Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2013) 107, 523—527

Online verfügbar unter www.sciencedirect.com

ScienceDirect journal homepage: http://journals.elsevier.de/zefq

SCHWERPUNKT

Aktuelle Herausforderungen der externen Qualitätssicherung im deutschen Gesundheitswesen Current challenges of external quality assurance in the German healthcare system Gerald Willms 1, Anke Bramesfeld 1,2,∗, Karen Pottkämper 1, Björn Broge 1, Joachim Szecsenyi 1,3 1

AQUA - Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Göttingen Abteilung Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssysstemforschung, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover 3 Abteilung Allgemeinmedizin u. Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg 2

Eingegangen/submitted 17. Juni 2013; überarbeitet/revised 2. Oktober 2013; akzeptiert/accepted 2. Oktober 2013

SCHLÜSSELWÖRTER Qualitätsverbesserung Qualitätsmessung; Indikatoren; Gesundheitsversorgung; Gesundheitssystem

KEYWORDS Quality assurance;



Zusammenfassung Das wesentliche Ziel der externen Qualitätssicherung der Gegenwart ist es, medizinische und pflegerische Leistungen von Einrichtungen des Gesundheitswesens vergleichbar zu machen, Erkenntnisse über Qualitätspotenziale (Qualitätsziele und -defizite) der Leistungserbringer systematisch zu identifizieren und die Einleitung von Qualitätsverbesserungsmaßnahmen zu unterstützen. Der folgende Beitrag reflektiert die drei maßgeblichen perspektivischen Entwicklungen der externen Qualitätssicherung in den letzten fünf Jahren sowie die damit einhergehenden Herausforderungen. Dies betrifft die Einführung einer sektorenübergreifenden Qualitätssicherung, das Erschließen neuer Datenquellen und eine frühzeitige Fokussierung der Qualitätssicherung auf Qualitätspotenziale und Umsetzbarkeit. Summary External quality assurance has three main aims: to make service provision in medicine and nursing comparable, to systematically identify deficits in service quality and to support the introduction of measures for quality improvement. This article reflects on three major developments in mandatory external quality assurance in the German healthcare system that

Korrespondenzadresse: PD Dr. med. Anke Bramesfeld, MPH, AQUA - Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Maschmühlenweg 8-10, 37073 Göttingen, Tel.: +49 551 789 52 273 E-Mail: [email protected] (A. Bramesfeld).

1865-9217/$ – see front matter http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2013.10.015

524 quality improvement; quality assessment; quality targets; Germany; indicators; health services; healthcare system

G. Willms et al. took place during the last five years. These developments include the implementation of crosssectoral quality assurance, the utilisation of new data sources and a new focus on quality deficits and practicability. The article highlights the challenges that come along with these developments.

Hintergrund Freiwillige Maßnahmen der modernen ,,externen‘‘, d.h. der auf Vergleich von Leistungen oder Einrichtungen abzielenden Qualitätssicherung im Gesundheitswesen, existieren seit Mitte der 1970er Jahre (Perinatalerhebung in Bayern). Mit dem Inkrafttreten des Gesundheitsreformgesetzes und der Formulierung des § 137 SGB V lässt sich ab 1989 von einer bundesweiten gesetzlichen Verpflichtung zur Qualitätssicherung sprechen, die zunächst nur Krankenhäuser betraf und deren Ausgestaltung den Leistungserbringern bzw. den Institutionen der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen vorbehalten blieb. Mit dem Gesundheitsstrukturgesetz von 1993 und dem am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen § 135a SGB V sind alle Leistungserbringer zur Teilnahme an Maßnahmen der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung verpflichtet. Soweit es die Krankenhäuser betrifft, mussten diese, beginnend mit dem Jahr 2001, Qualitätsdaten für insgesamt 31 medizinische und pflegerische Leistungsbereiche erheben und für eine vergleichende Auswertung auf Bundesebene zur Verfügung stellen. Mit dem Erlass des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) von 2007 und der Neuformulierung des § 137 SGB V im Jahre 2008 sollten die Richtlinien und Beschlüsse der Qualitätssicherung sektorenübergreifend ausgerichtet sein und allein vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erlassen werden; seit der revidierten Fassung des Gesetzes (2009) ist dies konkretisiert als ,,grundsätzlich einheitlich für alle Patienten‘‘. Der 2004 errichtete G-BA übernahm damit in Bezug auf die externe (stationäre) Qualitätssicherung die Funktion des im Jahre 2000 von den seinerzeitigen Partnern der Selbstverwaltung (Spitzenverbände der Krankenkassen, Deutsche Krankenhausgesellschaft, Bundesärztekammer, Deutscher Pflegerat) gegründeten Bundeskuratorium Qualitätssicherung. Die inhaltliche und technische Umsetzung sowie die Koordination der bundesweiten externen Qualitätssicherung oblag von 2001 bis 2008 der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS), einer von den genannten Partnern der Selbstverwaltung eigens zu diesem Zweck ins Leben gerufen gemeinnützigen GmbH. Seit dem GKV-WSG und der mit § 137a SGB V eingeführten Orientierung der Neuentwicklung von sektorenübergreifend angelegten QS-Verfahren sowie der Entscheidung des GBA, eine unabhängige wissenschaftliche Institution mit der externen Qualitätssicherung zu betrauen — im Oktober 2009 hat das Göttinger AQUA-Institut diese Aufgabe übernommen — hat sich die externe Qualitätssicherung nochmals erheblich weiterentwickelt. Die Neuorientierungen der letzten fünf Jahre betreffen vor allem drei Aspekte:

• den Wechsel von der sektorspezifischen (stationären) zur sektorenübergreifenden Sichtweise • das Erschließen neuer Datenquellen für die Qualitätssicherung • die frühzeitige Fokussierung auf Qualitätspotenziale und Umsetzbarkeit Die sektorenübergreifende Orientierung der Qualitätssicherung ist aufgrund der Versorgungsrealität schlicht unvermeidbar. Die beiden anderen Neuorientierungen basieren auf den Erfahrungen der letzten Jahre, und sie zielen auf die allgemein geforderte Dokumentationsentlastung der Leistungserbringer sowie eine verbesserte Umsetzbarkeit neuer QS-Verfahren ab, um damit letztlich eine allgemeine Akzeptanzerhöhung der Qualitätssicherung bei allen Beteiligten zu bewirken.

Die sektorenübergreifende Perspektive Seit 2007 bestimmt der § 137a SGB V, dass die ,,Verfahren zur Messung und Darstellung der Versorgungsqualität für die Durchführung der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung [. . .] möglichst sektorenübergreifend anzulegen sind.‘‘ Das Ausweiten der Qualitätssicherungsperspektive über die stationäre Versorgung hinaus ist eine konsequente Antwort auf die Entwicklungen in der deutschen Versorgungslandschaft — und sie entspricht überdies den Forderungen der deutschen Ärzteschaft nach längsschnittlichen Qualitätsbetrachtungen [1]. Gesundheitsleistungen, die noch vor 10 oder 15 Jahren ausschließlich stationär erbracht wurden, werden zunehmend auch ambulant oder sowohl ambulant als auch stationär durchgeführt. Zwischen 2001 und 2011 hat sich die Anzahl der ambulant durchgeführten Operationen von 326.000 auf über 1,8 Millionen fast versechsfacht. Gleichzeitig haben sich die Verweildauern im Krankenhaus dramatisch verkürzt: 2010 betrug die durchschnittliche Verweildauer nur noch 7,9 Tage, 1991 waren es noch 14 [2]. Die insgesamt älter werdende Gesellschaft erhöht die Bedeutung von Multimorbidität, wodurch sich auch die Versorgung immer komplexer gestaltet. Einer zunehmend ambulanten Versorgung steht andererseits eine ebenso zunehmende Spezialisierung der Versorgung gegenüber. Dies verlangt eine gute Koordination von immer mehr involvierten Leistungserbringern über die Sektorengrenzen hinaus. Das Schaffen von Kontinuität in der Versorgung von Patienten wird zu einem eigenständigen Qualitätsmerkmal [3,4]. Vor diesem Hintergrund ist es eine logische Konsequenz auch die Qualitätssicherung sektorenübergreifend auszurichten. Bei der Entwicklung einer sektorenübergreifenden Qualitätssicherung für ein sehr strikt sektoriertes

Aktuelle Herausforderungen der externen Qualitätssicherung im deutschen Gesundheitswesen Gesundheitssystem wie das deutsche zeigt sich allerdings, dass die Abbildung von Behandlungsverläufen bzw. von Patienten über Zeiträume, Einrichtungen und Sektoren hinweg auf große, vor allem datenflusstechnische und rechtliche Schwierigkeiten stößt: • Für die Qualitätssicherung im ambulanten Bereich besteht zunächst das Problem der Fallauslösung. Diese lässt sich unter anderem aufgrund der unterschiedlichen Kodierpraxis in der ambulanten Versorgung nur schwer implementieren. Im selektivvertraglichen ambulanten Bereich ist diese Problematik noch verstärkt, weil die Abrechnungssystematik von Vertrag zu Vertrag unterschiedlich sein kann. • Für nachbehandelnde Leistungserbringer ist zumeist nicht erkennbar, ob es sich um Patienten handelt, für die ein weiterer Behandlungsverlauf im Rahmen eines Qualitätssicherungsverfahrens dokumentiert werden soll. Vorliegende Lösungsvorschläge, wie beispielsweise die Einführung eines ,,QS-Markers‘‘ auf der elektronischen Gesundheitskarte [5], haben sich aus mehreren Gründen als gegenwärtig nicht umsetzbar erwiesen. • Wenn man Behandlungsverläufe von Patienten über längere Zeiträume oder mehrere Leistungserbringer hinweg erfassen will, muss man Fall- und Patientendaten zusammenführen. D.h.: Patienten müssen für die Qualitätssicherung identifizierbar gemacht werden, ohne dass dabei datenschutzrechtliche Vorgaben verletzt werden. Das hierzu erforderliche Prozedere der technischen Verund Entschlüsslung von patientenidentifizierenden Daten (PID) sowie die Verlängerung des Datenweges über eine neu eingerichtete Vertrauensstelle sind Prozesse von enormer Komplexität, die alle Beteiligten noch immer vor große Herausforderungen stellen. • Sektorenübergreifende Daten können theoretisch — auch über längere Zeiträume und unterschiedliche Leistungserbringer hinweg — mit Sozialdaten bei den Krankenkassen abgebildet werden. Mit ihnen lassen sich zumindest abrechnungsrelevante Prozesse und einige Ergebnisse der Versorgung sektorenübergreifend abbilden. Allerdings lassen sich QS-Verfahren dann nicht mehr prinzipiell nach der Logik eines Versorgungspfades konstruieren, sondern für jedes Thema ist eine spezifische Prüfung erforderlich, welche der für Abrechnungszwecke erhobenen Daten für die Qualitätssicherung überhaupt sinnvoll nutzbar sind. Außerdem sind diese Daten gegenwärtig nur für Patienten verfügbar, die gesetzlich krankenversichert sind. Die sektorenübergreifende Qualitätsmessung wirft nicht zuletzt neue Fragen hinsichtlich der Zuordnung von Verantwortlichkeiten für Ergebnisse auf. Die kurzfristige Prozessqualität (z.B. einer Operation) ist zumeist eindeutig einem Leistungserbringer, der diesen Prozess durchführt, zuordenbar. Dagegen ist die Ergebnisqualität von eher langfristigen Heilungsverläufen oft das Produkt des Zusammenspiels von mehreren Leistungserbringern, oft sogar von stationären und ambulanten Einrichtungen. Hier stellt die Zuordnung der Verantwortung zu Ergebnissen eine große Herausforderung dar. Eine Alternative ist die Auswertung solcher Ergebnisse mit Blick auf (regionale) Versorgungszusammenhänge. Aber auch hier stellt sich die Frage nach dem richtigen Adressaten der Rückmeldung von Ergebnissen.

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Diese Frage bekommt insbesondere bei den sich Entwicklung befindlichen Verfahren zur Qualitätssicherung der Versorgung bei psychischen Erkrankungen Relevanz. Hier sind an der Versorgung schwerer und schwerster Verläufe psychischer Erkrankungen — wie bei der Versorgung aller chronischen Erkrankungen — gleich mehrere ambulante Leistungserbringer beteiligt.

Neue Datenquellen für die Qualitätssicherung: Eine allein auf der Dokumentation der Leistungserbringer basierende Qualitätssicherung greift letztlich zu kurz. Zum einen findet dabei die gesetzlich gewünschte Beurteilung der Ergebnisqualität aus Patientensicht kaum Beachtung, zum anderen wird die hohe Dokumentationslast der Leistungserbringer beklagt. Darüber hinaus erweist sich die Einführung einer gesonderten QS-Dokumentation im ambulanten Bereich für die meisten Fälle als bei Weitem zu aufwendig, als dass eine solche Vorgehensweise gesundheitspolitisch durchsetzbar wäre. Dementsprechend wird für die externe Qualitätssicherung neben der klassischen QS-Dokumentation durch die Leistungserbringer in Zukunft verstärkt die Nutzung von Patientenbefragungen und von Routinedaten in Betracht gezogen. Eine Möglichkeit zur Verringerung des Dokumentationsaufwandes ist es, so viele Informationen wie möglich aus Routinedaten zu gewinnen. Das kann z.B. für den stationären Bereich bedeuten, QS-Daten direkt aus den elektronischen Krankenhausinformationssystemen (KIS) zu beziehen. Dies wurde nun erstmals im Rahmen der Qualitätssicherung der Pflege, d.h. der Dekubitusprophylaxe verwirklicht: Seit 2013 erfolgt die Dokumentation hier fast ausschließlich auf Basis der Abrechnungsdaten der Krankenhäuser bzw. der KISDaten. Die besondere Herausforderung in der Entwicklung dieses Erhebungsinstrumentes war es, die verschiedenen KIS-Softwares in Bezug auf die relevante Dokumentation aufeinander abzustimmen. Allerdings handelt es sich hierbei um Datenerhebungen im stationären Sektor, d.h. ebenso wie bei der Nutzung der Daten nach § 21 Krankenhausentgeltgesetz, sind sektorenübergreifende Verläufe damit nicht abzubilden. Mit der Neuformulierung des § 299 SGB V stehen seit 2012 theoretisch auch die bei den Krankenkassen vorliegenden Sozialdaten für die externe Qualitätssicherung zur Verfügung. Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten einer sektorenübergreifenden und aufwandsarmen Qualitätssicherung, zumal hier auch ambulante Abrechnungsdaten enthalten sind. Allerdings können die Sozialdaten nur die Qualität der medizinischen Versorgung von GKV-Versicherten abbilden. Nach derzeitiger Rechtslage bleiben damit die gut 10 Prozent privat versicherten Patienten außerhalb der Qualitätssicherung. Während dies bei Massenverfahren wie der Cholezystektomie (zumindest statistisch) als weniger relevant scheint, ist das Fehlen von Informationen bei seltenen Verfahren, wie den Transplantationen, von größerer Bedeutung. Aber auch wenn die Sozialdaten sektorenübergreifende Informationen enthalten, wird dadurch das Problem uneinheitlicher Kodierrichtlinien für Diagnosen nicht gelöst. Auch regionale Sonderverträge und andere Regelungen, die die

526 Kodierpraxis des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) durchbrechen, erschweren die Nutzung von Sozialdaten für eine aussagekräftige Qualitätssicherung [5]. Zuletzt ergibt sich bei der Nutzung von Sozialdaten eine besondere Herausforderung mit dem Zusammenführen der Daten aller Krankenkassen für eine flächendeckende Qualitätssicherung. Gegenüber der etablierten Methode aus der Versorgungsforschung, in der Daten üblicherweise von nur einer Kasse ausgewertet werden, stellen sich hier wesentlich größere logistische und technische Aufgaben. Patientenbefragungen sind eine sinnvolle Ergänzung der für die externe Qualitätssicherung verfügbaren Erhebungsinstrumente. Sie sind letztlich die einzige Informationsquelle zur Beurteilung der Qualität von Behandlungsergebnissen aus Patientensicht. Gerade in Bezug auf diese Ergebnisse können dann ggf. auch Rückschlüsse auf eine angemessene Indikationsstellung gezogen werden. Abgesehen von den themenspezifischen Inhalten, ist es allerdings ein bisher ungeklärtes Problem wie, zu welchem Zeitpunkt und durch wen die Fragebögen einer Patientenbefragung an die Patienten verteilt und wieder eingesammelt werden sollen. Dabei sind die Hürden weniger technischer, sondern eher ordnungspolitischer Natur. Mit anderen Worten: Hier fehlt derzeit eine eindeutige rechtliche Grundlage für das Durchführen von Patientenbefragungen im Rahmen der gesetzlichen Qualitätssicherung.

Frühzeitige Fokussierung auf Qualitätspotenziale und Umsetzbarkeit Die externe stationäre Qualitätssicherung hatte bisher — vereinfacht gesagt — den Anspruch, die Qualität bestimmter Behandlungsprozesse an einem Patienten während eines Krankenhausaufenthaltes komplett abzubilden. Die sektorenübergreifende Qualitätssicherung ist im Grunde mit dem gleichen Anspruch gestartet, nämlich die Qualität entlang eines gesamten Behandlungsverlaufs bzw. der gesamten Versorgungskette abbilden zu wollen. Faktisch ist das sektorenübergreifende Versorgungsgeschehen aber so komplex, dass sich dieser Anspruch nicht 1:1 übertragen lässt. So werden z.B. beim Kolorektalen Karzinom die Diagnose und die Indikation oft ambulant gestellt, der operative Eingriff wird stationär durchgeführt, eine Chemotherapie wird meistens auf einer anderen Station im Krankenhaus begonnen, dann eventuell ambulant weitergeführt, ggf. werden Ergebnisse abschließend wieder stationär überprüft, bevor ein Patient möglicherweise eine Rehabilitation beginnt — und damit den Regelungsbereich des SGB V bzw. der GKV verlässt. Angesichts der Versorgungsrealität und unter den Prämissen der allseits gewünschten Verringerung des Dokumentationsaufwandes sowie den nicht immer flexiblen realpolitischen Rahmenbedingungen, scheint also die Vorstellung einer Qualitätssicherung, die den gesamten Versorgungsprozess in den Blick nimmt, äußerst schwer realisierbar. Aus den genannten Gründen müssen sektorenübergreifende QS-Verfahren von Beginn an auf Qualitätspotenziale und die Umsetzbarkeit von Indikatoren fokussieren. Und dafür muss der typische Entwicklungsprozess von Indikatoren und Instrumenten für ein QS-Verfahren weiter ,,hinten‘‘

G. Willms et al. beginnen. Einerseits weil solche Potenziale bereits vor dem Beginn einer aufwendigen Entwicklung ausgelotet werden müssen, andererseits weil angesichts der zahlreichen Leistungserbringer und der neuen Datenquellen auch erste Einschätzungen der Umsetzbarkeit frühzeitig vorliegen sollten. Dies gilt umso mehr, da nicht alle Prozesse und Ergebnisse mittels Routinedaten abbildbar sind; häufig ist die Dokumentation durch Leistungserbringer unverzichtbar. Schließlich sollte auch die Einbeziehung der Patientenperspektive zur Beurteilung der langfristigen Ergebnisqualität, vor allem in den für Patienten relevanten Parametern wie Lebensqualität und Schmerzfreiheit, ein unverzichtbarer Bestandteil der zu entwickelnden Qualitätssicherung sein. Letztlich geht es darum, Indikatoren so zu platzieren, dass sie vor allem die umsetzbaren Qualitätspotenziale (Qualitätsziele und vermutete Qualitätsdefizite) der Versorgungskette in den Blick nehmen. Und zur Umsetzung dieser Indikatoren sollten die jeweils am besten geeigneten und aufwandärmsten Erhebungsinstrumente ausgewählt werden. Dieser ,,problemorientierten‘‘ und auf Umsetzbarkeit gerichteten QS-Perspektive[1] wird im Methodenpapier 3.0 des AQUA-Instituts breiter Raum eingeräumt [5]. Diese Perspektive kam teilweise bereits bei der Entwicklung der Indikatoren und Instrumente für das QS-Verfahren zur Vermeidung nosokomialer Infektionen: Postoperative Wundinfektionen zur Anwendung. In der im Jahr 2013 erfolgten Beauftragung des Instituts zur Indikatorenentwicklung für ein sektorenübergreifendes Qualitätssicherungsverfahren zur Arthroskopie am Kniegelenk werden zahlreiche Aspekte dieser Neuorientierung vom G-BA bereits im Auftragstext festgehalten. Mit der Fokussierung der Qualitätsmessung auf Qualitätsziele und ausgewählte bzw. vermutete Qualitätsdefizite rückt im Übrigen auch die Perspektive der Qualitätsförderung wieder mehr in den Vordergrund [5,6]. Unabhängig von möglichen kritischen Stimmen zur indikatorengestützten Qualitätssicherung [7], wird man sich auf einer übergeordneten Betrachtungsebene kaum der Tatsache verschließen können, dass nur eine externe Qualitätssicherung geeignet ist, systematisch und vergleichend die Qualitätspotenziale in der medizinischen Versorgung auszuloten.

Fazit und Ausblick Angesichts der Herausforderung, die allein eine Fallauslösung im ambulanten Bereich darstellt oder der Probleme, die schon ein einfaches stationäres Follow-up mit sich bringt — wie z.B. der Dokumentation der Mortalität nach einer Entlassung aus der stationären Versorgung — und den noch offenen datenschutzrechtlichen Fragen, die sich bei der Implementierung von Patientenbefragungen für die externe Qualitätssicherung ergeben, liegt fraglos noch immer ein weiter Weg vor allen Beteiligten. Auch wenn sich die grundlegenden Bedingungen einer indikatorengestützten externen Qualitätssicherung, die ihre Position im spannungsreichen Feld von evidenzbasierter Medizin, widerstreitenden gesundheitspolitischen Interessen und gesundheitsökonomischen Erwägungen behaupten muss [8], insgesamt nicht geändert haben, ist dennoch festzustellen, dass die Qualitätssicherung im deutschen

Aktuelle Herausforderungen der externen Qualitätssicherung im deutschen Gesundheitswesen Gesundheitswesen in den letzten Jahren trotz der erheblichen inhaltlichen und strukturellen Neuorientierungen, ein gutes Stück vorangekommen ist. Und dies nicht zuletzt deswegen, weil viel Arbeit in die Weiterentwicklung der bestehenden, d.h. der externen stationären Qualitätssicherung investiert worden ist. Auf der Seite der Errungenschaften steht beispielsweise, dass die derzeit 30 Leistungsbereiche der stationären Versorgung sowie die Qualitätssicherung der Dialyse in der ambulanten Versorgung mittlerweile flächendeckend etabliert sind. In Zusammenarbeit mit den Landes- und Bundesfachgruppen pflegt das AQUA-Institut die Leistungsbereiche der externen stationären Qualitätssicherung kontinuierlich und entwickelt diese sukzessive weiter. Gute Beispiele für effiziente und erfolgreiche Weiterentwicklungen sind z.B. der bereits erwähnte Leistungsbereich der Dekubitusprophylaxe mit der Umstellung der Datenerhebung auf Routinedaten — und damit einer immensen Einsparung des Dokumentationsaufwandes — oder auch die zügige Anpassung der Indikatoren des Leistungsbereichs Mammachirurgie an die neue S3-Leitlinie. Eine große methodische Herausforderung im Umgang mit den zur Qualitätssicherung erhobenen Daten ist ihre Interpretation vor dem Hintergrund des unterschiedlichen Risikoprofils der versorgten Patienten. Auch hier wurden neue Wege beschritten und die Methoden weiterentwickelt. Waren zum Zeitpunkt der Beauftragung des AQUA-Institut durch den G-BA im Jahr 2009 lediglich 4 Prozent der Indikatoren der QS-Verfahren auf der Basis von logistischen Regressionen risikoadjustiert, so trifft dies mittlerweile auf ca. 20 Prozent der Indikatoren zu [9]. Mit den großen Fortschritten bei der Risikoadjustierung können auch immer mehr Indikatoren als ,,zur Veröffentlichung geeignet‘‘ eingeschätzt werden: Waren für das Erfassungsjahr 2008 lediglich 26 Indikatoren veröffentlichungspflichtig, so waren es für 2012 bereits 289. Um dem seit Langem bekannten Problem kleiner Fallzahlen, dem damit einhergehenden Problem statistisch unzuverlässiger Messergebnisse und darin letztlich begründeter ,,schwacher‘‘ Qualitätsaussagen einzelner Indikatoren zu begegnen, wurden zahlreiche Lösungsansätze entwickelt. Dazu gehören Konzepte zur Auswertung längerer Zeiträume bzw. mehrerer Erfassungsjahre und das Betrachten von geografischen Einheiten bzw. Regionen [5]. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Möglichkeit der Indexbildung, d.h. die Zusammenfassung mehrerer Indikatoren zu einem Index, die bereits im Leistungsbereich Neonatologie eingeführt wurde. Mit der Neuausrichtung der externen Qualitätssicherung auf sektorenübergreifende Zusammenhänge wird ein weltweit bisher beispielloser Weg beschritten. Hier wird von allen Beteiligten Pionierarbeit auf den unterschiedlichsten Ebenen geleistet. Sowohl der G-BA als auch das AQUA-Institut — und viele andere an der externen

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Qualitätssicherung beteiligte Institutionen — befinden sich dabei in einem Prozess des dynamischen Lernens, und es ist kein Geheimnis, dass alle Seiten hier immer wieder auch Rückschläge einstecken müssen. Allerdings wird man sich nicht der Erkenntnis verschließen können, dass es angesichts der Versorgungsrealität zur Entwicklung einer sektorenübergreifenden Qualitätssicherung keine Alternative gibt. Gleichwohl wird man auch die gesundheitspolitischen Interessen und Zielsetzungen sowie die ökonomischen Rahmenbedingungen nicht außer Acht lassen können, wenn man langfristig eine möglichst breite Akzeptanz der externen Qualitätssicherung bei allen Beteiligten des Gesundheitswesens erreichen will.

Interessenkonflikt Alle Autoren sind Mitarbeiter des AQUA-Instituts GmbH.

Literatur [1] Klakow-Franck R. Thesenpapier: Qualitätssicherung im Vergleich ambulant — stationär. Symposium der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht e.V. am 25.04.2013: ,,Qualitätssicherung: Gewährleistung eines hohen Versorgungsniveaus innerhalb der Versorgungsbereiche und sektorenübergreifend‘‘. [www.dgkassenarztrecht.de/Veroeffentlichungen/Thesenpapiere 201304/Klakow-Franck Thesenpapier 250413.pdf; Zugriff am 6.9.2013]. [2] Bölt U, Graf T. 20 Jahre Krankenhausstatistik. Wirtschaft und Statistik 2012;(2):112—38. [3] Hermann R, Mattke S, the Members of the OECD Mental Health Care Panel. Selecting Indicators for the Quality of Mental Health Care at the Health Systems Level in OECD Countries. OECD Health Technical Papers: Organisation for Economic Cooperation and Development; 2004. [4] Hofmarcher M, Oxley H, Rusticelli E. Improving Health System Performance through better Care Coordination. Paris: OECD; 2007. [5] AQUA. Methodenpapier 3.0. Göttingen: AQUA —– Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen. 2013. [https://www.sqg.de/ hintergrund/methodenpapier; Zugriff am 6.9.2013]. [6] Szecsenyi Jua. Tearing down walls: opening the border between hospital and ambulatory care for quality improvement in Germany. International Journal for Quality in Health Care 2012;(2):101—4. [7] Kötter T, Schäfer F, Blozik E, Scherer M. Die Entwicklung von Qualitätsindikatoren — Hintergrund, Methoden und Probleme. Zeitschrift für Evidenz. Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen 2013;(1):7—12. [8] Scherer M, Veit C. Die Kunst der Qualitätsmessung. Zeitschrift für Evidenz. Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen 2013;(1):5—6. [9] AQUA-Institut. Qualitätsreport 2012. Göttingen: AQUA —– Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen; 2013.

[Current challenges of external quality assurance in the German healthcare system].

External quality assurance has three main aims: to make service provision in medicine and nursing comparable, to systematically identify deficits in s...
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