Nephrologie | Commentary

Diabetische Nephropathie: Neues in Diagnose, Prävention und Therapie Diabetic nephropathy: new insights into diagnosis, prevention and treatment

M. Rheinberger1 C. A. Böger1 Nephrologie, Diabetologie Nephrologie | Commentary

Schlüsselwörter diabetische Nephropathie chronische Nierenerkrankung Diabetes mellitus Albuminurie Ziel-Blutdruck HbA1c

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Keywords diabetic nephropathy chronic kidney disease diabetes mellitus albuminuria target blood pressure HbA1c

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Was ist neu? Diagnose: 3Neue internationale Klassifikation der chronischen Nierenerkrankung. 3Albuminurie als wichtiger Prädiktor für renale und kardiovaskuläre Ereignisse bei jeder Höhe der glomerulären Filtrationsrate (GFR). 3Das erhöhte Risiko für Mortalität bei Diabetikern wird auf das Vorliegen einer chronischen Nierenerkrankung zurückgeführt. Prävention und Therapie: 3Neue Nationale Versorgungsleitlinie Diabetes und internationale Empfehlungen. 3Blutdruck- und HbA1c-Ziele sollen individuell unter Berücksichtigung der kardiovaskulären Begleiterkrankungen festgelegt werden.

Diagnose der diabetischen Nephropathie ▼ Die diabetische Nephropathie (DN) ist eine mikroangiopathische Manifestation des Diabetes, die bei rund 30 % der Diabetiker auftritt und mit einem hohen Risiko für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität und Dialysepflichtigkeit assoziiert ist [4]. Ursächlich ist ein Zusammenspiel aus klassischen Risikofaktoren wie Diabetes, Hypertonie und Nikotinkonsum mit genetischen Faktoren. Letzteren wird eine wichtige Rolle zugeschrieben. Die Faktoren sind aber noch nicht im Detail identifiziert. Hier erhofft man sich in der Zukunft über neue Erkenntnisse zu Pathomechanismen Zugang zu neuen Therapieoptionen [14]. Institut Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II, Nephrologie, Universitätsklinikum Regensburg Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1369841 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 : 704–706 · © Georg Thie0 me Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Prof. Dr. med. Carsten Böger Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Regensburg 93042 Regensburg Tel. 0941/944-7301 Fax 0941/944-7302 eMail [email protected]

Die Diagnose wird, gemäß aktuellen Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der American Diabetes Association (ADA), klinisch gestellt: nach Ausschluss einer anderen Systemerkrankung und durch Nachweis einer Albuminurie ≥ 30 mg/d in 2 von 3 Urinproben, entnommen binnen 3–6 Monaten [5, 14]. Die Bestimmung der Albumin-Kreatinin-Ratio aus dem ersten Morgenurin wird gegenüber einer 24Stunden-Sammlung aus logistischen Gründen bei gleicher Validität bevorzugt. Ist die Gewinnung des ersten Morgenurins nicht möglich, sollten die Urinproben stets zur gleichen Tageszeit entnommen werden [14]. In der neuen internationalen Klassifikation für chronische Nierenerkrankungen („chronic kidney disease“, CKD) ist neben der Bestimmung der Albuminurie die Serumkreatinin-basierte

Schätzung der GFR (eGFR) mit der CKD-EPI-Formel unverzichtbar, um eine CKD zu diagnostizieren und in 5 Stadien einzuteilen. Aus dem Grad der Albuminurie und der Höhe der eGFR wird hierbei eine Risiko-Matrix für renale und kardiovaskuläre Ereignisse gebildet [10]. Nach einer Meta-Analyse von über 1 Millionen Probanden, davon rund 130 000 Diabetiker, geht das Risiko für Mortalität und Dialysepflichtigkeit bei Diabetes mit dem Vorliegen einer CKD (erhöhte Albuminurie oder erniedrigte eGFR) einher [6]. Dieser neuen CKD-Klassifikation folgend empfehlen die Leitlinien der DDG und der ADA neben der Bestimmung der eGFR ein jährliches Screening für erhöhte Albuminausscheidung bei allen Typ-2Diabetikern, und bei allen Typ-1-Diabetikern ab dem 5.  Jahr nach Diagnosestellung. Eine gering erhöhte Albuminurie („Mikroalbuminurie“: 30–300 mg/d oder mg/g Kreatinin) ist ein wichtiger Risikofaktor für die Progression zur Dialysepflichtigkeit [10]. Die Progression zu einer Makroalbuminurie (Albuminurie > 300 mg/d) ist offensichtlich nicht Voraussetzung hierfür [13]. Es kann auch ohne begleitende Erhöhung der Albuminurie zu einem langsam progredienten Verlust der GFR kommen (q Abb. 1): Wahrscheinlich als Folge eines Bluthochdrucks kann eine arterioläre Hyalinose mit glomerulärer Vernarbung und interstitieller Fibrose entstehen. In diesem Fall spricht man nicht von einer diabetischen Nephropathie, sondern von einer „benignen“ Nephrosklerose. Deshalb sollte ohne Vorliegen einer Nierenbiopsie besser der deskriptive Begriff einer „diabetesassoziierten chronischen Nierenerkrankung“ verwendet werden [10]. Eine Nierenbiopsie zur Sicherung der Diagnose erfolgt in den meisten Zentren nur bei atypischem Verlauf. In Biopsiestudien bei Diabetikern findet sich in bis zu 50 % der Fälle eine nichtdiabetische Nephropathie: Am häufigsten sind die fokal segmentale Glomerulosklerose und die Minimal-change-, IgA- oder membranöse Glomerulopathie [7]. Obwohl die Studien wahrscheinlich zugunsten nichtdiabetischer Erkrankungen verzerrt sind, sollte spätestens bei jeder neuen Makroalbuminurie (besonders bei kurzer Diabetesdauer), bei abnehmender eGFR oder bei pathologischem Urinsediment die Überweisung an einen Nephrologen mit der Frage nach einer Nierenbiopsie erwogen werden [5]. Die Renal Pathological Society erarbeitete 2010 eine histologische Klassifikation der Erkrankung [15] mit Angabe separater histologischer Schwe-

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Reduzierte GFR Erhöhte GFR (Hyperfiltration)

Terminale Nierenerkrankung

* Albuminurie ≥ 300 mg/d

* Albuminurie ≥ 30 mg/d

Normale GFR

Normale GFR

Normale GFR

Normoalbuminurie

Normoalbuminurie

Normoalbuminurie

0

5

10

15

20

Diabetesdauer (Jahre) Abb. 1 Schematische Darstellung des variablen klinischen Verlaufs der diabetesassoziierten chronischen Nierenerkrankung [3]. GFR: glomerulärer Filtrationsrate. *GFR und Albuminurie können unabhängig voneinander fortschreiten: Patienten können eine erhöhte Albuminurie haben, obwohl die GFR noch normal ist. Umgekehrt kann die GFR sinken, obwohl keine erhöhte Albuminurie vorliegt.

regrade für glomeruläre Läsionen einerseits und interstitielle und vaskuläre Läsionen andererseits. Belastbare Daten zur Korrelation dieser Klassifikation mit den klinischen Diagnosekriterien liegen jedoch nicht vor. Wissenschaftlich wird daran gearbeitet, die Nierenbiopsie durch moderne Analysetechniken des Urins oder des Serums zu ersetzen. Erste Studien zeigen charakteristische Signaturen von Urinmetaboliten und –peptiden bei Patienten mit verschiedenen Nierenerkrankungen. Diese Messmethoden und die Durchführung genetischer Tests sind aber noch nicht für die klinische Routine geeignet [3, 14].

Klinische Relevanz Zum Screening auf eine Nephropathie wird bei Diabetikern eine jährliche Bestimmung der Albuminurie sowie eine Serumkreatinin-basierte Schätzung der glomerulären Filtrationsrate (eGFR) empfohlen. Hieraus erfolgt die Klassifikation in 5 eGFR-basierte CKD-Stadien. Bei atypischen Verlauf (rasche Zunahme der Proteinurie nach kurzer Diabetesdauer) oder pathologischem Urinsediment sollte eine Nierenbiopsie erfolgen, um eine andere Nierenerkrankung auszuschließen.

Prävention und Therapie der diabetischen Nephropathie ▼ Ziel der Prävention und Therapie der diabetischen Nephropathie ist es, den harten Endpunkt der Dialysepflichtigkeit zu verhindern [10]. Da aber auch schon eine erhöhte Albuminurie oder eine leicht reduzierte GFR stark mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko und erhöhter Mortalität assoziiert sind [6], soll auch die Inzidenz der erhöhten Albuminurie, die Progression einer erhöhten Albuminurie und der jährliche Verlust der GFR vermindert werden. Strategien hierfür decken sich mit der Prävention makrovaskulärer Endpunkte: Blutzucker- und Blutdrucksenkung, Beendigung des Nikotinkonsums, und Cholesterinsenkung [4].

Evidenzbasierte Blutzuckersenkung Die wichtigsten Daten zur Primärprävention einer Diabetes-assoziierten CKD bei Diabetes mellitus Typ 1 durch Blutzuckersenkung stammen von der DCCT/EDIC-Studie [12]. Hierin führte eine intensivierte Insulintherapie bei normotensiven Typ-1-Diabetikern auch viele Jahre nach Beendigung des randomisierten Teils der Studie im Sinne eines „metabolischen Gedächtnisses“ zu einer Reduktion der Inzidenz einer Mikroalbuminurie. Auch bei hypertensiven Typ-2Diabetikern konnte in UKPDS33 und ADVANCE eine Reduktion der inzidenten Mikroalbuminurie, in ADVANCE auch der inzidenten Makroalbuminurie und Dialysepflichtigkeit durch Blutzuckersenkung gezeigt werden [2].

Das daraus entstandene Dogma „HbA1c: je niedriger desto besser“ musste allerdings mit Publikation der ACCORD-Studie [2] überarbeitet werden. In dieser Studie wurden rund 10 000 Typ-2-Diabetiker in 2 Gruppen randomisiert, mit HbA1c-Zielen 

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