Geier: Diagnostischer Wert der lyeologie beim Ovarialkarzinom

Nr. 40, 1. Oktober 1976, 101. Jg.

1463

Ube rsichten

Dtsch. med. Wschr. 101 (1976), 1463-1465 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Der diagnostische Wert der Zytologie beim Ovarialkarzinom

G. Geier

Während die exfoliativzytologischeVorsorgeuntersuchung in 76-98% der Fälle zur Entdeckung von Kollumkarzinomen führt, wird die große Mehrheit der Ovarialkarzinome immer noch an ihren klinischen Symptomen in einem meist fortgeschrittenen Stadium erkannt. Welchen Stellenwert haben exfoliativzytologische wie aspirationszytologische Untersuchungsverfahren in der Diagnostik des Ovarialkarzinoms? Tab. 1. Positive Scheidenabstriche bei Patientinnen mit Ovarialkarzinomen Vaginalhistologisch abstriche gesicherte mit

positive Ovarial- abnormen Abstriche oder Tukarzinome morzellen n n

Autoren

-

-

Wachtel, Plester

(15)

Graham. van Niekerk

(10)

119

35

29

(14)

65

15

23

Graham, van Niekerk (10)

108

47

43

Rubin, Frost Ng, Reagan

(13)

-

4

28

-

Vaginal- uñd Zervixzytologie Tabelle 1 gibt eine Übersicht über positive Scheidenabstriche bei Ovarialkarzinomen. Graham und van Niekerk (10) hatten unter 119 histologisch gesicherten Ovarialkarzinomen in 29,4% einen positiven Vaginalabstrich aufzuweisen. Hierunter befanden sich allerdings sieben Fälle mit Scheidenmetástasen, fünf mit Endometriumbefall und fünf mit Metastasierung in die Eileiter. Bemerkenswert ist, daß fünf Ovarialkarzinome mit positivem Zervixabstrich histologisch ausschließlich auf die Ovarien beschränkt waren. 13 Fälle hatten Aszites oder Peritonealmetastasen. In einer ähnlichen Größenordnung liegen die Zahlen bei Rubin und Frost (14). Auch sie fanden unter sieben Patientinnen des FIGO-Stadiums I in drei Fällen Tumorzellen im Vaginalabstrich. Ng und Reagan (13) fanden unter 600 000 Scheidenabstrichen 28 adenokarzinomzellhaltige Präparate, die von Ovarialkarzinomen herrührten. Wir selbst konnten unter rund 150 000 Abstrichen viermal Adenokarzinomzellen im Abstrich erkennen. Zusammenfassend ist also festzustellen, daß die Exfoliativzytologie an der Cervix uteri und aus dem hinteren Scheidengewölbe für die Diagnostik des Ovarial-

karzinoms einen geringen Stellenwert besitzt und für die Praxis ohne Bedeutung ist. Abbildung 1* zeigt ein typisches zervixzytologisches Bild eines Adenokarzinoms des Ovars. Charakteristisch für Ovarialkarzinome sind die in papillären Aggregaten angeordneten Adenokarzinomzellen von mäßiger Anisonukleose und Polymorphie. Als Hinweis auf Ovarialkarzinome gilt das Fehlen einer Tumordiathese, weshalb diese Präparate einen sauberen Eindruck - ähnlich dem des verhornenden Plattenepithelkarzinoms der Zervix hinterlassen. Psammomkörperchen, konzentrisch geschichtete Calcosphäriten, gelten ebenfalls als Hinweis auf Ovarialkarzinome. In diesem Zusammenhang muß erwähnt werden, daß bei Patientinnen in der Menopause mit nicht hormonaktiven papillären Ovarialkarzinomen nicht selten eine hohe Zellausreifung im Scheidenepithel besteht. Dagegen weist die Gruppe der Granulosa-Thecazeiltumoren nur in einem Viertel der Fälle einen Eosinophilie- und Pyknose-Index von mehr als 80% auf.

-

Douglas-Punktionszytologie Eine Literaturübersicht über die Ergebnisse der DouglasAspirationszytologie an symptomlosen Patientinnen ist in Tabelle 2 wiedergegeben. Während Graham und Mitarbeiter (8) unter 576 Patientinnen durch Douglas-Aspiriationszyto!ogie in 1% der Fälle Ovarialkarzinome erkennen konnten, erzielten Mc Gowan und Mitarbeiter (7) an über 1000 Patientinnen bei 47% technisch ungenügenden Präparaten nicht einen einzigen positiven Fall. In einer jüngeren Studie berichteten Graham und Graham (9) bei nur 10% technischen Versagern in 1,9% über karzinompositive zytologische Befunde. Allerdings waren unter den 22 Fällen nur zwei frühe Ovarialkarzinome, während 20 Fälle von den Autoren als »borderline lesions« apostrophiert wurden. Es handelt sich dabei um den erstmaligen Versuch, am Ovar zytologisch präinvasive Karzinome zu definieren. Bedauerlicherweise mußten die Autoren den Beweis für die Malignität dieser Veränderungen schuldig bleiben. Zervakis und Mitarbeiter (16), die Douglas-Punktionen an anästhesierten, nicht symptomlosen Patientinnen durchführten, hatten unter 113 Frauen vier positive Befunde aufzuweisen, wobei sich aber zwei Fälle als falsch-positiv herausstellten.

Ober eine sehr geringe Ausbeute der Douglas-Zytologie berichtete Caterini (3): Unter 5000 symptomlosen Frauen *

Abbildungen l-3 siehe Tafel Seite 1462

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Department für Gynäkologie und Geburtshilfe der Universität Ulm (Prof. Dr. K. Knörr, Prof. Dr. Ch. Lauritzen)

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Deutsche Medizinische Wochenschnít

Geier: Diiignostischcr Wert der Zytologie beim Ovarilkarzinom

Tab. 2. Douglas-aspirationszytologische Befunde zytologisch positiv

n

n

n

Graham et al.

(8)

576

6

1

McGowan et al.

(7)

1123

0

0

nicht verwertbar Oto n

zytologisch falsch-positiv °Io

-

0,3

2

-

-

-

537

47

115

10

(9)

1149

22

1,9

(16)

113

4

3,5

2

1,8

Caterini

(3)

5000

3

0,06

12

(5)

1300

12

-

1332

Funkhouser et al,

-

0,24

-

-

4

1,5

117

43

Graham, Graham Zervakis et. al.

Keettel et al.

269

(11)

-

0,9

-

-

27

Tab. 3. Douglas-spülzytologische Befunde

Aspirationen n

Autoren Floyd et al. Keettel et al.

zytologisch positiv 0/5 n

n

0/

nicht verwertbar n

zytologisch falsch-positiv

(4)

218

13

5,9

4

1,8

28

12,8

(11)

938

124

13,2

17

1,8

27

2,9

waren nur 0,06% zytologisch positiv, 0,24% falsch-positiv und 27% nicht verwertbar. Auch Keettel und Mitarbeiter (11) hatten unter 269 Douglas-Punktionen bei 43% nicht verwertbaren Präparaten nur vier positive Fälle aufzuweisen. Diese vier waren allesamt falsch-positiv (Endometriumkarzinom, Brenner-Tumor, dysfunktionelle Uterusbiutung). Diese schlechten Ergebnisse veranlaßten Keettel und Mitarbeiter (11), an Stelle der Douglas-Aspirationszytologie die Douglas-Spülzytologie mit physiologischer Kochsalzlösung anzuwenden. Hierbei fiel der Anteil der technisch ungenügenden Präparate von 43% auf 2,9%, die Ausbeute an positiven zytologischen Befunden stieg auf 13,2% bei allerdings nicht mehr asymptomatischen Patientinnen an (Tabelle 3). Bezieht man die 124 positiven Befunde auf 158. histologisch gesicherte Ovarialkarzinome, so ergibt sich eine Douglas-spülzytologische Trefferrate von 78,5%. In immerhin 16 von 44 Fällen des FIGO-Stadiums I A hatten auch sie positive spülzytologische Befunde. Zusammenfassend kann aus den vorgelegten Daten geschlossen werden, daß die Leistungsfähigkeit der Douglas-Punktionszytologie beschränkt und durch hohe Raten nicht verwertbaren Materials belastet ist. Die geringe Ausbeute an zytologisch diagnostizierten Ovarialkarzinomen erklärt sich aus dem Fehlen einer eindeutigen Risikogruppe für das Ovarialkarzinom sowie aus der Schwierigkeit, den Douglasschen Raum zu punktieren und Karzinomzellen von den verschiedenen Formen der l'vlesothelzellen zytologisch zu unterscheiden. In Zweifelsfällen können die zytochemische Darstellung der unspezifischen Esterase (2), zytophotometrische und zytogenetische Untersuchungen weiterhelfen. Zwei Indikationen kann man aber der Douglas-Punktionszytologie nicht absprechen. Erstens hat sie ihre Bedeutung im Nachsorgeverfahren bereits behandelter Ovarialkarzinome zur möglichst frühzeitigen Erkennung eines

Rezidivs, und zweitens ist sie ein wichtiges Verfahren zur Unterscheidung der FIGO-Stadien I AB/II AB vom jeweiligen Stadium I C/IT C. Leistungsfähiger als die Douglas-Aspirationszytologie ist zweifelsohne die Douglas-Spülzytologie, obwohl sie zu einer nicht unbeträchtlichen Zerstörung der empfindlichen Mesothel- und Tumorzellen führen kann. Diese Methode hatte zumindest bei Keettel und Mitarbeitern (11) gute Ergebnisse aufzuweisen, nicht zuletzt wegen der Punkrion hei tumorverdächtigen Patientinnen. Hierin wird die Douglas-Spülzytologie jedoch von der direkten Tumorpunktionszytologie übertroffen, mit der wir über eigene Erfahrungen verfügen (6).

Tumorpunktionszytologie Unter Tumorpunktionszytologie verstehen wir die direkte Punktion tastbarer Tumoren mit einer dünnen 16er Kanüle. Unter Verwendung eines modifizierten Instrumentariums nach Franzn führen wir die Punktionen ohne Narkose auf vaginalem, rektalem oder abdominalem Wege durch. Von den Punktaten fertigen wir Färbungen nach May-Grünwald-Giemsa, zum Teil auch nach Papanicolaou an. Unsere Ergebnisse sind in Tabelle 4 dargestellt. Von 63 histologisch gutartigen Tumoren wurden 62 zytoloTab. 4. Vergleich tumorpunktionszytologischer Befunde mit den histologischen Diagnosen an 104 Punktionen Zytologie Histologie

benigne n

maligne n

benigne Tumoren

n = 63

62

1

maligne Tumoren

n = 37

5

32

=

4

0

benigne-maligne Tumoren n

4

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Aspirationen

Autoren

1.

Oktober 1976, 101. Jg.

gisch als gutartig erkannt. In einem Fall wurde fälschlicherweise der Verdacht auf Malignität geäußert. Bei dieser falsch-positiven Diagnose handelte es sich um ein Cystoma serosum papillomatosum; zytologisch glaubte man wenige hochdifferenzierte Karzinomzellen zu sehen.

Unter 37 bösartigen Ovarialtumoren wurden 32 zytologisch richtig beurteilt. Fünf Punktate stuften wir nicht als maligne ein. Es handelte sich hierbei um zwei typische adenopapilläre Ovarialkarzinome, einen malignen Thecazeiltumor, einen Krukenberg-Tumor sowie ein weitgehend nekrotisch verändertes Ovarialkarzinom.

Gesondert aufgeführt in der Tabelle sind vier Fälle von papillären, serösen Ovarialcystomen, bei denen histologisch und zum Teil auch zytogenetisch in einem begrenzten Areal des Tumors eine maligne Transformation nachzuweisen war. Hier lautete die zytologische Dignitätsdiagnose stets gutartig, was dem überwiegenden Tumoranteil entsprach. Unter Ausschluß dieser vier nur willkürlich einzuordnenden Fälle beträgt die Gesamttrefferquote bezüglich der Dignität bei loo punktierten Tumoren 94%. Ober ähnliche Ergebnisse berichteten Angström und Mitarbeiter (1). Unter den Fehldiagnosen überwiegen die falsch-negativen Befunde die falsch-positiven. Ober die Dignitätsdiagnose hinaus sind am Punktionsmaterial in beschränktem Maße Aussagen über den histologischen Typ des Tumors möglich. So konnten wir in knapp der Hälfte der Fälle die histologische Diagnose richtig vorhersagen. Bei den malignen Tumoren mußten wir uns auf die Angaben »wenig differenziert oder hochdifferenziert« beschränken. Abbildung 2 gibt das zytologische Bild eines hochdifferenzierten adenopapillären Karzinoms wieder. Man sieht eine mäßige, aber doch deutliche Anisonukleose der Adenokarzinomzellen. Auch hier kann, wie beim Cystoma serosum, eine papilläre Anordnung der Zellen angedeutet sein. Beim entdifferenzierten Karzinom (Abbildung 3) findet sich eine ausgeprägte Polymorphie der Zellkerne. Alle zellulären Kriterien der Malignität sind vorhanden. Für die Karzinome aller Differenzierungsstufen ist eine hohe Zellularität des Ausstrichs typisch. Nachteil und Grenzen der Tumorpunktionszytologie liegen in der Gewiñnung von nicht repräsentativem Material, zum Beispiel bei mehrkammerigen Zysten oder bei in sich inhomogenen Tumoren mit teilweiser maligner Entartung. Diesen Nachteil besitzt allerdings auch die

Geier: Diagnostischer Wert der Zytologie bein, Ovarialkarzinom

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Probeexzision. Den Vorteil der Methode sehen wir in der leichten, ambulanten Durchführbarkeit und der geringen Belastung für die Patientin. Es darf keinen Zweifel daran geben, daß bei jedem klinischen Verdacht auf einen Ovarialtumor laparotomiert und eine histologische Untersuchung vorgenommen werden muß. Schließen Wir uns jedoch der Forderung Käsers (12) an, wonach »vor jeder Operation jedwede diagnostische Anstrengung unternommen werden sollte, um die Art, die Ausbreitung und den Ursprung eines Tumors festzulegen«, dann ist dies der Rahmen, in dem die Punktionszytologie der Ovarialtumoren ihren Platz findet. Spezielle Indikationen sehen wir wiederum im Nachsorgeverfahren nach Abschluß der Primärbehandlung zur Rezidiverkennung, bei nicht mehr operablen Patientinnen und in Zukunft als Zellgewinnungsverfahren zur sequentialen Testung der Sensibilitätsiage von Ovarialtumoren gegenüber zytostatischen Pharmaka. Literatur

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Dr. G. Geier Universitäts-Frauenklinik 7900 Ulm, Prittwitzstr. 43

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Nr. 40,

[Diagnostic value of cytology in ovarian carcinoma].

Geier: Diagnostischer Wert der lyeologie beim Ovarialkarzinom Nr. 40, 1. Oktober 1976, 101. Jg. 1463 Ube rsichten Dtsch. med. Wschr. 101 (1976), 1...
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