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TOXICOLOGY

Arch. Toxicol. 40, 249-254 (1978)

9 Springer-gerlag 1978

Short Communication

Verziigerte Implantation und friihembryonale Keimschliden bei der Maus naeh Applikation des PCB: 2,2'-Dichlorbiphenyl Peter Tfr6k* Gesellschaft f'tir Strahlen- und Umweltforschung mbH Miinchen, Institut f/Jr Biologie, Abteilung ffir Nuklearbiologie, Ingolsdidter Landstral3e 1, D-8042 Neuherberg, Post Oberschleil3heim, Bundesrepublik Deutschland

Delayed Implantation and Early Developmental Defeets in the Mouse Caused by PCB: 2,2'-Diehlorobiphenyl Abstract. Pregnant mice administered per os during the days 1 - 3 (plug day = day 0) post conception (p.c.) with 375 mg 2,2'-dichlorobiphenyl/kg/day revealed on day 18 p.c. increased number of resorptions and doses up from 500 mg/kg/day led to a substantial retardation of the prenatal development. Based on the investigations during the early development it is concluded, that retardation of the fetus is caused by a delayed implantation. It is assumed, that increased resorption is due to kyematopathies detected during the periimplantation period.

Key words: PCB: 2,2'-dichlorobiphenyl - Delayed implantation -- Kyematopathies -- Mouse.

Zusammenfassung. Nach oraler Applikation von 2,2'-Dichlorbiphenyl am Tag 1 - 3 post conceptionem (p.c.) f/ihrten Dosen ab 375 mg/kg/Tag zu einer erh6hten Resorptionsrate und Dosen ab 500 mg/kg/Tag zu deutlichen Retardationsph/inomenen bei den Feten. Aus Beobachtungen w~ihrend der Fr/ihentwicklung war zu schliel3en, dab die Retardierung der pr~inatalen Entwicklung auf Grund einer verzfgerten Implantation erfolgt. In Keimsch~iden, welche bereits w~ihhrend der periimplantativen Phase h~iufig waren, vermuten wir die Ursache fiir die sp~iteren Resorptionen. Sehliisselwiirter: PCB: 2,2'-Dichlorbiphenyl -- Verz6gerte Implantation -Keimsch~iden -- Maus.

*

Herrn Prof. Dr. W. E. Ankel zum 80. Geburtstag gewidmet

0340-5761/78/0040/0249/$ 01.20

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P. T6r6k

2,2'-Dichlorbiphenyl (DCB) ist eine niedrig chlorierte Komponente vieler technischer PCB-Gemische. W/ihrend der Blastogenese oral appliziertes D C B ffihrte zu einer Retardation der pr~inatalen Entwicklung der Maus, beeinflul3te die Reproduktion (T6r6k, 1975) und die Schwangerschaftsdauer (T6r6k, 1976). Die vorliegende Arbeit besch/iftigt sich mit den Ursachen dieser Effekte und vermittelt erg/inzende Daten fiber ihre Dosisabh/ingigkeit.

Methode Schwangere NMRI-M~iuse erhielten DCB in Sesam/51gel6st, per os. Nach Applikation der Dosen 375, 500 und 750 mg DCB/kg/Tag am Tag 1--3 p.c., sowie der Dosis von 250 mg DCB/kg/Tag am Tag 1--6 p.c., untersuchten wir die pr~inatale Entwicklung am Tag 18 p.c. Zus~itzlich wurde die Wirkung der Dosis von 750 mg/kg/Tag w~ihrend der Frfihentwicklung verfolgt. Pr~iimplantative Stadien gewannen wir durch Ausspfilen des Eileiters bzw. Uterus mit physiologischer Kochsalzl6sung. Die Sp/itblastocysten vom Tag 4 p.c. prfiften wir auf das Vorhandensein einer superfiziellen Mucopolysaccharidschicht unter Anwendung der kolloidalen Eisen-Preul3ischblau-Reaktion, um Hinweise fiber ihre implantative Reife (Holms u. Dickinson, 1973) zu erhalten. Die periimplantative Keimentwicklung verfolgten wir am histologischen Schnittmaterial vom Uterus. Als KontroUen wurden bei allen Versuchen unbehandelte als auch mit Sesam61 behandelte Muttertiere verwendet.

Ergebnisse a) Friihentwicklung nach Applikation yon 750 mg DCB/kg/Tag am Tag 1--3 p.c. Der Eitransport vom Eileiter in den Uterus lieB sich w~ihrend des Behandlungszeitraums mit D C B -- wie bei den Kontrollgruppen - auf den Tag 2 p.c. festlegen. Die Furchung wurde durch D C B nicht beeinfluBt. A m Tag 4 p.c. traten bei den Sp~itblastocysten, hinsichtlich ihrer L~inge und ihres Mucopolysaccharidgehalts, keine ererkennbaren Unterschiede zu den Kontrollen auf. Der %-Anteil der Sp~itblastocysten unter den Entwicklungsstadien (Morulae und Blastocysten) war jedoch verh~iltnism/iBig niedrig. Etwa 200 Entwicklungsstadien spfilten wir pro Versuchsgruppe aus den Uteri aus. Bei unbehandelten bzw. mit dem L6sungsmittel Sesam61 behandelten Kontrolltieren betrug der Anteil der Sp/itblastocysten fast fibereinstimmend 86 bzw. 88%, nach Behandlung mit D C B aber nur 60%. Bei einer histologischen Untersuchung der Entwicklungsstadien am Tag 5, 6 und 7 p.c. war eine Retardierung der pr~inatalen Entwicklung sowie des Implantationsvorganges durch D C B offensichtlich (Tabelle 1). A m Tag 7 p.c., als bei den Kontrollen die Implantation l~ingst beendet war und bereits das Mesoderm des Embryos gebildet wurde (Abb. 1), befanden sich nach DCB-Applikation etwa 50% der frfihembryonalen Keime als nicht implantierte Blastocysten im Uterushauptraum (Abb. 2). Das Entwicklungsstadium der restlichen Keime in den sogenannten Uterustaschen entsprach weitgehend den Kontrollen vom Tag 5 p.c. (Abb. 2). Sie bildeten keine Proamnionhfhle. Eine Invasion des Trophektoderms ins Endometrium des Uterus sowie eine Erosion des Uterusepithels fand in solchen Implantationstaschen nur in m~iBigem Umfang statt. Die Retardierung der

Verz6gerte Implantation dureh PCB

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1. Stadien der Implantation und der Entwieklung bei den friihembryonalen Keimen. Histologischer Vergleich der Uteri yon Kontrollmiittern und yon Muttertieren nach ihrer Behandlung mit 750 mg DCB/Tag am 1.--3. Tag p.e?

TabeUe

Tag p.e.

4 5 6 7

Versuchsgruppe

Kontrolle Kontrolle DCB Kontrolle DCB KontroUe DCB

Insgesamt

6 23 1 23 4 5 43

In der Uterustasche

0 23 0 23 3 5 22

Mit Proamnionhfhle

0 0 0 23 0 5 0

Mit Mesoderm

0 0 0 0 0 5 0

Anzahl der Uterustaschen koordiniert zum Grad der Epithelerosionb --

+

++

+++

/ 5 / 0 3 0 15

/ 12 / 0 0 0 7

/ 6 / 0 0 0 0

/ 0 / 23 0 5 0

a Sesam61 fiihrte zu keinem erkennbaren Effekt. Unbehandelte und mit Sesam61 behandelte Kontrollgruppen sind in der Tabelle zusammengefai3t b Epithelerosion: -- keine, + auf wenige Zellen beschdinkt, ++ fortgeschritten, +++ vollst~indig

Entwicklung und des Nidationsvorgangs betrug durch D C B etwa 2--3 Tage, ging aber gelegentlich dar/iber hinaus. Selbst am Tag 8 p.o. war es noch mSglich, Blastocysten aus dem Uterus auszusp/ilen. D C B ffihrte zu Zellschiiden, Hypoplasie und atypischen Differenzierungsbildern bei etwa 80% der periimplantativen Keime. Der Embryonalknoten der invasiven Stadien war hiiufig auf die .Aquatorialebene verlagert (Abb. 2). Aus histomorphologischen Eigenschaften des Uterusepithels einiger Muttertiere konnte auf eine sekretorische T~itigkeit der Epithelzellen geschlossen werden. Es traten gelegentlich nekrotische Bereiche im Endometrium des Uterus auf.

b) Untersuchungen wdihrend der Fetalperiode, am Tag 18 p.o. N a c h Applikation von 750 mg/kg/Tag am Tag 1--3 p.c. starben von den behandelten 64 M~iusen 28%, yon den fiberlebenden implantierten mit 41%, etwa die H~ilfte weniger als yon den gepaarten Kontrolltieren. Bei den 19 Muttertieren wurden durchschnittlich sieben Implantationen pro Maus (bei den Kontrollen 1 2 - 1 3 ) ermittelt. Unter den Implantationen betrug die Resorptionsrate 39% (Kontrollen: 10--11%). Bei den Feten waxen die Gewichte (nach DCB-Behandlung: 0,46 g, bei den Kontrollen 1,2 g) um 60% reduziert und die Skelett- und Organentwicklung retardiert. Infolge der Retardierung entsprach das Entwicklungsstadium der Feten am 18. Gestationstag den Kontrollstadien vom 15.--16. Gestationstag (s. /ihnliche Angaben bezogen auf elf dieser Muttertiere, T6r6k, 1975). 500 mg D C B / k g / T a g am Tag 1--3 p.o. appliziert, zeigte ~ihnliehe Einfliisse auf die Reproduktion (8,2 Implantationen pro Mutter, davon 29% Resorptionen) und auf die Fetalgewichte (Reduktion um 30%) wie die ttigliche Dosis von 750 mg/kg, fiihrte aber nicht zu einer

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P. T6r6k

Abb. 1. Normalentwicklung am Tag 4--7 p.c. E: Ektoderm; En: Entoderm; In: Invasionsstelle; M: Mesoderm; P: Proamnionh6hle; PEn: proximales Entoderm; Vergr.: 120 •

Verz6gerte Implantationdurch PCB

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Abb. 2. Entwicklungsstadienam Tag 7 p.c., nach Behandlungder Muttertieremit DCB, a Blastocystim Uterushauptraum, b Keimmit verlagertem Embryonalknoten(Pfeil)in der Uterustasche, Vergr.: 120 x

maternalen Mortalit~it. Implantationen wurden bei 61% der gepaarten 18 M~iuse festgestellt. Eine entsprechend hohe kumulative Dosis (1500 mg/kg), verabreicht in t/iglichen Fraktionen yon 250 mg/kg am Tag 1-6 p.o., zeigte dagegen bei makroskopischen Untersuchungen keinen Einflul3 auf die pr~inatale Entwicklung. Die Dosierung yon 375 mg DCB/kg/Tag am Tag 1--3 p.c. f'tihrte zu einer erh6hten Resorptionsrate (27%) und gelegentlich zur Retardierung der Organdifferenzierung (T6r/Sk, 1975).

Diskussion

Aus der Gesamtheit der Ergebnisse geht eine akute Wirkung yon DCB w/ihrend der Fr/ihentwieklung hervor. 750 mg DCB/kg/Tag verz~gert die Implantation um 2 - 3 Tage. Folglich verz6gert sich die Schwangerschaft entsprechend (T6r6k, 1976) und die Feten zeigen einen Entwicklungsr/ickstand gegen/iber den Kontrollen am Tag 18 p.o. Eine leichte Retardation der Blastogenese schliel3en die Ergebnisse nicht aus (s. Anzahl der Sp~itblastocysten), aber die Verz6gerung der Entwicklung erfolgt im wesentlichen w~ihrend der periimplantativen Phase. Keimsch~iden wurden h/iufig w/ihrend der Implantation beobachtet. Es ist anzunehmen, dal3 die Resorptionen haupts/ichlich auf diese Friihsch~iden zuriickgehen. DCB zeigt aber keinen wesentlichen Einflul3 auf die Entwicklung der Embryonen und Feten, insofern es w~ihrend der postimplantativen Entwicklungsphasen verabreicht wird (Tfr6k, 1975).

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P. T6r6k

Im aUgemeinen gehen Nidationsverz6gerungen auf spezifisch endokrine Ursachen zurfick (Whitten, 1955; Tuchmann-Duplessis u. Mercier-Parot, 1966; Bloch, 1976) und Einfl/isse auf die endokrine Steuerung stehen ffir PCBs auch n/iher in Betracht (Risebrough et al., 1968; Nowicki u. N o r m a n , 1972; Jonsson et al., 1975/76). Von keinem PCB ist abet bisher ein EinfluB auf den Nidationstermin b e k a n n t geworden. Vermutlich waren die yon uns verwendeten DCB-Dosen bereits ab 375 m g / k g / T a g toxisch auf das Muttertier, woraus f/Jr die Keimentwicklung embryotoxische K o n s e q u e n z e n ergehen k6nnten. Die A u f n a h m e derart hoher PCB-Dosen beim Menschen ist nicht wahrscheinlich. Ungl/ickliche Zuf'~ille k 6 n n e n aber zur Nahrungsmittelvergiftung mit PCBs und zur A u f n a h m e embryotoxischer PCB-Mengen auch bei dem Menschen ffihren (Kuratsune et al., 1972). Der Autor dankt Frau I. Steege, Frl. U. Imhof und Frl. A. Hesseler f'dr die geschickte technische Mitarbeit und dem Bundesministeriumf'tir Forschung und Technologie fiir die finanzielleF6rderung der Versuche.

Literatur Bloch, S.: Some aspects of the early development and implantation of the mammalian egg. Experientia (Basel) 32(5), 542--548 (1976) Holmes, P. V., Dickson, A. D.: Estrogen-inducedsurface coat and enzyme changes, in the implanting mouse blastocyst. J. Embryol. exp. Morph. 29, 639--645 (1973) Jonsson, H. T., Jr., Keil, I. E., Gaddy, R. G., Loadholt, C. B., Hennigar, G. R., Walker, E. M., Jr.: Prolonged ingestion of commercial DDT and PCB; effects and progesterone levels and reproduction in the mature female rat. Arch. environm. Contam. Toxicol. 3, 479-490 (1975/76) Kuratsune, M., Yoshimura, T., Matsuzaka, J., Yamaguchi, A.: Epidemiologicstudy on yusho, a poisoning caused by ingestion of rice oil contamined with a commercial brand of polychlorinated biphenyls. Environ. Hth Perspect. 43, 119-128 (1972) Nowicki, H. G., Norman, A. W.: Enhanced hepatic metabolism of testosterone, 4-androstene-3, 17dione, and estradiol-17/3 in chickens pretreated with DDT or PCB. Steroids 19, 85-99 (1972) Risebrough, R. W., Rieche, P., Peakall, D. B., Herman, S. G., Kirven, M. N.: Polychlorinated biphenyls in the global ecosystem. Nature (Lond.) 220, 1098--1102 (1968) T6r6k, P.: Effect of 2,2'-dichlorobiphenyl(PCB) on the embryonic developmentof the NMRI mouse. Environmental quality and safety, Suppl. III, pp. 788--792. Stuttgart: Thieme 1975 Tfr6k, P.: Delayed pregnancy in NMRI mice treated with PCB: 2,2'-dichlorobiphenyl.Bull. environm. Contam. Toxicol. 16, 33--36 (1976) Tuchmann-Duplessis, H., Mercier-Parot, L.: Action d'un neuroleptique, le R 1625 (Haloperidol) sur l'activit~ g6nitale de la ratte. C.R. Acad. Sci. (Pads) 263, 1493-1495 (1966) Whitten, W. K.: Endocrine studies on delayed implantation in lactating mice. J. Endocr. 13, 1-6 (1955) Eingegangen am 21. Juli 1977

[Delayed implantation and early developmental defects in the mouse caused by PCB: 2,2'-dichlorobiphenyl (author's transl)].

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