundamentale Unterschiede zwischen den beiden Erkrankungen hin. So stehen der ausgeprägten

Heredität beider Erkrankungen, den gemeinsamen Auffälligkeiten des serotonergen und dopaminergen Systems sowie der Verminderung des Volumens des frontalen Cortex bei beiden Erkrankungen Unterschiede des therapeutischen Ansprechens und Unterschiede der durchschnittlichen Volumina des Hippocampus und der Amygdala entgegen [46].

Differenzialdiagnostik sekundärer Manien !

Bezüglich der Differenzialdiagnostik sekundärer Manien weist die aktuelle S3- Leitlinie v. a. auf die Neurosyphilis, Raumforderungen im frontalen Kortex, Morbus Pick, Multiple Sklerose, Epilepsie, Morbus Cushing und eine Thyreotoxikose hin [8]. Typisch für die organisch bedingten Formen einer bipolaren Symptomatik ist die Progression der körperlichen Symptome, weshalb wiederholte körperliche Untersuchungen im Verlauf bei manischen Patienten empfehlenswert sind. Auf das endokrine Cushing-Syndrom, die infektionsbedingte Syphilis, die neurologische Erkrankung Epilepsie und die Multiple Sklerose als immunologische Krankheit soll im Folgenden näher eingegangen werden. Psychiatriehistorisch sei an dieser Stelle auf die systematische Untersuchung der Verursachung manischer und depressiver Episoden durch entzündliche Erkrankungen von Emil Kraepelin im Rahmen seiner Habilitation an der Universität Leipzig 1882 [48] hingewiesen. Befunde, dass auch endokrine Erkrankungen Symptome einer bipolaren Störung verursachen können, wurden erst in den 1950er Jahren nach der Entdeckung und Synthese wichtiger Hormone vor allem von Manfred Bleuler systematisch erhoben, gesammelt und in ihrer Wichtigkeit für die psychiatrische Forschung und die Klassifikation der Erkrankungen erkannt [49].

Cushing- Syndrom !

Das Cushing-Syndrom ist selten endogen, häufig iatrogen durch Überschreitung der sogenannten Cushing-Schwelle mittels Glukokortikoid-Medikation bedingt. Die Ursachen für ein endogenes Cushing-Syndrom sind am häufigsten ein Hypophysenadenom, ein Nebennierentumor oder ein ektoper neuroendokriner Tumor. In der körperlichen Untersuchung sind ein Vollmondgesicht, ein Büffelnacken und die sog. „lemon on sticks-appearance“ diagnostisch wegweisend. Sowohl depressive als auch manische Symptome können auftreten. So weisen bis zu 83 % der untersuchten Cushing-Patienten ein affektives Syndrom auf, wobei in einer Untersuchung 67 % davon unter depressiven Episoden und 30 % unter manischen Episoden in der Anamnese litten. Bemerkenswert ist, dass die manischen Episoden häufig bereits mehrere Jahre vor Diagnosestellung des Morbus Cushing auftraten [50]. Zum Screening auf einen Morbus Cushing eignet sich die CortisolMessung im 24-Stunden-Sammelurin oder der DexamethasonHemmtest. Bildgebende Verfahren allein liefern in 30 % der Fälle falsch negative und in 10 % falsch positive Befunde.

Multiple Sklerose !

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine Autoimmunerkrankung, in der autoreaktive T-Zellen und ein Ungleichgewicht zwischen proinflammatorischen T-Helferzellen Typ 1 (Th1) und regulatorischen Typ-2-Zellen (Th2) zur multilokulären Demyelinisierung der Oligodendrozyten mit axonaler Schädigung führen. Interes-

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und externalisierende Verhalten hin zu einer stärkeren Beeinträchtigung des Affekts mit gedrückter Stimmung und Affektlabilität. Dies erschwert die nosologische Einteilung der präsentierten Symptome und kann über Jahre zu Fehlbehandlungen führen [39]. Der ähnlichen Symptomatik von BS und ADHS liegen möglicherweise verwandte neurobiologische Prozesse zugrunde. Untersuchungen zeigen ein erhöhtes Risiko für die komorbide Erkrankung an PBS und ADHS bei elterlicher Vorerkrankung an einer der beiden, in beiden Erkrankungen wurden Veränderungen in Kandidatengenen des serotonergen und dopaminergen Systems sowie Polymorphismen von Genen der zirkadianen Rhythmik, zum Beispiel der CLOCK-Gene, und weiterer Gene, die u.a Kaliumkanal-Funktionen codieren, gefunden [40]. Auch Auffälligkeiten in der Wachheitsregulation im Sinne einer instabilen EEG-Vigilanzregulation wurden bei der BS und der ADHS beschrieben [39, 41]. So weisen experimentelle Daten darauf hin, dass die in Stadien eingeteilte Elektroenzephalografie(EEG)-basierte Vigilanz bei Patienten mit BS und ADHS bereits kurz nach Ableitungsbeginn unter Ruhebedingungen bis in Schlafstadien abfällt. Die Probleme bezüglich der kognitiven Leistungsfähigkeit von Patienten mit ADHS könnten daher mit der schnell abfallenden Vigilanz zusammenhängen. Dies würde den therapeutischen Effekt von Psychostimulanzien bei ADHS erklären [42]. In ähnlicher Weise könnte die Anwendung von Psychostimulanzien auch zur Akutbehandlung von Manien eine mögliche Behandlungsalternative darstellen [43, 44].

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sant ist, dass es auch bei der unipolaren Depression und der BS zu einem Ungleichgewicht in der Th-Zell-Regulierung und zu einer vermehrten Synthese proinflammatorischer Zytokine kommt [51 – 53]. Außerdem wurde gezeigt, dass sowohl Antidepressiva [54] als auch Stimmungsstabilisierer [55] zu einer Modulation der Zytokinproduktion führen. Es existieren Fallbeispiele, in denen manische Syndrome der Diagnosestellung einer MS zum Teil weit vorausgingen oder manische Symptome als erste Krankheitszeichen auftraten. In diesen Fällen kann eine Liquoruntersuchung auf Pleozytose, intrathekale Ig-Synthese und Antikörperbildung zur Differenzialdiagnose beisteuern. Ein frühes Erkennen einer komorbiden psychiatrischen Störung ist ein Prädiktor der Morbidität, der Mortalität, der zu erreichenden Lebensqualität, des Erkrankungsverlaufs, des Therapieerfolgs und der Suizidrate bei Patienten mit MS [56, 57].

Epilepsie !

Sowohl inter- als auch postiktal kann es zum Beispiel bei rechtshemisphärischen Läsionen zu gesteigerter Stimmung, Euphorie und extrovertiertem Verhalten, bei Temporallappenepilepsie dagegen auch zu Zuständen mit gedrückter Stimmung, sozialem Rückzug und Suizidalität kommen. Die Patienten weisen häufig einzelne manische oder depressive Symptome auf, meist ohne die notwendigen Kriterien der BS oder unipolaren Depression zu erfüllen [58]. In der körperlichen Untersuchung ist u. a. nach Hinweisen für einen Anfall, wie Zungenbiss, Aura, Einnässen und Orientierungsschwierigkeiten, zu suchen. Zudem sollte eine apparative Diagnostik mittels MRT, (Langzeit-)EEG sowie Labordiagnostik durchgeführt werden. Der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Diagnosestellung einer Epilepsie und einer BS [59], der familiäre Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Epilepsie und BS [60], die Wirksamkeit von Antiepileptika bei beiden Erkrankungen sowie die für beide Erkrankungen anwendbare Kindling-Hypothese, nach der der Einfluss psychosozialer Auslöser für die einer ersten Episode folgenden weiteren Episoden abnimmt und die notwendige Reizstärke für das Auslösen einer Episode oder eines Anfalls im Laufe der Erkrankung absinkt [61], weisen auf eine hohe pathophysiologische Überschneidung beider Erkrankungen hin, die auch die klare klinische Differenzierung erschweren kann.

Neurosyphilis !

Die zur Syphilis führende Infektion mit Treponema pallidum tritt mit niedrigen Inzidenzraten als Differenzialdiagnose der BS klinisch in Deutschland zwar selten auf, hat weltweit in den vergangenen zwei Jahrzehnten jedoch erneut stark zugenommen. Auf das Quartärstadium, die Neurosyphilis, weisen die Argyll-Robertson-Pupille, Dysarthrie, Areflexie der unteren Extremitäten, Gangstörung sowie Inkontinenz hin. Wiederholt wurden neben depressiven manische Syndrome beschrieben. In den publizierten Fällen fanden sich manische Symptome wie Ideenflüchtigkeit, inkohärentes Denken, Größenideen, Hyperaktivität, Schlaflosigkeit, gestörte Impulskontrolle sowie erhöhte Ablenkbarkeit [62]. Wie bei anderen organisch bedingten affektiven Störungen bestehen zudem häufig ausgeprägte Affektlabilität, Orientierungsstörungen, akustische Halluzinationen, Gedächtnisstörungen, Dyskalkulie und Aphasie. Die Diagnose einer Neurosyphilis wird nach der Sicherung der o. g. klinischen Zeichen

üblicherweise mittels Antikörper- oder Erregernachweis im Liquor gestellt und ist dadurch sehr viel leichter als zu Zeiten Kraepelins [17].

Iatrogen induzierte Manien !

Für durch therapeutische Interventionen ausgelöste Manien wird in der neuen S3-Leitlinie ausgeführt, dass es bei einer ganzen Reihe von Substanzen, die therapeutisch verordnet werden, zum Auftreten von Hypomanien oder Manien kommen kann. Dies betrifft z. B. Hormonsubstitutionstherapien oder -behandlungen, Dopaminagonisten, Stimulanzien und Antidepressiva [8]. Der mögliche manie-induzierende Effekt von Antidepressiva tritt möglicherweise nur bei genetischer Disposition für eine BS auf [6]. Im DSM-5 wurde daher die durch Antidepressiva induzierte Manie und Hypomanie aus dem Spektrum der medikamenteninduzierten Manien entfernt und als Hinweis auf eine echte Bipolar-I- oder Bipolar-II-Störung gesehen [3]. In einer Metaanalyse von Studien mit Beobachtungszeiträumen von 4 – 6 Wochen war die Switchrate unter den untersuchten Antidepressiva mit 3,2 % generell nicht, bei den trizyklischen Antidepressiva mit 10 % jedoch deutlich erhöht [63]. Auch innerhalb der neueren Substanzklassen scheinen Unterschiede im Switchrisiko zu bestehen: In einem 10-wöchigen Vergleich von Bupropion, Sertralin und Venlafaxin war das Switchrisiko unter Venlafaxin erhöht [64]. Bezüglich der morgendlichen Lichttherapien wurden Einzelfallberichte über induzierte erstmalige, einmalige oder rezidivierende manische Phasen publiziert [65]. Auch der therapeutische Schlafentzug kann manische Syndrome induzieren. Von diesen abzugrenzen sind hypomanische Nachschwankungen, wie sie bei Gesunden nach Schlafentzug auftreten können, die dann lediglich einen Anfangsverdacht auf eine Bipolar-II-Störung begründen können.

Diskussion und Perspektiven !

Seit dem 19. Jahrhundert wird wissenschaftlich über die diagnostische Einordnung der BS und ihre Abgrenzung zu anderen Erkrankungen diskutiert. Aus differenzialdiagnostischer Sicht zeigen bestimmte psychiatrische, endokrine, infektiöse, immunologische und neurologische Krankheiten eine überlappende Symptomatik mit der BS, was vom behandelnden Arzt ein hohes Maß an diagnostischer Expertise fordert. Es gibt zurzeit keine testpsychologische, genetische, labordiagnostische oder bildgebende Untersuchung, die mit Sicherheit die Diagnose der BS erlaubt. Assoziationen der BS mit Risikogenen sind im Einzelfall ohne diagnostische Relevanz. Möglicherweise kann es aber in der Zukunft gelingen, Endophänotypen, also neurobiologische Krankheitskomponenten, zu definieren, die starke genetische Assoziationen zeigen und die entscheidend zum Krankheitsbild der BS beitragen [24]. Die vielfältigen symptomatischen Überlappungen der BS mit anderen Erkrankungen könnten Hinweise auf ihre multifaktorielle Genese geben. Wenn man die enge Beziehung zu Epilepsie, Cushing-Syndrom und Multipler Sklerose in Betracht zieht, liegt es nahe, an elektrophysiologische, hormonelle und immunologische Faktoren in der Pathophysiologie der BS zu denken. Wie bereits erwähnt, hatte bereits Kraepelin pathophysiologische Erwägungen angestellt, die sich auf immunologische Aspekte bezogen [48]. Eine Reihe hochaktueller Untersuchungen hat sich mit immunologischen Unterschieden zwischen Patienten

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Fazit für die Praxis !

Eine Vielzahl psychischer und somatischer Erkrankungen weist im Quer- und Längsschnitt Symptome auf, die auch für die Bipolare Störung (BS) typisch sind. Die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der BS zur Schizophrenie, zur schizoaffektiven Störung und zur unipolaren Depression spiegeln sich sowohl in den Unterschieden aktueller Klassifikationskonzepte als auch in der Synopse psychiatriehistorischer Konzepte wider. Zur Differenzialdiagnostik und Behandlung der BS ist die genaue Erhebung der Anamnese, der Psychopathologie und des körperlichen Untersuchungsbefundes unerlässlich. Die klinische Konstellation kann darüber hinaus eine strukturelle oder funktionelle Bildgebung, eine neurophysiologische Untersuchung oder eine gezielte Labordiagnostik notwendig machen.

Take Home Message Eine Vielzahl psychischer und somatischer Erkrankungen weist im Quer- und Längsschnitt Symptome auf, die auch für die Bipolare Störung (BS) typisch sind. Die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der BS zur Schizophrenie, zur schizoaffektiven Störung und zur unipolaren Depression spiegeln sich sowohl in den Unterschieden aktueller Klassifikationskonzepte als auch in der Synopse psychiatriehistorischer Konzepte wider. Zur Differenzialdiagnostik und Behandlung der BS ist die genaue Erhebung der Anamnese, der Psychopathologie und des körperlichen Untersuchungsbefundes unerlässlich. Die klinische Konstellation kann darüber hinaus eine strukturelle oder funktionelle Bildgebung, eine neurophysiologische Untersuchung oder eine gezielte Labordiagnostik notwendig machen.

Interessenkonflikt: H. Himmerich erhielt Vortragshonorare von AstraZeneca, Lilly und Servier, Beraterhonorare von BristolMyers Squibb und Servier und chemische Substanzen für die Durchführung von In-vitro-Studien von Lundbeck, AstraZeneca, Novartis und Wyeth. F. M. Schmidt und H Steinberg geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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mit unipolarer Depression und BS [66], zwischen Schizophrenie und BS [67] und mit der Abgrenzung der BS zu anderen psychiatrischen Erkrankungen beschäftigt. Möglicherweise lohnt es sich, aus den vielen erhobenen Einzelbefunden zu Immunzellen und Zytokinen ein immunologisches Muster der BS herauszuarbeiten, das mehr zur Differenzialdiagnose beiträgt als ein einzelner immunologischer Laborwert und das außerdem mit den immunmodulatorischen Eigenschaften antimanischer und stimmungsstabilisierender Medikamente [55, 68] korrespondiert. In ähnlicher Weise könnten auch endokrinologische, elektrophysiologische und neurochemische Einzelbefunde zu einer neurobiologischen Signatur der BS zusammengetragen werden. Aufgrund der zurzeit unzureichenden Sensitivität und Spezifität von Testpsychologie, Labordiagnostik, Bildgebung und Elektrophysiologie geben für die Diagnose einer BS zum jetzigen Stand der Wissenschaft die Anamnese, die Erhebung des psychopathologischen und körperlichen Befundes und die Verlaufsbeobachtung die entscheidenden diagnostischen Hinweise.

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Übersicht

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[Differential diagnosis of bipolar disorder: historical and clinical implications and perspectives].

In DSM-5, bipolar disorder (BS) is no longer conceptualised as a pure mood disorder together with unipolar depression, but as a bridge between schizop...
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