Clin Neuroradiol (2015) (Suppl) 25:123–126 DOI 10.1007/s00062-015-0406-y

Kurzübersicht

Das Referenzzentrum für Neuroradiologie für die Hirntumorstudien der deutschen Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) M. Warmuth-Metz · B. Bison

Eingegangen: 29. April 2015 / Online publiziert: 21. Mai 2015 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

Historie und Entwicklung Die erste deutschlandweite Therapieoptimierungsstudie (HIT’91) für hochmaligne Hirntumoren bei Kindern wurde von Prof. Joachim Kühl, dem 2003 verstorbenen Oberarzt für Onkologie an der Kinderklinik Würzburg, im Auftrag der GPOH initiiert. 68 Kinderkliniken in Deutschland und Österreich nahmen an dieser Studie teil. Im Zusammenhang mit dieser multizentrischen Studie ergab sich erstmals die Möglichkeit Computertomogramme (CT) und Magnetresonanztomogramme (MRT) zur Begutachtung des Stagings nach einheitlichen Kriterien an ein zentrales Referenzzentrum einzusenden. Auch wegen der Nähe zum Studienleiter Prof. Kühl wurde dieses Zentrum in der Abteilung für Neuroradiologie der Universität Würzburg angesiedelt. Die Zusendung von Untersuchungen war innerhalb der HIT’91Studie freiwillig und nur ca. 30 bis 50 % aller initialen und postoperativen Bilder wurden begutachtet. An einem großen Anteil der postoperativen Bildgebung, die zum Zeitpunkt der Studie noch am häufigsten als CTs durchgeführt wurden, war z. B. der Nachweis oder Ausschluss eines Resttumors meist wegen des Fehlens von kontrastverstärkten Serien unmöglich. Eines der Ergebnisse dieser Studie war, dass die Größe eines Resttumors bei einem Medulloblastom (MB) für die Prognose nicht von Bedeutung war [1], was sich jedoch in allen späteren Studien als inkorrekt erweisen sollte. Dieses Ergebnis ist in Anbetracht der Voraussetzungen für die Festlegung eines Resttumors anhand einer häufig dafür ungeeigneten Bildgebung nicht verwunderlich. Wie

M. Warmuth-Metz () · B. Bison Abteilung für Neuroradiologie des Universitätsklinikums, Würzburg, Deutschland E-Mail: [email protected]

die in den behandelnden Kliniken getroffene Einschätzung entstanden war z. B. durch den intraoperativen Befund, war nicht ableitbar. Die zentrale Begutachtung hatte sich im Rahmen der HIT’91-Studie so gut etablieren lassen, dass sie für den Studieneinschluss zur Folgestudie (HIT’2000) für MB, Ependymome und supratentorielle primitive neuroektodermale Tumore (PNET), die 2001 startete, zwingend vorgeschrieben wurde. Patienten, die nicht zentral begutachtet werden konnten unter anderem weil sich nicht zweifelfrei eine Meningeose nachweisen oder ausschließen ließ oder die Größe eine Resttumors nicht beurteilt werden konnte, konnten nur als Beobachtungspatienten an dieser Studie teilnehmen. Der Arm für sogenannte Standardrisiko-MB wurde in die Europäische SIOP-PNET4 Studie eingeschlossen. Ein Ergebnis dieser Studie zeigte zweifelfrei, dass die wenigen Patienten mit größerem Resttumor hochsignifikant schlechtere Überlebenschancen hatten. Als für uns bedeutendes Ergebnis stellte sich aber auch heraus, dass für eine nur kleine Gruppe von Patienten ohne zentralen Review ebenfalls das Überleben signifikant schlechter war als für die zentral begutachteten Teilnehmer der Studie [2]. Ähnliche Ergebnisse konnte Packer et al. [3] für Patienten, die an einer Behandlung für Standardrisiko-MB teilnahmen, berichten. In dieser Studie fanden der Einschluss und die verabreichte Behandlung anhand des Ergebnisses der lokalen Evaluation statt und erst sekundär wurden Überlebenskurven von verschiedenen Patientengruppen ausgewertet. Zum einen waren dies Patienten mit ungenügender Bildgebung und solche mit nicht erkannter Meningeose, getrennt von Patienten mit größerem Resttumor und solchen die korrekt eingeschlossen worden waren. Packer zeigte damit zweifelsfrei, dass Kinder mit ungenügender Bildgebung, einem größeren Resttumor aber vor allem solche mit einer lokal nicht erkannten Meningeose bei einer Standardrisiko-

13

124

behandlung eine signifikant schlechtere Überlebenschance hatten. Diese Studien belegen, dass der zentrale Review der Imaging Daten für in Studien behandelte Kinder mit Hirntumoren einen Überlebensvorteil bedeuten. Die HIT’2000-Studie und im Laufe der Zeit fast alle Therapieoptimierungsstudien der GPOH für Hirntumoren bei Kindern wurden durch eine Finanzierung durch die deutsche Kinderkrebsstiftung als Dachverband der Elterninitiativen krebs- und leukämieerkrankter Kinder in Deutschland ermöglicht. Somit war es nur folgerichtig, dass auch die Referenzzentren, neben dem Referenzzentrum für Neuroradiologie gibt ebensolche für Neuropathologie, Liquorzytologie und Strahlentherapie, für Qualitätssicherung eine Förderung erhalten. Die Unterstützung begann 2000 mit der Finanzierung einer Facharztstelle. Mittlerweile hat sich die Tätigkeit des Referenzzentrums so erweitert, dass die Zahl jährlicher Zusendungen von anfänglich ca. 500 auf inzwischen 3500 angestiegen ist. Die Förderung beträgt derzeit 2 Facharztstellen und 2 Stellen für studentische Hilfskräfte sowie Sachmittel. Hirntumorstudien der GPOH Unser Datenpool umfasst derzeit die Bildgebung von mehr als 8500 Kindern. Wir betreuen alle 8 offenen Hirntumorstudien oder -register. Die meisten Patienten in unserer Datenbank sind der SIOP/HIT-LGG 2004-Studie zugeordnet. Diese Studie wird derzeit nach Abschluss der Rekrutierung und während der Nachbeobachtungszeit als ein Register geführt. Die zahlenmäßig zweitstärkste Studie ist das kürzlich internationalisierte HIT-MED-registry für MB, PNET und Ependymome und die aktuell in Deutschland eröffnete internationale Teil-Studie SIOP-PNET 5 für Standardrisiko-MB. In PNET 5 werden erstmals als besonders günstig eingeschätzte, histologisch und genetisch definierte Untergruppen von MB einer weniger intensiven Therapie unterzogen. Die Überlebensraten für Standardrisiko-MB sind mittlerweile so erfreulich hoch, dass gegenüber einer weiteren Verbesserung der Überlebensrate die Verminderung der Therapiespätschäden im Vordergrund steht. Für Rezidive von MB, PNET und Ependymomen ist die HIT-Rez(idiv) 2005-Studie, die derzeit ebenfalls in der Beobachtungsphase ist, zuständig. Für Patienten mit höhergradigen Gliomen ist die verlängerte HIT-HGG 2007 Studie geöffnet bis in der nahen Zukunft die Folgestudie eröffnet werden kann. Hier werden auch die diffusen intrinsischen Ponsgliome (DIPG) behandelt. Für Patienten mit Kraniopharyngeomen ist die HITKraniopharyngeom 2007-Studie in der Beobachtungsphase.

13

M. Warmuth-Metz, B. Bison

Die SIOP CNS GCS II-Studie rekrutiert alle Arten von intrakraniellen Keimzelltumoren, wobei hier auch Erwachsene eingeschlossen werden. Atypische teratoide/rhabdoide Tumore (AT/RT) des ZNS werden in einem Register gesammelt, da die Patientenzahlen trotz Internationalisierung zu klein für eine randomisierte Studie sind. Für alle Varianten von Plexustumoren ist das SIOP-CPTRegister zuständig. Beurteilungen für die Studienzentralen (Diagnostik und Qualitätssicherung) [4] Nach dem Eingangsstaging von Tumor und ggf. Meningeose erfolgt nach OP die Beurteilung der Größe eines möglichen verbliebenen Resttumors. Bei Patienten, die derzeit noch ohne histologische Sicherung behandelt werden können, wie z. B. solchen mit Sehbahngliomen oder diffusen intrinsischen Ponsgliomen wird durch den zentralen Review die Verdachtsdiagnose erhärtet oder verworfen und gegebenenfalls eine Indikation zur histologischen Sicherung gestellt. Bei beobachteten Patienten wird das Verhalten des Tumors im Verlauf evaluiert. Unter und nach Behandlung wird anhand von standardisierten Responsekriterien das Verhalten eines Tumors charakterisiert. Hierzu wird das Volumen des Tumors unabhängig von der Kontrastmittelaufnahme und damit diskrepant zu den aus der Erwachsenenneuroonkologie der höhergradigen Gliome etablierten Macdonald-Kriterien oder deren Nachfolger den RANOKriterien (Response Assessment in Neurooncology) ermittelt durch eine Multiplikation der größten Durchmesser in allen 3 Raumrichtungen dividiert durch 2 als Annäherung an die Formel des Rotationsellipsoids. Wegen der multizentrisch erzeugten Bildgebungen ist eine automatisierte Volumetrie in der Regel nicht möglich. Zugleich wird die Qualität der Untersuchungen und deren Vollständigkeit im Rahmen der multizentrischen Studien beurteilt und nicht diagnostische Untersuchungen werden als insuffizient abgelehnt und die Wiederholung des MRTs mit Vorschlägen zur Verbesserung der Qualität angeraten. Es zeigt sich in vielen Jahren bisher unverändert analog zu den Ergebnissen der vorher zitierten Studie von Roger Packer, dass zentrale und lokale Einschätzung des neuroradiologischen Befundes in allen Studien in etwa einem Viertel der Fälle differiert. Neben unbedeutenden Diskrepanzen sind besonders die Einschätzung eines Resttumors oder die Beurteilung einer Meningeose therapieentscheidend und damit für die Studien relevant. Häufige Probleme in der Diagnose einer Meningeose sind isolierte Knoten im Recessus infundibularis oder nicht Kontrastmittel aufnehmende Meningeosen (Abb. 1). Wird die spinale MRT nach der Operation durchgeführt so findet man in bis zu 20 % der

Das Referenzzentrum für Neuroradiologie für die Hirntumorstudien der deutschen Gesellschaft für Onkologie

125

Abb. 1  Präoperatives sagittales T2-Bild (a) eines Patienten mit Medulloblastom im 4. Ventrikel. Die diskrete aber eindeutige, leicht knotige Verdickung des Bodens des 3. Ventrikels entspricht einer Meningeose. Zum Vergleich zeigt das T2-Bild nach Therapie (b) eine normale Dicke des Bodens des 3. Ventrikels

Fälle vorübergehend ein subdurales unspezifisches Enhancement, das nicht selten falsch positiv, als Meningeose eingeschätzt wird (Abb. 2). Bei DIPGs wird ein relativ häufiges posttherapeutisch auftretendes, neues Kontrastenhancement trotz einer erheblichen Reduktion der Tumorgröße, die im T2 Bild gemessen wird, als Progression eingeordnet, was zu einer falschen Responsebeurteilung führt und damit der Gefahr der Beendigung einer wirksamen Therapie. Spinale MRTs guter Qualität sind zur Beurteilung einer Dissemination essenziell. Da meist zuerst T2- und native T1-Sequenzen erzeugt werden, beträgt der Anteil von durch Bewegungsartefakten degradierten Sequenzen unter den am Schluss der Untersuchung erzeugten T1-KM-Bilder bis zu 25 %. Deswegen empfehlen wir die primäre Durchfüh-

rung von kontrastmittelverstärkten Sequenzen in sagittaler Schichtrichtung und überall wo möglicherweise gefäßbedingtes Enhancement zu sehen ist großzügig axiale nicht zu dünne Schichten. Mit dieser Technik ist die spinale MRT relativ problemlos im Anschluss an eine kranielle MRT durchführbar. Alle Empfehlungen sind in Leitlinien zur Bildgebung u. a. in den AWMF Leitlinien für kindliche Hirntumore niedergelegt. Europäische Zusammenarbeit Da viele der genannten Studien mittlerweile internationalisiert sind, ist auch eine Zusammenarbeit der Referenz(neuro)

Abb. 2  Subdurales unspezifisches Enhancement: sagittales (a) und axiales (b) T1-gewichtetes Bild lumbal mit einer typischen polsterförmig sich vorwölbenden Kontrastmittelaufnahme, die die Dura von innen auskleidet. Unmittelbar vorausgegangen war die Resektion eines Medulloblastoms

13

126

radiologen erforderlich. Deswegen wurde im Rahmen der europäischen Sektion der SIOP eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich um die Verbreitung harmonisierter Bildgebungsempfehlungen und um eine einheitliche Interpretation der Bildgebung bemüht und diesbezügliche Erfahrungen austauscht und Workshops veranstaltet. Die Implementierung von multimodaler Bildgebung in den Review wird in diesem Rahmen gefördert. Neben der direkt in die Behandlung einfließenden Diagnostik ist ein Referenzzentrum für die Bildgebung bei Hirntumoren im Kindesalter geeignet größere Zahlen an seltenen Tumoren zu sammeln und so mehr als anekdotische Erfahrungen zu sammeln. Auch im Grenzbereich der nicht neoplastischen Differenzialdiagnosen wird die Beurteilung von Untersuchungen bisweilen in Anspruch genommen. Literatur 1. von Hoff K, Hinkes B, Gerber NU, Deinlein F, Mittler U, Urban C, Benesch M, Warmuth-Metz M, Soerensen N, Zwiener I, Goette H, Schlegel PG, Pietsch T, Kortmann RD, Kuehl J, Rutkowski S. Long-term outcome and clinical prognostic factors in children with medulloblastoma treated in the prospective randomised multicentre trial HIT’91. Eur J Cancer. 2009;45:1209–17.

13

M. Warmuth-Metz, B. Bison 2. Lannering B, Rutkowski S, Doz F, Pizer B, Gustafsson G, Navajas A, Massimino M, Reddingius R, Benesch M, Carrie C, Taylor R, Gandola L, Bjork-Eriksson T, Giralt J, Oldenburger F, Pietsch T, Figarella-Branger D, Robson K, Forni M, Clifford SC, Warmuth-Metz M, von Hoff K, Faldum A, Mosseri V, Kortmann R. Hyperfractionated versus conventional radiotherapy followed by chemotherapy in standard-risk medulloblastoma: results from the randomized multicenter HIT-SIOP PNET 4 trial. J Clin Oncol. 2012;30:3187–93. 3. Packer RJ, Gajjar A, Vezina G, Rorke-Adams L, Burger PC, Robertson PL, Bayer L, LaFond D, Donahue BR, Marymont MH, Muraszko K, Langston J, Sposto R. Phase III study of craniospinal radiation therapy followed by adjuvant chemotherapy for newly diagnosed average-risk medulloblastoma. J Clin Oncol. 2006;24:4202–8. 4. Warmuth-Metz M, Bison B, Leykamm S. Neuroradiologic review in pediatric brain tumor studies. Klin Neuroradiol. 2009;19:263–73.

Das Referenzzentrum für Neuroradiologie für die Hirntumorstudien der deutschen Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH).

Das Referenzzentrum für Neuroradiologie für die Hirntumorstudien der deutschen Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH). - PDF Download Free
474KB Sizes 1 Downloads 9 Views

Recommend Documents