Nr. 15, 15. April 1977, 102. Jg.

Aktuelle Diagnostik

Thormann u. a.: Diagnostik des Sinusknoten-Syndroms

575

Redaktion: Prof. Dr. H. Hornbostel, Hamburg Prof. Dr. W. Kaufmann, Köln Prof. Dr. W. Siegenthaler, Zürich

Dtsch. med. Wschr. 102 (1977), 575-577 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Diagnostik des Sinusknoten-Syndroms

J. Thormann, F. Schwarz und R. Enssien Kerckhoff-Klinik, Bad Nauheim

Abb. 1. Spontane «Overdrive-Suppressionss durch atriale Tachykardie: Tachykardie-Bradykardie-Syndrom bei einem S9jährigen Mann. Vorhoftachykardien (links) wechseln mit Asystolien über 3,9

und 2,2 s.

ausbleibendes »Anspringen« von Ersatzzentren (Ayjunktionaler Ersatzschläge). Da Digitalis und Antiarrhythmika, zum Beispiel Chinidin, Lidocain und Propranolol, sinu-atriale Blockierungen selbst hervorrufen oder eine solche Blockbereitschaft demaskieren können, muß der medikamentösen Tachykardiekontrolle beim Sinusknoten-Syndrom die prophylaktische Schrittmacherapplikation vorausgehen. Die verschiedenen atrialen Tachyarrhythmien lassen sich durch Elektrokonversion beheben. Liegt jedoch ein Sinusknoten-Syndrom zugrunde, so besteht die Gefahr einer nachfolgenden Asystolie. Andererseits erzeugt zum Beispiel Orciprenalin (Alupent®), das zur Anhebung langsamer Frequenz Verwendung findet, leicht Vorhofflimmern und senkt die Schwelle ventrikulärer Flimmerbereitschaft. Dadurch können zusätzlich Synkopen heraufbeschworen werden, also Asystolie und Kammertachykardien durch »therapeutische Maßnahmen«. Die Vielschichtigkeit des klinischen Erscheinungsbildes und elektrophysiologischer Zusammenhänge beim Sinusknoten-Syndrom finden ihren Ausdruck in einer Fülle von Synonyma: >'sick sinus syndrome:overdrive«) (1, 4, 6). Nacheinander werden bei den Patienten, die frei von Medikamentenwirkungen sein sollen, etwa 4-6 Durchgänge atrialer Stimulation von 1 min Dauer mit ansteigenden Stimulationsfrequenzen (90-200/mm) und mit doppelter diastolischer Schwellenstromstärke durchgeführt, mit jeweils einem anschließenden Registrierintervall von 1 min zur Ermittlung der präautomatischen Pause («overdrive suppression«). Dazu wird eine Schrittmacherelektrode über die Brachialvene zur Stimulation hoch an die seitliche Atriumwand plaziert, eine zweite, von der kontralateralen Seite vorgeschobene Elektrode, mit ihrer Spitze in Vorhofmitte, leitet das atriale Elektrogramm ab (Abbildung 2). Oberflächen-EKG und bipolare atriale Elektrogramme werden simultan auf ei-

Wir fahnden in einer Untersuchung nicht nur nach dem Sinusknoten-Syndrom, sondern gleichzeitig nach einem hypersensitiven Carotissinus-Reflex: Wiederholt wird am liegenden Patienten, links und rechts im Wechsel, eine Carotissinus-Massage durchgeführt. Der Test gilt als positiv bei induzierten Asystolie-Pausen von s (7, 9, 10).

Die Ermittlung der Sinusknotenerholungszeit stellt das derzeitig optimale, aber nicht ideale diagnostische Werkzeug dar. Trotz aller Akribie bei der Testdurchführung bleibt das Sinusknoten-Syndrom zu einem gewissen Prozentsatz unerkannt: »Sinusknoten-Re-entryMechanismus«, inkonstante perinodale Blockierungen, der » Schrittmacherwechsel « zwischen dominanten und latenten Schrittmacherzellen im Sinusknotenzellverband und die Beeinflußbarkeit der Sinusknotenerholungszeit selbst, zum Beispiel allein durch die unphysiologische Vorhofstimulation, machen die Bestimmung der Sinusknotenerholungszeit zu einem groben Indikator der Sinusknotenfunktion in den Augen der Physiologen (1). Ein Zusammenhang zwischen Sinusknoten-Syndrom und hypersensitivem Carotissinus-Syndrom wird gelegentlich angenommen (S). Er wird vielleicht suggeriert durch das gleichzeitige Vorkommen beider Syndrome in etwa 20-30% der Fälle (11). Als zugrunde liegende Mechanismen stehen sich jedoch vagus-unabhängige De-

Heruntergeladen von: NYU. Urheberrechtlich geschützt.

*

Nr. iS, 15. April 1977, 102. Jg.

Syndrom pathologische Befunde (6, 8, 10, 11). Zur Diagnose des Sinusknoten-Syndroms ist sie jedoch nicht unerläßlich. Literatur

Messung der sinu-atrialen Leitungszeit Die sinu-atriale Leitungszeit erlaubt, anders als die Sinusknotenerholungszeit, zu differenzieren, ob das Sinusknoten-Syndrom auf einer Störung der Sinusknotenzellen selbst oder des sie umgebenden atrialen Gewebes beruht: also intakte Sinusknotenimpulsabgabe bei unterbrochener Impuisweiterleitung in die Atrien (ExitBlock [1, 4, 81). Die sinu-atriale Leitungszeit errechnet sich aus der Differenz spontaner PP-Abstände und der postextrasystolischen Pause nach vorzeitig gesetzten

atrialen Extrasystolen.

Bestimmung der atrioventrikulären Leitungsverhältnisse Die His-Bündel-Elektrographie kann zur Beurteilung der AV-Leitungsverhältnisse herangezogen werden. Sie ergibt bei mehr als 50% der Patienten mit Sinusknoten-

577

Bonke, F. I. M.: The sinoatrial node function. In: Lüderitz, B. (Ed.): Cardiac Pacing (Springer: Berlinl-leidelbergNew York 1976), 5. Bashour, T., R. Hemb, R. Wickramesekaran, H. C. Strauss, J. T. Bigger: An unusual effect of atropine on overdrive suppression. Circulation 48 (1973), 911.

Ferrer, 1.: The sick sinus syndrome. Circulation 47 (1973), 635. Goldrcyer, B. N., A. N. Damato: Sinoatrial-node entrance block. Circulation 44 (1971), 789. Mandel, W. J., M. M. Laks, K. Obayashi: Sinus node function. Arch. intern. Med. 135 (1975), 388. Narula, O. S., P. Samet, R. P. Javier: Significance of the sinus node recovery time. Circulation 45 (1972), 140.

Zimmermann: Vagaler Einfluß auf Stnusknotenfrequenz und AV-l1berleitung bei hypersensitivem Karotissinusreflex und Sick-Sinus-Syndrome:. Schweiz. med. Wschr. lOS (1975), 240. Strauss, l-I. C., J. B. Bigger jr., A. L. Saroff, E. G. F. Giordina: Electrophysiologic evaluation of sinus node function in patients with sinus node dysfunction. Circulation 53 (1976), 763. Thormann, J., F. Schwarz: Vagal role and pacemaker indication in hypersensitive carotid sinus reflex.

Europ. J. Cardiol. 3 (1975), 47. 110) Thormann, J., F. Langebartels, H. J. Rothbart: Indikationen zur Schrittmacher-Therapie. Diagnostik 3 (1976), 19.

Thorrnann, J., H. J. Rothbart, F. Schwarz: Syndrom des kranken Sinusknotens (Sick-Sinus-Syndrome). Med. Welt (Stuttg.) 27 N. F. (1976), 2049. (11)

Schwarz, F., J. Thormann, H.

Dr. J. Thormann Kerckhoff-Klinik 6350 Bad Nauheim, Benekestr. 6-8

Heruntergeladen von: NYU. Urheberrechtlich geschützt.

struktion des Sinusknotenareals beim einen und exzessive vagale Reaktion des Sinusknotens und der atrioventrikulären Überleitung beim anderen Syndrom gegenüber (7, 9, 10).

Thormann u. a.: Therapie des Sinusknoten-Syndroms

[Diagnosis of sinus node syndrome].

Nr. 15, 15. April 1977, 102. Jg. Aktuelle Diagnostik Thormann u. a.: Diagnostik des Sinusknoten-Syndroms 575 Redaktion: Prof. Dr. H. Hornbostel, H...
56KB Sizes 0 Downloads 0 Views