Leitthema Hautarzt 2015 · 66:320–325 DOI 10.1007/s00105-015-3600-6 Online publiziert: 14. April 2015 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

Ch. Bendick Department of Dermatology, Preah Kossamak-Hospital, Phnom Penh, Kambodscha

Dermatologie in Kambodscha Nachhaltiger Aufbau einer Fachdisziplin

Seit 1995 engagiert sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) in Kambodscha, wobei der Aufbau medizinischer Strukturen von Anfang an eine zentrale Rolle spielte. In diesem Kontext wurde im Rahmen einer DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst)-Langzeitdozentur „Haut- und Geschlechtskrankheiten“ zunächst die akademische Lehre, dann mit einem „Masterplan Dermatology“ die Sicherung einer dermatovenerologischen Versorgung langfristig gefördert.

UNTAC-Mission und Konsequenzen im Bereich der Gesundheitsfürsorge Im Jahr 2014 jährte sich das Ende der 2-jährigen sog. UNTAC (United Nations Transitory Authority in Cambodia)-Mission, an der sich die deutsche Bundeswehr mit ihrem ersten großen Auslandseinsatz seit der Wiedervereinigung in Form eines Lazaretts für UNTAC-Mitarbeiter und die einheimische Bevölkerung beteiligte [1], zum zwanzigsten Mal. Nach fast 12 Jahren vietnamesischer Besatzung im Gefolge des Sturzes des steinzeitkommunistischen Pol Pot-Regimes Anfang 1979 organisierten und sicherten die multinationalen UNTAC-Kräfte die erste vergleichsweise demokratische Wahl seit 1951 und trugen auch damit zur Wiederherstellung der kambodschanischen staatlichen Souveränität bei. Dies war der Auslöser für eine beispiellose Welle von Entwicklungsvorhaben verschiedenster Geber, die in den späten 1990er- und frühen 2000er-Jahren ihren Höhepunkt erreichte. Aufbau und Entwicklung medizinischer Strukturen waren dabei von Anfang an ein Kernanliegen von Privatini-

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tiativen über Nichtregierungsorganisationen jeglicher Couleur bis hin zu großen bilateral operierenden Institutionen. Bilanziert man nach 2 Jahrzenten intensiver Unterstützung die Ergebnisse, ist zu konstatieren, dass die Gesundheitsparameter Kambodschas nach wie vor zu den schlechtesten in Asien gehören. Trotz unzweifelhafter Erfolge auf nahezu allen Gebieten sind Mütter-, Säuglings- und Kindersterblichkeit nach wie vor hoch sowie Unter- und Mangelernährung bei Kindern und Erwachsenen weit verbreitet. Infektionskrankheiten wie Malaria, Tuberkulose und Dengue-Fieber fordern weiterhin ihren Tribut. Auch respiratorische Infektionen und Durchfallerkrankungen aufgrund unzureichender Lebensbedingungen im städtischen und ländlichen Milieu sind häufig, oftmals mit bedingt durch Mangel an Hygiene und unzureichenden Zugang zu sauberem Trinkwasser und Toiletten [2, 3]. Ausgaben für private und staatliche Gesundheitsdienstleister stellen für weite Teile der Bevölkerung eine erhebliche finanzielle Belastung dar; sie sind der wichtigste Grund für Verarmung, vor allem im ländlichen Umfeld, wo nicht selten Immobilien und Vieh verkauft werden müssen, um Arzt- und Krankenhauskosten zu decken. Um Ausgaben für die ärztliche Konsultation einzusparen, kauft etwa ein Drittel aller Patienten Medikamente direkt in der Apotheke (eine Rezeptpflicht existiert in Kambodscha nicht), wo sie in der Regel von nicht oder unzureichend qualifiziertem Verkaufspersonal beraten werden [4]. Etwa 10 % aller Betroffenen nehmen im Krankheitsfall keinerlei professionelle Hilfe in Anspruch. Finanzielle Belastungen führen leicht zu Einsparungen im Bereich von Bildung und Ernährung; beides erhöht wiederum die Anfäl-

ligkeit für eine Reihe von Erkrankungen. Der dürftige Gesundheitszustand weiter Teile der kambodschanischen Bevölkerung resultiert auch aus diesem Teufelskreis, der ernst zu nehmende Konsequenzen für die ökonomische und intellektuelle Entwicklung des Landes mit sich bringt. Die Vielzahl der vor allem im städtischen Bereich ansässigen Praxen und Kliniken einheimischer und ausländischer Eigner mögen den Eindruck einer flächendeckenden medizinischen Versorgung vermitteln – der großen Mehrheit der Patienten bleibt der Zugang zu diesen Einrichtungen aus finanziellen Gründen jedoch verwehrt. Darüber hinaus muss bedingt durch mangelnde Fachkompetenz und unzureichende staatliche Kontrolle, die Qualität einer Reihe von Anbietern als suspekt bezeichnet werden.

Demokratisches Kampuchea 1975 bis 1979 und Befreiung Während des Regimes der sog. Roten Khmer kollabierte das kambodschanische Gesundheitswesen nahezu vollständig. Ärztliche Praxen wurden im Zuge der Zerschlagung herkömmlicher medizinischer Strukturen geschlossen, Krankenhäuser (mit Ausnahme einiger Einrichtungen für die Nomenklatura) stillgelegt oder zweckentfremdet; die akademische medizinische Ausbildung wurde abgeschafft. An die Stelle von Ärzten traten „revolutionäre Behandler“: oftmals ungebildete Landbewohner, die kaum über marginale Kenntnisse der Volksmedizin verfügten. Sich mit ernster Krankheit in ihre Obhut zu begeben kam meist einem Todesurteil gleich. Infolge von Folter, Hinrichtungen, nicht oder falsch behandelter Erkrankungen, Hunger und Überarbeitung überleb-

Abb. 1 9 Teilnehmer des dritten Diplomkurses Dermatologie. Im Vordergrund der Autor, Professor Almut BöerAuer (Dermatologikum Hamburg) und Professor Sithach Mey

ten nur etwa 50 der gut 1000 Ärzte des alten Regimes die 40-monatige Terrorherrschaft Pol Pots (auch der einzige einheimische Hautarzt kam ums Leben). Im Januar 1979 vertrieben vietnamesische Kräfte, anhaltender Verletzungen ihrer Staatsgrenze überdrüssig, die Roten Khmer aus Kambodscha und etablierten sich als Befreier und Besatzer, die schließlich fast 12 Jahre im Land bleiben sollten. Während dieses Jahrzehnts wurde, wenn auch auf bescheidenem Niveau, eine regelrechte medizinische Versorgung wieder etabliert, teilweise mit der Unterstützung sozialistischer Bruderländer wie der Sowjetunion oder der Deutschen Demokratischen Republik. Auch die University of Health Sciences (UHS) in Phnom Penh nahm die Ausbildung von Ärzten, Zahnärzten und Apothekern wieder auf, gleichwohl unter äußerst reduzierten Rahmenbedingungen.

Evaluierung und Neuorientierung, Förderung der Dermatologie Im Gefolge der Wahlen 1993 veranlassten die zuständigen kambodschanischen Behörden eine generelle Evaluierung des Gesundheitssektors und formulierten darauf basierend Konzepte zur umfassenden Restrukturierung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung und der Ausbildung von medizinischem Personal – eine Herkulesaufgabe, welche die technische, personelle und finanzielle Hilfestellung ausländischer Geber und das Know-how internationaler Organisationen erforderte. In diesem Kontext unterstützte der damalige deutsche Botschafter Wiprecht von Treskow den An-

trag der UHS auf Entsendung eines Dozenten für Haut- und Geschlechtskrankheiten durch den DAAD in Bonn. Der beantragten Langzeitdozentur wurde stattgegeben, und von 1996 bis 2001 oblag dem Autor der universitäre Studentenunterricht ebenso wie die fachliche Betreuung dreier Krankenhausambulanzen in Phnom Penh, in denen auch Hautkranke behandelt wurden. Hiermit war ein Grundstein für die Verbesserung der dermatovenerologischen Versorgung gelegt, aber die tägliche Praxis zeigte, dass weitere Anstrengungen erforderlich waren, um die Situation dauerhaft zu verbessern. Noch im Jahr 2000 verfügte Kambodscha mit seinen damals 11 Mio. Einwohnern über keinen voll qualifizierten Facharzt und lediglich eine Handvoll Absolventen eines 10-monatigen thailändischen Dermatologiekurses. Diese saßen ausnahmslos in der Hauptstadt Phnom Penh, der Rest des Landes, also 80 % der Bevölkerung, waren von der hautärztlichen Versorgung weitgehend abgeschnitten. Eine zuverlässige Dermatohistopathologie war (und ist bis heute) nicht etabliert. Dabei ist der Bedarf hoch: Wie mehrere Untersuchungen [5–7] in medizinisch weniger entwickelten Ländern zeigen, klagen bis zu 30 % aller Erkrankten über Probleme aus dem Bereich „Haut- und Geschlechtskrankheiten“. Langjährige persönliche Erfahrung bestätigt diese Zahl für Kambodscha [8]. Im Jahr 2004 erarbeitete der Autor in Zusammenarbeit mit der UHS, der den Rektor der UHS beratenden Cooperation Française (CF) und dem kambodschanischen Gesundheitsministerium (MoH)

einen „Masterplan Dermatology“, der die Entwicklung der Kernbereiche 55Ausbildung von Postgraduierten, 55Aufbau einer Hautklinik in Phnom Penh, 55Aufbau dermatologischer Sprechstunden in den Provinzen, 55Qualitätssicherung in der Dermatologie und 55Einbindung dermatologischer Leistungen in die Krankenversicherung definierte. Das Vorhaben wurde von 2005 bis 2010 vom Centrum für Internationale Migration und Entwicklung (CIM) Frankfurt/M., von 2011 bis 2014 von der Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS), Bad Homburg a.d.H, finanziell und personell gefördert. Zusätzliche Unterstützung ist der Stiftung Hilfswerk Deutscher Zahnärzte für Lepra- und Notgebiete – C.H. Bartels Fund (HDZ), Göttingen, der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG), Berlin, der International Foundation for Dermatology (IFD), London, und dem Deutschen Rotary-Club zu verdanken. Auch auf den Derma UpdateVeranstaltungen in Wiesbaden und Berlin 2013 und 2014 konnten Spendenmittel für das Projekt eingeworben werden.

Postgraduiertenausbildung „Haut- und Geschlechtskrankheiten“ Um die fachspezifische Ausbildung rasch in Gang zu setzen, wurde 2005 zunächst ein „Diplomkurs Dermatologie“ an der UHS etabliert, der bis 2014 insgesamt 5-mal abgehalten wurde (.  Abb.  1). Die jeweils 10 nach einer Eingangsprüfung ausgewählten Ärzte waren gehalten, an 10 theoretischen Modulen zu je 2 Wochen teilzunehmen sowie parallel Praktika in klinisch relevanten Institutionen in Phnom Penh abzuleisten. Dozenten wurden in der Regel aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz rekrutiert; die meisten waren durch Vorträge und/oder Publikationen des Autors auf das Projekt aufmerksam geworden [9]; alle kamen für ihre Reisekosten selbst auf. Unterrichtet wurden die Themenbereiche 55Grundlagen der Dermatologie, 55bakterielle, virale und parasitär bedingte Dermatosen, Der Hautarzt 5 · 2015 

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Zusammenfassung · Abstract 55entzündliche und allergisch bedingte Erkrankungen der Haut, 55konstitutionelle Krankheiten und Fotodermatosen, 55Tumoren der Haut, 55sexuell übertragbare Infektionen und 55Erkrankungen der Haut unter Altersund Lokalisationsgesichtspunkten. Kursteilnehmer sollten nicht nur korrekte Diagnostik und Therapie der im lokalen Kontext wichtigen dermatovenerologischen Erkrankungen kennenlernen, sondern auch ein Gefühl dafür entwickeln, wann die Weiterleitung eines Patienten in kompetentere Hände angezeigt ist (s. hierzu den Abschnitt „Aufbau von Hautkliniken in Phnom Penh“). Alle erfolgreichen Absolventen hatten die Möglichkeit, 3-monatige Praktika in deutschen oder französischen Universitätskliniken zu absolvieren. Freilich konnte und sollte der populäre Kurs keine regelrechte Facharztausbildung ersetzen. Daher initiierte der Autor bereits 2007 in Kooperation mit UHS, CF und MoH Überlegungen zur Implementierung einer Facharztausbildung. Die umfangreichen vorbereitenden Arbeiten, die zahlreiche Diskussionen mit verschiedenen Interessengruppen erforderten, wurden 2012 abgeschlossen, und Anfang 2013 konnten die ersten Anwärter für die Weiterbildung zum Arzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten rekrutiert werden. Diese durchlaufen ein 4-jähriges Programm mit den Ausbildungsteilen 551 Jahr Allgemeinmedizin, 552 Jahre Dermatologie in Kambodscha (inklusive Praktika in den staatlichen Programmen für Lepra, sexuell übertragbare Erkrankungen und HIV/ Aids) und 551 Jahr Dermatologie in einer französischen Universitätsklinik. Die ersten Absolventen sind Ende 2016 zu erwarten, sie sollen den Grundstock einer qualifizierten und professionellen dermatovenerologischen Versorgung darstellen. Diese Aufgabe nimmt zurzeit allein der bislang einzige voll qualifizierte einheimische Hautarzt Sithach Mey (. Abb. 2) wahr. Professor Mey hat seine Facharztanerkennung und Promotion 2004 in Münster erworben.

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Hautarzt 2015 · 66:320–325  DOI 10.1007/s00105-015-3600-6 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 C. Bendick

Dermatologie in Kambodscha. Nachhaltiger Aufbau einer Fachdisziplin Zusammenfassung Nach nahezu 25 Jahren Diktatur und Bürgerkrieg war die medizinische Infrastruktur Kambodschas Mitte der 1990er-Jahre auf allen Ebenen umfassend verbesserungsbedürftig. Neben der primären Sicherstellung medizinischer Fürsorge vor allem im Bereich von Notfallchirurgie, Pädiatrie und Gynäkologie/ Geburtshilfe zählte hierzu auch der Aufbau einer dermatovenerologischen Versorgung. In Kooperation mit deutschen, französischen und einheimischen Institutionen wurden die 4 Kernbereiche „Ausbildung von Postgraduierten“, „Aufbau von Hautkliniken“, „Qualitätssicherung“ und „Einbindung dermatologischer Leistungen in die Krankenversicherung“ als besonders relevant definiert. Die Umsetzung dieses „Masterplan Dermatology“

wurde von 2005 bis 2014 im Wesentlichen vom Centrum für Internationale Migration und Entwicklung (CIM), Frankfurt/M., und der Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS), Bad Homburg a.d.H., finanziell unterstützt. Die Ergebnisse der Förderung sind eindrucksvoll, verweisen aber auch auf Herausforderungen und strukturelle Unzulänglichkeiten des komplexen Vorhabens. Schlüsselwörter Haut- und Geschlechtskrankheiten · Tropendermatologie · Medizinische Infrastruktur · Deutsch-kambodschanische Entwicklungszusammenarbeit · Ressourcenarmes Land

Dermatology in Cambodia. Sustainable establishment of a medical discipline Abstract After almost 25 years of dictatorship and civil war, in the mid1990s, Cambodia was in dire need of improvement of its medical infrastructure on all levels. Attention had already been focused on establishing primary care services such as emergency surgery, paediatrics and gynaecology/obstetrics; however dermatovenereology services had so far not been addressed. Using a comprehensive approach aiming at sustainable development, German, French and Cambodian institutions worked together to identify four core areas in need of improvement: postgraduate training, development of skin clinics, quality management, and integration of dermatology services into the health insurance scheme. Since

Aufbau von Hautkliniken in Phnom Penh und in den Provinzen Im Jahr 2008 konnte an einer der großen städtischen Kliniken in Phnom Penh, dem Preah Kossamak-Krankenhaus, eine Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten etabliert werden ([10]; .   Abb.  3). Aufbau und Ausstattung des Hauses wurden finanziell im Wesentlichen von HDZ und CIM gefördert. DDG und IFD unterstützten eine

2005, this “Masterplan Dermatology” was financially supported by the Centre for International Migration and Development (CIM) based in Frankfurt am Main and Else Kröner Fresenius-Stiftung (EKFS) based in Bad Homburg auf der Höhe. Significant improvements have been made due to the efforts of the above institutions with the support of the donors; however challenges of this complex endeavor still remain. Keywords Dermatology and venereology · Tropical dermatology · Medical infrastructure · German–Cambodian development cooperation · Resource Poor Setting

2013 erforderlich gewordene bauliche Erweiterung der Abteilung. Das Haus hat sich, nicht zuletzt bedingt durch die fachkundige Leitung von Professor Mey, rasch den Ruf der führenden dermatologischen Institution in Kambodscha erworben. Neben Sprechzimmern und Unterrichtsräumen bietet die Abteilung als bislang einzige Einrichtung im Land auch eine Bettenstation an, die 4 Patienten aufnehmen kann. Operationssaal, UVA/UVB-Bestrahlung, Proktoskopie, Kryotherapie und Dermatosko-

55Definition und Anwendung von Qualitätsstandards in Krankenhäusern und Praxen, 55Entwicklung diagnostischer und therapeutischer Leitlinien, 55Standardisierung und Optimierung der dermatologischen Ausbildung, 55Akkreditierung und Zertifizierung dermatovenerologisch tätiger Ärzte. Abb. 2 9 Prof. Dr. Sithach Mey im Kreise von Studenten

Abb. 3 9 Abteilung für Dermatologie, Preah Kossamak-Hospital, Phnom Penh

pie gehören zum diagnostisch-therapeutischen Programm. Hinzu kommt eine gut ausgestattete medizinische Bibliothek mit Internetzugang, der im Wesentlichen genutzt wird, um via Teledermatologie und -pathologie Rat von Fachkollegen aus Übersee einzuholen. UHS und MoH haben die Abteilung als Lehrkrankenhaus für Unter- und Postgraduierte anerkannt. Hinzu kommt ein steter Strom von ausländischen Besuchern, die sich tropendermatologisch weiterbilden möchten. Mehrere Absolventen des Diplomkurses haben außerhalb von Phnom Penh, meist mit Anbindung an Hospitäler der Schwerpunktversorgung in der jeweiligen Provinzhauptstadt, dermatologische Abteilungen eröffnet (.  Abb.  4). Mit der entfernten Provinz Preah Vihear gibt es auch einen Austausch per Teledermatologie, was die Diskussion schwieriger Fälle erleichtert. Aufbau und Ausstattung dieser Einrichtungen wurden in der Regel aus Spendenmitteln ermöglicht. Zögerliche Unterstützung durch Provinzbehörden und Krankenhausdirektoren, die

es oft vorziehen, die ihnen unterstellten Ärzte in „wichtigeren“ Bereichen einzusetzen, haben die institutionelle Entwicklung der dermatologischen Versorgung auf dem Land jedoch nicht in dem Maße fortschreiten lassen, wie es geboten wäre. Demgegenüber haben nahezu alle Diplomanden private Sprechstunden eröffnet.

Qualitätssicherung Qualitätssicherung in der Medizin stellt in Kambodscha ein Thema dar, das von der Mehrzahl der Ärzte, bis hinauf auf Leitungsebene, gegenwärtig noch indifferent bis kritisch gesehen wird. Gleichwohl gibt es, u. a. unterstützt von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), seit vielen Jahren Anstrengungen, das Niveau der medizinischen Versorgung zu evaluieren, zu standardisieren und in der Folge qualitativ zu verbessern. Dies betrifft auch die Dermatovenerologie, für deren Optimierung die schrittweise Verwirklichung der folgenden Arbeitsfelder vorgesehen wurde:

Wenngleich eine Reihe von Maßnahmen wie die Verbesserung der fachspezifischen Ausbildung sowie die Einhaltung von Qualitätsstandards und die Beachtung diagnostischer/therapeutischer Leitlinien in der dermatologischen Abteilung des Preah Kossamak-Krankenhauses bereits geübte Praxis ist, steht deren Implementierung auf breiter Basis noch aus. Diese erfordert den umfassenden Konsens aller Beteiligten in Praxen, staatlichen und privaten Krankenhäusern sowie den zuständigen Behörden auf nationaler und Provinzebene – die sich bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abzeichnet.

Integration dermatologischer Leistungen in die im Aufbau befindliche Krankenversicherung Auch die Entwicklung des Krankenversicherungssystems in Kambodscha ist Gegenstand der Bemühungen zahlreicher ausländischer und einheimischer Institutionen. Dennoch stellt es sich auch nach vielen Jahren intensiver Vorarbeiten als ausgesprochen fragmentiert und provisorisch dar: Unterschiedliche Formate (privat – staatlich), berufliche Zielgruppen (ArbeiterInnen – Staatsbedienstete – Mittelstand – Bauern), finanzielle Kriterien (Berufstätige – Arbeitslose) und Ansätze (Versichertenkarte – Ausgabe von Gutscheinen für bestimmte Leistungen) machen die Landschaft für Ärzte und Versicherte gleichermaßen unübersichtlich. Es verwundert unter diesen Umständen kaum, dass die große Mehrheit der Kambodschaner bis dato nicht krankenversichert ist. Gleichwohl galt es, Kriterien zu erarbeiten, die es gegenwärtigen und künftigen Versicherern erlauben, Diagnostik und Therapie von Hautkrankheiten in den Katalog der von ihnen abgeDer Hautarzt 5 · 2015 

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Abb. 4 9 Abteilung für Hautkrankheiten im Provinzkrankenhaus Kampot. Die Entscheidung des Hospitaldirektors, die dermatologische und die psychiatrische Sprechstunde in denselben Räumlichkeiten abzuhalten, ist der Akzeptanz allerdings wenig förderlich

deckten Leistungen einzubeziehen. Einigkeit war vielfach schwer zu erzielen hinsichtlich der Frage, ob eher harmlose Erkrankungen ebenso aufgenommen werden sollten wie ernsthaftere. Die gegenläufige Argumentation der Anbieter lief darauf hinaus, banale Probleme versichern zu wollen, ernste jedoch nicht („Bei einer Versicherungsprämie von 5 US$ pro Monat können wir nicht für Hautkrebs aufkommen!“) oder weniger bedeutende Krankheiten nicht abzudecken, die Erstattung der Kosten für gravierendere hingegen zu garantieren („Ein paar Dollar für die Behandlung einer Mykose kann der Patient selbst bezahlen, abgesichert sein muss er für bedrohliche Krankheiten wie ein Karzinom!“). Diesem Argumentationsstrang folgte vielfach auch die Diskussion über die Erstattung der Unkosten stationärer und ambulanter Behandlung. Wenngleich einige Versicherer mittlerweile Einsicht in die Notwendigkeit der Kostenübernahme für eine begrenzte Anzahl dermatologischer Erkrankungen zeigen, besteht hier noch ein erhebliches

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Potenzial für weitere Erörterungen unter den verschiedenen Interessengruppen.

Kritische Bewertung und Ausblick „Ownership“ und Nachhaltigkeit („sustainability“) sind 2 aufeinander bezogene Kernbegriffe der EZ. Der schwer übersetzbare englische Begriff „Ownership“ bezeichnet die Identifikation von Menschen mit einem sie betreffenden Vorhaben; auch die Eigenverantwortung, die Partnerorganisationen bei der EZ übernehmen, wird hiermit umschrieben. Sie gilt als wichtige Vorbedingung für die Effizienz, den Erfolg und die Nachhaltigkeit von Maßnahmen. Ein Projekt nachhaltig zu entwickeln bedeutet, Erfolge auf längere Sicht tragfähig zu machen bzw. positive Wirkungen nach Beendigung der Unterstützung von außen fortbestehen zu lassen. Wenn die geleistete Unterstützung von Geberseite zu einer innovativen Selbsthilfe beiträgt, die zu dauerhaften Erfolgen führt bzw. solche Erfolge an-

stößt, ist das als besonders positiv zu bewerten [11]. Diese Idealvorstellungen lassen sich anstreben, aber bei Weitem nicht immer verwirklichen, denn es gilt zu bedenken, dass EZ-Projekte meist hochkomplexe Felder abdecken und damit einen breiten Konsens erfordern – um das Beispiel der GIZ-Aktivitäten in Kambodscha anzuführen: Dezentralisierung und Verwaltungsreform, Förderung des Privatsektors im ländlichen Raum, soziale Absicherung im Krankheitsfall [12]. Ebenso wie der Aufbau einer dermatologischen Versorgung sind solche Vorhaben allerdings eingebettet in ein Umfeld, das weithin geprägt ist von Nehmermentalität, Korruption und Nepotismus, um nur einige der allfälligen Übel zu benennen. Diese entwickeln sich wiederum vor einem Hintergrund von Armut, Initiativlosigkeit, mangelnder Bildung und einer Politik, der primär nicht das Wohl der Bürger am Herzen liegt, sondern der es auf Machterhalt und Sicherung der Privilegien eines elitären Zirkels ankommt. Hier mit einem weit gefächerten Vorhaben einzusetzen, das ja nicht im luftleeren Raum schwebt, sondern das der engagierten Kooperation mit den zuständigen staatlichen Institutionen bedarf, sollte möglichst „Ownership“ auf breiter Ebene voraussetzen und nicht nur das Interesse einiger weniger einheimischer Kräfte. Natürlich können Entwicklung und Innovation durchaus gelingen, solange die Projektrahmenbedingungen bestehen. Auf lange Sicht ist Nachhaltigkeit allerdings allein mit externer finanzieller und ideeller Unterstützung kaum zu erzielen, denn erfahrungsgemäß beginnen aufgebaute Strukturen relativ rasch zu bröckeln, sobald ebendiese Förderung entfällt. Die verbliebenen lokalen Mitarbeiter stehen dann vor der schwierigen Aufgabe, das Programm zu erhalten und zu entwickeln in einer Atmosphäre der Indifferenz, der mangelnden Kooperation, mitunter auch der unumwundenen Antipathie vonseiten übergeordneter staatlicher Institutionen. Es verwundert kaum, wenn die Partner im Projekt vor Ort unter solchen Voraussetzungen nicht willens oder nicht fähig sind, die weitere Verantwortung zu übernehmen. Das Vorhaben „Aufbau einer dermatologischen Versorgung in Kambodscha“

Fachnachrichten profitiert zweifellos von der mittlerweile 10-jährigen intensiven Entwicklungsarbeit, der Verankerung im lokalen medizinischen und universitären Umfeld und damit der Konsolidierung geschaffener Strukturen; darüber hinaus vom Engagement und der Kompetenz des einheimischen Klinikdirektors Professor Mey. Hiermit sind wichtige Faktoren für eine nachhaltige Entwicklung gegeben. Eine Garantie für den anhaltenden Fortschritt der Dermatovenerologie in Kambodscha lässt sich daraus jedoch nicht ableiten.

Korrespondenzadresse Dr. C. Bendick Department of Dermatology Preah Kossamak-Hospital BP 1006, Phnom Penh [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  C. Bendick wurde von 2005 bis 2010 von CIM, von 2011 bis 2014 von der EKFS finanziell gefördert. Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  8. Fuller LC, Bendick C, Mey S (2015) The impact of skin disease on patients in Cambodia – a survey and simple needs assessment. Im Druck   9. Bendick C (2007) Medizin im Aufbau: Dermatologie in Kambodscha nach 30 Jahren Bürgerkrieg. In: Plewig G, Thomas P (Hrsg) Fortschritte der praktischen Dermatologie und Venerologie, Bd 20. Springer, Berlin, S 355–360 10. http://www.dermatology-kossamak.com. Zugegriffen: 23. Jan. 2015 11. Holtz U (2000) Nachhaltigkeit in der Entwicklungszusammenarbeit. In: Fahrenhorst B, Musto SA (Hrsg) Grenzenlos – Kommunikation, Kooperation, Entwicklung. (SID-Berlin Berichte Nr.13). Society for International Development, Berlin, S 54–60 12. http://www.giz.de/de/weltweit/383.html. Zugegriffen: 2. Feb. 2015

Onkologie – Beruf oder Berufung?

Erste Autumn School für Medizinstudenten vom 1. bis 3. Oktober in Berlin Mit ihrer ersten Autumn School will die Deutsche Krebsgesellschaft bei Medizinstudentinnen und -studenten die Begeisterung für die Onkologie wecken. Unter dem Motto „Onkologie – Beruf oder Berufung?“ geben führende Experten der DKG vom 1. bis 3. Oktober 2015 in der DKG-Geschäftsstelle detaillierte Einblicke in die Onkologie. Die Teilnehmer erfahren, wie sie ihre beruflichen Pläne und Visionen verwirklichen können – sei es in der experimentellen Grundlagenforschung oder in der täglichen interdisziplinären Versorgung, im stationären oder ambulanten Bereich, in Kooperation mit Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Patientenvertretern und Selbsthilfe. Die Teilnahmegebühren, Unterbringungs- und Reisekosten werden vollständig übernommen. Programm, Informationen und die Anmeldung zur Autumn School gibt es auf der Webseite der Nationalen Gesundheitsakademie unter www.ng-akademie.de. Deutsche Krebsgesellschaft e.V. (Berlin)

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur   1. http://www.bundeswehr.de/portal/a/bwde/!ut/p/ c4/NYtNC8IwEET_UTYBQevNUgWvQtF6KdtmKc F8lGRjQfzxJgdn4F3eDDyh1OPbLMgmeLTwgGE2 x2kT06ZJ4IszWUtJYE6jJjeS8Qn5A_f6LIs5eOJKJsmcInIIYo1RLbV5BiLEUbDIFXXqr38R30P_ fnS9LtGdtf2Bqtzpx93QX1d. Zugegriffen: 22. Jan. 2015   2. http://www.who.int/countries/khm/en. Zugegriffen: 7. Feb. 2015.   3. https://www.cia.gov/library/publications/theworld-factbook/geos/cb.html. Zugegriffen: 7. Feb. 2015   4. Health Service Delivery Profile Cambodia (2012) Compiled in collaboration between WHO and Ministry of Health, Cambodia   5. Figueroa JI, Fuller LC, Abraha A, Hay RJ (1996) The prevalence of skin disease among school children in rural Ethiopia – a preliminary assessment of dermatologic needs. Pediatr Dermatol 13(5):378–381   6. Gibbs S (1996) Skin disease and socio economic conditions in rural Africa: Tanzania. Int J Dermatol 35(9):633–639   7. Saw SM, Koh D, Adjani MR, Wong ML, Hong CY, Lee J, Chia SE, Munoz CP, Ong CN (2001) A populationbased prevalence survey of skin diseases in adolescents and adults in rural Sumatra, Indonesia, 1999. Trans R Soc Trop Med Hyg 95(4):384–388

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[Dermatology in Cambodia: Sustainable establishment of a medical discipline].

After almost 25 years of dictatorship and civil war, in the mid 1990s, Cambodia was in dire need of improvement of its medical infrastructure on all l...
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