Übersicht

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Diagnostik und Therapie des Maldeszensus testis – ein Update unter Berücksichtigung der Leitlinien

Autoren

P. Rubenwolf, R. Stein

Institut

Abteilung Kinderurologie, Urologische Klinik und Poliklinik, Universitätsmedizin Mainz

Schlüsselwörter ▶ Maldeszensus testis ● ▶ Krytorchismus ● ▶ Diagnostik ● ▶ Therapie ● ▶ Chirurgie ● ▶ Hormontherapie ●

Zusammenfassung

Abstract





Hodenhochstände gehören mit einer Prävalenz von mindestens 1 % zu den häufigsten Anomalien des äußeren Genitales. Ein Spontandeszensus des Hodens ist innerhalb der ersten 6 Monate möglich, sodass im ersten Lebenshalbjahr Verlaufskontrollen indiziert sind. Unbehandelt birgt ein Hodenhochstand das Risiko eines verminderten Fertilitätspotenzials sowie einer erhöhten malignen Entartung (RR 2,5–8). Eine vor der Pubertät durchgeführte Orchidopexie hat das Potenzial, das erhöhte Malignitätsrisiko des MDT auf den Faktor 2–3 zu reduzieren. Eine neoadjuvante Hormontherapie mit GnRH-Analoga ab dem 6. Lebensmonat kann den Fertilitätsindex des betroffenen Hodens verbessern und sollte insofern ein integraler Bestandteil des Therapiekonzeptes sein. Der Einsatz von HCG sowie eine Hormontherapie nach dem 1. Lebensjahr sollte jedoch aufgrund möglicher Hodenparenchymschäden kritisch hinterfragt werden. Bei nichttastbaren und sonografisch nicht-darstellbaren Gonaden ist die laparoskopische Exploration und Therapie Mittel der Wahl. Die operative Lagekorrektur sollte idealerweise mit dem 1. Geburtstag abgeschlossen sein.

Cryptorchidism, or undescended testis (UDT), occurs in 1–3 % of male term infant births. At least two-thirds of UDTs will descend spontaneously, typically during the first 6 months of life. UDTs are associated with loss of spermatogenic potential and testicular malignancy in the long term. Orchiopexy performed prior to puberty may significantly reduce the malignant potential by up to 4-fold. Neoadjuvant hormonal therapy starting at 6 months of life has been shown to potentially improve the testicle’s fertility index and should be part of the therapeutic concept. However, the use of hormonal treatment and HCG beyond the first year of life is to be challenged given a potentially negative impact on testicular function. Laparoscopic exploration and therapy is the method of choice for non-palpable testes. Ideally, surgical repair of the UDT should be completed by the age of 1 year.

Einleitung

ten für Kinderchirurgie, Urologie, Kinder- und Jugendmedizin, vertreten durch die Arbeitsgemeinschaft für pädiatrische Endokrinologie, darzustellen.

Key words ▶ undescended testis (UDT) ● ▶ cryptorchidism ● ▶ diagnosis ● ▶ management ● ▶ surgery ● ▶ hormonal therapy ●

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0033-1358664 Akt Urol 2013; 44: 445–451 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0001-7868 Korrespondenzadresse Dr. Peter Rubenwolf, FEAPU, FEBU Abteilung Kinderurologie Urologische Klinik und Poliklinik Universitätsmedizin Mainz Langenbeckstraße 1 55131 Mainz Tel.: + 49/06131/17-0 Fax: + 49/06131/17-4070 [email protected]

▼ Hodenfehllagen (Maldeszensus testis, Synonyme: Retentio testis, Hodendystopie und -ektopie, Kryptorchismus) gehören zu den häufigsten Anomalien des äußeren Genitales und sind aufgrund ihrer Prävalenz und klinischen Relevanz eine Thematik, der Urologen, Kinderchirurgen, Pädiater und Allgemeinmediziner regelmäßig in Klinik und Praxis begegnen. Zielsetzung der vorliegenden Übersicht ist es, die Diagnostik und Therapie des Maldeszensus testis unter Berücksichtigung der AWMF Leitlinien der Deutschen Gesellschaf-

Prävalenz

▼ Die Prävalenz des Maldeszensus testis (MDT) wird in der Literatur mit 1–4 % bei reifgeborenen und mit bis zu 30 % bei frühgeborenen Säuglingen angegeben und ist insofern eine alters- bzw. reifeabhängige Anomalie [1, 2]. Ein einseitiger

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Diagnosis and Management of the Undescended Testis – An Update in the Light of the Current Guidelines

Übersicht

Hodenhochstand ist doppelt so häufig wie ein bilateraler MDT, der rechte Hoden häufiger als der linke betroffen. Ein spontaner Deszensus des Hodens ist innerhalb des ersten Lebenshalbjahres in bis zu 70 % der Fälle beschrieben, ab dem 2. Lebenshalbjahr zunehmend selten [3].

werden. Für den kontralateralen Hoden hingegen konnte bei einseitiger Fehllage kein erhöhtes Risiko identifiziert werden [13]. Traten Tumoren auf, so waren dies histopathologisch in nicht-therapierten dystopen Hoden vor allem Seminome im Gegensatz zu Embyonalzelltumoren in seinerzeit operativ lagekorrigierten Gonaden [13].

Ursachen und mögliche Folgen des Maldeszensus testis

Einteilung und Formen des Maldeszensus testis





Die Ursachen des MDT sind multifaktoriell und umfassen neben anatomischen (Funktion des Gubernaculum testis, Entwicklung und Morphologie des Nebenhodens), hereditären/genetischen (Mutationen des Wilms Tumor-1 Gens, des Insulin-like peptide (INSL)-3 und/oder seines Rezeptors (LGR-8), Umwelt- (Exposition gegenüber Pestiziden und Östrogenen) und lokalen Wachstumsfaktoren (Calcitonin gene-related peptide, INSL-3, EGF)) insbesondere eine Störung der Hypothalamus-/Hypophysen-/ Gonadenachse [4]. Der MDT wird daher zunehmend als „Endokrinopathie“ wahrgenommen, die mit einer Störung des teils androgenabhängigen Gonadendeszensus und nachfolgenden potentiellen Funktionseinbußen des Hodenparenchyms einhergeht. Eine Assoziation zwischen MDT und einer morphologisch fassbaren Schädigung der Gonaden wurde bereits 1987 von Hadziselimovic beschrieben [5]. Die histologischen Merkmale nichtdeszendierter Hoden sind ab dem 1. Lebensjahr nachweisbar und umfassen eine Hypoplasie sowie Abnahme der Leydig-Zellen, eine Degeneration der Sertoli-Zellen, einen verzögerten Nachweis von Gonozyten und dunklen Spermatogonien vom Erwachsenentyp (Ad-Spermatogonien) sowie eine insuffiziente Entwicklung von Spermatozyten. Zusammengefasst resultiert der MDT in einer Störung der Maturation sowie in einer Abnahme der Gesamtzahl an Keimzellen mit einem potentiell vermindertem Fertilitätspotenzial des betroffenen Hodens [5–7]. Eine wesentliches, auch therapeutisch bedeutsames pathogenetisches Moment ist die verzögerte oder ausbleibende Umwandlung sowie von Ad-Spermatogonien zu primären Spermatozyten, die in der Regel im 3. Lebensjahr komplettiert ist [8]. Eine signifikant verminderte Fertilität von Männern mit MDT wird seit Jahrzehnten angegeben, hält aber einer kritischen Überprüfung nur bedingt stand. So kamen neuere Arbeiten zu der Erkenntnis, dass sich die Vaterschaftsraten bei Männern mit ehemals einseitigem, operativ behandeltem MDT mit nahezu 90 % nicht von Männern ohne MDT (94 %) unterscheiden [9],wohingegen Männer mit bilateralem (behandeltem) MDT mit einer Vaterschaftrate von 65 % ein deutlich niedrigeres Fertilitätspotenzial aufweisen [10]. Weiterhin konnte ein Zusammenhang zwischen MDT und einem erhöhten Neoplasierisiko des Hodens nachgewiesen werden. Etwa 10 % aller Hodentumoren entstehen bei Männern mit einem MDT in der Vorgeschichte [11]. Farrer et al. errechneten 1985 für Patienten mit maldeszendierten Hoden gegenüber Männern mit primär lagekorrekten Gonaden ein bis zu 40-fach erhöhtes relatives Risiko, einen Hodentumor zu entwickeln [12]. Neuere Arbeiten von Wood und Elder zeigten jedoch ein lediglich 2,75 bis 8-fach erhöhtes relatives Neoplasierisiko, welches durch eine operative Korrektur im präpubertären Alter auf den Faktor 2–3 reduziert werden kann [13]. Ein höheres Malignitätsrisiko konnte für Männer mit hoher Hodenposition, beidseitigem MDT, MDT und assoziierten Harntraktfehlbildungen sowie höherem Alter ( > 12 Jahre) bei Lagekorrektur dokumentiert

Kaplan teilte 1993 fehlgelegene Hoden nach klinisch-pragmatischen Gesichtspunkten in palpable (70–80 %) vs. nicht-palpable (20–30 %) Hoden ein [14]. Palpable, nicht-deszendierte Hoden können dabei entweder als dystope, d. h. auf der physiologischen Achse des Deszensus liegengebliebene, oder als ektope, d. h. von der physiologischen Achse des Deszensus abgewichene Hoden vorliegen [15]. Die häufigste ektope Lageanomalie ist die suprafaszial ektope Lage im sogenannten Dennis-Brown-Pouch zwischen der Scarpa- und der Faszie des M. obliquus externus. Sehr selten werden präpenile, perineale oder femoral ektope Hoden beobachtet [16]. Ursächlich für die Hodenektopie wird eine Fehlinsertion des Gubernaculum testis angenommen. Nicht-palpable, kryptorche Gonaden im eigentlichen Wortsinn liegen entweder im Leistenkanal verborgen oder intraabdominell (Retentio testis abominalis, „Bauchhoden“). Die häufigste intraabdominelle Lage ist diejenige unmittelbar proximal des inneren Leistenrings. Prinzipiell können kryptorche Hoden jedoch überall auf der Achse zwischen Nierenunterpol und dem Eingang in den Leistenkanal lokalisiert sein. Zu unterscheiden sind weiterhin regelrecht entwickelte intraabdominelle von intrauterin torquierten, rudimentären Gonaden (auch als „vanishing testis“ bezeichnet) sowie primär nicht angelegte Hoden (Hodenagenesie). Sonderformen des MDT sind Gleithoden (in der Leiste tastbare und in das Skrotum manipulierbare, jedoch aufgrund eines zu kurzen Funiculus spermaticus umgehend wieder in ihre inguinal-dystope Lage zurückgleitende Gonaden) und Pendelhoden. Gleithoden sind im Gegensatz zu Pendelhoden („retractile testis“), denen ein ausgeprägter Kremasterreflex, jedoch keine anatomisch objektivierbare Ursache zugrundeliegt, therapiebedürftig. Kinder mit Pendelhoden sollten verlaufskontrolliert werde, da in bis zu 45 % der Fälle eine sekundä▶ Abb. 1 gibt einen Überre Aszension beschrieben wurde [17]. ● ▶ Abb. 1: Formen blick über die verschiedenen Formen des MDT. ● des Maldeszensus testis (Aus: Stein R, Beetz R, Thüroff W. Kinderurologie in Klinik und Praxis. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2011: 540). In der Vergangenheit wurde immer wieder auf das Phänomen einer sekundären Fehllage bei zunächst regelrechter Hodenposition im Skrotum hingewiesen. Die Inzidenz eines sekundären Aszensus liegt unter 2 % [18]. Es wird angenommen, dass ein primär im Skrotalfach lokalisierter Hoden sich aufgrund eines inadäquaten Längenwachstums oder fibröser Anteile des Funiculus spermaticus nachfolgend nach inguinal retrahiert. Hiervon zu unterscheiden sind iatrogen entstandene sekundäre Hodenhochstände nach vorausgegangenen Leisteneingriffen (0,5–2 %) [19]. Es konnte gezeigt werden, dass sekundär aszendierte Hoden im Gegensatz zu primär fehlgelegenen Hoden histologisch initial keinen Hodenparenchymschaden aufweisen [20, 21].

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Abb. 1 Formen des Maldeszensus testis: a Bauchhoden, b, c Leistenhoden, d Hodenektopie: inguinal-epifaszial e femoral f perineal (Aus: Stein R, Beetz R, Thüroff W. Kinderurologie in Klinik und Praxis. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2011: 540).

Diagnostik des Maldeszensus testis

▼ Die Diagnostik des MDT umfasst neben der Anamnese (Frühgeburtlichkeit, Dokumentation eines Hodens bei Geburt, stattgehabte Eingriffe an der Leiste, vorangegangene Hormontherapie, positive Familienanamnese), die körperliche Untersuchung, fakultativ eine Ultraschalluntersuchung der Leiste sowie im Fall nicht tast- und visualisierbarer (kryptorcher) Hoden die Laparoskopie. Laboruntersuchungen (Inhibin B, HCG-Stimulationstest) sind lediglich bei bilateral kryptorchen Hoden indiziert. Bei der körperlichen Untersuchung ist durch die Inspektion des Genitales die Morphologie des Skrotums (normal ausgebildet/hypoplastisch) sowie zusätzlich vorhandene Auffälligkeiten wie eine Hypospadie (Hinweis auf eine mögliche Störung der Geschlechtsentwicklung, „DSD“) zu dokumentieren. Die anschließende Palpation von Skrotum und Inguinalregion wird idealerweise im Stehen, im Schneidersitz (Ausschaltung des Kremasterreflexes) sowie abschließend im Liegen durchgeführt, mit dem Ziel, tastbare von nicht-tastbaren Hoden abzugrenzen. Weiterhin ist auf das Vorliegen einer Leistenhernie bzw. eines offenen Processus vaginalis peritonei zu achten [22]. Die nichtobligate, jedoch empfehlenswerte Sonografie von Skrotum und Leiste kann einerseits den vorangegangenen Tastbefund bestätigen oder einen vorhandenen, jedoch nicht-tastbaren Hoden in der Leiste zeigen. Sensitivität und Spezifität der Sonografie werden mit 76 und 100 % angegeben [23]. Insofern kann durch die Sonografie einem Teil der Kinder die laparoskopische Exploration erspart werden. Eine Studie von Huff et al. hatte zum Ziel, beim einseitigen Kryptorchismus aus der sonografisch bestimmten Größe des regelrecht gelegenen, kontralateralen Hodens eine Aussage zur

Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins bzw. Fehlens des kryptorchen Hodens abzuleiten [24]. Die Autoren konnten zeigen, dass hypertrophe Hoden signifikant häufiger mit einer kontralateralen Hodenagenesie assoziiert waren als Hoden mit altersentsprechendem regelrechtem Volumen. Die Zuverlässigkeit der Methode ist allerdings unzureichend, sodass hierdurch keinesfalls auf die laparoskopische Exploration verzichten werden kann. Laboruntersuchungen sind beim MDT nur in Ausnahmefällen indiziert und beschränken sich auf bilateral weder tast- noch sonografisch darstellbare Hoden. Der HCG-Test hat zum Ziel, die Testosteronproduktion vorhandenen Hodengewebes nachzuweisen bzw. zu stimulieren. Er gilt als positiv, wenn der Testosteronausgangswert 3–4 Tage nach Gabe von 5 000 I.E./m² KOF um das mindestens 10 fache des Ausgangswertes ansteigt [25]. Alternativ kann die Bestimmung des Inhibin B als Marker der Sertolizellfunktion vorgenommen werden, welches bei beidseitig nicht vorhandenem oder nicht-funktionsfähigem Hodengewebe unter der Nachweisgrenze liegt [26]. Betont werden muss jedoch, dass selbst bei negativem HCG-Test oder nicht nachweisbarem Inhibin B eine laparoskopische Exploration zum definitiven Auschluss regressiv oder dysgenetisch veränderter Gonaden dringend empfohlen wird, da letztere im Langzeitverlauf maligne entarten können [27, 28]. Die Laparoskopie ist ein seit Jahren etabliertes, hochsensitives Verfahren in der Diagnostik nicht palpabler, nicht-visualisierbarer Hoden. Die Lokalisation bzw. die Frage des Vorhandenseins eines Hodens gelingt mittels der Laparoskopie in nahezu 100 % der Fälle. Aus diesem Grund gibt es für die Magnetresonanztomografie des Abdomens, ein kostenintensives und bei Kindern ein eine Narkose erforderndes Verfahren, aufgrund ihrer inakzeptabel hohen falsch-positiven und falsch-negativen Ergebnisse im Kindesalter heutzutage keine Rationale mehr [23]. Zudem erlaubt die Laparoskopie neben einer zuverlässigen Diagnostik auch zugleich eine Therapie (Lagekorrektur, Entfernung eines Hodenrudimentes). Vor Beginn der Laparoskopie sollte der Patient jedoch in Narkose nochmals manuell untersucht werden, da sich dann ein Hoden unter Umständen in der Leiste tasten lässt und sich die Laparoskopie somit erübrigt. In einer Studie von Cisek et al. über die Lage von 263 nicht-palpablen Hoden im Rahmen einer Laparoskopie sind nachfolgende Befunde erhoben worden [29]: ▶ in den Leistenkanal ziehende Testikulargefäße und Ductus deferens mit inguinal-dystopem Hoden (40 %), ▶ intraabdominelle Hodenlage (37 %), ▶ ein zwischen dem inneren Leistenring und dem Leistenkanal flottierender Hoden („peeping testis“, 11 %), ▶ intraabdominell blind endende Gefäße/Ductus oder Hodenrudimente („vanishing testis“) in 8 % und ▶ blind im Leistenkanal endende Hodengefäße und Ductus deferens ohne zugehöriges Hodengewebe (Hodenagenesie, 4 %).

Therapie des Maldeszensus testis

▼ Ein Blick in die Literatur zur Behandlung des MDT zeigt eindrücklich, dass sich die Empfehlungen bezüglich des Therapiezeitpunktes bzw. -beginns nicht-deszendierter Hoden in den letzten Jahrzehnten signifikant geändert haben. Dank eines erheblichen Erkenntniszuwachses auf dem Gebiet der Pathophysiologie des MDT sowie histopathologischer und andrologischer Studien liegt das derzeit empfohlene Alter eines TherapiebeginRubenwolf P, Stein R. Diagnostik und Therapie des … Akt Urol 2013; 44: 445–451

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nes bei 6 Monaten. Ein Spontandeszensus eines dystopen Hodens ist insbesondere innerhalb der ersten 3 Lebensmonate möglich, nach dem 6. Monat jedoch unwahrscheinlich [3]. Insofern sind im ersten Lebenshalbjahr Verlaufskontrollen indiziert. Therapieziel ist es, mittels einer rechtzeitigen Lagekorrektur den Hoden der klinisch/palpatorischen Untersuchung zugänglich zu machen, irreversible Schäden des Keimepithels zu verhindern und das maldeszendierten Hoden inhärente Malignitätsrisiko zu reduzieren. Im Idealfall sollte die Therapie des MDT mit dem 1. Lebensjahr abgeschlossen sein (siehe Leitlinien der American Academy of Pediatrics, AAP, der European Association of Urology, EAU, und der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, AWMF). Die Therapie des Hodenhochstandes kann pharmakologisch, operativ oder in Kombination erfolgen.

Pharmakologische Therapie

▼ Die Annahme, dass dem MDT unter anderem eine endokrine Dysfunktion mit einer Störung der Hypothalamus/Hypophysen-/Gonadenachse zugrundeliegt, führte zur Entwicklung der „Hormontherapie“ (HT) in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Sie gilt in der modernen Kinderurologie zumindest im ersten Lebensjahr als integraler Bestandteil der Therapie des Hodenhochstandes. Dennoch sind die Meinungen zu Rationale, Therapiebeginn, -dauer und -modus sowie den zur Verfügung stehenden Substanzen ein Feld anhaltender Kontroversen und teils divergierender Empfehlungen [30–34]. Bei der Hormontherapie werden Humanes Choriongonadotropin (HCG) als auch Gonadotropin Releasing-Hormon (GnRH)Analoga entweder als Einzelsubstanzen oder in Kombination eingesetzt (Dosisschema und Therapiedauer und NW siehe ▶ Tab. 1). ● HCG stimuliert die Leydigzellen des Hodens direkt zur Testosteronproduktion. GnRH führt zunächst an der Hypophyse zur Stimulation der Sekretion von Gonadotropin bzw. luteinisierendem Hormon, das nachfolgend die Leydig-Zellen zur Testosteronproduktion anregt. Der hieraus resultierende transiente Testosteronanstieg („Minipubertät“) war ursprünglich mit der Zielsetzung empfohlen worden, den androgenabhängigen Deszensus des Hodens zu stimulieren. Allerdings haben sich die Erwartungen zumindest diesbezüglich nicht bestätigen können. In einer Metaanalyse von 33 randomisierten Studien bei 3 282 Jungen mit 4 524 nicht-deTab. 1 Medikamentöse Therapie des Maldeszensus testis. Medika-

Dosierung

Unerwünschte Wirkungen

GnRH-Nasenspray

3 × 400 μl/Tag, d. h. 3× je ein Sprühstoß a 200 μl in jedes Nasenloch über 4 Wochen

Symptome der „Minipubertät“: Auftreten von Schambehaarung, Peniswachstum und vermehrte Reizbarkeit (bei HGC ausgeprägter als bei GnRH) Schmerzen im Genitale und an der Injektionsstelle (HCG) Linksherzhypertrophie nach 5 wöchiger Gabe von insgesamt 10 000 I.E. HCG [35]

HCG

wöchentlich 100 I.E./ kg KG intramuskulär über 3 Wochen

ment

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szendierten Hoden lag der Erfolg mit HCG bei 19 %, mit LHRHAnaloga bei 21 % und mit Plazebo bei 4 %. Die Erfolgsrate lag dabei umso höher, je näher der Hoden zum Skrotum hin positioniert war [36]. Zu berücksichtigen sind neben den Kosten und möglichen Nebenwirkungen auch die Möglichkeit einer 25 %igen erneuten Fehllage (Rezidiv/Reaszension) des Hodens in Fällen mit zunächst erfolgreicher Hormontherapie. Andererseits zeigten mehrere Arbeiten einen positiven Effekt auf das Fertilitätspotenzial des Hodens. So konnte in 2 prospektiv randomisierten Studie nachgewiesen werden werden, dass eine vor einer chirurgischen Lagekorrektur durchgeführte (neoadjuvante) GnRH-Therapie den Fertilitätsindex (Anzahl adulter dunkler Spermatogonien pro Tubulus) verbessert [37, 38]. Inwieweit die Hormontherapie auch potentiell negative Auswirkungen auf das Hodenparenchym hat, ist derzeit noch nicht abschließend geklärt. Cortes et al. untersuchten Hodenbiopsien von 72 Jungen mit MDT und konnten belegen, dass eine neoadjuvante HCG oder GnRH-Analoga-Therapie im Alter von 1 bis 3 Jahren verglichen mit lagekorrigierten Hoden ohne vorangegangene Hormontherapie zu einer verminderten Anzahl von Spermatogonien führte [39]. Dunkel et al. zeigten, dass Männer, die in der Kindheit eine neoadjuvante HCG Therapie erhielten, eine signifikant erhöhte Zahl von Keimzellapoptosen, ein erniedrigtes Hodenvolumen sowie ein erhöhte FSH-Spiegel im Vergleich zu Männern ohne neoadjuvante HCG-Therapie [40]. Somit muss der Einsatz von HCG zur Therapie des MDT kritisch zu hinterfragt werden. Unter Berücksichtigung der aktuellen Evidenzlage kann derzeit festgehalten werden, dass eine neoadjuvante GnRH-Therapie das Potenzial besitzt, sowohl die Proliferation als auch die Maturation der Keimzellen günstig zu beeinflussen. Hinsichtlich des optimalen Zeitfensters der Hormontherapie, der Therapiedauer und einer möglichen Überlegenheit von HCG gegenüber GnRH Analoga oder der Rationale einer kombinierten Anwendung existieren jedoch keine einheitlichen Empfehlungen. Insbesondere die Fragen, bis zu welchem Lebensalter und ob eine Hormontherapie auch im Anschluss an eine operative Lagekorrektur sinnvoll ist, sind nach wie vor nicht abschließend beantwortet. Die meisten Leitlinien empfehlen eine neoadjuvante Hormontherapie mit GnRH oder HCG oder beiden Substanzen bis zum ersten Lebensjahr, geben jedoch keinen Hinweis darauf, ob einer der beiden Substanzen oder einer Kombination der Vorzug zu geben ist. Sie weisen hinsichtlich der postoperativen Hormontherapie auch darauf hin, dass zwar ein günstiger Effekt auf den Fertilitätsindex beschrieben wurde, jedoch aufgrund der lückenhaften Datenlage hierzu keine allgemeine Empfehlung ausgesprochen werden kann. Weiterhin raten die AWMF-Leitlinien von einer Hormongabe nach dem 1. Lebensjahr ab, da in einer Arbeit von Cortes erniedrigte Fertilitätsindices bei Kindern, die nach dem 1. Lebensjahr mit HCG oder GnRH-Analoga behandelt wurden, nachgewiesen werden konnten [39]. Bemerkenswert ist allerdings die Tatsache, dass es bislang keine Studien gibt, die – trotz verbesserter spermatologischer Befunde – auch erhöhte Paternitätsraten nach adjuvanter Hormonbehandlung nachweisen konnten [31].

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Inguinale Orchidofunikulolyse und -pexie Die offen-chirurgische Orchidopexie ist insbesondere für inguinal tastbare Hoden geeignet. Die Operation erfolgt von einem suprainguinalen, in Richtung der Hautspaltlinien verlaufenden Schnitt ausgehend und umfasst nachfolgende Schritte: ▶ Eröffnung des Leistenkanals, Aufsuchen und komplette Mobilisation des Hodens und des Funiculus spermaticus; ▶ Abpräparation, hohe Ligatur und Abtragung eines (falls vorhandenen) offenen Processus vaginalis peritonei; ▶ Separation der Testikulargefäße und des Ductus deferens und Abschieben der peritonealen Umschlagsfalte nach kranial. Präparation bis in das Retroperitoneum, falls erforderlich. ▶ Eröffnen der Hodenhüllen, Inspektion des Hodens und Abtragen von Hodenanhangsgebilden (Hydatiden); ▶ Spannungsfreie Positionierung des Hodens im Skrotum und Pexieren, zum Beispiel innerhalb einer an der Vorderwand des Skrotums präparierten subkutanen Tasche („DartosPouch“), wie 1932 von Schoemaker beschrieben. Eine transparenchymatöse sowie transkutan ausgestochene Fixation des Hodens mittels Naht wird aufgrund des Potenzials einer Traumatisierung des Hodens und der Gefahr von Wundheilungsstörungen zwar von Einzelnen kritisiert (Referenz: W. Rösch in: Anheuser und Steffens, Komplikationen und Risiken in der Urologie, Thieme Verlag, 2012, Seite 271), sollte jedoch letztlich dem Operateur überlassen werden. Für Hoden, die intraoperativ mühelos in das Skrotum mobilisiert werden können, wurde als Alternative zur „konventionellen“ inguinalen Operation von Bianchi 1989 eine Technik der skrotalen Orchidopexie beschrieben und kürzlich in einem Review von Novaes et al. als sicher und effektiv bewertet [41]. Gerade für Gleithoden, stellt diese Technik eine gute Alternative dar. Bei trotz ausgedehnter Funiculolyse weiterhin zu kurzen Testikulargefäßen ist es u.U. notwendig, den inneren Leistenring zu eröffnen, um eine ausgedehnte retroperitoneale Präparation der Testikulargefäße mit Abpräparation des Peritoneums vorzunehmen. Sowohl die Inzision der Fascia transversalis nach distal als auch eine Verlagerung des Funiculus unterhalb der epigastrischen Gefäße können dazu beitragen, eine spannungsfreie Orchidopexie zu erleichtern [42, 43]. Bei Abdominalhoden kann die durch Fowler und Stephens 1959 beschriebene offene Technik der Verlagerung des Hodens nach Ligatur der Spermatikalgefäße angewendet werden [44]. Dieses Verfahren kommt seit Einführung der Laparoskopie durch Cortesi et al. 1976 jedoch zusehends seltener zum Einsatz [45]. Zu erwähnen ist auch die Möglichkeit der von Persky und Albert beschriebenen 2-zeitigen, offenen Lagekorrektur mit ausgedehnter Mobilisation des Hodens bis zum äußeren Leistenring und einer definitiven Lagekorrektur nach 6 Monaten [46]. Die Erfolgsrate der offenen Operation ist von der initialen Hodenlage und dem Alter des Patienten abhängig und wird in der Literatur mit bis zu 92 % angegeben. In einer Metaanalyse von 64 Studien mit 8 425 fehlgelegenen Hoden wurden von Docimo et al. folgende Erfolgsraten angegeben: für Hoden, die ursprünglich distal des äußeren Leistenrings lagen 92 %, für Leistenhoden 87 %, für abdominale Hoden 74 % (offene Operation). Für die Fowler-Stephens-Technik wurden 67 und 77 % (1- vs. 2-zeitig) ermittelt [2]. Als Erfolg wurden eine korrekte postoperative Hodenlage sowie das Ausbleiben einer iatrogenen Hodenatrophie postoperativ definiert.

Komplikationen des Verfahrens sind eine Kompromittierung der Hodenperfusion mit nachfolgender Hodenatrophie [47], eine erneute Fehllage des Hodens (1–5 %), Hämatombildung, Wundheilungsstörungen, Verletzungen des Ductus deferens sowie Läsionen des N. ilioinguinalis sowie -genitofemoralis (W. Rösch in: Anheuser und Steffens, Komplikationen und Risiken in der Urologie, Thieme Verlag 2012, Seiten 269 ff). Ob ein im Rahmen einer offenen Operation diagnostiziertes Hodenrudiment oder ein atropher Hoden belassen werden kann, ist unklar. In den Leitlinien wird dessen Entfernung empfohlen, um bei noch vorhandenem vitalem Hodenrestgewebe eine spätere maligne Entartung zu eliminieren. Ein solch möglicher intraoperativer Befund und das dann gewählte Vorgehen sollte vor der Operation mit den Eltern besprochen werden.

Laparoskopische Orchidopexie Intraabdominell gelegene Hoden werden heutzutage praktisch ausschließlich laparoskopisch diagnostiziert und zunehmend auch laparoskopisch therapiert. Es kommen 4 laparoskopische Verfahren zum Einsatz: 1. Die einzeitige Orchidofunikulolyse und -pexie ohne Durchtrennung der Testikulargefäße. Der Hoden wird dabei nach peritonealer Inzision bis weit nach proximal mobilisiert und anschließend über einen Skrotalschnitt medial des Ligamentum umbilicale mediale in einen präformierten Dartos-Pouch verlagert, ohne den Leistenkanal zu passieren. Dieses Verfahren ist für distal, nahe des inneren Leistenringes positionierten Bauchhoden und zwischen Bauchhöhle und Leistenkanal flottierenden Hoden (peeping testis) mit suffizienter Länge der Gefäße geeignet. 2. Das 2-zeitige Verfahren mit hoher Durchtrennung bzw. Klippung der Testikulargefäße und Mobilisation des Hodens vor den inneren Leistenring in einem ersten Schritt; Orchidopexie in einem zweiten laparoskopischen Eingriff nach 6 Monaten (sogen. 2-zeitiges Fowler-Stephens-Verfahren). Rationale dieser Technik ist eine Ausbildung von Kollateralgefäßen zum Hoden über die A. ductus deferentis bis zur zum zweiten OPSchritt. Dieses Verfahren ist für proximal ( > als 3 cm vom inneren Leistenring) gelegene Hoden geeignet. 3. Das einzeitige Fowler-Stephens-Verfahren mit hoher Durchtrennung der Testikulargefäße, Mobilisation des Hodens und Orchidopexie in einer Sitzung. 4. Das einzeitige Verfahren nach Koff mit tiefer (distaler) Ligatur der Spermatikalgefäße 5. Entfernung eines intraabdominellen „nubbins“, d. h. eines Hodenrudimentes 6. Beendigung der Laparoskopie bei im Abdomen blind endenden Gefäßen und Ductus deferens. Im Fall von in den Leistenkanal hinein verlaufenden, Gefäßen/Ductus wird eine Exploration des Leistenkanals empfohlen. 7. Bei beidseitig kryptorchen Hoden wird eine metachrone (2-bzw. mehrzeitige) Therapie empfohlen. Baker et al. zeigten bereits 2001 in retrospektiven multi-institutionalen Studie für die Therapie von Abdominalhoden eine Überlegenheit der laparoskopischen gegenüber der offen-chirurgischen Orchidopexie im Hinblick auf die Organüberlebensrate, unabhängig vom 1-oder 2-zeitigen Verfahren mit oder ohne Gefäßligatur. Die Erfolgsraten wurden wie folgt angegeben: 97 % für die einzeitige Orchidopexie ohne Gefäßklippung, 74 % für das einzeitige und 88 % für das 2-zeitige Fowler-Stephens Verfahren [48].

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Operative Therapie

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Übersicht Kontralaterale Orchidopexie Hinsichtlich der Rationale einer kontralateralen prophylaktischen Orchidopexie eines Einzelhodens bei Patienten, bei denen die Laparoskopie ein Hodenrudiment zeigt, gibt es derzeit keine evidenzbasierten Empfehlungen [49].





Autotransplantation Die Indikation zur Autotransplantation ist Einzelfällen bei postpubertären Jugendlichen mit intraabdominalem Einzelhoden zur Vermeidung einer Testosteronersatztherapie sowie zur besseren palpatorischen und sonografischen Beurteilung gestellt worden. In einer Metaanalyse lag die Erfolgsrate bei 84 % [2], in einer monozentrischen Studie über 27 Hoden bei 96 % [50]. Aufgrund des sehr hohen operativen Aufwandes (mikrochirurgische Technik), des Risikos einer Hodenatrophie und der Limitierung der Methode durch die geringen Gefäßdurchmesser im frühen Patientenalter wird in den meisten kinder urologischen/chirurgischen Zentren heutzutage die laparoskopische Hodensuche bei nicht-palpablem Hoden mit gleichzeitigem Fowler-Stephens-Manöver gegenüber der Autotransplantation bevorzugt. Eine laparoskopisch assistierte testikuläre Autotransplantation („LATA“) wird von einigen Zentren bei beidseitigem hohen Abdominalhoden empfohlen [51, 52].

Hodenbiopsie Die Entnahme einer Hodenbiopsie im Rahmen einer Orchidopexie ist nicht routinemäßig indiziert. Bei postpubertären Jungen mit unbehandeltem kongenitalem Hodenhochstand kann in Fällen mit uneindeutigem Tast- oder Sonografiebefund die Indikation zur offenen Hodenbiopsie während der Orchidopexie gegeben sein, um eine testikuläre intraepitheliale Neoplasie (TIN) oder einen Tumor auszuschließen. Weiterhin ist die Entnahme einer Biopsie bei jeglichem Verdacht auf Ovotestis oder eine testikuläre Dysgenesie indiziert. Hodenbiopsien werden in einigen Zentren vor einer postoperativen Hormontherapie zur Bestimmung des Fertilitätsindices durchgeführt. Vor dem Hintergrund einer Schädigung des Hodens und der eingeschränkten therapeutischen Konsequenzen sollte dieses Vorgehen mit Zurückhaltung bewertet werden und ausschließlich wissenschaftlichen Fragestellungen im Rahmen kontrollierter Studien vorbehalten bleiben. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass bis dato keine Korrelation zwischen dem Fertilitätsindex und der Paternitätsrate aufgezeigt werden konnte [53].

Nachsorge Evidenzbasierte Empfehlungen zur Nachsorge nach medikamentöser und operativer Therapie des MDT fehlen. Gemäß den AWMF-Leitlinien dienen im ersten Jahr nach operativer Therapie (Orchidopexie) vierteljährliche Nachsorgeuntersuchung der Erfassung von Rezidivfehllagen und sekundären Hodenatrophien. Ab der Pubertät steht die Erkennung sekundärer Malignome im Vordergrund. Die Selbstpalpation spielt dabei eine essentielle Rolle und sollte idealerweise von allen Männern nach Orchidopexie durchgeführt werden.

Fazit für die Praxis



▶ Hodenhochstände gehören mit einer Prävalenz von mindestens 1 % zu den häufigsten Anomalien des äußeren Genitales. Ein Spontandeszensus ist innerhalb der ersten 6 Monate Rubenwolf P, Stein R. Diagnostik und Therapie des … Akt Urol 2013; 44: 445–451





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möglich, sodass im ersten Lebenshalbjahr Verlaufskontrollen indiziert sind. Ein unbehandelter Hodenhochstand birgt das Risiko eines verminderten Fertilitätspotenzials sowie eines erhöhten malignen Entartung. Eine präpubertär durchgeführte Orchidopexie hat das Potenzial, das erhöhte Malignitätsrisiko des MDT zu reduzieren (RR: 2–3). Eine neoadjuvante Therapie mit GnRH-Analoga ab dem 6. Lebensmonat kann den Fertilitätsindex des betroffenen Hodens verbessern und sollte insofern ein integraler Bestandteil des Therapiekonzeptes sein. Der Einsatz von HCG sowie eine Hormontherapie nach dem 1. Lebensjahr sollten jedoch aufgrund möglicher Hodenparenchymschäden kritisch hinterfragt werden. Bei nicht-tastbaren und sonografisch nicht-darstellbaren Gonaden ist die laparoskopische Exploration und Therapie Mittel der Wahl. Die operative Lagekorrektur sollte idealerweise mit dem 1. Geburtstag abgeschlossen sein. Nach Orchidopexie sollte den Eltern bzw. den Patienten palpatorische Kontrollen der lagekorrigierten Hoden empfohlen werden.

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht. Literatur 1 Acerini CL, Miles HL, Dunger DB et al. The descriptive epidemiology of congenital and acquired cryptorchidism in a UK infant cohort. Arch Dis Child 2009; 94: 868 2 Docimo SG. The results of surgical therapy for cryptorchidism: a literature review and analysis. J Urol 1995; 154: 1148 3 Wenzler DL, Bloom DA, Park JM. What is the rate of spontaneous testicular descent in infants with cryptorchidism? J Urol 2004; 171: 849 4 Virtanen HE, Toppari J. Epidemiology and pathogenesis of cryptorchidism. Hum Reprod Update 2008; 14: 49 5 Hadziselimovic F, Huff D, Duckett J et al. Long-term effect of luteinizing hormone-releasing hormone analogue (buserelin) on cryptorchid testes. J Urol 1987; 138: 1043 6 Huff DS, Hadziselimovic F, Duckett JW et al. Germ cell counts in semithin sections of biopsies of 115 unilaterally cryptorchid testes. The experience from the Children’s Hospital of Philadelphia. Eur J Pediatr 1987; 146 (Suppl 2): S25 7 Huff DS, Hadziselimovic F, Snyder HM 3rd et al. Histologic maldevelopment of unilaterally cryptorchid testes and their descended partners. Eur J Pediatr 1993; 152 (Suppl 2): S11 8 Hadziselimovic F, Zivkovic D, Bica DT et al. The importance of minipuberty for fertility in cryptorchidism. J Urol 2005; 174: 1536 9 Miller KD, Coughlin MT, Lee PA. Fertility after unilateral cryptorchidism. Paternity, time to conception, pretreatment testicular location and size, hormone and sperm parameters. Horm Res 2001; 55: 249 10 Lee PA, Coughlin MT. Fertility after bilateral cryptorchidism. Evaluation by paternity, hormone, and semen data. Horm Res 2001; 55: 28 11 Abratt RP, Reddi VB, Sarembock LA. Testicular cancer and cryptorchidism. Br J Urol 1992; 70: 656 12 Farrer JH, Walker AH, Rajfer J. Management of the postpubertal cryptorchid testis: a statistical review. J Urol 1985; 134: 1071 13 Wood HM, Elder JS. Cryptorchidism and testicular cancer: separating fact from fiction. J Urol 2009; 181: 452 14 Kaplan GW. Nomenclature of cryptorchidism. Eur J Pediatr 1993; 152 (Suppl 2): S17 15 Hutson JM, Hasthorpe S, Heyns CF. Anatomical and functional aspects of testicular descent and cryptorchidism. Endocr Rev 1997; 18: 259 16 Ramareddy RS, Alladi A, Siddappa OS. Ectopic testis in children: experience with seven cases. J Pediatr Surg 48: 538 17 Stec A, Thomas J, DeMarco R et al. Incidence of testicular ascent in boys with retractile testes. J Urol 2007; 178: 1722 18 Villumsen A, Zachau-Christiansen B. Spontaneous alterations in position of the testes. Arch Dis Child 1966; 41: 198

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Übersicht

[Diagnosis and management of the undescended testis--an update in the light of the current guidelines].

Cryptorchidism, or undescended testis (UDT), occurs in 1-3% of male term infant births. At least two-thirds of UDTs will descend spontaneously, typica...
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