Leitthema Hautarzt 2015 · 66:19–29 DOI 10.1007/s00105-014-3551-3 Online publiziert: 19. Dezember 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

B. Malisiewicz · H. Schöfer Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum, Goethe-Universität Frankfurt/M., Frankfurt/M., Deutschland

Diagnostik und Behandlung genitoanaler Ulzera infektiöser Genese Genitale Ulzera gehören bis heute zu den wichtigsten Krankheitsbildern venerologisch tätiger Dermatologen. Bei weiterhin steigender Inzidenz ulzerativer Anogenitalinfektionen kommt einem fundierten Wissen über Diagnostik und Management dieser Erkrankungen eine große Bedeutung zu. Herpes-simplex-Virus-Infektionen gefolgt von der Syphilis sind hierzulande die häufigsten venerologischen Ursachen genitaler Ulzera. In Europa früher seltene Erkrankungen wie das aus den Tropen importierte Lymphogranuloma venereum zeigen mittlerweile ein endemisches Auftreten. Hierbei sind Risikogruppen wie Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), ganz besonders betroffen. Weitere differenzialdiagnostisch in Betracht zu ziehende Infektionen (z. B. Ulcus molle oder Granuloma inguinale) sind zwar in unseren Breitengraden selten, jedoch insbesondere bei Sexarbeitern und Sextouristen nicht zu vernachlässigen.

Allgemeines zur klinischen und Erregerdiagnostik genitaler Ulzera Zur Einengung des Spektrums möglicher Ursachen steht am Anfang eine sorgfältige Anamnese. Hierbei sollte besonderer Wert auf die Sexualanamnese gelegt werden. Zusätzlich müssen relevante Risikofaktoren erfragt werden (.   Tab. 1). Hierauf folgt eine komplette klinische Untersuchung (inklusive Inspektion der Haut und der angrenzenden Schleim-

häute). Eine Palpation der Lymphknoten liefert bereits erste Erkenntnisse über das Stadium (lymphogene oder hämatogene Aussaat) einer Infektionserkrankung. Im Anschluss kann bei diagnostischer Unschärfe eine histologische Sicherung erwogen werden. Grundsätzlich kommt einer Materialentnahme zur spezifischen Erregerdiagnostik eine entscheidende Rolle zu. Um die Rate falsch negativer Ergebnisse zu minimieren, sollte die Materialentnahme aus frischen, zuvor unbehandelten Läsionen erfolgen. Hierbei sind weiterhin – je nach Verdachtsdiagnose – erregerspezifische Maßnahmen, Entnahmetechniken und Transportmedien zu beachten. Kurze Transportwege und das korrekte Ausfüllen des Laboranforderungsscheins (Klinik, Verdachtsdiagnose, Vorbehandlung?) erhöhen zusätzlich die Wahrscheinlichkeit eines adäquaten Erregernachweises. Weiterhin muss immer gegenwärtig sein, dass jede diagnostizierte STI-Erkrankung („sexually transmitted infection“, STI) der wichtigste Hinweis auf das Vorliegen weiterer STI-Erkrankungen ist. Wird eine STI-Erkrankung nachgewiesen, müssen weitere, u. U. noch stumTab. 1  Risikofaktoren für genitale Ulzera Multiple Sexualpartner Ungeschützter Geschlechtsverkehr Ungeschützter Haut-zu-Haut Kontakt mit Ulzera Nichtvorhandensein einer Zirkumzision Vorhandensein prädisponierender Erkrankungen für Gewebsdefekte (z. B. Morbus Crohn) oder Traumata Serodiskordante Sexualpartner (einer der Partner ist infiziert, der andere jedoch nicht) Manipulierende oder aggressive Sexualpraktiken

me, später aber lebensbedrohliche Infektionen ausgeschlossen werden (Syphilis, Hepatitis B/C, Urethritiden, HIV-Erkrankung). Auch Ulzera nichtinfektiöser Genese müssen differenzialdiagnostisch erwogen werden (. Tab. 2).

Herpes simplex genitalis Epidemiologie Herpes-simplex-Virus-Infektionen (HSV) sind die häufigste Ursache genitaler Ulzera infektiöser Genese. HSV-1 verursacht hauptsächlich orale Infektionen und wird zumeist in der Kindheit durch Kontakt mit infizierten Familienmitgliedern akquiriert. Die Seroprävalenz beträgt 70 % in entwickelten Ländern und nahezu 100 % in Entwicklungsländern [26]. In den letzten Dekaden ist ein deutlicher Anstieg HSV-1 bedingter genitaler Infektionen zu verzeichTab. 2  Ursachen nichtinfektiöser genito­ analer Ulzera Morbus Behçet Wegener-Granulomatose Balanoposthitis erosiva circinata bei Morbus Reiter Fixe Arzneimittelexantheme Tumore Chemische/traumatische Ulzera (z. B. Foscarnet) Balanitis benigna chronica plasmacellularis ZOON Autoimmunbullöse Dermatosen Aphthosis Morbus Crohn Pyoderma gangraenosum Lichen ruber mucosae (erosivus) Bullös-erosiver Lichen sclerosus Der Hautarzt 1 · 2015 

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Leitthema partnern oder einem frühen Beginn der sexuellen Aktivität.

Erreger Die Herpes-simplex-Viren Typ 1 (HSV1) und Typ 2 (HSV-2) sind neurotrope und epidermotrope, doppelsträngige DNA-Viren der Familie der Herpesviridae. Beide Typen teilen eine 83 %-Sequenzhomologie ihrer proteinkodierenden Region, was eine teilweise antigene Kreuzreaktivität erklärt [11].

Pathophysiologie

Abb. 1 8 Herpes-genitalis-Primärinfektion (Herpes-simplex-Virus, HSV-2) mit multiplen, sehr schmerzhaften Erosionen (© Klinikum der J.W. Goethe-Universität, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie)

nen. Etwa die Hälfte genitaler Herpeserstinfektionen ist durch HSV-1 bedingt [6]. Dieser Trend ist zumindest partiell geänderten Sexualpraktiken zuzuschreiben. Orogenitale Sexualkontakte zählen mittlerweile zu den häufigsten Sexualpraktiken und werden unter Jugendlichen häufig fälschlich als verhältnismäßig sicher angesehen.

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HSV-1 verursacht etwa die Hälfte aller genitalen Herpes-Erstinfektionen HSV-2 ist bei etwa jedem zweiten genitalen Herpesinfekt als Verursacher nachweisbar. Die Erstinfektion erfolgt zumeist im jungen Erwachsenenalter durch sexuelle Kontakte mit mehrheitlich asymptomatischen Virusausscheidern und verläuft in der Regel ebenfalls asymptomatisch. In westlichen Ländern liegt die Seroprävalenz bei etwa 20 %. Bei HIV-Infizierten und Sexarbeitern liegt die Seroprävalenz sogar bei bis zu 95 %. HSV-2-Infizierte haben ein etwa 3-fach erhöhtes Risiko für eine HIV-Infektion [12]. Wie für andere STI ist das Risiko, an einem Herpes genitalis zu erkranken, besonders hoch bei einer hohen Anzahl von Sexual-

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Pathophysiologisch erfolgt die Übertragung durch Kontakt mit infizierter Haut oder Körperflüssigkeiten. Hierbei infiltriert das Virus das Epithel und repliziert sich intrazellulär. Dies führt zur Zerstörung epithelialer Zellen und Bildung sichtbarer, mit Detritus, Immunzellen und Viren gefüllter Bläschen. Danach erfolgt eine lymphogene Ausbreitung, die zu einer regionalen, dolenten Lymphadenopathie wird. Anschließend erfolgt eine Virämie, die unter anderem mit einer dolenten Lymphadenopathie klinisch sichtbar wird. Die im Verlauf stattfindende Serokonversion eradiziert das Virus jedoch nicht. Es erfolgt ein retrograder Transport entlang der sensiblen Nervenfasern zu dem jeweiligen Ganglion. Dort befindet sich das Virus in einer Ruhephase und wird immunologisch kontrolliert. Durch Triggerfaktoren mit einer passageren Immundefizienz wie einer Infektion, Stress oder Licht kommt es zu einer Reaktivierung der Viren mit Auswanderung über die sensiblen Neuronen in die Haut und dem Auftreten klinischer Symptome.

Klinik Die klinische Präsentation einer Erstinfektion kann mannigfaltig sein. Nur ca. 1 % wird klinisch manifest. Genitale Primärinfektionen sind bei Auslösung durch HSV-2 in 40 % bzw. bei HSV-1 in 60 % symptomatisch [44]. Klassisch zeigt sich ein allgemeines Krankheitsbild mit reduziertem Allgemeinzustand, Fieber, starken Schmerzen und einer dolenten Lymph­ adenopathie. Weiterhin sind eine massive Aussaat von Bläschen auf erythematö-

sem Grund und anschließend aphthoide flache Ulzerationen am äußeren und inneren Genitale zu beobachten (. Abb. 1). Etwa 80 % der Frauen berichten zusätzlich über eine Dysurie. Das Beschwerdebild tritt 4 bis 7 Tage nach Infektion auf und heilt innerhalb von 10 bis 12 Tagen spontan ab. Bis zu 90 % HSV-2-Infizierter und bis zu 50 % HSV-1-Infizierter erleiden im ersten Jahr nach Erstinfektion ein Rezidiv [3]. Hierbei treten typischerweise Prodromi wie Brennen, Parästhesien, Schmerzen oder Juckreiz auf. Eine frühe antivirale Behandlung zu diesem Zeitpunkt kann einen Ausbruch verhindern. Unbehandelt treten wasserhell gefüllte, sehr schmerzhafte und gruppierte Bläschen auf erythematösem Grund auf. Im Verlauf folgen Eintrübung, Eintrocknung und Krustenbildung. Die Hautveränderungen heilen (meist ohne Narbenbildung) innerhalb von 7 bis 10 Tagen ab. DDGrundsätzlich besteht eine hohe Rezidivneigung. Immunsupprimierte weisen einen schwereren (Narbenbildung) und längeren Krankheitsverlauf sowie eine erhöhte Rezidivrate auf [15].

Diagnostik Diagnostisch empfiehlt sich ein Abstrich aus dem Grund eines frischen Bläschens zum kulturellen Nachweis. Dieser kann bei einer Erstmanifestation in 80 % und bei einem Rezidiv in bis zu 50 % einen Virusnachweis erbringen. Weiterhin kann ein Antigennachweis mittels eines „enzyme linked immunosorbent assay“ (ELISA) erfolgen. Aufgrund besserer Verfügbarkeit und Sensitivität (4-fach höher) hat sich weiterhin die Polymerasekettenreaktion (PCR) auf HSV-DNA etabliert [15]. Hierbei liegt das Ergebnis innerhalb von einigen Stunden vor. Weiterhin kann eine serologische Diagnostik erfolgen. Im Verlauf einer Infektion bilden sich spezifische IgG-Antikörper gegen Glykoprotein G des jeweiligen Virus aus. Die Serologie ist u. a. sinnvoll zum Nachweis einer Erstmanifestation oder zum Screening bei weiteren sexuell übertragbaren Erkrankungen [20].

Zusammenfassung · Abstract

Therapie Die Therapieeinleitung sollte direkt bei klinischer Diagnosestellung und nicht erst nach Erhalt von Testergebnissen erfolgen. Frühe Behandlung vermindert die Übertragungsrate, verringert den Schweregrad der Manifestation und führt zu einer deutlich schnelleren Abheilung des Befundes [15]. Therapeutisch stehen diverse antivirale Wirkstoffe zur Verfügung. Als Goldstandard gilt immer noch Aciclovir [15]. Dieses Purinnukleosidanalogon ist in seiner phosphorylierten Form aktiv. Die virale Thymidinkinase phosphoryliert den Wirkstoff, der anschließend intrazellulär durch die virale DNA-Polymerase verwendet wird. Diese weist eine deutlich höhere Affinität, als die humane Variante auf. Hierauf kommt es zum Abbruch der DNA-Synthese. Aciclovir wird gegen HSV-1- und HSV2-Infektionen angewendet. Da HSV-2 jedoch weniger empfindlich ist, müssen bei HSV-2-Infektionen höhere Dosierungen gegeben werden. Oral weist der Wirkstoff eine niedrige Bioverfügbarkeit auf (maximal 30 %), sodass hohe Dosen und kurze Einnahmeabstände notwendig werden. Intravenös erfolgt eine Dosierung von 3 × 5–10 mg/kg Körpergewicht/Tag (. Tab. 3). Immunsupprimierte Patienten sollten grundsätzlich im oberen Dosisbereich (3 × 7,5–10 mg/kg KG/Tag) behandelt werden (.  Tab. 4). Bei der intravenösen Gabe ist auf eine Dosisadaptation bei erhöhten Retentionsparametern zu achten. Weiterhin sollte Aciclovir langsam und ausreichend verdünnt infundiert werden. Somit lässt sich die nephrotoxische Wirkung deutlich senken. Valaciclovir stellt eine inaktive Vorstufe von Aciclovir dar, die hepatisch zu Aciclovir aktiviert wird. Aufgrund der höheren Bioverfügbarkeit sind weniger Einnahmezeitpunkte notwendig. Famciclovir ist ebenfalls ein Prodrug und wird hepatisch zu seinem eigentlichen Wirkstoff Penciclovir metabolisiert. Wie bei Valaciclovir besteht eine höhere Bioverfügbarkeit. Foscarnet ist ein Reservepräparat, das bei Aciclovir-resistenten Herpesviren eingesetzt wird. Im Gegensatz zu den anderen 3 Wirkstoffen hemmt es direkt die vi-

Hautarzt 2015 · 66:19–29  DOI 10.1007/s00105-014-3551-3 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 B. Malisiewicz · H. Schöfer

Diagnostik und Behandlung genitoanaler Ulzera infektiöser Genese Zusammenfassung Hintergrund/Fragestellung.  In dieser Übersichtsarbeit werden diagnostische und therapeutische Prinzipien genitaler Ulzera infektiöser Genese beleuchtet. Neben häufigen ursächlichen Infektionen werden auch seltene, jedoch differenzialdiagnostisch relevante Erkrankungen besprochen. Material und Methoden.  Dieser Arbeit liegen eine Pubmed-Literaturrecherche, Leitlinien diverser Arbeitsgruppen sowie klinische Erfahrungen zugrunde. Ergebnisse. Herpes-simplex-Virus-Infektionen gefolgt von der Syphilis sind weiterhin die häufigsten Ursachen infektiöser genitaler Ulzera. Ein endemisches Auftreten früher in Europa seltener Infektionserkrankungen wurde in den letzten Jahren beobachtet. Insbesondere Risikogruppen wie Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), Sexarbeiter oder Sextouristen sind hiervon betroffen. Auch seltenere Lokalisationen wie die Mund-

höhle oder das Rektum [z. B. Lymphogranuloma venereum (LGV)-Proktitis] und eine atypische Klinik (z. B. Unterbauchschmerzen mit pelviner Lymphadenopathie bei LGV) müssen differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen werden. Schlussfolgerungen.  Erkrankungen durch STI (sexuell übertragbare Infektionen) nehmen seit einigen Jahren auch in den westlichen Industrienationen wieder erheblich zu. Bei allen diagnostisch unklaren Befunden im Genital- und Analbereich (aber auch in der Mundhöhle!) muss differenzialdiagnostisch wieder vermehrt an STI-Erkrankungen gedacht werden. Schlüsselwörter Sexuell übertragbare Infektionen · Syphilis · Herpes-simplex-Virus · Risikogruppen · Lokalisation

Diagnosis and therapy of genitoanal ulcers of infectious etiology Abstract Background/objectives.  In this review article the diagnostic and therapeutic principles of genital ulcers of infectious etiology are highlighted. Besides frequent causative infections rare but relevant diseases in the differential diagnosis are discussed in detail. Material and methods.  A Pubmed literature search was carried out, guidelines from different task groups and clinical experiences are presented. Results.  Infections with herpes simplex virus (first) and syphilis (second) are still the most common causes of infectious genital ulcers. An endemic occurrence, previously rare in Europe, has been observed in recent years. Particular risk groups, such as men who have sex with men (MSM), sex workers or sex

rale DNA-Polymerase. Aciclovir-resistente Stämme (meist Thymidinkinase-Resistenz) sind insbesondere bei immunsupprimierten Patienten anzutreffen. Dort beträgt die Resistenzrate bis zu 5 %.

Vakzinierung

tourists are affected. Even less common locations, such as the mouth or the rectum, lymphogranuloma venereum (LGV) and atypical clinical symptoms (e.g. pelvic pain in pelvic lymphadenopathy with LGV) must be considered in the differential diagnosis. Conclusion.  In recent years sexually transmitted infections (STI) have shown a significant increase in western industrialized nations. In all cases with unclear findings in the genital and anal areas (and also in the oral cavity) STI diseases must be reconsidered in the differential diagnosis. Keywords Sexually transmitted diseases · Syphilis · Herpes simplex virus · Risk groups · Locations

58 % der Fälle ein effektiver Immunschutz gegenüber HSV-1 erzielt werden. Es bestand jedoch kein ausreichender Schutz gegenüber einer Infektion mit HSV-2 und bei Männern [2]. Der Hersteller (Glaxo SmithKline) hat die weitere Entwicklung der Vakzine eingestellt.

In einer klinischen Vakzinierungsstudie mit über 8000 Probandinnen konnte in Der Hautarzt 1 · 2015 

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Leitthema Tab. 3  Therapie genitaler Herpesinfektionen bei immunkompetenten Individuen Erstinfektion

Rezidiv

Rezidivprophylaxe (suppressive Therapie) bei ≥6 Episoden pro Jahr

Aciclovir, oral 200 mg 5-mal/Tag (5 bis 10 Tage) 400 mg 3-mal/Tag (5 bis 10 Tage) 5–10 mg/kg KG intravenös alle 8 h (5 bis 10 Tage) 400 mg 3-mal/Tag (5 Tage) 800 mg 3-mal/Tag (2 Tage) 800 mg 2-mal/Tag (5 Tage) 400 mg 1- bis 2-mal/Tag

Valaciclovir, oral 500–1000 mg 2-mal/Tag (5 bis 10 Tage)

Famciclovir, oral 500 mg 2-mal/Tag (5 bis 10 Tage) 250 mg 3-mal/Tag (5 bis 10 Tage)

Anmerkungen Supportive Maßnahmen: Analgesie und Salinebäder

500 mg 2-mal/Tag (3 Tage) oder 1000 mg 1-mal/Tag (5 Tage) 500–1000 mg 1-mal/Tag oder 250 mg 2-mal/Tag

125 mg 2-mal/Tag (5 Tage) 1000 mg 2-mal/Tag (1 Tag)

Evaluation einer Rezidivprophylaxe

250 mg 2-mal/Tag

Halb- bis 1-jährige Evaluation der Therapiefortführung

Anmerkungen Bei Patienten mit fortgeschrittener HIV-Erkrankung sollte die doppelte Standarddosis gegeben werden Aciclovir i.v. (3-mal 5–10 mg/kg/Tag bei Patienten mit fulminantem Verlauf und Patienten, die Tabletten nicht schlucken können Bei Immunsupprimierten ggf. Verdoppelung der Standarddosis und Therapieverlängerung auf 7 Tage

KG Körpergewicht

Tab. 4  Therapie genitaler Herpesinfektionen bei immunsupprimierten Individuen Aciclovir 200–400 mg 5-mal/Tag (5 bis 10 Tage), oral 400–800 mg 3-mal/Tag (5 bis 10 Tage), oral 5–10 mg/kg KG intravenös alle 8 h (5 bis 10 Tage)

Valaciclovir 500–1000 mg 2-mal/ Tag (5 bis 10 Tage), oral

Famciclovir 500 mg 2-mal/Tag (5 bis 10 Tage), oral 250 mg 3-mal/Tag (5 bis 10 Tage), oral

Rezidiv

400 mg 3-mal/Tag (5 Tage) 800 mg 3-mal/Tag (2 Tage) 800 mg 2-mal/Tag (5 Tage), oral

Rezidivprophylaxe (suppressive Therapie) bei > 6 Episoden pro Jahr

400–800 mg 2- bis 3-mal/Tag, oral

500 mg 2-mal/Tag (3 Tage) 1000 mg 1-mal/Tag (5 Tage), oral 500 mg 2-mal/Tag, oral

125 mg 2-mal/Tag (5 Tage), oral 1000 mg 2-mal/Tag (1 Tag), oral 500 mg 2-mal/Tag, oral

Erstinfektion

Aciclovir ist Mittel der ersten Wahl Sollte keine Besserung eintreten: Zunächst Verdoppelung der Dosis, dann Famciclovir geben Halb- bis 1-jährige Evaluation der Therapiefortführung

KG Körpergewicht

Meldepflicht Keine.

Genitale Ulzera bei Syphilis Epidemiologie Insbesondere in den 80er- und frühen 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts war es still um die Syphilis geworden. Bei einer sehr niedrigen Inzidenz der Erkrankung (2 Fälle/100.000 Einwohner/Jahr) gab es bereits Pläne für ein weltweites Eradikationsprogramm. Diese wurden jedoch nach einem rasanten Wiederanstieg der Neuinfektionen in den späten 1990er- und den frühen 2000er-Jahren in Europa und Nordamerika eingestellt. Von 2001 bis 2010 verdoppelte sich in Deutschland die Gesamtinzidenz der Syphilis. Laut Robert

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Koch-Institut (RKI) stieg 2013 die Anzahl gemeldeter Syphilisfälle (5015) um weitere 14 % im Vergleich zum Vorjahr.

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Es ist ein deutlicher Anstieg der Gesamtinzidenz der Syphilis zu beobachten Auffallenderweise wird die Zunahme der Neuerkrankungen in Westeuropa und Amerika fast ausschließlich von Männern, insbesondere von MSM in großstädtischen Ballungsräumen, getragen. Besonders HIV-positive MSM zeigen eine hohe Risikobereitschaft für ungeschützte Sexualkontakte. In Zentral- und Osteuropa überwog der Übertragungsweg durch heterosexuelle Intimkontakte. Bei den Frauen blieb die Inzidenz konstant niedrig ( 95 %) erreicht werden. Eine negative DFM schließt jedoch eine Syphilis nicht aus!

Abb. 2 9 Syphilitischer Primäraffekt (Treponema pallidum ssp. pallidum) mit indolenter Lymphadenopathie (© Klinikum der J.W. Goethe-Universität, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie)

Klinik Das Risiko, eine Syphilisinfektion von unbehandelten Sexualpartnern zu erwerben, liegt bei 1-maligen ungeschützten sexuellen Kontakten zwischen 40 und 60 %. Die Inkubationszeit beträgt im Mittel 21 Tage [33]. Aufgrund diverser Einflussfaktoren wie Anzahl der übertragenen Erreger oder Immunstatus des Patienten kann die Inkubationszeit zwischen 10 Tagen und 3 Monaten variieren. Typisch ist das initiale Auftreten eines solitären dunkelroten Fleckes, der zunächst in eine derbe Papel und dann rasch in ein schmerzloses, hochinfektiöses Ulkus übergeht (.  Abb. 2). Diesen Primäraffekt umgibt ein nicht unterminierter Randwall, der im Verlauf derb und ödematös aufquillt. Dies wird auch als Ulcus durum oder harter Schanker bezeichnet. In dieser Phase besteht eine extensive Proliferation der Erreger. Das Ulkus wird nicht durch die Treponemen selbst, sondern durch die immunologische Abwehrreaktion des menschlichen Organismus verursacht. Bei Superinfektion oder Immunsuppression (HIV, medikamentös bedingt) können Primäraffekte multipel, besonders rasch und schwer ausgeprägt auftreten [29, 30]. Typische Lokalisationen sind beim Mann z. B. der Sulcus coronarius oder die Glans penis, bei der Frau die Labien oder die Portio vaginalis uteri. Bei etwa 10 % aller Syphilispatienten tritt der Primäraffekt extragenital auf. Je nach Sexualpraktik kann jeder

Körperteil betroffen sein Häufig ist – insbesondere bei MSM – die Analregion betroffen. Auch in der Mundhöhle oder an den Mamillen sind Primäraffekte nicht selten [33].

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Bei einer HIV-Infektion können auch multiple Primäraffekte auftreten In bis zu 80 % der Fälle entsteht im Verlauf eine einseitige Lymphangitis mit anschließender schmerzloser lokoregionärer Lymphadenopathie. Bei rektalem Befall kann diese aufgrund einer paraaortalen Lymphknotenaffektion auch unbemerkt bleiben [21]. Ohne Therapie heilt der Primäraffekt innerhalb von 3 bis 10 Wochen spontan ab und bleibt bei bis zu 70 % der Patienten die einzige Krankheitsmanifestation. Differenzialdiagnostisch müssen weitere ulzerierende Infektionskrankheiten, insbesondere das Ulcus molle, abgegrenzt werden (.  Tab. 5). Grundsätzlich sind jedoch klinische Variationen häufig [43].

Diagnostik Bei dem klinischen Bild eines Primäraffektes sollte eine Dunkelfeldmikroskopie (DFM) erfolgen. Hierbei wird nach gründlicher Reinigung mittels Kochsalzlösung durch tangentialen Druck Reizsekret gewonnen und anschließend mikroskopiert. Wegweisend sind dabei die ty-

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Die Dunkelfeldmikroskopie ist der einzige Test, der direkt eine frühe Diagnose mit konsekutiver Therapieeinleitung ermöglicht Reizsekret eines Primäraffektes aus der Mundhöhle ist für diese Untersuchung nicht geeignet, da hierbei nicht zwischen T. pallidum und apathogenen Treponemen des oralen Mikrobioms unterschieden werden kann. Die DFM ist der einzige Test, der direkt eine frühe und klare Diagnose mit konsekutiver Therapieeinleitung ermöglicht [21]. Die serologische Diagnostik basiert auf 2 Stufen. Zunächst sollte ein T.-pallidum-spezifischer Antikörpertest erfolgen (Suchtest). Geeignet sind hierzu vor allem der Treponema-pallidum-Partikelagglutinationstest (TPPA), der Treponemapallidum-Hämagglutinationstest (TPHA) oder der Treponema-pallidum-Latexagglutinationstest (TPLA; [13, 19]). Im Falle des TPPA/TPHA wird der Test als positiv angesehen, wenn bei einer Verdünnung von 1:80 eine Agglutination zu beobachten ist. Der Test wird 2 bis 3 Wochen nach der Infektion positiv und bleibt unabhängig von einer Therapie lebenslang reaktiv. Die Spezifität liegt bei fast 100 %. Alternativ kann ein „enzyme linked immunosorbent assay“ (ELISA, EIA) mit vergleichbarer Spezifität durchgeführt werden [13, 19]. Bei einem negativen Testergebnis und weiterhin bestehendem Verdacht auf eine Frühsyphilis sollte der jeweilige Suchtest nach 1 bis 2 Wochen wiederholt werden. Zeigt sich der initiale Suchtest jedoch reaktiv, erfolgt ein spezifischer Bestätigungstest [FTA-Abs-Test, IgM/IgG-ELISA, IgG/IgM-Westernblot, bei TPPA/ TPHA-Screening auch polyvalenter Immunoassay, VDRL-Titration]. Bei einem positiven Bestätigungstest gilt eine Infektion als gesichert. Hierbei kann jedoch nicht zwischen einer behandlungsbedürfDer Hautarzt 1 · 2015 

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Leitthema Tab. 5  Klinische Differentialdiagnose infektiöser genitoanaler Ulzera

Anzahl

HSV Syphilis genitoanalis multipel solitär

Lymphogr. venereum solitär

multipel

Schmerzhaftigkeit Palpation Lymphadenopathie

ja weich dolent

nein weich entz. Bubo

ja weich dolent

nein derb indolent

Tab. 6  Nach CDC ist die Diagnose eines

Ulcus molle wahrscheinlich, wenn folgende Kriterien erfüllt werden Der Patient hat ein oder mehrere schmerzhafte Ulzera Es liegt kein Anhalt für eine Infektion mit Treponema pallidum vor Typisches klinisches Bild Eine Herpes-Infektion konnte ausgeschlossen werden

tigen Syphilis und einer Seronarbe unterschieden werden, sodass eine Bestimmung der Krankheitsaktivität zu erfolgen hat. Dazu eignen sich der Nachweis von unspezifischen Cardiolipinantikörpern z. B. im VDRL-Test oder von spezifischen IgM-Antikörpern im 19S-IgM-FTA-AbsTest oder IgM-ELISA. Der VDRL-Test wird 5 bis 6 Wochen post infectionem reaktiv, steigt ohne Behandlung bis zum Sekundärstadium weiter an und fällt anschließend wieder etwas ab. Zu falsch negativen Ergebnissen kann es bei sehr hohen Antikörperspiegeln kommen. Dies wird als Prozonenphänomen bezeichnet [1, 35]. Alternativ kann der 19S-IgM-FTAAbs-Test verwendet werden. Dieser wird 6 bis 12 Monate nach adäquater Therapie erneut negativ. Syphilisschnelltests werden aktuell noch kontrovers diskutiert. Einige Schnelltests zeigen mittlerweile eine vergleichbare Sensitivität und Spezifität zu herkömmlichen Suchtests und können somit ebenfalls eingesetzt werden. Andererseits hält die WHO die Anwendung dieser Tests in industrialisierten Ländern mit einem guten flächendeckenden Netz an konventioneller Labordiagnostik nicht für sinnvoll. Weiterhin ist zu bedenken, dass herkömmliche Suchtests wesentlich günstiger sind, reaktive Suchtests ebenfalls durch Bestätigungstests kontrolliert werden müssen und dass ein Schnelltest bei einer frischen Treponemeninfektion falsch negativ ausfallen kann.

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Ulcus molle

Granuloma inguinale solitär (ggf. multipel) nein weich indolent

Wie bei allen STIs sind Koinfektionen (HIV, Hepatitis B und Hepatitis C, Chlamydien und Gonokokken) auszuschließen. Weiterhin sind etwaige Sexualpartner mit zu untersuchen.

Therapie Bis heute ist T. pallidum sensibel gegenüber Penicillin und somit einer kostengünstigen und effektiven Therapie zugänglich. Nur bei einer Penicillinallergie sollte auf Ausweichantibiotika zugegriffen werden. Eine intramuskuläre Einmalgabe von 2,4 Mega Benzathin-Benzylpenicillin (aufgeteilt auf 2 Injektionsorte gluteal links 1,2 Mega und gluteal rechts 1,2 Mega) ist zur Behandlung der Frühsyphilis ausreichend. Bei einer Penicillinallergie sollte Doxycyclin p.o. 2-mal 100 mg/ Tag über 14 Tage verordnet werden. Dieses ist jedoch bei Schwangeren und Kindern unter 8 Jahren kontraindiziert. Alternativ kann Erythromycin p.o. 4-mal 0,5 g/Tag über 14 Tage verabreicht werden. Als intravenöse Alternative zu Benzathin-Benzylpenicillin kann Ceftriaxon 2 g/Tag als Kurzinfusion (30 min) über 10 Tage zum Einsatz kommen. Makrolide wie Azithromycin werden aufgrund der aktuellen Resistenzlage nicht mehr empfohlen [8].

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Intramuskuläres BenzathinBenzylpenicillin ist bis heute Mittel der ersten Wahl der Syphilisbehandlung Leider ist derzeitig Benzathin-Benzylpenicillin (in Deutschland: Tardocillin, Pendysin) nur noch sehr eingeschränkt verfügbar. Es besteht jedoch die Möglichkeit, das Medikament über internationale Apotheken zu bestellen. Regelmäßig aktualisierte Informationen sind über die Home-

page der deutschen STI-Gesellschaft einzusehen. Da Benzathin-Benzylpenicillin u. a. für die Therapie der Syphilis essenziell ist, wurde es durch die WHO in die Liste der unverzichtbaren Arzneimittel aufgenommen. Als Ausweichpräparat wird Ceftriaxon empfohlen. Als dritte Wahl und nur in begründeten Ausnahmefällen kann Doxycyclin eingesetzt werden. Unter der Penicillin-Behandlung einer erregerreichen Sekundärsyphilis kann es zu einer akuten systemischen Reaktion mit Fieber, Arthralgien und Schüttelfrost auf Toxine zerfallender Treponemen kommen (Jarisch-Herxheimer-Reaktion). Sie setzt typischerweise 2–8 h nach Erstgabe ein und kann durch eine einmalige orale oder intravenöse Verabreichung von 1 mg/Prednisolonäquivalent/kg KG behandelt werden. Eine prophylaktische Gabe 30–60 min vor der ersten Antibiotikadosis verhindert das Auftreten der Reaktion [45]. Nach durchgeführter Therapie sind serologische Verlaufskontrollen unabdingbar. Diese sollten erstmals 3 bis 4 Wochen nach Therapieeinleitung erfolgen. Geeignet sind hierzu quantitative Bestimmungen der Lipoidantikörpertiter [VDRL, RPR („rapid plasma reagin“) etc.] oder auch der IgM-Antikörper (19SIgM-FTA-Test, IgM-ELISA). Diese Parameter dienen als Ausgangswert für die anschließend vierteljährlich durchzuführenden Kontrollserologien. Die Therapie ist als adäquat zu werten, sobald die Lipoidantikörpertiter um mindestens 2 Stufen gefallen sind [42] und nicht wieder ansteigen.

Syphilis bei bestehender HIV-Infektion Bei HIV-infizierten Patienten findet sich eine höhere Rate an atypischen und schwereren Verläufen. So können beispielsweise multiple Primäraffekte oder eine ulzerierende, febrile Syphilis maligna auftreten [29, 30]. Bei HIV-Infizierten sollten alle 3 bis 6 Monate Untersuchungen auf eine Syphilis durchgeführt werden. Umgekehrt ist bei einer Syphilis neben weiteren Koinfektionen eine HIV-Infektion auszuschließen. Zu beachten ist, dass bei schwer immundefizienten HIV-Patienten (CD4-

Abb. 3 9 Lymphogranuloma venereum (LGV, Chlamydia trachomatis, Serovar L1– L3) mit entzündlicher Lymphadenopathie (© Klinikum der J.W. Goethe-Universität, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie)

Zellzahl

[Diagnosis and therapy of genitoanal ulcers of infectious etiology].

In this review article the diagnostic and therapeutic principles of genital ulcers of infectious etiology are highlighted. Besides frequent causative ...
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