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Diclofenac up2date

Teil 1: Die Pharmakologie und der Vergleich mit anderen Medikamenten

Das Nicht-Opioid-Analgetikum Diclofenac wird weltweit zur Therapie muskuloskelettaler und perioperativer Schmerzen eingesetzt. Nicht zuletzt wegen der freien Verfügbarkeit niedrigdosierter Präparate als “over-the-counter“-Medikament müssen renale, gastrointestinale und kardiale unerwünschte Wirkungen berücksichtigt werden. Die Vielzahl der verfügbaren Applikationsformen (u. a. Tabletten, Zäpfchen, Tropfen, Gele, Pflaster) mit ihren jeweils spezifischen zugelassenen Indikationen, Dosierungsempfehlungen und Anwendungsbeschränkungen kann verwirrend sein und sowohl einen inadäquaten Einsatz als auch die Vorenthaltung eines potenten Analgetikums bedingen. Die vorliegende Übersichtsarbeit soll Anästhesisten, Schmerztherapeuten und Intensivmedizinern die wichtigsten Aspekte dieser weit verbreiteten Substanz für den Einsatz bei bestimmten Krankheitsbildern und Patientengruppen präsentieren.

Geschichte Patentierung Diclofenac wurde in den 60erJahren von Alfred Sallmann und Rudolph Pfister in der pharmazeutischen Gesellschaft Geigy (heute nach Fusion mit Ciba und Sandoz: Novartis AG) synthetisiert, am 10.10.1966 als Antirheumatikum und Medikament gegen Arthritis patentiert und 1973 eingeführt. Die Patentierung in den USA erfolgte am 28.03.1972 [1], die Einführung in Großbritannien 1979 [2]. Die Substanz erhielt ihren Namen anhand der Summenformel 2-[2-(2,6-Dichlorophenylamino)phenyl]aceticacid). Auf dem Markt erhielt das Medikament den Namen Voltaren® (Sitz des Baseler Instituts am Volta-Platz am Rhein, lat. Renus) [3]. Seit Ablauf des Patentschutzes wird Diclofenac in Deutschland von verschiedenen Herstellern in verschiedenen galenischen Formen vertrieben [4]. Mit einem Umsatz von 759 Mio. US$ im Jahr 2012 gehören die Voltaren-Produkte zu den Top20-Sellern des Novartis-Konzerns [5]. Diskussion um kardiovaskuläres Risiko Nach dem Rofecoxib-Skandal 2004 geriet Diclofenac wie alle nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) neben den Coxiben in den Verdacht, das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (Myokardinfarkte und

Schlaganfälle) zu erhöhen (siehe Abschnitt: kardiovaskuläres Risiko). Seitdem wird aufgrund dieser unerwünschten Wirkung eine kontroverse und teils ambitionierte Diskussion geführt [6, 7].

Diclofenac ist trotz der anhaltenden Kontroverse über kardiovaskuläre unerwünschte Wirkungen (wie Schlaganfall und Myokardinfarkt) eines der weltweit am häufigsten eingesetzten und effektivsten NSAR.

Pharmazeutische und pharmakokinetische Aspekte Eigenschaften Diclofenac (C14H11Cl2NO2, q Abb. 1) gehört pharmakologisch zu den nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) und ist wie Indometacin (Prodrug Acemetacin) ein Essigsäure-Derivat. Das Molekulargewicht beträgt 296,14 g/mol. Der Zersetzungspunkt des Natriumsalzes liegt bei 280 °C, der pKs bei 4,15. Die Löslichkeit in Wasser ist mit 2,37 mg/l sehr gering. Die Substanz an sich ist weiß-beigefarben [8]. Verteilung und Ausscheidung Systemisch verfügbares Diclofenac wird zu 99 % an Plasmaproteine (v. a. Albumin) gebunden. Das Verteilungsvolumen ist mit 0,12 l/kg gering. Nach Verteilung im Blutkreislauf erfolgt eine Distribution in andere Kompartimente und es reichert sich u. a. in der Synovialflüssigkeit an. Der Übertritt in die Muttermilch ist gering. Die Ausscheidung der Metabolite erfolgt über die Galle mit den Fäzes (30– 40 %) und renal (60-70 %) mit einer Clearance von ca. 260 ml/min. Die terminale (Serum-)Halbwertszeit beträgt 1–2 h (in der Synovialflüssigkeit deutlich länger). Die durch Hydroxlierung (überwiegend über CYP2C9) und Glukuronidierung ausgeschiedenen Metabolite sind kaum aktiv. Ihre Halbwertszeit beträgt 3–4 h. 35 % des nicht metabolisierten Diclofenacs werden enteral reabsorbiert. Ca. 1 % des Wirkstoffs wird renal unverändert eliminiert [4].

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Stefan Bushuven • Daniel Heise • Juliane Bolbrinker

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Suppositorien Maximale Plasmaspiegel werden bei rektaler Applikation nach etwa 30 min erreicht und sind vergleichbar mit denen nach oraler Gabe. Die Angaben zur relativen Bioverfügbarkeit schwanken zwischen 55–78 % bei Erwachsenen [4, 11, 13, 14]. Injektionslösung Nach intramuskulärer Injektion der farblos bis gelblichen Lösung, die nicht mit anderen Injektionslösungen gemischt werden soll, werden max. Plasmaspiegel nach 10– 20 min erreicht [4]. Einige Präparate enthalten als zusätzlichen Bestandteil Lidocain. Neben der Gefahr lokaler Schädigungen und Infektionen besteht für die intramuskuläre Injektion ein etwa 100-fach erhöhtes Risiko für schwerwiegende anaphylaktische Reaktionen, über das der Patient aufgeklärt werden muss [15–17]. Eine Nachbeobachtung unter Vorhalten adäquater Medikamente zur Therapie einer anaphylaktischen Reaktion ist zu gewährleisten. ▶ Insgesamt ist die intramuskuläre Anwendung lediglich im begründeten Ausnahmefall indiziert und sollte auch dann nur einmalig erfolgen.

Glossar ACEI

Angiotensin-converting Enzyme Inhibitor

ARB

Angiotensin-Rezeptor-Blocker

ASIC

Acid-sensing Ion Channel

COX

Cyclooxygenase

NSAR

Nicht steroidales Antirheumatikum (= Antiphlogistikum)

UAW

unerwünschte Arzneimittelwirkung

Resorbierte Konzentrationen Die Menge des transdermal resorbierten Diclofenacs ist abhängig von der Dauer des Hautkontakts, der behandelten Hautfläche, Gesamtdosis und Hautzustand sowie den einzelnen Trägerstoffen [18–20]. Bei topischen Präparaten erreichen 0,5–10 % der applizierten Substanz den Blutkreislauf. Die in Entwicklung befindliche DFC-100C-Gel-Zusammensetzung besitzt eine 2- bis 3-fach höhere Bioverfügbarkeit [21]. Die resultierenden Maximalkonzentrationen, die nach 2–23 h erreicht werden, betragen etwa < 1 % bis 10 % derjenigen nach oraler Therapie [19, 22–24]. Der Wirkstoff erreicht die Synovialflüssigkeit, wo die Konzentrationen höher als im Plasma sein können; ob dies durch Diffusion vom Auftragungsort oder über die systemische Zirkulation erfolgt, wird unterschiedlich beurteilt [19, 24].

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Tabletten / Kapseln Nicht retardierte Tabletten oder Kapseln enthalten Diclofenac als Natriumoder Kaliumsalz [4]. Für den therapeutischen Effekt und die Verträglichkeit ist die Art des Salzes dabei unerheblich [9]. Nach oraler Einnahme wird Diclofenac vollständig resorbiert. Nach Einnahme der magensaftresistenten Darreichungsformen werden max. Plasmaspiegel im Mittel nach 2–3 h erreicht, bei dispersiblen Tabletten, Brausetabletten, Weichkapseln und Tropfen bereits etwa 15– 30 min nach der Einnahme auf nüchternen Magen [4, 10, 11]; dagegen bei retardierten Präparaten erst nach 3–5 h [11, 12]. Die Wirkdauer beträgt etwa 6 h bei einer Halbwertszeit von ca. 2 h. Die Bioverfügbarkeit hängt von der Applikationsform ab; sie beträgt aufgrund eines ausgeprägten FirstPass-Effekts bei magensaftresistenten Darreichungsformen etwa 50 % [4]. Zudem gibt es Präparate, die schnellfreisetzendes und retardiertes Diclofenac enthalten (u. a. „SL“ oder „ID“-Präparate). Dazu zählt auch das Präparat Voltaren Resinat®, bei dem Diclofenac-Natrium an Colestyramin gekoppelt vorliegt; dies bedingt die längere Wirkdauer, die Wirkspiegel sind dafür geringer [4, 8].

UAWs bei Externa Als häufige unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) bei der Anwendung von Externa gelten lokale Hautreaktionen wie Hautausschlag, Ekzem, Erythem, Dermatitis und Pruritus. Gegenüber Plazebo sind topische NSARs kurzfristig (über 2 Wochen) wirksam zur Schmerzreduktion bei akuten muskuloskelettalen Schmerzen sowie Arthrose [25, 26]. ▶ Nach einer neueren Cochrane-Metaanalyse zeigen NSAR-Externa inklusive Diclofenac-Präparate bei chronischen Schmerzen durch Handoder Kniearthrose sogar eine vergleichbare Effektivität wie eine orale Therapie [27].

Abb. 1 Strukturformel von Diclofenac.

Externa Zur topischen Anwendung ist Diclofenac als Gel, Spray oder Pflaster auf dem Markt. Die farblosen bis hellgelben Gele (max. 5 % Gehalt) sind rezeptfrei erhältlich und zur kurzzeitigen Behandlung von Schmerzen z. B. von gelenknahen Weichteilen, bei Arthrose der Knie- und Fingergelenke sowie Myalgien zugelassen. Eine Ausnahme bilden Präparate, die für die Therapie von Thrombophlebitiden oder die aktinische Keratose (z. B. Solaraze® 3 % Gel) bestimmt sind.

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Pharmakodynamik

Aktivierung des NO-cGMP-Pathways, eine Inhibierung von Substanz P, eine Aktivierung des Peroxisomen-Proliferator-activating Receptor Gamma (PPAR-γ), eine Inhibition von NMDA-Rezeptoren, eine Alteration der IL-6-Synthese [33, 34] sowie eine Inhibition der bakteriellen DNA-Synthese [35].

Cyclooxygenasen (COX)



Hauptwirkmechanismus Die unselektive kompetitive Hemmung der COX-1 und -2 wird immer noch als Hauptwirkmechanismus verstanden. Diclofenac und andere NSAR (außer ASS) konkurrieren mit Arachidonsäure um die aktive Bindungsstelle. ASS modifiziert das aktive Zentrum des Enzyms [36]. Die Bindung von Diclofenac ist zeitabhängig: Das Pharmakon benötigt einige Minuten, um an die COX zu binden und Stunden, um sich wieder zu lösen [36].

Allgemeine Pharmakodynamik



Vorkommen Die COX-1 kommt konstitutionell im endoplasmatischen Retikulum und der Zellkernhülle in den meisten tierischen Zellen vor. Pflanzen, Insekten und einzellige Organismen besitzen keine COX. Die COX-2 ist bis auf ein konstitutionelles Vorkommen in Rückenmark, Gehirn und Niere v. a. durch pathologische Prozesse induzierbar, wird also bei Inflammation, Angiogenese sowie bei der Atherosklerose und im Tumorwachstum vermehrt exprimiert. Die Bildung von COX-2 wird durch Glukokortikoide supprimiert [32, 36, 37].

Synopsis der möglichen Wirkungen von Diclofenac XD1R]L]HSWLRQ

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Abb. 2 Inhibitionen sind rot, Modulationen regenbogenfarben, Metabolisierungen (u. a.) blau und Stimulationen grün dargestellt – in hellblau Wirkungen auf Elemente des Arachidonsäurestoffwechsels, in dunkelblau weitere Wirkungen. Diclofenac hemmt über Inhibition der Phospholipase A2 die Bildung von Arachidonsäure aus Phospholipiden und über die Hemmung der COX-1 und -2 die Bildung von Prostaglandin H2. Aufgrund dieser Hemmung stehen der Lipooxigenase mehr Substrate zur Verfügung, sodass eine vermehrte Bildung von Leukotrienen möglich ist. Dies kann bronchospastisch wirken. Die geringere Bildung von Prostaglandin H2 führt zu einer verminderten Synthese weiterer Prostaglandine sowie Thromboxan A2 und dessen Gegenspielers Prostazyklin. Weitere Effekte des Diclofenac sind eine Modulation der Nozizeption über Hemmung von Substanz P, NMDA-Rezeptoren und ASCIs sowie eine Beeinflussung der Thrombozytenfunktion, Lipid- und Cholesterinmetabolismus über den PPARRezeptor und den TP-Rezeptor.

Wirkung Diclofenac wirkt antipyretisch, antiphlogistisch und analgetisch. Es bewirkt eine unselektive Hemmung der Cyclooxygenasen (COX) 1 und 2 und weist eine Reihe von weiteren Effekten auf, deren klinische Relevanz bisher nicht vollständig geklärt ist (q Abb. 2). Zu diesen zählen eine Beeinflussung von neuronalen Natrium-, Kalium-, Chlorid- und Kalzium-Ionenkanälen [30, 31], eine Inhibition von zentralen ASICs (Acid-Sensing Ion Channels) [32], eine Modulation des Thromboxan-Prostanoid-Rezeptors, eine

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Augentropfen Diclofenac-haltige Augentropfen (0,1 %) werden eingesetzt zur Behandlung postoperativer Entzündungssymptome, zur Aufrechterhaltung der Mydriasis bei operativen Eingriffen am Auge, Vorbeugung von zystoidem Makulaödem nach Kataraktoperationen und bei chronischen, nicht infektiösen Entzündungen des vorderen Augenabschnittes [28, 29]. Bei einigen Präparaten können Bestandteile wie Macrogolglyzerolricinoleat oder Propylenglycol Bindehautreizungen hervorrufen. Diclofenac geht nach lokaler Applikation bei Kataraktpatienten in die vordere Augenkammer über und kann nach 15– 30 min im Kammerwasser detektiert werden. Systemische Plasmaspiegel sind bei der 3- bis 5-mal täglichen Applikation nicht nachweisbar [4].

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Schlaganfall- / Herzinfarktrate Aufgrund der selektiven Hemmung der COX-2 durch Coxibe (z. B. Rofecoxib) mit der daraus resultierenden Verminderung des antithrombogen und vasodilatierend wirksamen Prostazyklins sowie der Überexpression des physiologischen ProstazyklinGegenspielers Thromboxan wurde eine Erhöhung der Schlaganfall- und Herzinfarktrate beobachtet. Dies führte 2004 zur Marktrücknahme von Rofecoxib (s. u.). Andere Wirkungmechanismen Die Wirksamkeit von Diclofenac und anderen NSARs bei COXKnock-Out-Mäusen sowie die unterschiedliche analgetische Wirksamkeit der Enantiomere von Flurbiprofen führten zu der These, dass die analgetische Wirkung der NSAR nicht nur über die Inhibition der COX erfolgt [32]. Weiterhin ist hinsichtlich der analgetischen Wirkung zu bedenken, dass die Substrate der COX und deren Metabolite (Prostaglandine) selbst keine Schmerzmediatoren sind, aber bestehenden Schmerz modulieren.

mindert, wobei die Gewebeazidität mit der Nozizeption korreliert. Bei Azidose werden ASICs vermehrt exprimiert. Voilley schließt daraus, dass die Aktivierung von Nozizeptoren durch ASICs erfolgt und durch Prostaglandine (via COX) verstärkt wird. Dieser Mechanismus wird COXunabhängig durch NSARs über eine direkte Inhibition der ASIC-Aktivierung und –Expression blockiert [32].

Peroxisomen-Proliferator-activated Receptor Gamma (PPAR-γ)



Eigenschaften Der PPAR-γ ist ein nukleär vorkommender Steroidrezeptor. Er ist als Transkriptionsfaktor an der Synthese einer Reihe von Proteinen des Fett- und Zuckerstoffwechsels, der Zelldifferenzierung von Lipozyten und bei der Karzinogenese beteiligt. Seine Aktivierung wirkt antidiabetisch, über Hemmung von NF-κB antiinflammatorisch [39] sowie in vitro anti-karzinogen [40]. Diclofenac und Indometacin sind hoch selektiv für den PPAR-γ-Rezeptor, während andere NSARs auch andere PPAR (α, β, δ) aktivieren [34]. Die klinische Bedeutung dieser Wirkung ist unklar.

Substanz P



Bedeutung Das Neuropeptid „Substanz P“ wird durch Neurone und Leukozyten synthetisiert und besitzt eine Vielzahl an neuronalen, v. a. zentralen Wirkungen (u. a. Modulation der neurogenen Entzündung, Transmission von Schmerz, Übelkeit und Erbrechen). In-vitro-Studien zeigen eine Suppression der Synthese von Substanz P unter Diclofenac und anderen NSARs mit Ausnahme von Ibuprofen. Die Relevanz dieser Resultate für den klinischen Alltag ist unklar [41].

Acid Sensing Ion Channels (ASICS)



Funktion und Wirkung ASICs gehören zusammen mit Degenerinen und epithelialen Natriumkanälen zu einer Superfamilie von Kationenkanälen (v.a. Natrium und Kalzium). Sie werden auf Neuronen des peripheren und zentralen Nervensystems exprimiert und sind an integrativen neuronalen Funktionen beteiligt (u. a. synaptische Plastizität, neuronales Remodeling, zelluläre Antwort auf neuronale Schäden, Apoptose). Im PNS kommen alle 4, im ZNS v. a. 2 ASIC-Typen vor. Die Kanäle öffnen sich bei einem bestimmten extrazellulären pH (z. B. ASIC-Typ 1 bei pH 7.2, ASICTyp 3 bei pH 7) und führen über Na+/Ca2+-Einstrom zu einer Depolarisation des Neurons mit Öffnung weiterer Kalziumkanäle [38]. Nozizeption Der extrazelluläre pH ist bei Inflammation (Protonenfreisetzung durch Leukozytendegranulation und absterbende Zellen) ver-

N-Methyl-D-Aspartat- Rezeptor (NMDA)



NMDA-Antagonismus Medikamente wie Ketamin wirken über einen Antagonismus an NMDARezeptoren analgetisch [42]. Für topisches Diclofenac wurde ebenfalls ein NMDA-Antagonismus im Rattenmodell nachgewiesen, wobei auch hier die klinische Relevanz ungeklärt ist [43].

NO-cGMP-Pathway



Aktivierung Die Aktivierung des NO-cGMPPathway hat eine antinozizeptive Funktion. Diclofenac scheint diesen Signalweg im Gegensatz zu anderen NSAR (Indometacin) zu aktivieren, was zu dem analgetischen Effekt beitragen könnte. Der Nachweis erfolgte bisher nur im Tiermodell [44].

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Aufgaben Während die COX-1 an verschiedenen Prostaglandin-gekoppelten Mechanismen (Magenschutz, Erhöhung des renalen Plasmaflusses, Aktivierung von Thrombozyten, neurointegrative Funktionen des Frontalhirns) beteiligt ist, spielt die COX-2 eine Rolle bei der inflammatorischen Immunantwort, der Modulation der Schmerzwahrnehmung sowie der hypothalamischen Induktion von Fieber. Die durch Mutation aus der COX-1 hervorgegangene COX-2 besitzt ein größeres aktives Zentrum und kann neben Phospholipiden auch Cannabinoide oxidieren. Die COX-3 ist eine Variante der COX-1 mit einer deutlich schwächeren Aktivität. Sie wird vermutlich durch Paracetamol inhibiert [36].

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Ökologische Aspekte Medikamente im Abwasser Diclofenac gehört neben Röntgenkontrastmitteln und Carbamazepin zu den am höchstkonzentrierten Medikamenten im Abwasser [45]. Die Belastung des Seeund Flusswassers durch die Human- und Veterinärmedizin (v. a. Nutztiere) beträgt in Europa 0,1–5 μg/l. Diclofenac wird kaum filtriert, unterliegt nur einer geringen Biodegradation und sedimentiert schlecht, sodass es mäßig abgebaut wird [46, 47]. Volatilisiertes Diclofenac wird durch photochemische Prozesse in der Atmosphäre (HWZ 0,8 h) und im Wasser durch Photolyse abgebaut (HWZ 8 Tage) [8]. In Europa führt die Belastung des Flusswassers zum Nachweis der Substanz in Süßwasserfischen (Karpfen, Forellen). Ein Effekt auf die Fischpopulation wurde nicht beobachtet [48]. Der direkte Effekt der Trinkwasserbelastung [49, 50] auf den Menschen ist unklar. Die täglich aufgenommene Dosis ist jedoch sehr gering. Ökosystem Indien Demgegenüber wird Diclofenac eine erhebliche Wirkung auf das Ökosystem Indiens zugeschrieben: Die hohe Belastung von Rindskadavern führte dort zu einer signifikanten Reduktion der Population an indischen Geiern (Gyps indicus): 2007 lebten noch 0,1 % der Geier im Vergleich zu 1990 mit der Folge der rapiden Vermehrung von Ratten, Wildhunden und Leoparden mit Eindringen in urbane Gegenden [51]. Die Zunahme von Tollwutfällen und Angriffen auf die Bevölkerung wird hiermit (oft populistisch) in Zusammenhang gebracht. Daneben bestehe eine Bedrohung der Totenrituale der zoroastrischen Bevölkerung (Verzehr Verstorbener durch Geier auf sog. „Türmen des Schweigens“). Das Geiersterben wird u. a. auf die hohe Nephrotoxizität der Substanz bei Defizienz der Tiere für Enzyme des Diclofenac-Metabolismus zurückgeführt. Parallel wurde dies durch kulturell motivierte unterlassene Entsorgung verstorbener Rinder sowie die intensive Behandlung verletzter Tiere mit Diclofenac verstärkt. Der veterinärmedizinische Einsatz von Diclofenac ist seit 2005 in Indien verboten [51]. Diclofenac ist im Ab- und Trinkwasser nachweisbar. Das Beispiel in Indien zeigt, dass die Substanz erhebliche Auswirkungen auf das Ökosystem haben kann.

Datenlage Die Datenlage zu Vergiftungen mit Diclofenac ist begrenzt und es kann keine klare Aussage darüber getroffen werden, ab welcher Dosis oder Plasmakonzentration toxische Effekte auftreten. In den wenigen zugänglichen Fallberichten führten Dosen > 2 g des Wirkstoffs bei einigen Erwachsenen zu Symptomen; ebenfalls aufgrund von Einzelfalldaten wird bei Erwachsenen eine Plasmakonzentration ab 60 μg/ml als toxisch angenommen [52, 53]. ▶ Typische Zeichen einer Überdosierung mit NSAR sind Übelkeit, Erbrechen sowie Kopfschmerzen, Schwindel und Benommenheit. Auch über Tinnitus und akustische Halluzinationen wurde berichtet. Desweiteren sind gastrointestinale Blutungen, Hypotension, Atemdepression sowie Nieren- und Leberschädigung möglich [4, 53, 54]. Behandlung Die Behandlung einer akuten Vergiftung mit NSAR erfolgt symptomorientiert. Aktivkohle kann in Erwägung gezogen werden. Ein spezifisches Antidot existiert nicht. Maßnahmen wie forcierte Diurese, Dialyse oder Hämoperfusion sind für die beschleunigte Elimination von Diclofenac aufgrund der hohen Proteinbindung und extensiven hepatischen Metabolisierung wahrscheinlich nicht effektiv. Eine Hämodialyse kann aber bei Oligurie und akutem Nierenversagen indiziert sein [4, 53, 54]. ▶ Der Nachweis von Diclofenac bei einer unklaren Intoxikation ist praktisch nur an hochspezialisierten Zentren möglich (zeitaufwendiger Nachweis über Flüssigkeits- oder Gaschromatografie mit Massenspektrometrie-Kopplung oder speziellen Immunoassays) [55–57]. Die Behandlung einer Diclofenacintoxikation erfolgt symptomatisch. Die Gabe von Aktivkohle kann erwogen werden. Hämodialyse, Hämofiltration und forcierte Diurese sind wahrscheinlich nicht effektiv.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAWs) Bekannt und beschrieben Eine Übersicht über die in den Fachinformationen beschriebenen unerwünschten Wirkungen findet sich in q Tab. 1. Die meisten dieser Wirkungen werden in den entsprechenden Kapiteln näher erörtert. Zu den häufigsten UAWs gehören gastrointestinale gefolgt von dermatologischen, kardiovaskulären und renalen Reaktionen [58]. Seltene UAWs Seltene UAWs, die mit der Applikation von Diclofenac in Verbindung gebracht werden, sind das Nicolau-Syndrom (Embolia

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Intoxikationen Die analgetischen, antipyretischen und antiphlogistischen Effekte von Diclofenac sind nicht allein auf eine Inhibition der COX zurückzuführen. Diese COX-unabhängigen Effekte sind jedoch nur unzureichend erforscht und ihre klinische Relevanz ungeklärt.

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Diclofenac weist eine Reihe an unerwünschten Arzneimittelwirkungen in verschiedenen Organsystemen auf. Zu den häufigsten zählen gastrointestinale und dermatologische Wirkungen.

Wirkabschwächung Als weitere bedeutsame pharmakodynamische Interaktionen gilt die Wirkabschwächung von Diuretika und Antihypertensiva [67, 68, 77, 79]. Dabei scheint insbesondere die gleichzeitige Therapie mit ACEI und ARBs problematisch zu sein [80, 81]. Hyperkaliämie-Risiko Das Hyperkaliämie-Risiko wird bei gleichzeitiger Gabe von Kaliumsparenden Diuretika, Calcineurin-Inhibitoren, Trimethoprim oder ACEI / ARBs erhöht [81, 82]. Pharmakokinetische Interaktionen Als pharmakokinetische Interaktionen sind die Erhöhung der Serumkonzentrationen von Digoxin, Phenytoin und Lithium durch Diclofenac zu nennen [4, 83]. Diclofenac kann zudem durch Reduktion der tubulären Sekretion von Methotrexat die Serumspiegel erhöhen und dadurch dessen Toxizität deutlich steigern. Dies gilt insbesondere für die onkologische Hochdosistherapie. Die gleichzeitige Gabe von NSAR bei niedrigen Dosierungen Tab. 1

Wechselwirkungen Kombination verschiedener NSAR Aufgrund eines synergistischen Effekts bezüglich des Auftretens unerwünschter Arzneimittelwirkungen wie gastrointestinaler Ulzerationen und Blutungen sollte keine Kombination verschiedener NSAR erfolgen. Dies gilt auch für die Kombination mit selektiven Cyclooxygenase-2-Hemmern und Salicylaten [67, 68]. Zudem zeigen sich bei insgesamt schlechter Datenlage überwiegend keine Unterschiede in der Schmerzkontrolle bei Kombination von 2 NSAR gegenüber der Monotherapie bei verschiedenen rheumatischen Arthritiden [69]. Kombination mit anderen Medikamenten Das erhöhte Risiko gastrointestinaler Nebenwirkungen sowie Blutungen gilt auch für die Kombination mit Glukokortikoiden, selektiven SerotoninWiederaufnahmehemmern sowie CoumarinAntikoagulanzien [67, 68, 70], wobei bei den letztgenannten auch eine zusätzliche pharmakokinetische Interaktion über CYP2C9 in Betracht gezogen werden kann [71]. ▶ Die Kombination mit Opioiden in der perioperativen Medizin zeigt in verschiedenen Patientenkollektiven einen „Opioid-sparenden“ Effekt [72–75]. Kombination mit ACEI / ARBs Bei Patienten mit bereits eingeschränkter Nierenfunktion kann die Komedikation mit ACE-Inhibitoren (ACEI) oder Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten (ARBs) zu einer weiteren Verschlechterung der Nierenfunktion führen [76, 77]. Eine Dreifach-Therapie von NSAR mit Diuretika und ACEI oder ARBs erhöht das Risiko für ein akutes Nierenversagen, v. a. zu Therapiebeginn [78].

Erwünschte und unerwünschte Wirkungen des Wirkstoffs Diclofenac erwünschte Wirkungen

unerwünschte Wirkungen

analgetischer Effekt antiphlogistischer und antipyretischer Effekt perioperative & anästhesierelevante Effekte ▶ geringere PONV-Rate bei Kindern (teilweise offlabel!) ▶ geringerer Punktionsschmerz Gel (off-label!) anaphylaktoide Reaktionen

kardiovaskuläre Ereignisse ▶ Myokardinfarkt ▶ Ödeme Störungen der Hämatopoese ▶ Blutungsneigung Störungen der Nierenfunktion ▶ Nierendysfunktion gastrointestinale Wirkungen ▶ Gastritis ▶ obere gastrointestinale Blutungen ▶ Verschlechterung einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung ▶ Inappetenz ▶ Flatulenz ▶ Transaminasenerhöhung ▶ Hepatitis neurologische Ereignisse ▶ zerebraler Insult ▶ Schwindel ▶ Sensibilitätsstörungen dermatologische Wirkungen ▶ Exantheme ▶ Alopezie immunologische Wirkungen ▶ anaphylakatische und anaphylaktoide Reaktionen psychiatrische Wirkungen ▶ akute Psychose ▶ Angststörung geburtshilfliche Wirkungen ▶ Verschluss des Ductus arteriosus ▶ Oligohydramnion ▶ erhöhte Abortrate ▶ leicht erhöhte Rate an VSD perioperative Medizin ▶ erhöhte Blutungsneigung

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cutis medicamentosa, versehentliche i. a. Injektion) [59], das Stevens Johnson Syndrom [60], immunhämolytische Anämie [61] sowie ein Fallbericht über eine hypoxische Hirnschädigung infolge einer Selbstadministration von Diclofenac mit folgendem anaphylaktischem Schock [62]. Bei Betrachtung dieser UAWs muss die weltweite breite und intensive Anwendung des Medikaments, die individuelle Risikomodifizierung durch Dosis, Therapiedauer und Vorerkrankungen sowie die Rate an UAWs der Alternativsubstanzen [63–65] berücksichtigt werden. Die parenterale Gabe von Diclofenac geht deutlich häufiger mit schweren und relevanten UAWs einher und wird daher nicht empfohlen [66].

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S Diclofenac im Vergleich

Medikament

Wechselwirkung

andere NSAR

UAWs erhöht

Glukokortikoide

GI-Blutungsrisiko erhöht

Serotonin-Reuptake-Inhibitoren

GI-Blutungsrisiko erhöht

Kumarine

GI-Blutungsrisiko erhöht

ACE-Inhibitoren

Niereninsuffizienz

Angiotensin-Rezeptor-Inhibitoren

Niereninsuffizienz

Diuretika

Wirkabschwächung der Diuretika

Antihypertensiva

Wirkabschwächung der Antihypertensiva

Digoxin

Erhöhung der Digoxinplasmaspiegel

Lithium

Erhöhung der Lithiumplasmaspiegel

Methotrexat

Erhöhung der Methotrexatspiegel

Phenytoin

Erhöhung der Phenytoinspiegel

Ciprofloxazin / Fluorochinolone

Krampfanfälle (Einzelfallberichte)

Probenicid

erhöhte Diclofenac-Spiegel

Voriconazol

erhöhte Diclofenac-Spiegel

Ciclosporin

erhöhte Diclofenac-Spiegel

Tab. 2

Übersicht über erwünschte Effekte / Nebenwirkungen Die Entscheidung für ein bestimmtes Nicht-Opioid-Analgetikum erfolgt häufig aufgrund von individuellen Vorlieben und Erfahrungen sowie davon abhängigen lokalen „Standardprotokollen“. Der folgende Abschnitt soll eine Übersicht über die erwünschten Effekte und das Nebenwirkungsprofil von Diclofenac im Vergleich zu anderen Nicht-Opioid-Analgetika geben. Aufgrund der Fülle von Vertretern dieser Substanzgruppe und der Vielfalt der unterschiedlichen Indikationsspektren werden im Folgenden jedoch nur die in Deutschland häufig verordneten [88] „gängigen“ Wirkstoffe vergleichend dargestellt (siehe hierzu auch q Tab. 3). Studienlage Es muss betont werden, dass ein vollständiger Vergleich der Substanzen aufgrund der Inhomogenität der Studien und Metaanalysen (u. a. Patientenkollektiv, Einsatzspektrum, Dosierungsunterschiede, Anwendungsdauer usw.) kaum möglich ist und randomisierte VergleichsStudien mit ausreichender Fallzahl in vielen Bereichen fehlen.

von Methotrexat wie z. B. bei rheumatoider Arthritis erscheint sicherer zu sein unter Beachtung der vorgeschriebenen Laborkontrollen [4, 84].

Erhöhung der Bioverfügbarkeit Diclofenac kann die Bioverfügbarkeit von Ciprofloxacin erhöhen; die Fachinformationen der verschiedenen Diclofenac-Präparate verweisen auf Fallberichte über epileptische Anfälle nach Kombination von Chinolonen und NSAR [4, 85]. Erhöhung der Diclofenac-Exposition und -Spitzenspiegel Eine Erhöhung der Diclofenac-Exposition und -Spitzenspiegel sowie die damit einhergehende Verstärkung potenzieller UAWs ist möglich bei gleichzeitiger Anwendung von Probenecid (Urikosurikum) [4], bei Komedikation mit starken CYP2C9-Inhibitoren wie z. B. Voriconazol sowie gleichzeitiger Ciclosporin-Therapie [86, 87]. Diabetes Nach Gabe von Diclofenac war in Einzelfällen eine Anpassung der antidiabetischen Medikation notwendig [4] . Beim Einsatz von Diclofenac sind eine Reihe von Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln zu beachten (Übersicht: q Tab. 2). Besonders bei Komedikation mit ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten besteht die Gefahr einer Nierenfunktionseinschränkung.

Die Auswahl eines Nicht-Opioid-Analgetikums unterliegt daher einer individuellen Risiko-NutzenAbwägung unter Berücksichtigung von Indikation, Art, Stärke und Lokalisation des Schmerzes, Vorerkrankungen des Patienten sowie von Handlungsempfehlungen.

Vergleich mit anderen NSAR



Vergleich mit Ibuprofen Hinsichtlich des analgetischen Effekts scheinen 600 mg Ibuprofen und 100 mg Diclofenac in der präemptiven Analgesie bei Drittmolarextraktionen gleichwertig zu sein [89]. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2000 zeigte u. a. im direkten Vergleich einer Einzeldosis von 50 mg Diclofenac und 400 mg Ibuprofen keinen signifikanten Unterschied bezüglich der effektiven Analgesie bei postoperativen Schmerzen [90]. In der topischen Anwendung scheint der analgetische Effekt von Diclofenac und Ibuprofen ebenfalls gleichwertig zu sein [25, 91]. Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse Kardiovaskuläre Ereignisse treten bei der Dauertherapie mit beiden Substanzen häufiger als in der Allgemeinpopulation auf, wobei für Diclofenac häufiger eine signifikante Erhöhung des Risikos berichtet wurde (insbesondere hinsichtlich des Schweregrads der Ereignisse und kardiovaskulär bedingter Todesfälle) [65, 92–94]. Aufgrund dieser Datenlage wurden 2013 für Diclofenac neue Kontraindikationen und Anwendungsbeschränkungen veröffentlicht (s. u.).

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Wechselwirkungen von Diclofenac

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Schwangerschaft / Pädiatrie Diclofenac und Ibuprofen sind ab dem 3. Trimenon kontraindiziert. Der Einsatz im 2. Trimenon ist mit einem verminderten Geburtsgewicht, die Anwendung von Ibuprofen zudem mit einem erhöhten Risiko für kindliches Asthma bronchiale und der Gebrauch von Diclofenac mit einem erhöhten Risiko für vaginale Blutungen assoziiert [95]. Für den Einsatz in der Pädiatrie ist von Bedeutung, dass Ibuprofen-Präparate bereits ab dem 3. Lebensmonat (min. 6 kg Körpergewicht) als Analgetikum und Antipyretikum zugelassen sind. Zudem gibt es eine Injektionslösung zur Therapie des offenen Ductus arteriosus botalli bei Frühgeborenen vor der 34. SSW. Für Diclofenac ist nur ein einzelnes Präparat ab dem 9. Lebensjahr zugelassen. Vergleich mit Naproxen Naproxen weist im Vergleich mit Coxiben, Ibuprofen und Diclofenac das geringste kardiovaskuläre Risiko auf. Dagegen ist die Gefahr gastrointestinaler Komplikationen unter Naproxen größer als unter den anderen genannten Wirkstoffen [65, 92–94, 96]. Nur wenige Studien liegen zum Vergleich des analgetischen Effekts gegenüber Diclofenac vor. ▶ In der postoperativen Schmerztherapie und v. a. nach Zahnextraktionen wurde ein vergleichbarer, in der Behandlung von Bagatellverletzungen gegenüber Diclofenac ein schwächerer analgetischer Effekt nachgewiesen [97–99]. Naproxen ist bei Kindern ab 12 Jahren zugelassen. Die Anwendung bei Schwangeren ist im 3. Trimenon kontraindiziert.

Vergleich mit Piroxicam Aufgrund des erhöhten Risikos für gastrointestinale und dermatologische unerwünschte Wirkungen wurde das Anwendungsspektrum von Piroxicam durch die EMEA bereits im Jahr 2007 erheblich eingeschränkt. Seitdem ist es für die Therapie akuter Schmerzzustände (z. B. postoperativ) nicht mehr zugelassen. Bei der rheumatoiden Arthritis, der aktivierten Arthrose und dem Morbus Bechterew ist es lediglich Mittel der 2. Wahl [100]. ▶ Diclofenac und Piroxicam zeigen bei der topischen Therapie akuter Schmerzen einen vergleichbaren analgetischen Effekt [25]. Vergleich mit Indometacin Hinsichtlich des postoperativen analgetischen Effekts von Indometacin im Vergleich zu Diclofenac existieren nur wenige Studien mit insgesamt geringen Fallzahlen. Nach Episiotomie weisen beide eine – vermutlich vergleichbare – Schmerzreduktion auf [101–103]. Nach Kaiserschnitt scheinen beide Substanzen einen opioidsparenden Effekt zu besitzen [104]. Eine ältere Arbeit von 1990 bei Patienten mit rheumatoider Arthritis zeigt eine gleichwertige Effektivität hinsichtlich Schmerzreduktion und Dauer der Morgensteifigkeit [105]. Die topische Applikation von Indometacin bei akuten Schmerzzuständen ist im Gegensatz zum topischen Einsatz von Diclofenac nicht besser als Plazebo [25]. Indometacin wird in der Neonatologie seit vielen Jahren zum Verschluss eines persistierenden Ductus arteriosus eingesetzt, hat jedoch formal für diese Indikation keine Zulassung. Zur Behandlung von Schmerzen und Entzündungen bei Kindern existiert eine ab 2 Jahren zugelassene Suspension. In der Schwangerschaft ist es im 3. Trimenon kontraindiziert.

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Momentan erfolgt eine entsprechende Evaluation des kardiovaskulären Risikos für Ibuprofen in der Höchstdosistherapie (2400 mg pro Tag) durch die EMA. Es sei darauf hingewiesen, dass die übliche Tagesdosis Ibuprofen < 2400 mg pro Tag liegt. Demgegenüber ist das Risiko für gastrointestinale Komplikationen wahrscheinlich unter Ibuprofen größer [65].

Vergleich mit Coxiben In Deutschland stehen von den selektiven COX-2-Hemmern Celecoxib und Etoricoxib zur oralen Therapie sowie das zur Kurzzeitbehandlung von postoperativen Schmerzen zugelassene Parecoxib (i. v. oder i. m.) zur Verfügung. Die Domäne der Coxibe liegt in der

Vergleich von Diclofenac mit anderen Nicht-Opioid-Analgetika Substanz

Diclofenac

Ibuprofen

Metamizol

Paracetamol

Naproxen

Typ

NSAR

NSAR

Pyrazolon

Aminophenol

NSAR

Analgesie: ▶ konservativ ▶ perioperativ

++ ++

++ ++

+++ +++

++ ++

+ ++

UAWs: kardiale UAWs renale UAWs gastrointest. UAWs

+++ ++ ++

++ ++ +++

0* 0 0

0 + 0

+ ? ++++

Zulassungen: Kinder (Zulassung) Schwangere (Zulassung)

> 9 Jahre 1.–2. Tri.

> 6Monate 1.–2.Tri.

> 3 Monate 1.–2. Tri.

Ja Ja

>12 Jahre 1.–2. Tri.

Tab. 3 Vergleich der Wirkungen der verbreiten Nicht-OpioidAnalgetika. „0“ = keine Wirkung oder kein Risiko, „+“ = schwache Wirkung oder gering erhöhtes Risiko, „++“ = mittelstarke Wirkung oder mäßig erhöhtes Risiko, „+++“ = starke Wirkung oder hohes Risiko und „++++“ = sehr starke Wirkung und sehr hohes Risiko. * Metamizol birgt die Gefahr schwerer Hypotonien und anaphylaktischer Reaktionen.

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Therapie von degenerativen und rheumatoiden Arthopathien. ▶ Zur postoperativen Schmerztherapie ist Celecoxib offiziell nicht, Etoricoxib nur nach Zahneingriffen zugelassen. Hinsichtlich der Risikoerhöhung für kardiovaskuläre Ereignisse scheinen Diclofenac und COX2-Hemmer vergleichbar problematisch zu sein [65, 94, 106–109]. Etoricoxib (60 oder 90 mg) erhöht den Blutdruck stärker als 150 mg Diclofenac, auch die Entwicklung von Ödemen ist häufiger [107, 110]. Die Coxibe sind bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung, peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK), zerebrovaskulären Erkrankungen und / oder Herzinsuffizienz ab NYHA-Stadium II kontraindiziert; für Etoricoxib gilt zusätzlich eine nicht eingestellte Hypertonie als Kontraindikation.

Chronische Schmerzzustände Auch bei der Behandlung chronischer Schmerzzustände zeigte sich für Celecoxib gegenüber NSAR [117, 118] sowie für Etoricoxib gegenüber Diclofenac eine gleichwertige Schmerzreduktion [110]. Bei Patienten mit Rückenschmerzen und chronischer Opioidtherapie konnte in einer kleinen aktuellen Studie (n = 36 Patienten) weder nach Infusion von 75 mg Diclofenac noch mit 40 mg Parecoxib eine Verbesserung der Schmerzintensität nachgewiesen werden [119]. Laut Fachinformationen sind Celecoxib und Etoricoxib in der gesamten Schwangerschaft, Parecoxib ab dem 3. Schwangerschaftstrimenon kontraindiziert. Etoricoxib ist bei Jugendlichen ab 16 Jahren zugelassen, die beiden anderen Coxibe ab dem 18. Lebensjahr.

Risiko im Vergleich Das Risiko für obere gastrointestinale Ereignisse ist für Coxibe geringer als unter NSAR (auch bei Kombination mit Protonenpumpenhemmern, PPI), v. a. bei Patienten mit einem hohen Risiko und längerfristiger Analgetika-Einnahme. Dagegen scheint das DyspepsieRisiko unter NSAR plus PPI niedriger zu sein [108, 111–114]. Im Vergleich zu Plazebo erhöhen Coxibe und Diclofenac das Risiko für obere gastrointestinale Komplikationen wie Ulkusperforation und Blutung in vergleichbarem Ausmaß; evtl. ist es unter Celecoxib etwas geringer [64]. Unter Celecoxib kommt es seltener als unter Diclofenac plus PPI zu unteren gastrointestinalen Komplikationen [113]. Für Etoricoxib zeigt sich dieser Vorteil gegenüber Diclofenac nicht [115]. Aktive Ulzera, gastrointestinale Blutungen und entzündliche Darmerkrankungen gelten als Kontraindikationen für den Einsatz der Coxibe.

Vergleich mit Nicht-Opioid-Analgetika ohne antiphlogistischen Effekt

Orale Akutbehandlung von postoperativen Schmerzen Eine Metaanalyse zur oralen Akutbehandlung postoperativer Schmerzen (überwiegend Schmerztherapie nach zahnärztlichen Eingriffen) zeigt eine vergleichbar gute Analgesie einer Einzeldosis von 50 mg Diclofenac und Etoricoxib 120 mg sowie Celecoxib 400 mg [99]. Laut Fachinformation beträgt die empfohlene Dosis Etoricoxib in der Indikation Schmerzen nach Zahnoperationen 90 mg einmal täglich; die empfohlene Tagesdosierung von Celecoxib bei degenerativen und rheumatologischen Gelenkerkrankungen ist 200 mg. In einer Studie zur postoperativen Schmerztherapie nach Leistenhernien-OP war die Schmerzreduktion sowohl 8 h postoperativ als auch am Morgen nach dem OP-Tag mit Parecoxib 80 mg täglich i. v. signifikant besser als mit Diclofenac 150 mg täglich i. m. Zudem benötigten nur 3,1 % der Patienten in der Parecoxib-Gruppe ein zusätzliches Analgetikum gegenüber 32,7 % in der Diclofenac-Gruppe [116].



Vergleich mit Metamizol Das rezeptpflichtige Metamizol ist u. a. ein COX-Hemmer ohne antiphlogistischen Effekt. Das gesamte Spektrum des Wirkmechanismus ist nicht bekannt [120, 121]. Im Rahmen der akuten postoperativen Schmerztherapie sind 2,5 g Metamizol i. v. 100 mg Tramaldol i. v. gleichwertig [122]. Der analgetische und antipyretische Effekt der Substanz scheint gegenüber Diclofenac höher zu sein [123–125] und weist gute spasmolytische Wirkung auf. Im Vergleich zu NSARs sind die renalen und gastrointestinalen unerwünschten Wirkungen unter Metamizol deutlich seltener [121, 126, 127].

Nebenwirkungen von Metamizol Die Substanz wurde u. a. in angloamerikanischen und skandinavischen Ländern aufgrund der kontrovers diskutierten Agranulozytose (mit einer Inzidenz von 1:1500 bis zu 1:1 Mio.) vom Markt genommen [128, 129]. Bei der parenteralen Anwendung ist die Gefahr von Hypotonie und anaphylaktischer Schockreaktion zu beachten und eine ärztliche Überwachung ist zu gewährleisten. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat 2009 noch einmal auf die strenge Indikationsstellung bei starken Schmerzen und hohem Fieber nach Versagen anderer Substanzen unter Einhaltung der festgelegten Vorsichtsmaßnahmen hingewiesen [130]. Metamizolpräparate sind bei Kindern ab dem 3. Lebensmonat (i. v. ab 1 Jahr) zugelassen. Bei Schwangeren ist es im letzten Trimenon kontraindiziert. Vergleich mit Paracetamol Der Wirkmechanismus von Paracetamol (Acetaminophen) ist letztlich unklar. Vermutet werden u. a. Wirkungen auf die COX-2-, auf Serotonin-, Opioid- und Cannabinoidrezeptoren. Anders als NSARs wirkt es nicht oder nur schwach antiphlogistisch. Die für Diclofenac beschriebenen kardiovaskulären und

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Paracetamol bei Schwangerschaft / Säuglingen In der Analgesie nach Kaiserschnitt scheint Paracetamol wie Diclofenac einen Opioid-sparenden Effekt aufzuweisen, der jedoch schwächer als bei Diclofenac ist [104, 133]. Paracetamol-Präparate sind bei Säuglingen ab 3 kg Körpergewicht zugelassen und können während der gesamten Schwangerschaft angewendet werden (Mittel der 1. Wahl). Zur Anwendung bei Frühgeborenen verweisen die Fachinformationen auf die zu dünne Datenlage. Eine Kontraindikation zum Einsatz bei frühgeborenen Kindern wird nicht angegeben. Vergleich mit Flupirtin Im Gegensatz zu Diclofenac wirkt Flupirtin weder antiphlogistisch noch antipyretisch. Neben dem analgetischen Effekt, der vermutlich über eine Öffnung neuronaler Kaliumkanäle mit daraus resultierender verminderter Aktivierung von NMDA-Rezeptoren vermittelt wird, wird eine zusätzliche muskelverspannungslösende Wirkung angenommen [134, 135]. ▶ Aufgrund des hepatotoxischen Risikos darf Flupirtin seit 2013 nur noch zeitlich begrenzt und nur bei Kontraindikationen gegen andere Analgetika eingesetzt werden[136]. Bei Patienten nach Kraniotomie wird mit 200 mg Flupirtin und 50 mg Diclofenac eine vergleichbare Schmerzreduktion erzielt [137]. Bei der kurzzeitigen Behandlung akuter Rückenschmerzen zeigt eine retrospektive Analyse eine gegenüber Diclofenac überlegene Wirkung von Flupirtin hinsichtlich der Schmerzreduktion sowie Abnahme der Beeinträchtigungen im Alltag, wobei die Datengrundlage hier nicht-interventionelle Studien bildeten [138]. Bei Kindern ist Flupirtin ab dem 6. Lebensjahr einsetzbar.

Vergleich der postoperativen Anwendung von Nicht-Opioid-Analgetika



Schmerzlinderung In einer Metaanalyse von 2011 zur akuten postoperativen Schmerztherapie mit einer Einzeldosis eines oralen Analgetikums wurden insgesamt 35 Cochrane-Reviews mit den Daten von insgesamt 45 000 Patienten aus etwa 350 Studien zusammen ausgewertet. Die meisten Studien bezogen sich auf zahnärztliche Eingriffe. Die Gesamtauswertung der publizierten Daten ergab eine im Vergleich zu Plazebo mind. 50 %-ige Schmerzlinderung für 4–6 h mit niedriger Num-

ber-needed-to-treat (NNT 1–3) für 400 mg Ibuprofen, 50 mg Diclofenac, 500 mg Naproxen, 120 mg Etoricoxib, 400 mg Celecoxib oder mit der Kombination Codein + Paracetamol 60/1000 mg. Von diesen zeigten die beiden Coxibe sowie Naproxen eine länger anhaltende Wirkung (> 8 h) [99].

S3-Leitlinie Aus dem Jahr 2007 steht für den Bereich der perioperativen Schmerztherapie eine S3-Leitlinie der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Schmerztherapie zur Verfügung, die je nach Eingriffsart und Invasivität unterschiedlich spezifische Empfehlungen für die Anwendung der verschiedenen Nicht-Opioidund Opioid-Analgetika gibt [66]. Die Gültigkeit dieser Leitlinie ist jedoch abgelaufen.

Fazit Diclofenac wird weltweit seit vielen Jahren als Basisanalgetikum zur Therapie von (postoperativen) Schmerzen eingesetzt; zudem sind rezeptfreie Präparate in niedriger Dosierung erhältlich. Als Applikationswege stehen eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Verfügung, hierunter orale, rektale, intramuskuläre und topische Darreichungsformen. Die Substanz entfaltet ihr analgetisches, antiphlogistisches und antipyretisches Potenzial über eine Reihe von gesicherten und vermuteten Wirkmechanismen. Aufgrund des breiten und gängigen Indikationsspektrums wird Diclofenac in vielen Fachbereichen geschätzt, sein Einsatz andererseits jedoch durch die Bandbreite der unerwünschten Wirkungen zunehmend auch kritisch betrachtet. Im 2. Teil. des Beitrags (AINS 11–12/14) wird auf den Einsatz von Diclofenac bei speziellen Patientengruppen näher eingegangen. ◀

Kernaussagen ▶ Diclofenac wird weltweit vertrieben und ist v. a. in der ambulanten Schmerztherapie sehr verbreitet. ▶ Die Substanz entfaltet ihre analgetischen, antiphlogistischen und antipyretischen Effekte über verschiedene Wirkmechanismen. ▶ Die Hauptwirkung liegt in der Blockade der Cyclooxygenasen 1 und 2. ▶ Diclofenac ist seit 2013 bei Patienten mit kardialen und zerebrovaskulären Erkrankungen kontraindiziert und sollte bei hohem kardiovaskulärem Risikoprofil zurückhaltend verwendet werden.

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gastrointestinalen unerwünschten Wirkungen werden nicht beobachtet. Es wird besser vertragen als andere NSAR bei möglicherweise schwächerer analgetischer Effektivität [131]. Aufgrund des hepatotoxischen Potenzials ist die max. Tagesdosis streng einzuhalten und eine parenterale Gabe ist an das Körpergewicht des Patienten zu adaptieren [132].

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S Dr. med. Stefan Bushuven, DESA, EDIC, ist Oberarzt des Instituts für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Hegau-Bodensee-Klinikum Singen des Gesundheitsverbunds Landkreis Konstanz. Arbeitsschwerpunkte liegen in der Kinderanästhesiologie, Notfallmedizin und der studentischen und ärztlichen Ausbildung. Email: [email protected]

Interessenkonflikt Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

Beitrag online zu finden unter http://dx.doi. org/10.1055/s-0034-1395170

VNR 2760512014144214854

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16 Ärzteschaft, A.d.d., Anaphylaktische Schockreaktionen nach parenteraler Gabe von Diclofenac. Deutsches Ärzteblatt 1995; 92: A71 17 Colak S et al. Anaphylaxis after intramuscular injection of diclofenac sodium. Am J Emerg Med 2014; 32: 815.e1–2 18 Rainsford KD, Kean WF, Ehrlich GE. Review of the pharmaceutical properties and clinical effects of the topical NSAID formulation, diclofenac epolamine. Curr Med Res Opin 2008; 24: 2967–2992 19 Banning M. Topical diclofenac: clinical effectiveness and current uses in osteoarthritis of the knee and soft tissue injuries. Expert Opin Pharmacother 2008; 9: 2921–2929 20 Sanna V, Peana AT, Moretti MD. Effect of vehicle on diclofenac sodium permeation from new topical formulations: in vitro and in vivo studies. Curr Drug Deliv 2009; 6: 93–100 21 Brunner, M et al. A new topical formulation enhances relative diclofenac bioavailability in healthy male subjects. Br J Clin Pharmacol 2011; 71: 852–859 22 Kienzler JL, Gold M, Nollevaux F. Systemic bioavailability of topical diclofenac sodium gel 1 % versus oral diclofenac sodium in healthy volunteers. J Clin Pharmacol 2010; 50: 50–61 23 Brunner M et al. Favourable dermal penetration of diclofenac after administration to the skin using a novel spray gel formulation. Br J Clin Pharmacol 2005; 60: 573–577 24 Heyneman CA, Lawless-Liday C, Wall GC. Oral versus topical NSAIDs in rheumatic diseases: a comparison. Drugs 2000; 60: 555–574 Literatur online Das vollständige Literaturverzeichnis zu diesem Beitrag finden Sie im Internet: Abonnenten und Nichtabonnenten können unter „www.thieme-connect.de/ejournals“ die Seite der AINS aufrufen und beim jeweiligen Artikel auf „Zusatzmaterial“ klicken – hier ist die Literatur für alle frei zugänglich. Abonnenten können alternativ über ihren persönlichen Zugang an das Literaturverzeichnis gelangen. Wie das funktioniert, lesen Sie unter: http://www.thieme-connect.de/ejournals/help#SoRegistrieren

Bushuven S, Heise D, Bolbrinker J. Diclofenac up2date – Teil 1: Die Pharmakologie und der Vergleich mit ... Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2014; 49: 588–598

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Dr. med. Juliane Bolbrinker ist Fachärztin für Klinische Pharmakologie am Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin. Arbeitsschwerpunkte liegen in der klinisch-pharmakologischen Beratung in der Krankenversorgung und in der Ausbildung im Fach Klinische Pharmakologie / Pharmakotherapie; Forschungsschwerpunkte sind Pharmakogenetik und ArzneimitteltherapieSicherheit. E-Mail: [email protected]

PD Dr. med. Daniel Heise, DEAA, ist Oberarzt des Zentrums für Anästhesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin der Universität Göttingen. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Neuro- und Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie. E-Mail: [email protected]

CME

Diclofenac up2date – Teil 1

Welche der folgenden Aussagen ist richtig? Neben der

C

1 Inhibition der Cyclooxygenase besitzt Diclofenac möglicherweise folgende Wirkmechanismen: A B C D E

D

Inhibition des PPAR-y Inhibition von ASICs Stimulation von NMDA-Rezeptoren Modulation von Natriumkanälen Stimulation von GABA-B-Rezeptoren

E

A B C D E

dermatologischen Symptomen. gastrointestinalen Symptomen. renalen Symptomen. neurologischen Symptomen. kardialen Symptomen.

A B

Natrium-Diclofenac ist potenter als Kalium-Diclofenac. Diclofenac ist ein Steroid. Diclofenac wurde in Amsterdam erstmals synthetisiert. Diclofenac sedimentiert schlecht. Diclofenac ist ökologisch inert.

C D E

4 Welche Aussage ist falsch? Das Hyperkaliämie-Risiko wird bei gleichzeitiger Gabe von Kalium-sparenden Diuretika, Calcineurin-Inhibitoren, Trimethoprim oder ACEI / ARBs erhöht. Die gleichzeitige Therapie mit ACEI und ARBs scheint problematisch zu sein. Diclofenac kann die Bioverfügbarkeit von Ciprofloxacin verringern. Die Kombination mit Opioiden in der perioperativen Medizin zeigt in verschiedenen Patientenkollektiven einen „Opioid-sparenden“ Effekt. Nach Gabe von Diclofenac war in Einzelfällen eine Anpassung der antidiabetischen Medikation notwendig.

B C D

E

5 A B

C D E

Diclofenac und Ibuprofen sind ab dem 5. Trimenon kontraindiziert. Kardiovaskuläre Ereignisse treten bei der Dauertherapie mit beiden Substanzen nicht häufiger als in der Allgemeinpopulation auf. In der topischen Anwendung scheint der analgetische Effekt von Diclofenac und Ibuprofen gleichwertig zu sein. Ibuprofen-Präparate sind bereits ab dem 1. Lebensmonat als Analgetikum und Antipyretikum zugelassen. Die übliche Tagesdosis Ibuprofen liegt > 2400 mg pro Tag.

6 Welche Aussage ist falsch? A B

Naproxen weist im Vergleich mit Coxiben, Ibuprofen und Diclofenac das höchste kardiovaskuläre Risiko auf. Piroxicam ist nicht mehr zugelassen für die Therapie akuter Schmerzzustände, wie z. B. postoperativ.

CME

Der Übertritt in die Muttermilch ist sehr hoch. 75 % des nicht metabolisierten Diclofenacs werden enteral reabsorbiert Systemisch verfügbares Diclofenac wird zu 50 % an Plasmaproteine (v. a. Albumin) gebunden. Die Ausscheidung der Metabolite erfolgt zu 90 % renal mit einer Clearance von ca. 260 ml/min. Diclofenac gehört pharmakologisch zu den nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR).

Wie wird Diclofenac nur im begründeten Ausnahmefall

9 verabreicht / angewendet? A B C D E

als Pflaster als Gel als Tablette oder Kapsel als intramuskuläre Injektion als Augentropfen

Welche Aussage zur Intoxikationen durch Diclofenac ist

10 falsch? A

Vergleich von Ibuprofen und Diclofenac: Welche Aussage ist richtig?

zerebraler Insult erhöhte Blutungsneigung perioperativ Myokardinfarkt Hepatitis Transaminasen erniedrigt

8 Welche Aussage zu Diclofenac ist korrekt?

3 Welche der folgenden Aussagen ist richtig?

A

Hinsichtlich des postoperativen analgetischen Effekts von Indometacin im Vergleich zu Diclofenac existieren nur wenige Studien mit insgesamt geringen Fallzahlen. Hinsichtlich der Risikoerhöhung für kardiovaskuläre Ereignisse scheinen Diclofenac und COX-2-Hemmer vergleichbar problematisch zu sein. Diclofenac und Piroxicam zeigen bei der topischen Therapie akuter Schmerzen einen vergleichbaren analgetischen Effekt.

7 Diclofenac?

Diclofenac besteht in ...

A B C D E

S

Welches ist keine der unerwünschten Wirkungen von

Welche Aussage ist richtig? Die am häufigsten auf-

2 tretende unerwünschte Arzneimittelwirkung von A B C D E

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B C D E

Maßnahmen wie forcierte Diurese, Dialyse oder Hämoperfusion sind für die beschleunigte Elimination von Diclofenac sehr effektiv. Zur Behandlung kann Aktivkohle in Erwägung gezogen werden Die Datenlage zu Vergiftungen mit Diclofenac ist begrenzt Bei Erwachsenen wird eine Plasmakonzentration ab 60 μg/ml als toxisch angenommen. Typische Zeichen einer Überdosierung mit NSAR sind Übelkeit, Erbrechen sowie Kopfschmerzen, Schwindel und Benommenheit.

CME.thieme.de CME-Teilnahme ▶ Viel Erfolg bei Ihrer CME-Teilnahme unter http://cme.thieme.de. ▶ Diese Fortbildungseinheit ist 12 Monate online für eine CME-Teilnahme verfügbar. ▶ Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, unter http://cme.thieme.de/hilfe finden Sie eine ausführliche Anleitung.

CME-Fragen – Diclofenac up2date. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2014; 49: 599

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[Diclofenac up2date - Part 1: Pharmacology and comparison with other drugs].

The non-opioid analgesic diclofenac is used worldwide for musculoskeletal and perioperative pain therapy. Despite its frequent use and easy access as ...
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