Originalien HNO 2014 · 62:439–442 DOI 10.1007/s00106-014-2851-3 Online publiziert: 6. Juni 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

I. Todt1 · H. Lamecker2, 6 · H. Ramm2, 6 · H. Frenzel3 · B. Wollenberg3 · T. Beleites4 · T. Zahnert4 · J.P. Thomas5 · S. Dazert5 · A. Ernst1 1 HNO-Klinik, Unfallkrankenhaus Berlin 2 1000 Shapes GmbH, Berlin 3 Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Medizinische Universität zu Lübeck

Redaktion

P.K. Plinkert, Heidelberg B. Wollenberg, Lübeck

4 Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden 5 Hals-Nasen-Ohren-Klinik, Ruhr-Universität Bochum, St.-Elisabeth-Hospital 6 Zuse Institute Berlin (ZIB), Berlin

Entwicklung eines CT-Daten-basierten Vibrant-Bonebridge-Viewers Die Vibrant Bonebridge ist das erste knochenleitende Hörsystem mit einem Aktuator (Wandler), welcher vollständig von Haut bedeckt ist. Von großer Bedeutung für die Funktion des Systems und die Sicherheit des Patienten ist die Positionierung des implantierten Aktuators, dem „bone conduction floating mass transducer“ (B-FMT), in der Kalotte. Informationen über die Größe des Mastoids, die Form und Varianten der angrenzenden anatomischen Strukturen sowie die Kortikalisdicke sind von zentraler Bedeutung für die richtige Positionierung des Vibrant-Bonebridge-B-FMT. Obschon verschiedene Lokalisationen (subokzipital, temporal) bereits für die chirurgische Positionierung verwandt wurden, ist der sinudurale Winkel die von den meisten Chirurgen bevorzugte Lokalisation für die Positionierung des B-FMT. Als Grund für diese Präferenz sind die dem Operateur bekannten anatomischen Verhältnisse aus der Mastoidchirurgie anzuführen. Obschon Variationen der Dura, der Lage des äußeren Gehörgangs und der Höhe des Sinus sigmoideus aus der täglichen otochirurgischen Tätigkeit bekannt sind, ist die Beurteilung im Kontext eines 9×16 mm umfassenden und einzubringenden B-FMT neu. Aus Erfahrungen mit bereits durchgeführten Implantationen der Vibrant Bonebridge ist bekannt, dass in einigen Fällen

die Notwendigkeit zur Skelettierung und Verdrängung der Dura der mittlerer Schädelgrube und des Sinus sigmoideus besteht. Obschon Komplikationen in diesem Zusammenhang nicht bekannt sind, sollte, wenn die anatomischen Gegebenheiten dies ermöglichen, eine Berührung dieser Strukturen möglichst vermieden werden. Eine auf radiologischen Daten basierende Visualisierung des B-FMT im Felsenbein könnte hier präoperativ wertvolle Informationen über potenzielle Konflikte zwischen der gewählten Position des BFMT und den anatomischen Strukturen ermitteln. Ziel ist es, mittels einer auf radiologischen Daten basierenden Unterstützung eine schnelle und sichere Positionierung des B-FMT im sinuduralen Winkel zu ermöglichen.

Abb. 1 8 3-D-Felsenbeinmodell mit B-FMT

Material und Methoden Vor der Entwicklung eines unabhängigen eigenständigen Viewers wurden folgende Anforderungen an eine entsprechende Software definiert: F Das Programm soll unabhängig von stationären oder mobilen Navigationssystemen verwendbar sein. Hierbei sollten Kosten- und Zeiterfordernis für die Durchführbarkeit im ambulanten Bereich berücksichtigt werden.

Abb. 2 8 Signalfenster geben Hinweise auf eine Verdrängung der Dura HNO 6 · 2014 

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Originalien F Die Software soll die individuell notwendigen anatomischen Strukturen aus dem CT-Datensatz selbstständig erfassen. F Die Software soll kompatibel mit den gängigen radiologischen ambulanten und stationären Softwarelösungen sein. Daher muss die Software DICOM-Datensätze („digital imaging and communications in medicine“) erkennen, auslesen und, hieraus ein individuelles 3-D-Modell des Felsenbeins generieren und ein B-FMT-Modell einbringen können. F Die Segmentierung- und Prozesszeit muss ausreichend kurz sein, da die chirurgische Durchführung des Eingriffs üblicherweise in einem Zeitfenster zwischen 20 min und 1 h liegt. Aufwand und Nutzen müssen in einem sinnvollen Verhältnis stehen. F Die Anforderungen an die Hardware sollen niedrig sein (Desktop, Netbook, Laptop), da der Viewer in unterschiedlichen Umgebungen funktionstüchtig sein soll (Klinik, Praxis, Ambulanz). F Die Software soll einfach zu bedienen, intuitiv und nicht begrenzt auf eine Berufsgruppe verwendbar sein. F Datenschutzrechtliche Erfordernisse müssen berücksichtigt werden. Daher muss die Software als eigenständiges Programm verfügbar sein und nicht als Onlineviewer oder serverbasierte App betrieben werden. F Eine Druck- und Sicherungsfunktion muss vorhanden sein. Basierend auf den Erfordernissen wurde eine Softwarelösung zugreifend auf ZIBAmira (amira.zib.de) entwickelt und auf der Basis von 30 Felsenbein-CT-Datensätzen ein unabhängiges 3-D-Modell erarbeitet. Innerhalb der CT-Datensätze wurden manuell Strukturen (Sinus sigmoideus, Dura, äußerer Gehörgang, Labyrinth, Kortikalis und Umfang) markiert und in ihrem Verhältnis zueinander eingeordnet. Diese manuelle Zuordnung dient hiernach als Datenbasis für die automatisierte Wiedererkennung, Zuordnung und Erstellung des 3-D-Modells aus dem individuellen DICOM-Datensatz (individuelle Segmentierung, [1]).

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Zusammenfassung · Abstract HNO 2014 · 62:439–442  DOI 10.1007/s00106-014-2851-3 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 I. Todt · H. Lamecker · H. Ramm · H. Frenzel · B. Wollenberg · T. Beleites · T. Zahnert · J.P. Thomas · S. Dazert · A. Ernst

Entwicklung eines CT-Daten-basierten Vibrant-Bonebridge-Viewers Zusammenfassung Hintergrund.  Die Positionierung des B-FMT der Vibrant Bonebridge kann aufgrund der anatomischen Verhältnisse des Mastoids und der Größe des Aktuators ohne eine vorherige Beurteilung der individuellen Computertomographie (CT) des Felsenbeins problematisch sein. Die Entwicklung eines einfach zu bedienenden Viewers, welcher eine Positionierung des B-FMT im Felsenbeinmodell ermöglicht und hier auf individuelle potenzielle anatomische Konflikte hinweist sowie Lösungsmöglichkeiten anbietet, kann ein hilfreiches Werkzeug zur präoperativen Positionierung sein. Ziel der Arbeit.  Ziel der Arbeit war die Definition von Anforderungen und die Anfertigung eines Prototyps eines Vibrant-Bonebridge-Viewers. Material und Methoden.  Auf der Basis einer ZIBAmira-Software-Version und der Inklusion eines B-FMT-Modells unter Erstellung eines Felsenbeinmodells, welches die intuitive Beurteilung von Konflikten ermöglicht, erfolgte

die Erstellung des Prototyps eines Vibrant-Bonebridge-Viewers. Ergebnisse.  Die Segmentierungszeit der individuellen DICOM-Daten („digital imaging and communications in medicine“) beträgt etwa 5 min. Eine Positionierung im individuellen 3-D-Felsenbeinmodell ermöglicht die quantitative und qualitative Beurteilung von Konflikten (Sinus sigmoideus, mittlere Schädelgrube) und das Aufsuchen einer bevorzugten Position. Das Anheben des B-FMT mittels virtueller Unterlegscheiben kann simuliert werden. Diskussion.  Der erstellte Vibrant-Bonebridge-Viewer ermöglicht verlässlich eine Simulation der B-FMT-Positionierung. Die klinische Anwendbarkeit muss evaluiert werden. Schlüsselwörter Vibrant Bonebridge · Hörgeräte · 3-D-Modell · Segmentation · Computertomographie

Development of a computed tomography data-based Vibrant Bonebridge viewer Abstract Background.  Because of the anatomy of the mastoid and the size of the actuator, positioning of the Vibrant Bonebridge B-FMT can be difficult without prior evaluation of the individual computed tomography (CT) scan of the temporal bone. Development of a userfriendly CT data viewer to enable positioning of the B-FMT in the temporal bone model, whilst identifying individual, potential anatomic conflicts and offering possible solutions could provide a useful tool for preoperative positioning. Objectives.  Aim of the study was to define the requirements of a Vibrant Bonebridge viewer and construct a prototype. Materials and methods.  Based on a ZIBAmira software version and inclusion of a B-FMT model upon creation of a model of the temporal bone—which allows the intuitive estimation of individual, anatomic conflicts—a Vibrant Bonebridge viewer was constructed.

Results.  The segmentation time of the individual digital imaging and communications in medicine (DICOM) data set is about 5 min. Positioning within the individual three-dimensional temporal bone model allows quantitative and qualitative estimation of conflicts (sigmoid sinus, middle cranial fossa) and determination of a preferred position for the B-FMT. Lifting of the B-FMT can be simulated with the help of a virtual washer. Conclusion.  The Vibrant Bonebridge viewer reliably allows simulation of B-FMT positioning. The clinical value of the viewer still has to be evaluated. Keywords Vibrant Bonebridge · Hearing aids · 3D model · Segmentation · Computed tomography

Ergebnisse Die Segmentationszeit, welche die Umwandlung des DICOM-Datensatzes in ein individuelles 3-D-Modell umfasst, konnte auf etwa 5 min gesenkt werden. Diese zeitliche Größe wurde als gegenüber dem chirurgischen Aufwand des Eingriffs angemessen angesehen. Die erste Visualisierung des individuellen 3-D-Modells zeigt das Felsenbein in einem 90°-Winkel vom Arcus zygomaticus zur Felsenbeinspitze, welches etwa der Felsenbeinposition im chirurgischen Situs entspricht. Farbdifferenzierungen der Felsenbeinoberfläche stellen die individuelle Variabilität der Kortikalisdicke dar. Hierdurch erschließt sich die generelle Beurteilung der Knochendicke der Kalotte in der Region. Der Viewer beinhaltet verschiedene Bewegungsmodi. Im ersten Modus ist eine freie Beweglichkeit des B-FMT im 3-D-Modell des Felsenbeins möglich (. Abb. 1). Der zweite Modus ermöglicht

dem Benutzer die Bewegung und Drehung des Felsenbeins mit dem im Modell befindlichen B-FMT. Diese Beweglichkeit des gesamten Felsenbeins ermöglicht dem Benutzer die direkte Beurteilung der Relationen zwischen B-FMT und den angrenzenden anatomischen Strukturen (. Abb. 2, 3, 4). Die indirekte Beurteilung wird durch Signalfelder ermöglicht, welche sich direkt auf dem B-FMT bei einer engen Lagebeziehung oder Verdrängung von anatomischen Strukturen durch den B-FMT eröffnen. Eine enge Lagebeziehung wird als (

[Development of a computed tomography data-based Vibrant Bonebridge viewer].

Because of the anatomy of the mastoid and the size of the actuator, positioning of the Vibrant Bonebridge B-FMT can be difficult without prior evaluat...
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