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Device-Therapie nach akutem Koronarsyndrom Device therapy after acute coronary syndrome

Autoren

O. Przibille1 E. Himmrich2 K. Andreas1 B. Nowak1

Institut

1 Cardioangiologisches Centrum Bethanien, Frankfurt 2 II. Medizinische Klinik und Poliklinik, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz

Kardiologie

Akutes Koronarsyndrom und Bradykardien ▼

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Schlüsselwörter Akutes Koronarsyndrom AV-Block Schrittmacher Defibrillator kardiale Resynchronisationstherapie

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Keywords acute coronary syndrome AV block Pacemaker cardioverter-defibrillator cardiac resynchronization therapy

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eingereicht 02.11.2013 akzeptiert 21.11.2013 Bibliografie DOI 10.1055/s-0033-1359940 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 : S36–S39 · © Georg Thie0 me Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Dr. med. Oliver Przibille Cardioangiologisches Centrum Bethanien Im Prüfling 23 60389 Frankfurt Tel. 069/945028331 eMail [email protected]

Beim akuten Koronarsyndroms insbesondere bei einem ST-Hebungsinfarkt, kann eine Ischämie des Reizleitungssystems auftreten. Dies kann zu Schenkelblöcken und AV-Blockierungen führen. Das Ausmaß der Blockierung hängt dabei von der Lokalisation und der Ausdehnung des ischämischen Myokards ab. Bei Infarktpatienten mit neu aufgetretenem AV-Block ist die Krankenhausund 30-Tages-Mortalität im Vergleich zu Patienten ohne AV-Block erhöht [5]. Früher betrug die Inzidenz von AV-Blockierungen beim Myokardinfarkt bei alleiniger thrombolytischer Therapie zwischen 5 und 7 % [9]. Durch Jürgen Meyer wurde die primäre perkutane Koronarintervention (PCI) bei akutem Myokardinfarkt eingeführt [18]. Diese ist heutzutage als optimale Standardtherapie des ST-Hebungsinfarktes fest etabliert [4]. Der Erfolg der Reperfusionstherapie hat dazu beigetragen, dass es zu einem deutlichen Rückgang der Infarkt-assoziierten AV-Blockierungen gekommen ist. Deren Inzidenz liegt derzeit bei etwa 3,2 % [9].

Schrittmachertherapie ▼ Pathophysiologie Die Perfusion des Sinusknotens erfolgt bei etwa 60 % aller Menschen über die rechte Kranzarterie und bei etwa 40 % über den Ramus circumflexus. Der AV-Knoten wird bei ca. 90 % der Menschen über die rechte Kranzarterie und bei etwa 10 % über den Ramus circumflexus perfundiert. Das His-Bündel und der rechte und linke Faszikel werden über die rechte Kranzarterie sowie über septale Äste des Ramus interventricularis versorgt [24].

Bei einer Hinterwandischämie im Bereich der rechten Kranzarterie ist die AV-Blockierung bei etwa 90 % der Patienten supra-hissär lokalisiert, mit entsprechend günstiger Prognose [24]. Bei einem akuten Hinterwandinfarkt können in den ersten Stunden Sinusbradykardien und AVBlockierungen wechselnden Ausmaßes auftreten. Diese sind vagal induziert und sprechen meist gut auf eine Atropingabe an. In der Regel bilden sie sich in den ersten 24 Stunden zurück. Später auftretende AV-Blockierungen sind durch ein Ödem bedingt und bilden sich meist langsamer zurück (nach 5–7 Tagen). Diese später auftretenden Blockierungen sprechen nicht gut auf Atropin an [24]. Reizleitungsstörungen bei einem Vorderwandinfarkt sind Folge einer direkten Schädigung und Nekrose des Reizleitungssystems. Daher treten sie in der Regel bei proximalem Verschluss des Ramus interventricularis anterior mit einer Ischämie oder Nekrose des Septums auf. In den meisten Fällen ist die Blockierung infra-hissär lokalisiert, mit entsprechend ungünstigerer Prognose [24]. Die Septumäste des Ramus interventricularis anterior versorgen sowohl den rechten Tawaraschenkel als auch den linksanterioren Faszikel. Entwickelt sich im Rahmen eines Vorderwandinfarktes ein Rechtsschenkelblock mit linksanteriorem, oder seltener linksposteriorem, Hemiblock, ist dies Zeichen einer ausgedehnten Ischämie bzw. Nekrose. Daher haben diese Patienten in älteren Studien eine teilweise deutlich erhöhte Mortalität von bis zu 80 % (Killip-Klasse IV) [13]. Bei etwa einem Drittel der Patienten mit Vorderwandinfarkt und neu aufgetretenem Schenkelblock muss nachfolgend mit einem kompletten AV-Block gerechnet werden [24].

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Leitlinienempfehlungen In den aktuellen Leitlinien zur Schrittmacherimplantation aus dem Jahr 2013 wird die Indikation zur Schrittmachertherapie beim akuten Myokardinfarkt mit höhergradigem AV-Block sehr zurückhaltend gesehen [3]. 3 Dies liegt zum einen an der potenziellen Reversibilität der Blockierung. 3 Zum anderen konnte durch die Schrittmacherimplantation keine Prognoseverbesserung der Patienten nachgewiesen werden. Eine Klasse-IC-Indikation zur Schrittmacherimplantation besteht nur in den seltenen Fällen, in denen sich ein permanenter höhergradiger AV-Block ausbildet. Die potenzielle Rückbildung in den ersten 2–7 Tagen muss abgewartet werden. Ein neu aufgetretener Schenkelblock ist in diesem Zusammenhang keine Schrittmacherindikation.

kurzgefasst AV-Blockierungen beim akuten Koronarsyndrom sind selten. Beim Hinterwandinfarkt ist die Prognose gut. Bei Vorderwandinfarkten sind ein AV-Block und ein Schenkelblock weniger reversibel, und die Prognose ist ungünstig.

Defibrillatortherapie ▼ Bei Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom treten in den ersten 48 Stunden relativ häufig Tachyarrhythmien auf. Die meisten davon sind nicht behandlungsbedürftig und sistieren spontan. In ca. 20 % der Fälle werden aber lebensbedrohliche anhaltende ventrikuläre Tachykardien (VT) oder Kammerflimmern (VF) dokumentiert. Die Akuttherapie umfasst eine Kardioversion oder Defibrillation. Bei wiederholten ventrikulären Tachykardien ist die Gabe eines Betablockers, ggf. auch von Amiodaron erforderlich [4]. Die Häufigkeit ventrikulärer Arrhythmien beim akuten Koronarsyndrom kann durch eine Revaskularisation und durch eine optimale medikamentöse Therapie reduziert werden. Anhaltende ventrikuläre Tachykardien, die kurz nach dem akuten Koronarsyndrom auftreten, sind zwar mit einer erhöhten KrankenhausMortalität, nicht aber mit einer Steigerung der Langzeit-Mortalität assoziiert.

ICD-Implantation zur Sekundärprophylaxe Tritt nach über 48 Stunden eine hämodynamisch relevante ventrikuläre Tachykardie oder ein Kammerflimmern auf, besteht ein erhöhtes Rezidivrisiko, so dass die Indikation zur sekundärprophylaktischen ICD-Implantation gegeben ist [23]. Weniger gut untersucht sind hingegen Patienten mit stabilen ventrikulären Tachykardien, für die prospektive Studien fehlen. Eine retrospektive Analyse von Patienten aus dem AVID-Register zeigte eine tendenziell höhere Gesamtmortalität stabiler vs. instabiler ventrikulärer Tachykardie [19]. Böcker et al. hatten bei

der Analyse von 8861 Episoden einer ventrikulären Tachykardie aus dem ICD-Speicher festgestellt, dass ca. 30 % der vorher stabilen ventrikulären Tachykardien intermittierend sehr schnell werden oder in Kammerflimmern übergehen [6]. Grundsätzlich ist daher auch für diese Patienten die Indikation zur ICD-Implantation gegeben. Eine zusätzliche Ablation der ventrikulären Tachykardie ist im Einzelfall notwendig, wenn es zu häufigen ICD-Entladungen kommt. Ob die Ablation die Versorgung mit einem Defibrillator bei erhaltener Ventrikelfunktion ersetzen kann, ist Gegenstand aktueller Untersuchungen.

ICD-Implantation zur Primärprophylaxe Das Risiko in den ersten 6 Monaten nach einem akuten Myokardinfarkt einen plötzlichen Herztod zu erleiden liegt bei ca. 7 %. Besonders betroffen sind Patienten mit einer hochgradig eingeschränkten linksventrikulären Funktion (2,3 % im ersten Monat nach Infarkt) [20]. Dennoch gelang es in der DINAMITund der IRIS-Studie nicht, durch eine frühe Defibrillatorimplantation nach Myokardinfarkt die Gesamtmortalität in dieser Hochrisikogruppe zu reduzieren [14, 21]. Der scheinbare Widerspruch, dass eine Verringerung von Rhythmustoden die Gesamtsterblich nicht beeinflusst, ist nicht abschließend geklärt. In der Frühphase nach Infarkt sind ventrikuläre Tachyarrhythmien nur in etwa der Hälfte der Fälle für einen plötzlichen Herztod verantwortlich. Es wird vermutet, dass die Häufigkeit nicht rhythmusbedingter plötzlicher Todesursachen (Reinfarkt, akutes Pumpversagen, Ventrikelruptur etc.) entsprechend zunimmt, wenn durch den ICD ventrikuläre Arrhythmien zunächst überlebt werden (Konversionshypothese) [11]. Darüber hinaus kann in der frühen Phase nicht abgeschätzt werden, bei welchem Patient mit einer initialen Ejektionsfraktion ≤ 35 % es im Verlauf zu einer Verbesserung der Ventrikelfunktion kommt. Um eine Überversorgung mit ICD zu vermeiden, kann es sogar sinnvoll sein, länger als die in den Empfehlungen genannten 40 Tage nach Infarkt zu warten, bevor über eine primärprophylaktische Implantation entschieden wird. So berichten Klein et al., dass es bei 57 % ihrer Patienten, die im Rahmen des akuten Myokardinfarkts eine Ejektionsfraktion ≤ 35 % aufwiesen innerhalb von 3 Monaten zu einer Verbesserung auf > 35 % kam. Bemerkenswert ist, dass nur zwei Drittel dieser Patienten mittels Akut-PTCA behandelt wurden [17].

Tragbare Defibrillator-Weste Für ausgewählte Patienten ermöglicht es die tragbaren Defibrillator-Weste heute, die Zeit bis zur endgültigen Entscheidung über eine ICD-Implantation zu überbrücken (wearable cardioverter-defibrillator, WCD). Die LifeVest® der Fa. Zoll besteht aus einer Monitoreinheit und einer auf der Haut tragbaren Weste, in die EKG- und Defibrillationselektroden eingelassen sind. Über zwei EKG-Ableitungen (anterior-posterior, lateral-lateral) wird der Herzrhythmus kontinuierlich überwacht. Sind die programmierbaren Detektionskriterien erfüllt, wird für 25 Sekunden ein Patientenalarm abgegeben. Es folgt eine Sprachansage zur Warnung umstehender Personen, danach werden nach Freisetzen von Elektrodengel bis zu 5 biphasische Elektroschocks abgegeben. Die Möglichkeit zur Überstimulation oder eine Schrittmacherstimulation (im Sinne eines ATP oder back-up-pacing) wie bei den implantierbaren Defibrillatoren, besteht bei der Defibrillator-Weste nicht.

Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: S36–S39 · O. Przibille et al., Device-Therapie nach akutem …

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Insgesamt haben AV-Blockierungen im Rahmen akuter Infarkte innerhalb der ersten Tage eine gute Rückbildungstendenz. Nur etwa 9 % dieser Patienten benötigen einen permanenten Herzschrittmacher [5].

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Ist der Patient durch die Arrhythmie hämodynamisch nicht beeinträchtigt (stabile ventrikuläre oder supraventrikuläre Tachykardie) oder liegt eine Fehldetektion z. B. durch Bewegungsartefakte vor, kann der Patient durch Drücken der Alarmtaste die Therapieabgabe inhibieren.

meist nicht zu erreichen. Daher ist die Indikation zur AV-Knotenablation großzügig zu stellen. Wird bei Patienten mit Vorhofflimmern der AV-Knoten abladiert, profitieren sie in gleichem Maße wie Patienten im Sinusrhythmus [10].

Akutes Koronarsyndrom und CRT Es liegen Daten vor, die eine erfolgreiche Behandlung ventrikulärer Tachyarrhythmien in der frühen Postinfarktphase durch die Defibrillator-Weste nachweisen [8]. Zishiri et al. fanden in einer retrospektiven Beobachtungsstudie bei 809 Westenträgern mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion ≤ 35 % nach PTCA eine beeindruckende Reduktion der 90-Tage-Mortalität von 10 auf 2 % [25]. Prospektive Studien zur Defibrillator-Weste fehlen derzeit jedoch. Dennoch kann sie für Hochrisikopatienten in Einzelfällen zur Überbrückung bis zur endgültigen Entscheidung für Hochrisikopatienten dienen. Eine Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie ist in Vorbereitung.

kurzgefasst Symptomatische/anhaltende ventrikuläre Arrhythmien mehr als 48 h nach Infarkt sind eine Indikation zur ICD-Sekundärprophylaxe. Primärprophylaktisch ist der ICD indiziert, wenn die linksventrikuläre Ejektionsfraktion jenseits von 40 Tagen nach Infarkt weiter hochgradig eingeschränkt (≤ 35 %) bleibt. In Einzelfällen kann eine ICD-Weste in der Zwischenzeit den Patienten schützen.

Kardiale Resynchronisationstherapie ▼ Die kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) ist eine etablierte Behandlung der symptomatischen chronischen Herzinsuffizienz bei eingeschränkter linksventrikulärer Funktion (EF ≤ 35), Linksschenkelblock und deutlich verbreitertem Kammerkomplex (QRS ≥ 120 ms). In einer Metaanalyse zeigte sich eine Reduktion der Gesamtmortalität um 22 % und des Risikos der Krankenhausaufnahme aufgrund einer kardialen Dekompensation um 35 % für Patienten im NYHA-Stadium III und IV [1]. Die MADIT-CRT- und die RAFT-Studie konnten darüber hinaus zeigen, dass die Resynchronisationstherapie auch im Stadium NYHA II effektiv ist und zu einem Rückgang von Hospitaliationen und der Mortalität führt [2, 22]. Daraufhin wurde die Indikation auf Patienten in den NYHA-Stadien II bis IV ausgeweitet. Dabei werden unter NYHA IV solche Patienten verstanden, die ambulant führbar sind und im letzten Monat nicht wegen einer kardialen Dekompensation stationär behandelt werden mussten. Für Patienten im Sinusrhythmus mit einem Linksschenkelblock ≥ 120  ms besteht daher eine Klasse-I-Empfehlung zur Implantation eines Resynchronisationsgeräts, wobei die Effizienz für Patienten mit QRS > 150 ms am besten ist [3].

Vorhofflimmern bei Herzinsuffizienz Bei 30–40 % der Patienten mit Herzinsuffizienz entwickelt sich Vorhofflimmern. Trotz einer deutlich schlechteren Datenlage wird für Patienten mit permanentem Vorhofflimmern im NYHA-Stadium III und IV (ambulante Führung) bei einer QRSVerbreiterung ≥ 120 ms eine CRT empfohlen (Klasse IIa). Da der klinische Nutzen von der Häufigkeit effektiver links- bzw. biventrikulärer Stimulation abhängig ist, sollte diese möglichst bei 100 % liegen [12]. Insbesondere bei Patienten mit Vorhofflimmern ist dies auch unter maximaler antidromer Medikation

Dies Empfehlungen zur kardialen Resynchronisationstherapie beziehen sich auf Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz. Im Rahmen eines akuten Koronarsyndroms stellt sich daher selten die Frage nach der Implantation eines CRT-Systems. Das Koronarsyndrom sollte jedoch als Triggerereignis gesehen werden, den Patienten regelmäßig auf die Entwicklung einer Herzinsuffizienz zu untersuchen, um den Zeitpunkt für die Implantation eines (biventrikulären) Defibrillators nicht zu verpassen. Anders verhält es sich bei Patienten, die kurz nach ihrem akuten Koronarsyndrom wegen bradykarder oder tachykarder Rhythmusstörungen mit einem Schrittmacher oder Defibrillator versorgt werden müssen. Wenn aufgrund eines höhergradigen AV-Blocks eine Schrittmacherimplantation erforderlich wird, sollte bei Patienten mit einer reduzierten linksventrikulären Funktion (Ejektionsfraktion 

[Device therapy after acute coronary syndrome].

Acute coronary syndromes are seldom accompanied by high degree AV blocks. Implantation of a permanent pacemaker is rarely necessary.There is a high in...
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