Nr. 27, 8. Juli 1977, 102. Jg.

Aktuelle Diagnostik

Pfannenstiel: Die heutige Stellung des Radiojod-Zweiphasentests

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Redaktion: Prof. Dr. H. Hornbostel, Hamburg Prof. Dr. W. Kaufmann, Köln Prof. Dr. W. Siegenthaler, Ziirich

Die heutige Ste!lung des

P. Pfannenstiel

Radiojod-Zweiphasentests

Fachbereich Nuklearmedizin der Deutschen Klinik far Diagnostik, Wiesbaden

Der Radiojod-Zweiphasentest, der die Aufnahme von 131J durch die Schilddriise bestimmt, ist die älteste und am weitesten verbreitete nuklearmedizinische In-vivoMethode. Obwohl schon 1971 eine Expertengruppe der Internationalen Atomenergiebehörde (7) feststellte, (lag heute die Schilddriisen-in-vitro-Tests wie T4-Test, T3Uptake-Test und andere besser als .Screening.-Verfahren für die Differentialdiagnose von Schilddriisenerkrankungen geeignet sind, ist in der Bundesrepublik immer noch eine Zunahme des Verbrauchs an 131J-Kapseln fiir den Radiojod-Zweiphasentest zu verzeichnen (6). Das mag drei Grande haben: 1. Bevorzugung der 131J-Kapseln als Darreichungsform. 2. Bestimmten Anwendungsgruppen stehen die modernen Laboratoriumsrnethoden noch nicht zur Verfiigung. 3. Die neuen, den Radiojod-Zweiphasentest weitgehend ersetzenden In-vitro-Verfahren werden neben dem Radiojod-Zweiphasentest und nicht statt seiner durchgefiihrt.

Vor allem aus folgenden Griinden sollte der RadiojodZweiphasentest aus seinem zentralen Platz in der Funktionsdiagnostik der Schilddrüse verdrängt werden (5): Strahlenbelastung der Patientenschilddriise von 100 bis 150 rd, groger Zeitaufwand für Patient und Untersucher (2 bis 3 Tage), hohe Kosten (Arbeitsausfall bei langer Untersuchungsdauer), zahlreiche Interpretationsschwierigkeiten (unbekannter endogener Jod-Pool) und Fehlerquellen ( Jodmangel, Jodprämedikation), etwa 90% der Schilddriisenfunktionsstörungen können heute ohne Radiojod-Zweiphasentest geklärt werden. Gerade zugunsten des letztgenannten positiven Arguments mehren sich in letzter Zeit Erfahrungsberichte (2-5). Unseres Erachtens ergeben sich heute nur noch folgende Indikationen für den Radiojod-Zweiphasentest (1, 5): 1. Schilddriisensuppressionstest: Manchmal ist die Diagnose einer Hyperthyreose aufgrund der peripheren Schilddriisenhormonparameter und des TRH-Tests zweifelhaft. Auch ein zusätzlich durchgefiihrter Radiojod-Zweiphasentest bringt nicht immer die gewiinschte Klärung der Diagnose. In solchen Fallen ist es wertvoll, die Radiojodaufnahme der Schilddrüse nach Suppression der thyreotropen Aktivität durch kurzfristige hochdosierte Gabe von Schilddrüsenhormonen zu überprii-

fen. Bei Hyperthyreosen und autonomen Schilddriisenadenomen wird die von dem Regelkreis Hypophyse Schilddriise unabhängige Radiojodaufnahme der Schilddriise in diesen Fällen nicht supprimiert, während bei Euthyreose die Speicherwerte im Wiederholungstest 20% und mehr unterhalb der Vergleichswerte liegen. Schilddriisenstimulationstest: Dieser Test war friiher sehr wertvoll zur Differenzierung von primärer und sekundärer Hypothyreose. Er hat an Bedeutung verloren, seitdem die Möglichkeit besteht, TSH radioimmunologisch zu bestimmen. Heute ist er nur noch wichtig zum szintigraphischen Nachweis autonomer Schilddriisenadenome, wenn das paranoduläre Schilddriisengewebe im Szintigramm nicht zur Darstellung kommt. Allerdings kann in diesen Fällen die ausschliegliche Schilddriisenszintigraphie mit 99Ten-Pertechnetat durchgeführt werden. Darüber hinaus ist nur selten die Gabe von bovinem TSH zur Stimulation der Radioindikatoraufnahme im paranodulären Schilddriisengewebe erforderlich, da durch eine hochempfindliche Einstellung des Szintigraphiegerätes im allgemeinen auch die unterdriickte Aufnahme des Radioindikators in den

nicht der Autonomie unterliegenden Thyreozyten szintigraphisch nachgewiesen werden kann. Bestimmung einer therapeutischen 131J-Dosis: Wenn bei hyperthyreoter oder auch blander Struma eine Radiojodbehandlung geplant ist, ist die Bestimmung der thyreoidalen Radiojodaufnahme zur Berechnung der therapeutischen 131J-Dosis in einem Vortest erforderlich. Schilddriisendepletionstest: Dieser Test ist wichtig fiir den Nachweis bestimmter Formen von Jodfehlverwertung, hat aber fiir die Klinik ebenfalls eine untergeordnete Bedeutung, da sich die Behandlung der Jodfehlverwertung, die immer mit einer Hypothyreose einhergeht, nicht von derjenigen einer hormonellen Minderleistung der Schilddrüse anderer Genese unterscheidet. Da der Radiojod-Zweiphasentest lediglich Auskunft iiber die Dynamik des thyreoidalen Jodumsatzes, nicht aber über die Quantität der Schilddriisenhormoninkretion gibt, ist er ohnehin immer mit den In-vitro-Verfahren zu kombinieren, die die Serumspiegel der zirkulierenden Schilddrüsenhormone erfassen. Die am 1. 4. 1977 in Kraft getretene novellierte Strahlenschutzverordnung (8) dürfte dazu beitragen, die Anwendung von 139 fiir den Radiojod-Zweiphasentest in der Bundesrepublik ähnlich wie in anderen Ländern (3) erheblich einzuschränken.

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Prof. Dr. P. Pfannenstiel Fachbereich Nuklearmedizin, Deutsche Klinik für Diagnostik 6200 Wiesbaden, Aukammallee 33

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Literatur

Deutsche Medizinische Wochenschrift

[Current position of the radioiodine two-phase test].

Nr. 27, 8. Juli 1977, 102. Jg. Aktuelle Diagnostik Pfannenstiel: Die heutige Stellung des Radiojod-Zweiphasentests 1001 Redaktion: Prof. Dr. H. Ho...
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