Kasuistiken Hautarzt 2014 DOI 10.1007/s00105-014-3518-4 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

T. Strunk · J.-H. Blume · R.-M. Szeimies Klinik für Dermatologie und Allergologie, Klinikum VEST GmbH, Behandlungszentrum Knappschaftskrankenhaus Recklinghausen, Recklinghausen, Deutschland

Scedosporium-apiospermumInfektion bei einem nierentransplantierten Patienten Anamnese Ein 57-jähriger Patient stellte sich mit seit 8 Wochen bestehenden, multiplen erythematösen Papeln und Pusteln sowie einzelnen nässenden Ulzerationen am rechten Unterschenkel vor. Zudem berichtete er über neu aufgetretene subkutane, derbe Knoten im Bereich des rechten Oberschenkels. Aufgrund einer IgA-Nephritis sei ein Jahr zuvor eine Nierentransplantation erfolgt, weshalb der Patient aktuell eine Immunsuppression mit Tacrolimus 1 mg/Tag und Prednisolon 5 mg/Tag erhielt. Initial habe eine deutlich höhere Immunsuppression mit Tacrolimus 4 mg/ Tag und Prednisolon 30 mg/Tag bestanden, die jedoch im Verlauf reduziert werden konnte. Ferner zeigte sich eine relative Lymphopenie von 5 % (Normwert 20– 40 %). Neben einer arteriellen Hypertonie waren eine chronisch venöse Insuffizienz sowie eine Hyperurikämie bekannt, ein Diabetes mellitus bestand nicht.

Befund Hautbefund.  An den Unterschenkeln beidseits zeigten sich multiple ca. 0,5 cm durchmessende, schüsselförmig ausgestanzt wirkende, fibrinös belegte Ulzerationen, die von einem unscharf begrenzten Erythem umgeben waren. Am rechten Oberschenkel medial zeigten sich zudem disseminierte ca. 2 cm durchmessende erythematös livide Knoten (. Abb. 1a und b). Laborbefunde.  Neben leicht erhöhten Entzündungsparametern zeigten sich erhöhte Parathormonwerte im Sinne ei­ nes sekundären Hyperparathyreoidismus

bei normwertigen Kalzium- und Phosphatspiegeln. Sowohl ein durchgeführter Quantiferontest als auch die Bestimmung der cANCA, pANCA und des Kollagenoselabors verliefen unauffällig. Apparative Diagnostik.  In der 7,5-MHZSonographie der Knoten des rechten Oberschenkels zeigten sich multiple noduläre, teils polyzyklische, echoarme Raumforderungen im oberen Korium ohne Perfusion. Ebenso fand sich keine dorsale Schallauslöschung oder -verstärkung. Dermatohistopathologischer Be fund.  Wir entnahmen Probebiopsien der Erosionen des rechten Unterschenkels sowie der Knoten des rechten Oberschenkels. Die Histologie der Erosion des Unterschenkels zeigte eine Parakeratose mit intrakornealen Leukozyten sowie eine Akanthose der Epidermis. Subepidermal imponierte fibröses Bindegewebe mit multiplen Histiozyten, Leukozyten und kleinen Gefäßen im Sinne ei­ nes Granulationsgewebes. Die dermatohistopathologische Untersuchung eines Nodus des rechten Oberschenkels ergab nach Entleerung einer öligen Flüssigkeit den Nachweis von Granulationsgewebe mit Vorliegen von zahlreichen Eosinophilen und Fremdkörperriesenzellen. In der PAS-Färbung zeigten sich PAS-positive, verzweigte Drusen. Eine Angioinvasi­ on war nicht zu erkennen. In Zusammenschau der Befunde lag das typische Bild einer tiefen granulomatösen Mykose vor (. Abb. 2). Mykologische Diagnostik.  Mikroskopisch zeigten sich zahlreiche pleomorphe Pilzhyphen, vereinbar mit Myzel von Sce-

dosporium. Die kulturelle Anzucht sowie die Polymerasekettenreaktion (PCR)-Sequenzierung ergaben ebenfalls den Nachweis von Scedosporium apiospermum.

Diagnose Tiefe Mykose durch Scedosporium apiospermum.

Therapie und Verlauf Es erfolgte die Einleitung einer systemischen Therapie mit Voriconazol 2-mal 200 mg über insgesamt 12 Monate. Zudem wurde eine großflächige chirurgische Exzision der subkutanen Knoten im Bereich des rechten Oberschenkels durchgeführt. Postoperativ wurde eine Vakuumpumpe angelegt. Es zeigte sich ein langwieriger, jedoch komplikationsloser Wundheilungsverlauf, sodass es abschließend zu einer Abheilung des Befundes kam.

Diskussion Pilze der Art Scedosporium (S.) apiospermum gehören zur Gattung der Scedosporien. Diese Gattung wurde bislang in die Spezies S. prolificans, S. apiospermum (anamorph) und Pseudallescheria (P.) boydii (telemorph) unterteilt. Aufgrund phänotypischer und molekulargenetischer Unterschiede erfolgte im Jahr 2005 jedoch eine neue Einteilung der Pilze dieser Gattung, sodass aktuell 6 Spezies unterschieden werden: P. boydii, S. apiospermum, S. prolificans, S. aurantiacum, P. minutispora und S. dehoogii. Eine australische Arbeitsgruppe konnte nachweisen, dass S. apiospermum mit 59 % am häufigsten aus UntersuchungsDer Hautarzt X · 2014 

| 1

Kasuistiken

Abb. 1 8 a Multiple Ulzerationen an den Unterschenkeln. b Subkutane Nodi am rechten Oberschenkel

Abb. 2 9 Histologie (HE-Färbung): granulomatöse Entzündung mit Nachweis pleomorpher Pilzhyphen und Fremdkörperriesenzellen

materialien identifiziert werden konnte [3]. Morphologisch handelt es sich um 2–6 µm große hyaline, verzweigte Hyphen, die eine Tendenz zur Angioinvasion aufweisen. Mittels Konidienbildung erfolgt eine ungeschlechtliche Vermehrung dieser Pilze. Charakteristisch ist ein schnelles kulturelles Wachstum mit Ausbildung weißer, baumwollartiger Kolonien auf Sabouraud-Glucose-Agar und Blut-Agar [2, 5]. Klinische Relevanz erhalten diese Pilze als opportunistische Erreger tiefer Schimmelpilzmykosen insbesondere bei organtransplantierten, immunsupprimierten Patienten und Patienten mit chronischer Lungenerkrankung. Zudem stellen eine lang anhalten-

2 |  Der Hautarzt X · 2014

de Neutropenie, hoch dosierte Steroidtherapien und Diabetes mellitus Risikofaktoren zur Ausbildung einer Infektion dar [2, 5]. S. apiospermum kommen ubiquitär vor und konnten vor allem aus Brackwassern und Erdböden isoliert werden [1]. Bei immunkompetenten Patienten stellen pulmonale und zerebrale Infektionen durch S. apiospermum eine typische Komplikation nach einem Ertrinkungsunfall dar. Zudem kann es zu Augeninfektionen und chronischen Sinusitiden kommen. Auch die Ausbildung von Eumyzetomen nach traumatischer Erregerinokulation wird beschrieben. Bei immunsupprimierten Patienten hingegen kommt es nicht selten zu teilweise fou-

droyant verlaufenden Lungen- und ZNSInfektionen [7]. Hautinfektionen durch S. apiospermum bei immunsupprimierten Patienten wurden bisher nur vereinzelt beschrieben. Neben einer primär kutanen Infektion nach traumatischer Erregerinokulation muss eine sekundär kutane Infektion im Sinne einer hämatogenen Aussaat unterschieden werden. In beiden Fällen zeigt sich ein sehr variables klinisches Erscheinungsbild. Neben multiplen Ulzerationen, derben subkutanen Knoten und Abszessen können erythematöse Plaques mit Pusteln und hämorrhagische Blasen imponieren [2]. Im Fall einer systemischen Infektion handelt sich in der Regel um schwer kranke Patienten, bei denen neben der Haut multiple weitere Organe betroffen sein können (Lunge, Herz, Gehirn, Augen etc.) Nicht selten ist in solchen Fällen eine Isolierung von S. apiospermum aus Blutkulturen möglich. Zudem handelt es sich in der Regel um foudroyant verlaufende Infektionen, die insbesondere bei Patienten mit bestehender Immunsuppression, hoch dosierter Steroidtherapie und Neutropenie rasch zum Tod führen [2]. Im Fall unseres Patienten bestand zum Zeitpunkt der Erstinfektion eine Immunsuppression mit Tacrolimus 4 mg/Tag und Prednisolon 30 mg/Tag, die im Verlauf reduziert wurde. Eine Neutropenie lag nicht vor. Dennoch war der Patient in einem guten Allgemeinzustand. Zudem zeigte sich ein langer, wenig progredienter Verlauf, was die Vermutung zulässt, dass es sich in diesem Fall um eine primär kutane Infektion handelte, da im Fall einer systemischen Infektion von einem fulminanteren Verlauf auszugehen ist. Außerdem zeigten sich auch im Rahmen der durchgeführten apparativen Diagnostik keine Anzeichen einer systemischen Infektion. Klinisch ähnelt das Bild einer kutanen Infektion durch S. apiospermum dem Bild einer Infektion durch Aspergillus-Arten. Auch morphologisch fällt eine Unterscheidung häufig schwer, sodass eine Scedosporiose nicht selten als Aspergillose fehldiagnostiziert wird. Multiple Studien konnten jedoch eine Resistenz von S. apiospermum gegenüber Amphotericin B nachweisen, sodass eine derartige Fehldiagnose fatale Folgen haben kann

Zusammenfassung · Abstract [2]. Eine zeitnahe Diagnosestellung und genaue Erregeridentifizierung mittels kultureller Anzucht und ggf. eine PCRSequenzierung sind daher unabdingbar, um lebensbedrohliche Verläufe zu verhindern. Eine Abgrenzung gegenüber Aspergillus spp. kann mithilfe spezieller Nährmedien (Benomyl-Agar, Cycloheximid-Agar oder Agar mit Amphotericin B) erfolgen, da hier S. apiospermum ein Wachstum zeigt, Aspergillus-Arten jedoch nicht [2, 5]. Als Therapie der Wahl gilt die Einleitung einer systemischen antimykotischen Therapie. In klinischen Studien konnte für Voriconazol (in Kombination mit Caspofungin) – insbesondere bei transplantierten Patienten – eine deutliche Überlegenheit gegenüber anderen Antimykotika nachgewiesen werden. Im Vergleich zu Amphotericin B und Itraconazol zeigte sich eine statistisch signifikante Reduktion der Mortalität bei Patienten, die mit Voriconazol behandelt wurden [4]. Als Reserveantimykotikum kann Posaconazol verwendet werden. Da Voriconazol als Breitbandantimykotikum ebenfalls eine Wirksamkeit bei Aspergillose aufweist, empfiehlt es sich, in unklaren Fällen bzw. bis zum Erhalt des kulturellen Ergebnisses eine Therapie mit Voriconazol (ggf. in Kombination mit Caspofungin) einzuleiten [5]. Zudem gilt ein zusätzliches chirurgisches Débridement isolierter Herde als prognostisch günstig und sollte bei Patienten mit stabilem Allgemeinzustand angestrebt werden [4, 5]. Allgemeine Empfehlungen zur Therapiedauer liegen nicht vor. In erster Linie sollte die Behandlungsdauer vom klinischen und mykologischen Ansprechen des Patienten abhängig gemacht werden. Eine Langzeittherapie sollte jedoch vermieden werden, da zunehmend häufiger über ein vermehrtes Auftreten nichtmelanozytärer Hauttumore (NMSC) unter Therapie mit Voriconazol berichtet wird. In Studien konnte bereits nach 3-monatiger Behandlung mit Voriconazol ein vermehrtes Auftreten von NMSC nachgewiesen werden, weshalb regelmäßige dermatologische Screeninguntersuchungen insbesondere bei immunsupprimierten Patienten während und nach der Therapie mit Voriconazol notwendig sind [7].

Hautarzt 2014  DOI 10.1007/s00105-014-3518-4 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 T. Strunk · J.-H. Blume · R.-M. Szeimies

Scedosporium-apiospermum-Infektion bei einem nierentransplantierten Patienten Zusammenfassung Ein 57-jähriger, nierentransplantierter Patient stellte sich mit erythematösen Papeln und Pusteln sowie nässenden Ulzerationen am rechten Unterschenkel und subkutanen Nodi am rechten Oberschenkel vor. In der histopathologischen Untersuchung zeigte sich das Bild einer granulomatösen Entzündungsreaktion mit pleomorphen Pilzhyphen. Mittels Polymerasekettenreaktion gelang der Nachweis von Scedosporium apiospermum. Es erfolgte die Einleitung einer Therapie mit Voriconazol 2-mal 200 mg sowie die chirurgische Exzision einzelner subkutaner Knoten. Pilze der Gattung Scedosporium apiospermum stellen

nach den Aspergillus-Arten die häufigsten Erreger tiefer Schimmelpilzmykosen dar. Hautinfektionen durch Scedosporium apiospermum wurden bisher vereinzelt beschrieben und können bei immunsupprimierten Patienten zu lebensbedrohlichen Infektionen führen. Eine genaue Identifizierung des Erregers ist daher unabdingbar, um foudroyant verlaufende Infektionen zu vermeiden. Schlüsselwörter Schimmelpilzinfektion · Hautinfektion · Immunsupprimiert · Komplikation · Therapie

Deep skin infection with Scedosporium apiospermuminfection in a renal transplant patient Abstract A 57-year-old immunosuppressed patient presented with multiple erythematous papules and pustules as well as isolated ulcerations on the right lower leg and subcutaneous nodules on the right thigh. The biopsy revealed granulomatous inflammation with numerous fungal hyphae, which were IDentified as Scedosporium apiospermum by PCR. He was treated with voriconazole 2 × 200 mg daily as well assurgical debridement. Scedosporium apiospermum is a rare pathogenic agent of deep mold fungus infections. Skin

Zusammenfassend handelt es sich bei einer Scedosporiose zwar um eine seltene, aber lebensgefährliche Infektion bei immunsupprimierten Patienten, an die aber insbesondere bei klinisch sehr variablem Erscheinungsbild (Vorliegen von Knoten, Ulzera, Papeln und Plaques) gedacht werden sollte. Bei histologischem Nachweis einer Mykose empfiehlt sich in jedem Fall die Durchführung einer speziellen kulturellen Anzucht und PCR-Analyse zur Abgrenzung einer Aspergillose. Ferner sollte unserer Meinung nach in den ersten Tagen (bis zum Erhalt der exakten Erregeridentifikation) eine antimykotische Breitbandtherapie mit z. B. Voriconazol erfolgen.

infections with Scedosporium apiospermum are underdiagnosed because of different clinical manifestations. In immunosuppressed patients, an infection represents a potentially life-threatening complication. Precise identification of the agent with introduction of antimycotic therapy appears to be pivotal to prevent fulminant disease. Keywords Mold fungus · Skin infection · Immunosuppressed · Therapy · Complication

Fazit für die Praxis 55Bei einer Infektion durch Scedosporium apiospermum handelt es sich um eine seltene, jedoch lebensbedrohliche Komplikation bei immunsupprimierten Patienten. 55Eine möglichst rasche und exakte Diagnosestellung inklusive Erregeridentifikation sollte erfolgen. 55Die Einleitung einer antimykotischen Therapie mit Voriconazol, ggf. kombiniert mit Caspofungin, kann lebensbedrohliche Verläufe verhindern. 55Regelmäßige Screeninguntersuchungen bei immunsupprimierten Patienten vor und nach Therapie mit Voriconazol sollten erfolgen. Der Hautarzt X · 2014 

| 3

Kasuistiken Korrespondenzadresse Dr. T. Strunk Klinik für Dermatologie und Allergologie Klinikum VEST GmbH, Behandlungszentrum Knappschaftskrankenhaus Recklinghausen, Dorstener Str. 151, 45657 Recklinghausen [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  T. Strunk, J.-H. Blume und R.-M. Szeimies geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur 1. Azofra MM, Somovilla JL, Porras MC et al (2010) Use of intralesional voriconazole for the treatment of cutaneous Scedosporium apiospermum infec­ tion. Clin Infect Dis 51:255–257 2. Cortez KJ, Roilides E, Quiroz-Telles F et al (2008) Infections caused by Scedosporium spp. Clin Microbiol Rev 21:157–197 3. Heath CH, Slavin MA, Sorrell TC et al (2009) Population-based surveillance for scedosporiasis in Australia: epidemiology, diseases manifestations and emergence of Scedosporium auranticum infec­ tion. Clin Microbiol Infect 15:689–693 4. Husain S, Munoz P, Forrest G et al (2005) Infections due to Scedosporium apiospermum and Scedosporium prolificans in transplant recipients: clinical characteristics and impact of antifungal agent therapy on outcome. Clin Infect Dis 40:89–99 5. Takeuchi M, Yoshida C, Ota Y et al (2011) Deep skin infection of Scedosporium apiospermum in a patient with refractory idiopathic thrombocytopenic purpura. Intern Med 50:1339–1343 6. Tammer I, Seibold M, Krause H et al (2007) Successful topical therapy with voriconazole: Pseudallescheriasis after injury. J Trauma Inj Inf Crit Care 62:1295–1297 7. Zwald FO, Spratt M, Lemos BD et al (2012) Duration of voriconazole exposure: an independent risk factor for skin cancer after lung transplantation. Dermatol Surg 38:1369–1374

Kommentieren Sie diesen Beitrag auf springermedizin.de 7 Geben Sie hierzu den Beitragstitel in die Suche ein und nutzen Sie anschließend die Kommentarfunktion am Beitragsende.

4 |  Der Hautarzt X · 2014

[Deep skin infection with Scedosporium apiospermum-infection in a renal transplant patient].

A 57-year-old immunosuppressed patient presented with multiple erythematous papules and pustules as well as isolated ulcerations on the right lower le...
725KB Sizes 1 Downloads 9 Views