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Selbstverletzung: ein früher Indikator für Probleme Kommentar

16-Jährige, die sich selbst schon einmal verletzt haben, haben eine schlechtere soziale und gesundheitliche Perspektive als ihre Altersgenossen. Risikobereiche sind psychische Gesundheit, Sucht, Arbeits- und Ausbildungssituation.



In einer populationsbasierten Studie wurden 4.799 Jugendliche, die mit 16 Jahren einen Fragebogen zu Selbstverletzungen ausgefüllt hatten, bis zu fünf Jahre lang nachbeobachtet. Erfasst wurden Gesundheitszustand (Depression und Angststörungen) und Substanzgebrauch (Alkohol, Cannabis, Tabak, illegale Drogen) im Alter von 18 Jahren, der Ausbildungsstand mit 16 und mit 19, die Beschäft igungssituation mit 19 sowie Selbstverletzungen mit 21 Jahren. 894 Jugendliche, also 19%, hatten sich bis zur Untersuchung im Alter von 16 Jahren schon mindestens einmal selbst verletzt. Diese Gruppe machte 24% aller Jugendlichen aus, die mit 19 Jahren nicht in Ausbildung oder Beschäft igung waren, 40% der mit 18 Jahren an Depression oder Angststörung Leidenden, und 35% der 18-Jährigen mit problematischem Substanzgebrauch. 59% der Teilnehmer, die sich nie selbst verletzt hatten, mussten in der Folgezeit mit keinem

Jugendliche, die sich im Alter von 16 Jahren mindestens einmal selbst verletzt haben, sind eine Risikopopulation für einen schlechten psychosozialen Verlauf. Verletzungen in suizidaler Absicht sind noch einmal bedenklicher, auch wenn die absolute Anzahl leider nicht angegeben wird. Die Studie hat einige Limitationen. Die Gesamtpopulation umfasste 13.798 Jugendliche, die Fragebogen-Teilnehmer sind also nicht sicher repräsentativ. Die suizidale Absicht wurde per subjektiver Angabe erfasst. Es gab im Alter von 21 Jahren keine strukturierten Interviews – hier wäre interessant gewesen, wie viele der Selbstverletzer z. B. eine Borderline-Störung entwickelt hatten. Versorgungspolitisch interessant ist der Befund, dass nur etwa 8% der Jugendlichen nach ihrer letzten Selbstverletzung Hilfe bei einem Arzt oder in einer Klinik suchten. Es erscheint wichtig, bei Jugendlichen, die sich selbst verletzen, Frühinterventionen zu veranlassen. Zusätzlich müssen aber auch Wege gesucht werden, diese Jugendlichen überhaupt zu erreichen, da sie nur selten das Gesundheitssystem nutzen.

der genannten Probleme kämpfen. Unter den sich selbst Verletzenden waren es nur 28%. Bei den sich selbst verletzenden Jugendlichen war das Depressionsrisiko mit 18 Jahren signifi kant erhöht, und zwar um den Faktor 2,21 (95%-Konfidenzintervall: 1,55–3,15), wenn keine suizidale Absicht vorgelegen hatte, und um den Faktor 3,94 (2,67–5,83) bei suizidaler Absicht. Auch Ausbildungsstand und Beschäft igungssituation waren bei sich selbst in suizidaler Absicht verletzenden jungen Menschen schlechter. Betrachtete man die Selbstverletzer als Gesamtgruppe, waren die Risiken, eine psychische Störung zu entwickeln, sich später weiterhin zu verletzen und Drogen in problematischem Maße zu konsumieren, signifi kant erhöht. ■ Mars B, Heron J, Crane C et al. Clinical and social outcomes of adolescent self harm: population based birth cohort study. BMJ. 2014;349:g5954

Prof. Dr. med. K. Lieb ■

Helle Linie am Schädel

Eine Kraniotomie in Sierra Leone?

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und sie aufgeklart war, richtete sie ihr Haar wieder in der üblichen Weise her (Abb. B). Nun wurde ersichtlich, woher die helle Linie stammte: Es handelt sich um eine sogenannte Traktionsalopezie, wie sie bei farbigen Menschen vorkommt, die ihr Kopfhaar sehr straff zu Zöpfen flechten. Wenn die Veränderung erst einmal eingetreten ist, bildet sie sich nicht mehr zurück, auch wenn sich die Haarmode ändert. Prof. Dr. med. H. S. Füeßl ■ ■ Randall D et al. (Korres.: Department of Renal Medicine and Transplantation, Royal London Hospital, London E1 1BB): Traction scarring alopecia masquerading as cranial surgery. BMJ. 2014;349:g7281

A

© BMJ. 2014;349:g7281

Eine 61-jährige Frau suchte nach Rückkehr aus Sierra Leone wegen einer fieberhaften Erkrankung das Krankenhaus auf. Sie hatte eine schwer verlaufende Malaria mit akutem Nierenversagen und Verwirrtheitszustand. Bei der Untersuchung der farbigen Patientin stellte man eine quer über den Schädel verlaufende, helle Linie fest, die an eine Kraniotomie-Narbe erinnerte (Abb. A). Deshalb und wegen der offensichtlichen Enzephalopathie wurde ein CT des Schädels angefertigt, die allerdings keinen Hinweis darauf erbrachte, dass eine Kraniotomie stattgefunden haben könnte. Als sich der Zustand der Patientin einige Tage später gebessert hatte

B

Quer über den Schädel verlaufende, helle Linie bei Aufnahme (A), Zustand nach gewohntem Haarstyling (B).

MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (6)

[Craniotomy in Sierra Leone?].

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