Leserbriefe Ophthalmologe 2015 · 112:603–604 DOI 10.1007/s00347-015-0094-7 Online publiziert: 4. Juli 2015 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

J. Heichel · H.G. Struck Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Universitätsklinikum Halle (Saale), Halle (Saale), Deutschland

Aktuelle Aspekte zur Behandlung der konnatalen Dakryostenose Leserbrief zu: Avgitidou G, Koch KR, Cursiefen C et al (2015) Aktuelle Aspekte zur Lid-, Tränenwegsund Orbitachirurgie im Kindesalter. Ophthalmologe 112(2):102–109. doi:10.1007/ s00347-014-3054-8

Mit großem Interesse haben wir den Artikel „Aktuelle Aspekte zur Lid-, Tränenwegs- und Orbitachirurgie im Kindesalter“ von Avgitidou et al. [1] gelesen. Die Autoren gehen dabei auf das Stufenkonzept zur Behandlung von Erkrankungen der ableitenden Tränenwege (TNW) im Kindesalter ein. Hier werden konservative Ansätze (topische Antibiotika, Tränensackmassage), Spülbehandlungen in Lokalanästhesie und Narkose mit und ohne Einsatz von Silikonstützmaterial sowie die transkutane Dakryozystorhinostomie (DZR) benannt. Einschränkend wird darauf hingewiesen, dass eine DZR möglichst nicht vor dem 4. Lebensjahr durchzuführen ist. Des Weiteren wird von „offenen Tränenwegsoperationen“ gesprochen, die nicht vor dem 13. Lebensjahr durchgeführt werden sollten [1]. Zunächst erscheint uns wichtig, klar darauf hinzuweisen, dass eine Operationsindikation bei Kindern im Vergleich zu erwachsenen Patienten dem jeweiligen Lebensalter entsprechend kritisch zu überdenken ist. Zudem sollte das Stufenkonzept individuell interpretiert werden. Im Einzelfall ist eine Anpassung an die vorliegenden Umstände zwingend nötig, aber auch möglich. Um hierbei aktuelle Entwicklungen aufzuzeigen, erscheint es uns wesentlich, auf 3 Ergänzungen hinzuweisen: 55Die Vielfalt an verfügbaren Silikon­ stützmaterialien ermöglicht ein weitaus individuelleres Vorgehen.

55Es besteht die Möglichkeit zur Da­ kryoendoskopie im Kindesalter. 55Die heutige minimalinvasive Vorgehensweise einer transkutanen DZR ist hervorzuheben. Es gilt als allgemeiner Konsens, dass bei einer Spülbehandlung der TNW in Narkose in jedem Fall die Intubation einer Silikonverweilsonde angeschlossen werden sollte. Dabei bedarf es, aus einem reichhaltigen Angebot unterschiedlicher Silikonstützmaterialien auszuwählen. Gerade autostabile Systeme scheinen Vorteile zu bieten. So konnten Lee et al. [2] zeigen, dass monokanalikuläre autostabile Sets die gleiche Wirksamkeit wie eine herkömmliche bikanalikuläre Intubation aufweisen, dabei aber ein leichteres Handling in Bezug auf Einbringen und Entfernen der Intubate bieten. Zudem ist häufig keine zweite Narkose nötig, da die Verweilsonden in Lokalanästhesie entfernt werden können. Die Spülbehandlung der TNW wird in der Regel durch eine Bangerter-Kanüle mit einem Außendurchmesser von 0,6– 0,8 mm durchgeführt. Mittlerweile sind Endoskopiesysteme mit Außendurchmessern von 0,75 mm verfügbar. Bereits 2013 wurden erste Ergebnisse von Sasaki et al. [3] zum primären Einsatz der Dakryoendoskopie bei konnataler Dakryostenose publiziert. Anhand einer eigenen Analyse konnte gezeigt werden, dass ein endoskopisches Vorgehen im Kindesalter eine sichere Behandlungsoption darstellt. Die Vorteile liegen in der visuellen Kon­ trolle mit der Möglichkeit, die topografische Anatomie zu erhalten. Der Anteil an notwendigen DZR im Kindesalter kann hierdurch weiter gesenkt werden. War ein therapeutischer Einsatz der Dakryoendoskopie nicht möglich, so konnten zumin-

dest wegweisende diagnostische Aussagen (genaue Lokalisation der Stenose, Beschaffenheit, Vorhandensein von Dakryolithen etc.) getroffen werden [4]. Je länger eine Stenose der TNW beim Kind vorliegt, umso geringer werden die Heilungschancen bei insgesamt steigendem Risiko für akute Komplikationen [5–7]. Es liegen Studien zur möglichen Amblyopiegefahr bei Persistieren einer TNW-Stenose im Kindesalter vor [8]. Nach mehrfach fehlgeschlagenen Spülbehandlungen oder im Fall von knöchernen Stenosen schwinden die Aussichten auf Heilung ebenso. Insofern kann dann eine DZR indiziert sein. Zu ihrem Einsatz bei Kindern bestehen weitreichende Erfahrungen [8]. Die hierbei anzulegende Osteotomie hat eine Größe von ca. 10 × 10 mm und wird im Bereich des Os lacrimale in Richtung der Crista lacrimalis anterior und der Lamina papyracea präpariert. Diese Region weist keine tragenden Krafttrajektorien des Gesichtsschädels auf. Wesentlich ist die Kenntnis des Operateurs über die Möglichkeit noch nicht ausgebildeter Siebbeinzellen, sodass häufig der Einsatz eines Mikrobohrers vonnöten ist. Der Hautschnitt hat eine Länge von ca. 8 mm. Komplikationen im Sinne von Gesichtsasymmetrien sind nicht zu erwarten. Der Eingriff kann bei entsprechender Indikation mit Abschluss des ersten Lebensjahres durchgeführt werden und zeigt hohe funktionelle Erfolgsraten [9]. In den letzten 8 Jahren (Januar 2008 bis März 2015) wurden bei uns 410 Augen wegen einer konnatalen Tränenabflussstörung operativ in Allgemeinanästhesie versorgt. Dabei handelte es sich ausschließlich um Kinder, bei denen eine vorangegangene konservative Therapie und/oder Spülbehandlung in Lokalanästhesie erfolglos war. Bei 19 (ca. Der Ophthalmologe 7 · 2015 

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Fachnachrichten 4,7 %) dieser therapierefraktären Augen war eine DZR notwendig. Das Alter der durch eine DZR behandelten Kinder lag im Mittel bei 5,2 Jahren (Alterspanne: 1 bis 11 Jahre; Median: 5 Jahre). Epiphora im Kindesalter ist am häufigsten auf Störungen im Bereich der ableitenden TNW zurückzuführen. Auch wenn es sich hierbei um eine scheinbar hinreichend bekannte Problematik handelt, geben die dennoch neuen Entwicklungen stets Anlass zu Überlegungen, ob das etablierte Stufenkonzept anzupassen ist. So bleibt beispielsweise abzuwarten, inwiefern sich der Einsatz der Dakryoendoskopie bei konnataler Dakryostenose an bestimmten Zentren etablieren wird. Darüber hinaus findet eine stetige Weiterentwicklung und Vervollkommnung der Silikonstützmaterialien statt. Insofern danken wir den Autoren für das Aufgreifen und die übersichtliche Darstellung dieser so wichtigen Thematik. Wir hoffen, dass mit unserem Leserbrief eine konstruktive Ergänzung gegeben werden konnte.

Korrespondenzadresse Dr. J. Heichel Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Universitätsklinikum Halle (Saale) Ernst-Grube-Str. 40, 06120 Halle (Saale) [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  J. Heichel und H.G. Struck geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur 1. Avgitidou G, Koch KR, Cursiefen C, Heindl LM (2015) Current aspects of eyelid, lacrimal and orbital surgery in childhood. Ophthalmologe 112(2):102–109. doi:10.1007/s00347-014-3054-8. (German) 2. Lee H, Ahn J, Lee JM, Park M, Baek S (2012) Clinical effectiveness of monocanalicular and bicanalicular silicone intubation for congenital nasolacrimal duct obstruction. J Craniofac Surg 23:1010–1014. doi:10.1097/SCS.0b013e31824dfc8a

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3. Sasaki H, Takano T, Murakami A (2013) Direct endoscopic probing for congenital lacrimal duct obstruction. Clin Experiment Ophthalmol 41:729– 734. doi:10.1111/ceo.12108 4. Heichel J, Bredehorn-Mayr T, Stuhltraeger U, Struck HG (2015) Dacryoendoscopy for lacrimal duct obstruction manifesting in childhood. J Clin Exp Ophthalmol 6:394. doi:10.4172/2155-9570.1000394 5. Kashkouli MB, Beigi B, Parvaresh MM, Kassaee A, Tabatabaee Z (2003) Late and very late initial probing for congenital nasolacrimal duct obstruction: what is the cause of failure? Br J Ophthalmol 87:1151–1153. doi:10.1136/bjo.87.9.1151 6. Campolattaro BN, Lueder GT, Tychsen L (1997) Spectrum of pediatric dacryocystitis: medical and surgical management of 54 cases. J Pediatr Ophthalmol Strabismus 34:143–153. doi:10.3928/0191-3913-19970501-04 7. Lawless M, Martin F (1986) Orbital cellulitis and preseptal cellulitis in childhood. Aust N Z J Ophthalmol 14:211–219. doi:10.1111/j.1442-9071.1986.tb00038.x 8. Kipp MA, Kipp MA Jr, Struthers W (2013) Anisometropia and amblyopia in nasolacrimal duct obstruction. J AAPOS 17:235–238. doi:10.1016/j.jaapos.2012.11.022 9. Struck HG, Weidlich R (2001) Indications and prognosis of dacryocystorhinostomy in childhood. A clinical study 1970–2000. Ophthalmologe 98:560– 563. doi:10.1007/s003470170119

Jeder zweite Europäer ist kurz- oder weitsichtig Sehstörungen, die auf einem Refraktionsfehler im Auge beruhen, sind in Europa häufiger als bisher angenommen. Eine Meta-Analyse ermittelte eine altersstandardisierte Prävalenz der Myopie von 30,6 Prozent und der Hyperopie von 25,2 Prozent. Bei 23,9 Prozent komplizierte ein Astigmatismus den Refraktionsfehler. Nach diesen Daten sind in Europa 47,2 Prozent der Bevölkerung im Alter von 25 bis 30 Jahren myop. Im Alter von 65 bis 69 Jahren sind nur noch 15,9 Prozent kurzsichtig, später steigt der Anteil wieder. Dieses „hyperopic shift“ wird mit der Entwicklung einer Katarakt in Verbindung gebracht. Hyperopie ist bei jungen Menschen äußerst selten. Die Prävalenz beträgt in der Altersgruppe von 25 bis 30 Jahren nur 6,4 Prozent, er steigt in der Altersgruppe der 55 bis 59-Jährigen auf 31,2 Prozent an, später stinkt die Prävalenz wieder leicht ab. Nach einer Hochrechnung dürften in Europa etwa 227,2 Millionen Menschen einen Refraktionsfehler haben. Nur bei einer sehr ausgeprägten Myopie kann die starke Dehnung der Netzhaut zu Rissen und zu einer Netzhautablösung führen - gefährdet sind etwa 20,1 Millionen Europäer. Quelle: Deutsches Ärzteblatt, www.aerzteblatt.de

[Current aspects on treatment of congenital dacryostenosis].

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