Glasner: Mikrozonenelektrophorese des nicht eingeengten Liquors

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Dtsch. med. Wschr. 103 (1978), 1173-1176 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Die diagnostische Bedeutung der Mikrozonenelektrophorese des nicht eingeengten Liquor cerebrospinalis H. Glasner Universitäts-Nervenklinik Homburg/Saar (Direktor: Prof. Dr. H.-H. Meyer)

Beim Vergleich der Mikrozonenelektrophorese mit quantitativ-immunchemischen Einzelproteinbestimmungen im nicht eingeengten Liqùor cerebrospinalis ergibt sich, daß der Nachweis von Störungen der BlutLiquor-Schranke, der Liquorzirkulation und von Immunreaktionen mit der Mikrozonenelektrophorese über den gesamten diagnostischen Bereich möglich ist. Blut-Liquor-Schrankenstörungen und Immunreaktionen können mit der radialen Immundiffusion durch Albumin, Transferrin und IgG auf LC-Partigenplatten nachgewiesen werden. Nur für diese Proteine ist der Meßbereich der Partigenplatte auch bei niedrigen Konzentrationen ausreichend. Der Vergleich der Häufigkeit pathologischer Befunde mit beiden Methoden ließ nur geringe Unterschiede erkennen. Mit der Entwicklung der Mikrozonenelektrophorese des nicht eingeengten Liquor cerebrospinalis und anderer eiweißarmer Flüssigkeiten wie Urin und Speichel (6, 8)

steht erstmals für die klinische Eiweißdiagnostik çine 0012-0472/78 0721 - 1173

Diagnostic value of microzone electrophoresis of non-concentrated cerebrospinal fluid Results of microzone electrophoresis and immunochemical examination of proteins in nonconcentrated CSF were compared. Blood-CSF barrier impairment, disturbances in CSF flow and immune reactions were detectable by the microzone electrophoresis technique. Blood-CSF barrier impairment and immune reactions were detected by immunochemical determination of albumin and IgG on LC partigen plates, the assay range of the plate being sufficient only for these proteins. There was no significant difference in the frequency with which abnormal protein values were found by either method.

Methode zur Verfügung, die an Arbeitsaufwand der Mikrozonenelektrophorese des Serums entspricht. Der umständliche und fehlervergrößernde Einengungsvorgang vor der elektrophoretischen Auftrennung eiweiß-

$ 03.00 © 1978 Georg Thieme Publishers

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Nr. 29, 21. juli 1978, 103. jg.

G1aner: Mikrozonenelektrophorese des nicht eingeengten Liquors

armer Flüssigkeiten ist damit unnötig geworden. Es ist anzunehmen, daß hierdurch eine häufigere Verwendung in der Routinedignostik klinischer Laboratorien möglich geworden ist. Dabei stellt sich die Frage nach der diagnostischen Bedeutung dieser Methode im Vergleich mit anderen Eiweißtrennungs- und -nachweismethoden. Besonders interessant erscheint in diesem Zusammenhang der Vergleich zwischen Mikrozonenelektrophoreseund immunchemisch bestimmten Proteinen auf Partigenplatten im nicht konzentrierten Liquor cerebrospinalis.

Methode 1. Die Mikrozonenelektrophorese des nicht eingeengten Liquor cere-

brospinalis wurde mit einer Nigrosinfärbung und Auswertung auf nicht transparenter Acetatfolie durchgeführt. Methode, Fehlerbreite, Reproduzierbarkeit und Normaiwerte sind an anderer Stelle mitgeteilt (6-8).

Die quantitativ-immunchemjsche Bestimmung von Proteinen im nicht konzentrierten Liquor erfolgte auf handelsüblichen LCPartigenpiatten entsprechend den beiliegenden Arbeitsanweisungen (Behringwerke, Marburg/Lahn). Das Gesamteiweiß wurde mit der Biuret-Methode nach Fällung mit 20%iger Trichloressigsäure bestimmt.

Sämtliche Methoden unterliegen einer internen und zum Teil externen Qualitätskontrolle entsprechend den Richtlinien der Bundesärztekammer.

Ergebnisse In 76 Liquores wurden mikrozonenelektrophoretische und immunchemische Proteiñbestimmungen durchgeführt. Die Abbildung 1 zeigt die Mittelwerte der einzel-

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nen Elektrophoresefraktionen im nicht konzentrierten Liquor. Es ist zu erkennen, daß Präalbumine, Albumine, 04, u2-, 3- und t-Globuline sich etwa gleichermaßen bei entzündlichen und nicht entzündlichen Erkrankungen des

Zentralnervensystems verhalten und in dem Eiweißbereich von 400-600 mg/l pathologisch werden. Die Bedeutung, die das Präalbumin als elektrophoretisch erstes

Schrankenprotein einnimmt, ist dabei nur scheinbar wenig offenkundig. Zählt man jedoch an unausgesuchten Kranken den Erstbeginn einer Störung der Blut-LiquorSchranke, so zeigt sich, daß sie sich in 56% durch eine

Erhöhung der Absolutwerte der Präalbumine als erstes anzeigt. Nur selten sind Ausnahmen von dieser Regel erkennbar, indem sich eine Schrankenstörung als erstes durch pathologische a1-Werte zu erkennen gibt. Nur im Bereich der ?-Globuline ist ein stärkerer Anstieg bei entzündlichen Erkrankungen vorhanden, der in dem Bereich von 200-600 mg/I am deutlichsten ist. Es ist aber auch zu erkennen, daß bei nicht entzündlichen Erkrankungen eine Schrankenstörung zu einer Vermehrung der ?-Globuline führt. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei quantitativ-immunche-

mischen Bestimmungen von Einzelproteinen im nicht konzentrierten Liquor (Abbildung 2). Es ist zu erkennen, daß lediglich für Albumin, Transferrin und IgG über den diagnostisch interessanten Eiweißbereich sich die Proteinkonzentration in dem Meßbereich der handelsüblichen LC-Partigenplatten bewegt. Bei den übrigen geprüften Einzeiproteinen ist ein inhomogenes Bild feststellbar. Es ist wahrscheinlich, daß der untere Meßbereich mit 7 oder

Meßbereich: 100 bis - 10 000 mg/I Präalbumin mg/I 40

Albumin

a -Globulin

mg/I 400

mg/I 40

300 200 100

0

200

400

600

0

200 400 600 800

200

400

600

200 400 600 800 mg/I Gesamteiweiß

02-Globulin 40

¡3 + r Globulin mg/I 400

30

300

20

200

10

100

mg/I

0

200

400

600

200 400 600 800

0

200

400

600

200 400 600 800 mg/t Gesamteiweiß

0

200

400

600

0

200

400

600

200 400 600 800

200 400 600 --800

Abb. 1. Mittelwerte der Mikrozonenelektrophorese im nicht konzentrierten Liquor cerebrospinalis bei 76 Patienten mit entzündlichen (I;:I) und nicht entzündlichen (LI) Erkrankungen des Zentralnervensystems bei lumbaler Liquorentnahme. --- obere Normalbereichsgrenze.

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28-444

8-138 Tran ferrin

8-133 mg/I

mg/I

mg/I

400-

40-.

300-

30-

- 60-

200-

20-

40

100

10200

400

600

0

200 400 600 800

200

400

600

0

200

400

600

200 400 600 800

200 400 600 800 mg/I Gesamteiweiß

Moßbereich:

mg/I

saures a -Glykoprotein 7-115 1-laptoglobin

u2 Makroglobulin Coeruloplasmin 1g A 1g M

8-135 12-200 8-125 8-133 11-178

¡g D = O mg/I 1g E = O mg/I o 200

200

400

400

600

600

800

mg/I Gesamteiweiß

Abb. 2. Mittelwerte quantitativ-immunchemischer Proteinbestimmungen im nicht konzentrierten Liquor cerebrospinalis bei 76 Patienten (entsprechend Abb. 1) mit entzündlichen (I:I) und nicht enzündlichen (E) Erkrankungen des Zentralnervensystems bei lumbaler Liquorentnahme. - - - obere Normaigrenze.

8 mg/i für die geringen Konzentrationen der verschiedenen Proteine bei einer beginnenden Schrankenstörung als

noch zu hoch bezeichnet werden muß, um eine soiche Veränderung mit ausreichender Sicherheit im Beginn erfassen zu können. Es entsteht der Eindruck, daß gerade das IgG größere Unterschiede in dem Eiweißbereich von O-600 mg/i zwischen entzündiichen und nicht entzünd-

den Zahlen für die f3- und t-Globuline und das Transferrin sind 38,0 bzw. 12,0% und für die y-Globuline und das IgG 46,0 bzw. 52,0%. Das bedeutet, daß der diagnostische Stellenwert der elektrophoretischen und immunelektrophoretischen Albumin- bzw. IgG-Bestimmung nur wenig unterschiedlich ist. Vergleicht man die diagnostische Aussagekraft beider

lichen zentrainervösen Erkrankungen aufweist als das

Methoden, so ist sogar festzustellen, daß eine Störung

y-Globulin.

der Blut-Liquor-Schranke mit der ersten Veränderung im

Tab. 1. Häufigkeit pathologischer Proteinwerte (°/o) bei elektro-

Bereich der Präalbumine elektrophoretisch in 56% bestimmb ar ist, während immunelektrophoretisch eine solche Veränderung durch die Albuminbestimmung nur

phoretischer und immunchemischer Bestimmung im nichtkonzentrïer-

ten Lumballiquor bei 100 statistisch nicht ausgewählten Patienten Bestimmung

elektrophoretisch

immunchemisch

Präalbu- Albumin min 56,0

32,0

42,0

Gb-

2

Gb-

li+T

Gb-

bulin

Gb-

bulin

bulin

bulin

52,0

30,0

38,0

46,0

Transferrin

IgG

12,0

52,0

in 42% nachweisbar ist.

'y-

Diskussion Wenn Mikrozonenelektrophorese und quantitativ-immunchemische Proteinbestimmungen im nicht konzéntrierten Liquor miteinander verglichen werden, so ist zunächst die Stellung beider Methoden in der klinischen Diagnostik von Bedeutung. Mit der Mikrozonenelektrophorese ist es möglich, Störungen der Blut-LiquorSchranke und Immunreaktionen (5) zu erkennen; inner-

Ein weiteres Kriterium des diagnostischen Vergleiches

halb der Schrankenstörung ist es möglich, zwischen einer

beider Methoden ergibt sich aus der Häufigkeit pathologischer Werte (Tabelle 1) bei identischem Normalbereich und sich entsprechenden Liquores. Der reine Zahlenvergleich bei lOO Liquores zeigt, daß in 32% elektrophoretisch und in 42% immunelektrophoretisch pathologische Aibuminwerte auftreten, die entsprechen-

regelrechten Liquorströmung und einer Liquorzirkulationsstörung zu unterscheiden (9). Paraproteine sind mit dieser Methode im Liquor und im Urin nachweisbar. Mit der radialen Immundiffusion auf LC-Partigeñplatten gelingt der Nachweis von Schrankenstörungen und Immunreaktionen mit Hilfe von Albumin-, Transferrin-

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Meßbereich:

Albumin

0

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Glasner: Mikrozonenelektrophorese des nicht eingeengten Liquors

Nr. 29, 21. Juli 1978, 103, Jg.

Siegere: Marburg-, Lassa- und Ebola-Virus als Erreger hämorrhagischer Fieber

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und IgG-Bestimmungen. Die größte diagnostische Bedeutung kommt der Albumin- und IgG-Bestimmung zu. Bei anderen Proteinen zeigt sich auch im Vergleich mit der Literatur (1, 3, 10, 13), daß die beginnende Schrankenstörung außerhalb des Meßbereiches der Partigen-

findet, wenn das Ergebnis der Elektrophorese nicht aus reichend die klinische Symptomatik erklärt.

platte liegt. Bei elektrophoretischen und immunelektrophoretischen Bestimmungen in gleichen Liquores zeigte sich, daß nur

chemie der Liquorproeeine. In: Barnmer, H. (Hrsg.): Zukunft der Neurologic (Thieme: Stuttgart 1967). Delank, H. W.: Die lmrnunglobuline im Liquor cerebrospinalis und ihr klinisch-diagnostischer Aussagewert. Nervenarzt 42 (1971), 483.

geringe Unterschiede zwischen beiden Methoden bestehen. Allenfalls zeigt sich bei der IgG-Bestimmung ein etwas größerer Unterschied beim Nachweis von Immunreaktionen und Schrankenstörung, ein Befund, der bereits früher mitgeteilt wurde (4). Diese Ausführungen sollen nicht die Entscheidung beeinflussen, welcher der beiden Methoden in der Routinediagnostik der Vorzug zu geben ist. Bei beiden ist davon

auszugehen, daß sie mit Geräten der Serurndiagnostik durchführbar sind. Die laufenden Kosten und der Arbeitsaufwand für die Mikrozonenelektrophorese des nicht eingeengten Liquor cerebrospinalis sind geringer als für die Durchführung zweier Proteinbestimmungen auf LC-Partigenplatten. Die diagnostische Aussagekraft der Elektrophorese ist vielgestaltiger als derzeitige Möglichkeiten von Bestimmungen auf LC-Partigenplatten.

Trotz dieser Vorteile der Mikrozonenelektrophorese sollte auf eine zweite Methode der Liquoreiweißdiagnostik nicht verzichtet werden, die dann Anwendung

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ProL Dr. H. Glasner Universitäts-Nervenklinik 6650 Homburg/Saar

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[Diagnostic value of microzone electrophoresis of non-concentrated cerebrospinal fluid (author's transl)].

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