Geschichte der DDG DOI: 10.1111/ddg.12479
Dermatologie in der DDR und Wiedervereinigung
Die Dermatologie hat sich trotz des totalitären Regimes in der DDR durch Engagement, Risikobereitschaft, Anpassungsvermögen und Improvisation seitens der Hautärzte standesgemäß gut entwickelt, obwohl wir zur Abgrenzung gezwungen wurden. Dies zeigt sich in der Patientenbetreuung mit verstärkter Zuwendung zum Patienten und Durchsetzung prophylaktischer Prinzipien (Meldepfl icht für Berufsdermatosen, Tumorregister, Reihenuntersuchungen). In der studentischen Lehre wurden eigene Lehrbücher, vom Inhalt her aktuell, von der Ausstattung eher defi zitär, insbesondere bezüglich der kolorierten Bebilderung, geschrieben: Studentenlehrbuch, praktische sowie systemische Dermatologie, Diagnostik und Therapie, Lokaltherapie, sexuell übertragbare Erkrankungen. Die Forschung war überwiegend klinisch geprägt, aber auch experimentell, wenn auch defi zitär, im Bereich der Immunologie. Durch die chronische Mangelwirtschaft und Devisenknappheit hat sich im Laufe der Zeit die Schere zwischen West und Ost immer deutlicher aufgetan. Einige Kliniken beteiligten sich an wissenschaftlichen Gutachten für Importmedikamente (unter anderem topische Steroide, Retinoide) und in Forschungsverbünden, fi nanziert durch die Ministerien, zum Beispiel im Forschungsverbund der klinischen und experimentellen Immunologie, Rheumatologie und Allergologie. Das bedeutete das Einreichen von Forschungsanträgen und Verteidigen von Forschungsleistungen unter intensiver interdisziplinärer Diskussion in jährlichen Abständen (im Procedere vergleichbar mit der DFG). Die Pflege der internationalen Beziehungen war schwierig. Dienstreisen ins sozialistische Ausland waren möglich, für das „nichtsozialistische“ Ausland nur für ausgewählte und bestätigte „Reisekader“. Manche Kliniken haben intensive Auslandsbeziehungen unterhalten, nicht zuletzt über vertrauensvolle „Mittelsmänner“. Zu „Westdeutschland“ waren spezielle Voraussetzungen zu erfüllen und detaillierte Begründungen erforderlich. Dies galt auch für Publikationen in der BRD. Die relativ häufigen Kongresse in Szeged (Ungarn) wurden als deutsch-deutsche Begegnungen sehr gern angenommen. Dort wurde auch die Finanzierung der ostdeutschen Delegation auf dem Weltkongress 1987 in Westberlin besprochen, so dass letztendlich 18 Delegierte (Übernachtung im Osten) daran teilnehmen konnten. Die Zeit der Wiedervereinigung war eine notwendige Periode der Überprüfung der Hochschullehrer bezüglich deren
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Mitgliedschaft in der Stasi oder moralischer Verfehlungen durch Personal- und Fachkommissionen. Sie dauerte mit nahezu fünf Jahren viel zu lange. Die Devise der BRD lautete über zehn bis zwölf Jahre: „Mitarbeiter der Stasi, Offi ziere der Nationalen Volksarmee und Hochschulprofessoren sind als staatsnah einzuordnen“. Diese Haltung eröffnete der Denunziation, Verleumdung und Diskriminierung Tür und Tor. Sieben von neun Lehrstuhlinhabern wurden abgelöst (Tabelle 1), die detaillierten Ergebnisse der Überprüfung beziehungsweise genauen Verfehlungen wurden nicht bekannt (politische Belastung, Selbstaufgabe, subjektive Ablehnung durch Mitarbeiter oder Fakultäten). Die Zeit bis zur Wiederbesetzung zog sich zum Teil bis 1997 hin. Dadurch war der Start in die nunmehr eigentlich mögliche Forschungsförderung sehr erschwert! Es bestand keineswegs eine Chancengleichheit! Für die entlassenen Ordinarien, sofern nicht gut begründet, war das ein erheblicher Einschnitt für deren Existenz und weitere Karriere mit schweren Enttäuschungen und Phasen der Depression. Dieses Auseinanderbersten der Biographien gilt für tausende Betroffene im Maßstab aller Universitäten. In Tabelle 1 werden die Klinikdirektorate vor und nach der Wiedervereinigung aufgelistet. Manche Kliniken waren bis zu vier Jahre unbesetzt. Die Chefs der Städtischen Kliniken wurden zumeist belassen. Die Dermatologische Gesellschaft der DDR hat sich 1990 aufgelöst. Entsprechend den Statuten der DDG haben die Ost-Dermatologen Einzelanträge auf Neuaufnahme in die DDG unter Benennung von zwei Bürgen gestellt. Dadurch sind relativ viele Niedergelassene nur dem Berufsverband beigetreten. Neu in den Vorstand der DDG wurden kooptiert: G. Sebastian, N. Sönnichsen und I. Tausch. Die Berufsverbände wurden in den fünf neuen Bundesländern rasch etabliert. Die Leipziger Klinik hat nach der Wende als erste im Januar 1997 die 24. Jahrestagung der ADF in Leipzig ausgerichtet. Die DDG ist dankbar, dass durch die historische Wiedervereinigung ein gemeinsamer Weg aller deutschsprachigen Dermatologen in Rechtsstaatlichkeit und Demokratie ermöglicht wurde. Wir gratulieren unserer DDG sehr herzlich zu 125 Jahren erfolgreichen Wirkens im Konzert der medizinisch-wissenschaftlichen Gesellschaften und wünschen eine glänzende Zukunft.
© 2014 Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG). Published by John Wiley & Sons Ltd. | JDDG | 1610-0379/2014/12 (Suppl. 4), 1–72
Uwe-Frithjof Haustein
Geschichte der DDG
Tabelle 1 Klinikdirektorate vor und nach der Wiedervereinigung. Die Evaluierung erfolgte auch durch den Wissenschaftsrat. Berlin
N. Sönnichsen
1970–1993
W. Sterry/1994
Dresden
J. Barth
1983–1994
M. Meurer/1997
Erfurt
H.-J. Schubert
1970–1993
R. Linse/1993 1996 Helios-Klinikum GmbH abgewickelt
Greifswald
M. Pambor
1978–1993
M. Pambor/1993–1998 wiederbeschäftigt M. Jünger/2001
Halle
K.-D. Wozniak
1975–1991
W. Marsch/1993
Jena
E. Günther
1973–1993
P. Elsner/1997
Leipzig
U.-F. Haustein
1975–1994
U.-F. Haustein/1994–2002 wiederberufen J.-C. Simon/2003
Magdeburg
K. Schlenzka
1978–1990
H. Gollnick/1994
Rostock
W. Diezel
1989–1994
G. Gross/1996
Korrespondenzanschrift
Literatur
Prof. Dr. med. Uwe-Frithjof Haustein Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie der Universität Leipzig
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Philipp-Rosenthalstraße 25 04103 Leipzig E-Mail:
[email protected] 1
Scholz A, Holubar K, Burg G. Geschichte der deutschsprachigen Dermatologie. Wiley-Blackwell, 2009. Haustein U.-F. Interview. In: Heydemann G, Weil F (Hrsg.): Zuerst wurde der Parteisekretär begrüßt, danach der Rektor... Zeitzeugenberichte von Angehörigen der Universität Leipzig (1945–1990). Beiträge zur Leipziger Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt GmbH, 2009: 113–35.
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