Kasuistik

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Zystische Echinokokkose und hepatozelluläres Karzinom – zufällige Koinzidenz? Ein Fallbericht

Autoren

M. Kübeck1, V. Stöckl1, W. Stainer1, T. Schermaier2, J. Preisinger2, W. Schauer2, U. Hochleitner3, W. Höbling3, T. F. E. Barth4, B. Stadler5, P. Knoflach5, A. Kirchgatterer1

Institute

Die Institutsangaben sind am Ende des Beitrags gelistet.

Schlüsselwörter

Zusammenfassung

Abstract

"

!

!

Einleitung: Das gleichzeitige Auftreten einer zystischen Echinokokkose und eines hepatozellulären Karzinoms (HCC) ist eine Seltenheit. Wir berichten über einen 45-jährigen Mann, der wegen Oberbauchschmerzen und Ikterus das Krankenhaus aufsuchte. Klinischer Befund und Diagnostik: Der Patient war fieberfrei und hatte nicht an Gewicht verloren. Palpatorisch war die Leber nicht vergrößert. Laborchemisch fanden sich deutlich erhöhte Transaminasen. Sonografisch kam in den Segmenten VI und VII eine 6 cm messende, inhomogene, zystische Raumforderung zur Darstellung. Die Echinokokkusserologie war negativ, das Alpha-Fetoprotein (AFP) deutlich erhöht. Im CT wurde eine an die zystischen Läsion angrenzende, 3,7 cm große Raumforderung festgestellt. Therapie und weiterer Verlauf: Nach Einleitung einer anthelminthischen Therapie mit Albendazol kam es zu einem massiven Anstieg der Cholestaseparameter, weshalb die Behandlung abgebrochen werden musste. Bei Verdacht auf das gleichzeitige Vorliegen einer serologisch negativen Echinokokkuszyste und eines HCC wurde eine Leberteilresektion durchgeführt. Die Histologie bestätigte beide Diagnosen und zeigte eine Resektion im Gesunden. Fünf Monate nach Operation fand sich im CT ein multizentrisches HCC mit Befall der gesamten Leber. Eine palliative Therapie mit Sorafenib wurde begonnen. Diskussion: Ungewöhnlich war bei unserem Patienten das Auftreten eines HCC in einer nicht zirrhotischen Leber und in relativ jungem Lebensalter bei gleichzeitigem Vorliegen einer Echinokokkuszyste. Trotz vollständiger Resektion des HCC zusammen mit der Echinokokkuszyste trat 5 Monate später ein Rezidiv in Form eines multizentrischen HCC auf. Bisher wurden nur wenige Fallberichte über das gleichzeitige Auftreten beider Erkrankungen veröffentlicht. Die Echinokok-

Introduction: The coincidence of echinococcosis and hepatocellular carcinoma (HCC) is quite rare. We report the case of a 45-year-old man who was admitted to our hospital because of abdominal pain in the right upper quadrant and jaundice. Clinical features and diagnostics: There was no history of weight loss or fever. No abdominal mass was palpable. The laboratory reports showed increased transaminase levels. Ultrasonography revealed an inhomogenous, cystic lesion measuring 6 cm in diameter in the segments VI and VII. Serology for echinococcosis was negative, alpha-fetoprotein (AFP) was considerably increased. CT scan showed a solid mass of 3,7 cm in diameter adjacent to the cystic lesion. Therapy and course: Anthelminthic therapy with albendazole caused a massive increase of cholestasis parameters and treatment had to be stopped. The simultaneous occurrence of serologically negative cystic echinococcosis and HCC was suspected and partial liver resection was performed. Histological examination confirmed both diagnoses and tumor resection in healthy tissue. 5 months after resection CT scan showed multicentric HCC affecting the whole liver. Palliative therapy with sorafenib was established. Discussion: The coincidence of HCC and cystic echinococcosis in the non-cirrhotic liver of a young man is a rare event. Despite resection in healthy tissue multicentric HCC was diagnosed 5 months later. Only few cases of simultaneous occurrence of HCC and echinococcosis have been published so far. Some authors considered echinococcosis as a trigger for HCC. A causal link between both entities has not been demonstrated until now.

● hepatozelluläres Karzinom ● zystische Echinokokkose ● Rezidiv ● Tomografie ● X-ray ● Hepatektomie ● differenzielle Diagnose " " " " " "

Key words

● hepatocellular carcinoma ● cystic echinococcosis ● recurrence ● tomography ● X-ray ● hepatectomy ● differential diagnoses " " " " " " "

eingereicht 3.10.2013 akzeptiert 15.4.2014 Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1366528 Z Gastroenterol 2014; 52: 657–662 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0044-2771 Korrespondenzadresse Dr. Maximilian Kübeck Innere Medizin V, Klinikum Wels-Grieskirchen Wagnleithnerstraße 27 4710 Grieskirchen Austria [email protected]

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Cystic Echinococcosis and Hepatocellular Carcinoma – A Coincidence? A Case Report

Kasuistik

kose als Auslöser für ein HCC wurde von einigen Autoren in Erwägung gezogen, ein kausaler Zusammenhang konnte bislang nicht nachgewiesen werden.

Einleitung !

Die Ecchinokokkose ist eine durch die Larven von Bandwürmern der Echinokokkusspezies hervorgerufene parasitäre Erkrankung der Leber, das hepatozelluläre Karzinom (HCC) der häufigste primäre Lebertumor. Das simultane Auftreten beider Erkrankungen ist sehr selten, ein kausaler Zusammenhang zwischen Echinokokkose und HCC wurde bisher nicht nachgewiesen.

Anamnese, klinische und bildgebende Befunde !

Ein 45-jähriger, aus Südosteuropa stammender Mann suchte wegen seit einem Tag bestehender Oberbauchschmerzen und Ikterus das Krankenhaus auf. Der Patient stammt aus Rahovec im Kosovo, etwa 30 Kilometer nördlich von Prizren. Seit etwa 20 Jahren lebt er in Österreich und arbeitet als Hilfslackierer. Anamnestisch ließ sich weder in seiner Jugend im Kosovo noch in Österreich engerer Kontakt zu Tieren erheben. Der Patient war fieberfrei und hatte nicht an Gewicht verloren. Palpatorisch war die Leber nicht vergrößert. Laborchemisch fanden sich deutlich erhöhte Transaminasen (GOT 350 U/l, GPT 594 U/l, γ-GT 1158 U/l, AP 420 U/l, Bilirubin ges. 3,4 mg/dl). Sonografisch kam im rechten Leberlappen in den Segmenten VI und VII eine 6 cm messende, teils zystische, teils inhomogene, echodichte Raumforderung zur Darstellung. Die Echinokokkenserologie war negativ, das Alpha-Fetoprotein (AFP) mit 2595 ng/ml deutlich erhöht. Serologisch bestand ein Zustand nach Hepatitis B, HBV-RNA konnte mittels PCR nicht nachgewiesen werden. Die Hepatitis-C-Serologie war negativ. Im CT wurde eine an die zystischen Komponente angrenzende, 3,7 cm große, " Abb. 1). Es wurde aufisodense Raumforderung beschrieben (● grund der zystischen Läsion der Verdacht einer Echinokokkose

ausgesprochen, weiters das gleichzeitige Vorliegen eines Lebertumors diskutiert.

Therapie und weiterer Verlauf !

Nach Einleitung einer anthelminthischen Therapie (Albendazol 400 mg 2 × tgl.) kam es zu einem massiven Anstieg der Cholestaseparameter (γ-GT 1479 U/l, AP 508 U/l, Bilirubin 8,3 mg/dl), weshalb die Behandlung nach 5 Tagen bei kontinuierlich steigenden Werten abgebrochen werden musste. Bei Verdacht auf das gleichzeitige Vorliegen einer serologisch negativen Echinokokkuszyste und eines HCC wurde im Dezember 2012 eine Leberteilresektion rechts durchgeführt. Makroskopisch wurden eine 6 cm haltende Echinokokkuszyste mit gallertigem Inhalt sowie daran angrenzende, knotige Tumoranteile beschrieben. Histologisch fand sich eine Echinokokkuszyste mit geschichteten Chitinmembranen und sklerosierter Wand. Zur Diagnosesicherung wurde Operationsmaterial an das Institut für Pathologie der Universitätsklinik in Ulm versendet. Histologisch fand sich eine fibrosierte Pseudozystenwand mit Fragmenten eines charakteristischen Lamellarkörpers von Echinococcus granulosus, welcher eine stark positive PAS-Färbung aufwies, sowie immunhistologisch negativ war für den Antikörper EM2G11 " Abb. 2). (● Der Tumor zeigte mikroskopisch großteils solide, teils trabekulär wachsende Formationen eines HCC mit venösen Gefäßeinbrüchen und perineuraler Tumorausbreitung. Das Tumorstadium war als UICC Stadium IIIa pT3b N0 R0 L0 V1 einzustufen. Bei vollständiger Zystektomie und Resektion des Karzinoms im Gesunden ergab sich nach Diskussion im Tumorboard keine Indikation zur Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie. Das AFP war bei der ersten Verlaufskontrolle im Jänner 2013 auf 50,8 ng/ml abgesunken. In einer Verlaufskontrolle im März 2013 wurde ein Anstieg des AFP bis auf 276 ng/ml verzeichnet. Im CT ergab sich kein eindeutiger Hinweis für ein Rezidiv. In einem CT im Mai 2013 fanden sich leider neu aufgetretene, multiple, knotige Frühanrei" Abb. 3). Das AFP war auf cherungen in der gesamten Leber (● über 20 000 ng/ml angestiegen. Bei Diagnose eines multizentrischen HCC wurde eine Therapie mit Sorafenib 800 mg tgl. begonnen.

Diskussion !

Abb. 1 Initiales CT mit Echinokokkuszyste und hepatozellulärem Karzinom (November 2012).

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Die zystische Erscheinungsform bei Echinokokkus granulosus ist wesentlich häufiger als die durch Echinokokkus multilocularis verursachte alveoläre Echinokokkose [1, 2]. Sonografisches Hauptmerkmal einer zystischen Echinokokkose ist die hyperechogene Zystenwand mit einer Doppelmembran [2, 3]. Die alveoläre Echinokokkose ist durch ein heterogeneres Bild im Ultraschall charakterisiert: Es finden sich sowohl solide, als auch zystische Anteile sowie hypoechogene Strukturen [4, 5] " Tab. 1, 2). Normalerweise bereitet die Diagnose einer zysti(● schen Echinokokkose im Ultraschall keine Probleme, da typische sonografische Merkmale oft nachweisbar sind [3]. Vor einem

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Kasuistik

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Tab. 1 WHO-Klassifikation der zystischen Echinokokkose und Stadiumgerechte Therapie [1, 4].

WHO-

Morphologie

Aktivität

Größe

Therapie

echogene Zyste mit Doppelmembran

aktiv

< 5 cm

Albendazol 1

> 5 cm

Albendazol 2 + PAIR

CE2

multiple Septen, rosettenartig

aktiv

jede Größe Albendazol2 + OP

CE3a

anhaftende Membranen

transitional

< 5 cm

Albendazol 1

> 5 cm

Albendazol 2 + PAIR

Stadium CE1

Abb. 3 CT-Verlaufskontrolle nach Operation mit multiplen, knotigen Frühanreicherungen (Mai 2013).

chirurgischen Eingriff ist eine ergänzende Diagnostik mittels CT angezeigt [6]. Bei der alveolären Echinokokkose kann die Diagnose mit bildgebenden Verfahren alleine schwierig sein [5]. Besonders die Vaskularisation einer alveolären Echinokokkose lässt sich mit Ultraschalltechniken nicht verlässlich darstellen [7]. In den meisten Fällen hilft eine serologische Testung weiter [8, 9]. Das HCC tritt bei Männern häufiger auf als bei Frauen [10]. Ein zirrhotischer Umbau der Leber geht unabhängig von der Genese ebenfalls mit einem deutlich erhöhten Risiko für ein HCC einher [11, 12]. Andere wesentliche Risikofaktoren sind eine chronische Hepatitis-B- und/oder -C-Infektion [13 – 16] – besonders bei hoher Viruslast [17] oder Zirrhose [11]. Die Diagnose eines HCC im Ultraschall kann aufgrund des Fehlens einer pathognomonischen Erscheinungsform [18] und besonders bei Leberzirrhose [19, 20] schwierig sein. Für eine verlässliche bildgebende Diagnostik des HCC ist in den meisten Fällen ein CT bzw. ein MR notwendig [21].

CE3b

vorwiegend soli- transitional de, Tochterzysten

jede Größe Albendazol 2 + OP

CE4

solider, heteroge- inaktiv ner Zysteninhalt

jede Größe Observanz

CE5

wie CE4, zusätzlich kalzifizierte Wand

jede Größe Observanz

inaktiv

PAIR: punctation, aspiration, injection, reaspiration. 1 Für 3 – 6 Monate 2 Für 1 Monat

Im Ultraschall war das Malignom bei unserem Patienten zunächst nicht eindeutig nachweisbar. Die Echinokokkenserologie war negativ, die Diagnose der zystischen Echinokokkose stützte sich in erster Linie auf den Ultraschall bzw. den CT-Befund. Wegweisend in der Diagnose des HCC waren AFP und CT. Aufgrund des zunehmenden Ikterus konnte keine 4-wöchige anthelminthische Therapie präoperativ erfolgen. Bei beiden Entitäten stellt die operative Entfernung der Läsionen die Therapie " Tab. 1, 3). Das chirurgische Vorgehen der Wahl dar [1, 22] (● war dringend notwendig, um dem gleichzeitig bestehenden Tumorverdacht nachgehen zu können. Abgesehen von den chronischen Hepatitis-B- und/oder -C- [14, 15, 23] und HIV-Infektionen (fast ausschließlich in Kombination mit chronischer Hepatitis B und C) [24, 25], sind zurzeit keine

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Abb. 2 Histologisches Präparat (Haematoxylin-Eosin-Färbung) der Läsion mit fibrosierter Pseudozystenwand (obere Bildhälfte) und Anteilen des breiten Lamellarkörpers von Echinococcus granulosus (untere Bildhälfte, gepunktete Linie). Insert; A1: Der Lamellarkörper ist stark PAS-positiv; A2: Er ist negativ in einer Immunhistologie mit dem Antikörper EM2G11; A3: Positivkontrolle für EM2G11 (spezifische Anfärbung eines Lamellarkörpers von Echinococcus multilocularis mit dem Antikörper).

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Tab. 2 PX

PNM-Klassifikation der alveolaren Echinokokkose [1]. primäre Läsion kann nicht beurteilt werden

P0

keine Läsion in der Leber nachweisbar

P1

periphere Läsion ohne Gefäß- oder Gallenwegsbeteiligung

P2

zentrale Läsion mit proximaler Gefäß- oder Gallenwegsbeteiligung eines Lappens

P3

zentrale Läsion mit hilärer Gefäß- oder Gallenwegsbeteiligung beider Lappen oder Befall zweier Lebervenen

P4

jede Läsion mit Ausbreitung entlang der Gefäße oder der Gallenwege

NX

Befall benachbarter Organe 1 nicht beurteilbar

N0

kein Befall benachbarter Organe

N1

Befall benachbarter Organe nachweisbar

MX

Fernmetastasierung 2 nicht genau evaluiert/beurteilbar

M0

keine Fernmetastasen

M1

Fernmetastasen nachweisbar

1

Benachbarte Organe: Zwerchfell, Lunge, Pleura, Perikard, Herz, Magen Duodenum, Nebenniere, regionale Lymphknoten, Ligameta der Leber, Niere. 2 Evaluierung mittels Röntgen-Thorax und Schädel-CT.

Tab. 3 Therapieoptionen beim hepatozellulären Karzinom nach Tumorstadium [23].

BCLC-

TNM-

Stadium

Stadium

Therapieoptionen

A1–A4, B

I–II

C

IIIa–IV

Sorafenib

D

IV

palliative Therapie

Leberteilresektion, TACE, RFA, Lebertransplantation

BCLC: Barcelona Clinic Liver Cancer, TACE: Transarterielle Chemoembolisation, RFA: Radiofrequenzablation.

weiteren Infektionskrankheiten bekannt, die mit einem erhöhten Risiko für ein HCC einhergehen. Es wurde in einer Reihe von Fallberichten über die Koexistenz eines HCC mit verschiedenen Infektionskrankheiten berichtet – darunter die Schistosomiasis [26, 27], das SEN-Virus [28, 29], das GB-C-Virus C [30] und das TT-Virus [31]. Auch ein Zusammenhang mit Helicobacter pylori wurde postuliert [32]. Eine statistisch signifikante Häufung der genannten Infektionen bei HCC-Patienten wurde bislang nicht nachgewiesen [11, 23]. Das gleichzeitige Auftreten eines HCC und einer Echinokokkuszyste ist eine Rarität [33 – 40]. Es wurden einzelne Fallberichte über die Koexistenz beider Entitäten veröffentlicht [34, 36 – 40]. Andererseits gab es Fälle, in denen entweder eine Echinokokkuszyste ein HCC maskierte [41, 42] oder eine maligner, zystischer Tumor wie eine Hydatidzyste imponierte [43, 44]. In einer Arbeit wird über einen Fall einer alveolären Echinokokkose der Leber berichtet, in dem klinisch und bildgebend ein HCC präoperativ nicht ausgeschlossen werden konnte, weshalb zur Diagnosesicherung eine Biopsie der Läsion vorgenommen wurde [45]. Bei 3 veröffentlichten Fällen über die Koexistenz eines HCC und einer Echinokokkose lag ein Malignom im Endstadium vor, oder es kam zu fatalen Komplikationen im Zusammenhang mit der Echinokokkose [34, 38, 40]. In 3 anderen Arbeiten wurde über die erfolgreiche chirurgische Resektion beider Läsionen berichtet [35 – 37]. Eine kurative Therapie war trotz Resektion der Läsion im Gesunden bei unserem Patienten leider nicht möglich – es kam innerhalb von 5 Monaten zu einem Rezidiv des HCC mit Befall der gesamten Leber.

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Ungewöhnlich war bei unserem Patienten die negative Echinokokkenserologie, das Fehlen einer gekammerten Zyste, sowie der gallertige Zysteninhalt. Abhängig von den verwendeten Tests (ELISA, indirekte Immunfluoreszenz, indirekte Hämagglutination, Western-Blot) lassen sich üblicherweise in 60 – 80 % der Fälle Antikörper gegen Echinococcus granulosus [1, 6], in über 80 % der Fälle Antikörper gegen Echinococcus multilocularis nachweisen [1, 9]. Zur Diagnosesicherung wurde Operationsmaterial an das Institut für Pathologie der Universitätsklinik in Ulm versendet. Histologisch zeigten sich typische, sehr breite, PAS-positive Fragmente eines Lamellarkörpers von Echinococcus granulosus, die charakteristisch für eine zystische Echinokokkose sind. Zusätzlich war die Läsion immunhistologisch negativ in einer Färbung mit dem Antikörper EM2G11. Dieser Antikörper ist spezifisch für ein Antigen von Echinococcus multilocularis. Eine negative Reaktion schließt folglich eine alveoläre Echinokokkose aus und unterstreicht die Diagnose einer zystischen Echinokokkose [46]. Bei unserem Patienten wurde ein HCC in einer nicht zirrhotischen Leber, bei fehlendem Hinweis für eine chronische Virushepatitis und in relativ jungem Lebensalter diagnostiziert. Die Echinokokkose als Ursache für ein HCC wurde von einigen Autoren in Erwägung gezogen [36, 37, 40]. Daten bez. der Echinokokkensubspezies waren nur bei 3 Arbeiten, in denen über das gleichzeitige Auftreten eines HCC und einer Echinokokkose berichtet wurde, verfügbar: In 2 Fällen wurde Echinococcus multilocularis nachgewiesen [35, 36], in einer Arbeit wurde ein positiver Nachweis für Echinococcus granulosus erbracht [40]. Aufgrund der geringen Fallzahlen ist eine verlässliche Aussage bez. eines Unterschieds in der onkogenen Potenz zwischen zystischer und alveolärer Echinokokkose nicht möglich. Besonders das diffuse Wachstumsmuster mit Bildung metastatischer Absiedelungen bei der alveolären Echinokokkose könnte theoretisch als ein begünstigender Faktor für die Entstehung oder Ausbreitung einer malignen Erkrankung angesehen werden. Bisher wurden jedoch kaum Daten bez. der karzinogenen Potenz der Echinokokkose veröffentlicht. Bei Patienten mit alveolärer Echinokokkose wurde eine Aktivierung des MAPK (mitogenactivated protein kinase) Signalweges nachgewiesen, was zu einer Proliferation von Hepatozyten führt [47]. Neben weiteren Mechanismen wird eine Aktivierung des MAPK-Signalweges auch bei der Karzinogenese bei chronischer Hepatitis-B-Infektion diskutiert [48] und scheint im Tiermodell auch eine Rolle in der Entstehung eines HCC zu spielen [49]. Zwischen Antigenen von Echinococcus granulosus und Antigenen bestimmter Tumortypen wurde eine strukturelle Ähnlichkeit nachgewiesen, die zu falsch positiven serologischen Testergebnissen für Echinokokken führt [50, 51]. In einzelnen Fallberichten wurde die Koexistenz einer pulmonalen Echinokokkose und maligner Tumoren beschrieben, wobei in den jeweiligen Arbeiten über unterschiedliche bösartige Erkrankungen berichtet wird und Daten bez. des Vorliegens einer zystischen oder alveolären Echinokokkose fehlen [52 – 54]. Eine signifikante Häufung von Fällen eines HCC bei vorbestehender Echinokokkose wurde bisher weder in Ländern mit niedriger Inzidenz [55] noch in Regionen mit höherer Erkrankungsdichte [56] beobachtet. Auch für ein vermehrtes Auftreten anderer maligner Erkrankungen im Zusammenhang mit einer Echinokokkose findet sich zurzeit kein Hinweis [55, 56]. Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Echinokokkose und dem HCC konnte somit bisher nicht nachgewiesen werden [11, 23].

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Institute 1 2 3 4 5

Innere Medizin V, Klinikum Wels-Grieskirchen, Grieskirchen Abteilung für Chirurgie II, Klinikum Wels-Grieskirchen, Wels Institut für Pathologie, Klinikum Wels-Grieskirchen, Wels Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Ulm Innere Medizin I, Klinikum Wels-Grieskirchen, Wels

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[Cystic echinococcosis and hepatocellular carcinoma--a coincidence? A case report].

The coincidence of echinococcosis and hepatocellular carcinoma (HCC) is quite rare. We report the case of a 45-year-old man who was admitted to our ho...
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