Aus der Cochrane Library – für die Praxis

Kommentar aus der Praxis

S. Diabetologie Jacob

Typ-2-Diabetes: Bietet eine scharfe AusderCochraneLibra y–fürdiePraxis Blutzuckereinstellung Vorteile?

Schlüsselwörter Cochrane Library

Online Publikation: DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 0 2014; 1390 : 628–629 · © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 0 Diabetes type 2: does intensive glycaemic control provides advantages?

Patienten mit Typ-2-Diabetes haben ein erhöhtes Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko. Daten, inwieweit eine intensivierte Blutzuckerkontrolle dies beeinflusst, präsentierten Hemmingsen et al. 2011 in einem Cochrane-Review. Nun liegt das Update vor.

Einleitung: Vor allem mikro- und makrovaskuläre Komplikationen mit ihren schwerwiegenden Folgen stellen das eigentliche Problem des Typ-2-Diabetes (T2D) dar. Frühere Beobachtungsstudien und auch die pathophysiologische Plausibilität führten zu der Annahme, dass eine möglichst strenge Blutzuckereinstellung geeignet sei, diese Komplikationen zu minimieren. Neuere randomisierte Studien gaben Anlass zu einer differenzierteren Betrachtungsweise. 2011 wurden für ein Cochrane-Review hierzu Studien zusammengefasst, nun liegt das Update vor. Studien: In das aktuelle Update wurden 8 weitere und damit gesamt 28 randomisierte Studien mit 34 912 Patienten mit T2D eingeschlossen. Von diesen wurden 18 717 nach dem Prinzip einer strengen glykämischen Kontrolle behandelt, der Rest nach üblichen Therapiemodalitäten. Die Interventionsdauer betrug zwischen 3 Tagen und 12,5 Jahren. Die Autoren stellen allerdings fest, dass unter den ausgewerteten Studien nur zwei ein niedriges BiasRisiko aufweisen. Ergebnisse: Hinsichtlich Gesamtmortalität (relatives Risiko [RR] 1,00; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,92–1,08) und kardiovaskulärer Mortalität (RR 1,06; 95%-KI 0,94–1,21) zeigten sich zwischen beiden glykämischen Schemata keine statistisch signifikanten Unterschiede. Eine strengere Blutzuckereinstellung scheint zu einer Verminderung makrovaskulärer Komplikationen bei Berechnung nach dem Fixed-Effects-Modell (RR 0,93; 95%-KI 0,87–0,99) zu führen, jedoch nicht im Random-Effects-Modell (RR 0,91; 95%-KI 0,82–1,02). Eine statistisch signifikante Risikominderung fanden die Autoren für

Herausgeber: Dr. med. Jörg Meerpohl Prof. Dr. rer. nat. Gerd Antes

nicht-tödlichen Herzinfarkt (RR 0,87; 95%-KI 0,77–0,98), Amputation unterer Extremitäten (RR 0,65; 95%-KI 0,45– 0,94), einen Komposit-Endpunkt mikrovaskulärer Komplikationen (RR 0,88; 95%-KI 0,82–0,95), Nephropathie (RR 0,75; 95%-KI 0,59–0,95) und Retinopathie (RR 0,79; 95%-KI 0,68–0,92). Auf Lebensqualität, nicht-tödliche Schlaganfälle und Notwendigkeit einer kardialen oder peripheren Revaskularisation gab es dagegen keine statistisch signifikant günstigen Auswirkungen. Eine strenge glykämische Kontrolle führte dagegen zu vermehrten schweren Hypoglykämien (RR 2,18; 95%-KI 1,53–3,11) und zu vermehrten schweren Nebenwirkungen insgesamt (RR 1,06; 95%-KI 1,02–1,10).

Fazit der Cochrane-Autoren Eine strenge Blutzuckereinstellung bewirke keine Senkung der kardiovaskulären oder Gesamtmortalität, scheine sich aber günstig auf mikrovaskuläre Komplikationen auszuwirken. Dem stünden vermehrte schwere Nebenwirkungen, vor allem Hypoglykämien, entgegen. Die Autoren bemängeln die nach wie vor ungenügende Datenlage, es gebe kaum Studien mit niedrigem Bias-Risiko. Sie sehen bei dieser Fragestellung die Notwendigkeit für größere und aussagekräftigere Studien mit niedrigem Bias-Risiko.

Dr. med. Peter Pommer, Oberammergau Originalarbeit: Hemmingsen B et al. Targeting intensive glycaemic control versus targeting conventional glycaemic control for type 2 diabetes mellitus. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, Issue 11 DOI: 10.1002/14651858.CD008143.pub3 www.thecochranelibrary.com

Die aufgrund der Epidemiologie logisch erscheinende Mortalitäts- und Morbiditäts-Reduktion durch strenge Kontrolle des Blutzuckers konnte bisher weder in der vorliegenden Metaanalyse noch anderen Studien gezeigt werden. Allerdings ist unklar, welche Auswirkungen eine therapie-assoziierte Gewichtszunahme sowie der Teufelskreis Hypoglykämie und weitere Gewichtszunahme auf die kardiometabolischen Risikofaktoren und letztendlich auch die Prognose hat. Oder inwieweit mögliche spezifische Nebenwirkungen von Medikamenten, die zur HbA1c-Senkung eingesetzt werden, die metabolische Kontrolle konterkarieren. Neuere Ansätze (Inkretin-basierte Therapie und SGLT2-Hemmung), die über physiologische Wege die Glukose ohne „Kollateralschäden“ wie Gewichtszunahme und Hypoglykämie senken, könnten hier von Vorteil sein. Sicherheits- und Verträglichkeitsstudien hierzu sind bereits abgeschlossen (SAVOR und EXAMINE), Effektivitäts-Studien stehen noch aus. Es stellt sich aber auch die Frage, ob überhaupt ein Nachweis gebracht werden kann, wenn man (immer) nur Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 mit bereits eingetretenen (oft mehreren) vaskulären Komplikationen in die Studien einschließt, oder ob es nicht besser wäre, Menschen am Anfang ihrer Diabetes-„Karriere“ ohne Komplikationen zu untersuchen. Subgruppenanalysen der bisherigen Studien sprechen dafür, dass Menschen ohne vaskuläre Komplikationen (und ohne bisher miserable Stoffwechseleinstellung) von einer Verbesserung der metabolischen Kontrolle profitieren (z.B. ACCORD). Bis hier neue Daten zur Verfügung stehen, sollte folgendermaßen behandelt werden: Neben einer schonenden GlukoseStoffwechseleinstellung unter Vermeidung von Hypoglykämien (gelegentliche [!] strukturierte Blutzucker-Tagesprofile zur Beurteilung der aktuellen Stoffwechselsituation) stehen Blutdruck-und Lipidkontrolle und immer wieder Unterstützung und freundliche „Ermahnung“ zu einem gesunden Lebensstil. Prof. Dr. Stephan Jacob Praxis für Prävention und Therapie, Villingen-Schwenningen Interessenkonflikte: Der Autor erhielt Honorare von Abbott, AstraZeneca, Bayer, Berlin Chemie, BMS, Boehringer Ingelheim, Daiichi Sankyo, Essex, EuMeCom, GSK, LighterLife, Lilly, Merck, MSD, Novo Nordisk, Novartis, Pfizer, Roche, Sanofi-Aventis, Schwarz UCB, Solvay, Takeda und Viatris.

Dtsch Med Wochenschr 2014; 139, Nr. 13

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