Th. Prien: Polytrauma

Schädel-Hirn-Trauma:Sekundäre Hirnschädigungen A. Karimi-Nejad, K.-E. Richard Neurochirurgische Klinik, Universität Köln

Einleitung Die ärztliche Aufgabe in der praklinischen und klinischen Phase ist die Vermeidung und/oder Behandlung der sekundären Hirnschädigungen. Die Letalität bei schwersten Hirnschädigungen, die in der Bundesrepublik dank der vorbildlichen Rettungskette in der Regel optimal Anästhesiol. Intensivmed. Notfallmed. Schmeizther. 27 (1992) 492-497 O Georg Thieme Verlag Stuttgart . New York

versorgt werden, ist mit 70-80% sehr hoch. Nur eine geringe Zahl der Schwerstverletzten erreichen eine Neurochirurgische Klinik und überleben mit erheblichem neurologischem Defizit (6). Hingegen werden leider bei primär leichten Schädel-Hirn-Verletningen die Gefahren einer sekundären Hirnschädigung, die nur zu einem kleinen Prozentsatz durch Entwicklung einer intrakraniellen Blutung verursacht ist, häufig verkannt. Sie werden aber auch bei einer primär leichten unfallbedingten Hirnschädigung verlaufsbestimmend und können letal verlaufen oder nur mit erheblichem neurologischem Defekt überlebt werden. Es

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

492 Anästhesiol. Intensimed. Notfallmed. Schmerzther. 27 (1992)

An ästhesiol. Intensiumed. Notfallmed. Schmerzther. 27 (1992) 493

Tab. 1a Proportion of head-injured patients in coma in neurosurgical units who talked.

Glasgow 1977- 1980 Glasgow 1981-1 986 U.S. Coma Data Bank 1983 U.S. Corna Data Bank 1987 Minneapolis 1987

Tab. 1 b

n

tal ked

583 763 325 589 21 5

152 (26%) 166 (22%) 34 (11%) 66 (11 %) 33 (15%)

Frequency of operated IC haematoma.

Glasgow 1970- 1983 Minneapolis 1987 U.S. Corna Data Bank 1983 U.S. Coma Data Bank 1987

n

talked and deteriorated

tal ked and died

1597 215

72 OO/ 78 O/o

76 % 87 %

325

71 %

89 %

589

78 OO/

87 OO/

Jennett, 1991 (10)

erscheint deshalb angezeigt, besonders die Gefahren, Ursachen und die heute anerkannten Maßnahmen zur Vermeidung und/oder Behandlung der sekundären Hirnschädigungen zusammenfassend kurz darzustellen. Primäre und sekundäre Hirnschädimin~

Für das Verständnis der Pathogenese der traumabedingten Hirnfunktionsstörungen sowie für die diagnostischen und therapeutischen Konsequenzen hat sich die Einteilung in primäre und sekundäre Hirnschädigungen sehr bewährt (3,16). Die sofort nach einer Gewalteinwirkung eintretenden Substanzschädigungen sind gekennzeichnet durch Lazerationen, Kontusionen, diffuse axonale Schädigungen unterschiedlicher Intensität sowie petechiale Blutungen und direkte Gefäßverleaungen (1,s). Die perakuten neuronalen und systemischen Reaktionen auf eine Gewalteinwirkung sind verständlicherweise nur tierexperimentell durch verschiedene Versuchsmodelle objektiviert. Diese akuten Reaktionen sind: neurogene Hypoaktivität mit Koma, temporäre Apnoe und Areflexie sowie Muskeltonusverlust - und systemisch: sympatho-adrenale Überflutung, hyperadrenergische Reaktionen mit arteriellem Hypertonus, Tachykardie, Hyperglykämie und neurogenes pulmonales Ödem. Wahrend die neurogene ,,Hypoaktivitätu, insbesondere die Apnoe und Areflexie, entweder von kurzer Dauer sind oder entsprechend dem akuten Hirntod anhalten und irreversibel bleiben, sind die systemischen Reaktionen auch bei einer reversiblen Hirnschädigung von langer Dauer und können sekundär verlaufsbestimmend werden (3).

hand der klinischen und pathomorphologischen Befunde bei 68 Patienten den Begriff "talk and die" (20). Die Tab. 1 a und b zeigten, daß 11-26 O/o der in einigen Neurochirurgischen Kliniken stationär behandelten Patienten mit Koma primär eine relativ leichte Hirnschädigung erlitten hatten und erst infolge der sekundären Hirnschädigungen bewußtlos wurden (Tab. 1 a). Nach einer neueren Zusammenstellung von Lobato und Mitarb. ( 1 3 ) beträgt dieser Anteil 25% mit einer Letalität von 32%. Nur bei einem Teil der Verletzten war die sekundäre Verschlechterung durch die Entwicklung einer intrakraniellen Blutung, allerdings mit einer höheren Letalitat. zwischen 76 bis 89%, verursacht gewesen (Tab. 1 b). Die Ursachen der sekundären Hirnschädigungen sind Hypoxie, Ischämie, intrakranielle Raumforderungen unterschiedlicher Art, potentielle zelluläre Mechanismen und letztlich Infektionen und extrakranielle Komplikationen. Die zellulären Mechanismen mit freien Radikalen, ihre Auswirkungen und die medikamentösen Möglichkeiten zu ihrer Beseitigung sind eine Herausforderung an die klinische und experimentelle Forschung. Sie sollen ebenso wie Infektionen und extrakranielle Komplikationen hier nicht weiter besprochen werden. Die Ursachen der Hypoxie, Ischämie sowie der intrakraniellen Raumforderungen bzw. intrakraniellen Drucksteigerungen unterschiedlicher Genese sind:

1. systemisch, 2. intrakraniell und 3. ihre gegenseitige Wechselwirkung. Traumabedingte systemische Reaktionen und ihre Auswirkungen Aternstörungen

Bei schweren Schädel-Hirn-Verletzun~en mit Bewußtseinstrübung bis zur Bewußtlosigkeit in der &Uten Phase stehen Atemstörungen im Vordergrund. Sie sind bei reversiblen Hirnfunktionsstörungen nicht, wie unbegründet immer wieder aufgeführt wird, zentral, sondern rein peripher bedingt. Durch die Bewußtseinstriibung bis zur Bewußtlosigkeit kommt es zur Verlegung der oberen Luftwege. Gesichtsschädelverletzungen,Aspirationen, Thoraxverletzungen und die Veränderungen im Sinne der ,Schock-Lunge" verstärken diese peripheren Atemstörungen. Durch besondere Empfindlichkeit des zentralen Atemschrittmachers gegen einen Sauerstoffmangel (25) haben diese peripheren Atemstörungen nicht selten eine zentrale Störung zur Folge. Wird durch Intubation und Beatmung für eine ausreichende Sauerstoffversorgung der zentralen Regelmechanismen gesorgt, so ist bei einer diffusen HirnSchädigung die zentrale Atemfunktion die letzte Hirnstammfunktion. die beim Eintritt des Hirntodes ausfällt. Nur bei selten auftretenden lokalisierten Schädigungen bzw. raumfordernden Prozessen im Bereich der hinteren Schädelgrube können primär zentrale Atemstörungen aufSekundäre Hirnschädigung treten: Sie sind in der Regel durch Atemformveränderungen Um die Bedeutung der sekundären Hirn- gekennzeichnet (11). Bedingt durch die in der akuten Phase Schädigungen sowie ihre Prävention und therapeutischen auftretende Atemfunktionsstörung ist auch die Hypoxämie Konsequenzen zu verdeutlichen, wahlte Iennet 1975 an- als akute Gefahr für eine sekundär auftretende Hirnschädi-

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Schädel-Hirn-Trauma:Sekundäre Hirnschädigungen

494 Anästhesiol. Intensiumed. Notfallmed. Schmerzther. 2 7 (199'2)

Kardiovashläre Reaktionen Sie sind im wesentlichen durch zwei Formen gekennzeichnet: - Das sogenannte hypertonische Syndrom "Hyperadrener-

gic State = Sympathetic Discharge". Dieses häufig vorkommende Syndrom ist durch Tachykardie, gesteigertes Herzminutenvolumen, Hyperventilation, gesteigerten Muskeltonus bis zu montanen und/oder reizbezogenen pathologischen ~bwihrreaktionengekennzeichner Der Anstieg des mittleren arteriellen Druckes um 50°/o und der Herzfrequenz um 30°/o ist nicht selten (24). Durch vermehrte Wärmebildung infolge der enormen Muskelarbeit sowie verminderter Wärmeabgabe infolge peripherer Vasokonstriktion besteht ebenso eine Hyperthermie, gelegentlich bis zu 40°C. Entswrechend den klinischen Ersc?ieinungen können die ~&mkatecholamin-werte bis zu 550 pg/ml (normal 250 pg/ml) ansteigen. Diese hohen Katecholamin-Werte korrelieren mit einem hohen Norepinephrin- Gehalt im Serum, insbesondere bei Patienten mit niedrigem Glasgow-Coma-Scale (5). - Das hypotonische Syndrom "prolonged neuronal hypoactivity = Non syrnpathetic discharge". Dieses Syndrom ist gekennzeichnet durch arterielle Hypotension, Bradykardie, Hypoventilation, schlaffen bis fehlenden Muskeltonus und erniedrigte Körpertemperatur. Das klinische Bild ist häufiger, aber nicht ausschließlich, bei älteren Schädel- Hirn-Verletzten ausgeprägt. Sonst ist es Zeichen schwerster Hirnverletzung mit Hirnstammschädigung und funktionellem Ausfall des Vasomotoren-Zentrums. Das voll ausgebildete Bild ist prognostisch ungünstig. Nicht zu verwechseln ist dieses Syndrom mit der im Schockzustand häufig nachweisbaren, hypovolämisch bedingten Kreislaufdepression. Sekundäre Hirnschädigungen infolge der systemischen Reaktionen auf das Trauma Vordergründig besteht die Gefahr des sekundären hypoxischen Schadens durch die beschriebenen Atemstörungen. Aber ungeachtet der intrakraniellen Reaktionen verursachen auch die kardiovaskulären Veränderungen allein eine sekundäre Hirnschädigung. Bei hypertonem Syndrom ist mit einer zerebralen Hyperämie durch Überschreiten der Grenzen der Autoregulation, einem Hirnödem durch Erhöhung des kapillaren hydrostatischen Druckes mit Störung der Bluthirnschranke und letztlich einer durch Hyperämie und Odem hervorgerufenen intrakraniellen Drucksteigemng zu rechnen. Nach tierexperimentellen Befunden ist es wahrscheinlich, daX es durch den gleichen Mechanismus mit Erhöhung des kapillaren hydrosta-

tischen Druckes zu einem pulmonalen Ödem mit Hypoxämie und ebenso dadurch zu einer hypoxischen Hirnschädigung kommt. Die akuten Veränderungen der Lungen sind aber nach klinischen und experimentellen Untersuchungen offenbar mehr durch Organhypoxie mit Endothel-Schädigungen im Sinne der „Lunge im Schock bedingt (23). Die Folgen des hypotonen Syndroms mit Kreislaufdepression sind insbesondere durch den unzureichenden zerebralen Perfusionsdruck (mittlerer arterieller Druck - intrakranieller Druck: Normalwerte 70-80 mmHg) verheerend. Sie können schon nach kurzer Zeit zu irreversiblen sekundären Hirnschädigungen führen. Traumabedingte intrakranielle Reaktionen und ihre Auswirkungen Die Reaktionen sind: Ischämie, Raumforderung und potentielle zelluläre Mechanismen. Ischämie Sie tritt bei Abnahme der regionalen und/oder globalen Hirndurchblutung auf. Ais wesentliche Ursache sind traumabedingte Gefäßschädigungen, G e f 8 kompressionen und Gefäßspasmen zu nennen. Direkte traumabedingte Gefäßverletzungen mit Thrombosen können Hauptgefiße mit sekundären Infarkten von den zugehörigen großen Hirnareaien und/oder kleinere Gefd3e mit kleineren multiplen Infarkten betreffen. In Abb. 1 sind z.B. offenbar traumabedingte GefaR~erletzun~enmit Hirndurchblutungsstörungen im Bereich der A. cerebri anterior beidseits mit scharf abgegrenztem Infarkt dargestellt. Infarkte als Verletzungsfolge der kleineren Gefiße sind mehr in fronto-temporo-parietaler Region, Hippocampus, Stammganglien und/oder anderen Regionen lokalisiert. Häufig finden sich auch Mikrothrombosen im Bereiche der Verletzungsstelle (4,9,18). Eine Gefäßkompression mit Infarkt des Versorgungsbereiches kann durch akute intrakranielle Drucksteigerung auftreten, wie z. B. Infarkte im Okzipitaibereich durch Kompression der A. cerebri posterior (Abb. 1 und 3b). Als weitere Ursache der sekundären Ischämie ist der Gefäßspasmus bei subarachnoidalen oder petechialen Blutungen zu nennen (Abb. 1). Hierbei können analog zu Subarachnoidalblutungen infolge Gefäßmißbildungen ebenso verlaufsbestimmende HirndurchblutungsStörungen auftreten. Intrakranielle Raumforderungen Intrakranielle raumfordernde Blutungen. die in der Regel erst nach der ersten Stunde nachgewiesen werden, sind verlaufsbestimmend. Perakut sich entwickelnde, meist subdurale Blutungen sind Folge schwerster Hirnschädigungen und werden trotz einer operativen Behandlung nicht überlebt. Die zeitliche Entwicklung der intrakraniellen Blutungen ist in Abb. 2 dargestellt. Auch nach einer primär leichten Schädel-Hirn-Verletzung können sich im weiteren Verlauf nicht nur epidurale, sondvern ebenso subdurale Blutungen mit einem unterschiedlichen Zeitintervall entwikkeln. Ihre Entwicklung wird leider häufig durch ungenügende Patientenbeobachtung in der Anfangsphase übersehen V

,

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

gung anzusehen. Nach einer gerade abgeschlossenen internationalen Studie unter eigener Beteiligung über die Wirkung von Nimodipin bei Schädel-Hirn-Verletzungen (Head Injury Trial 11: HITII) wurde selbst nach geleisteten notärztlichen Magnahmen bei 18 O/o von 856 Patienten immer noch eine Hypoxämie mit einem Pa02 < 60 mmHg gemessen. Als weitere fnihzeitig auftretende, aber auch langanhaltende Störung muß die metabolische Azidose envahnt werden. Die Laktazidose ist im Liquor stets stärker ausgeprägt als im Blut (12).

A. Karimi-Nejad, K.-E. Richard

Anästhesiol. Intensivmed. Notfallmed. Schmerzther. 27 (1992) 495

Schädel-Hirn-Trauma:Sekundäre Himschädigungen

Vasular Compression

Vascular Damage

*

W Y'*

\%

a

lnfarct

1

45T

872 Hämatome und Kontusionen

1 2 3 Stunden nach Trauma

0

Iepidu1.H. ,,-,"..I,

lnfarcl

4

6

subdur.H.

12

18

24

in1rar.H.

36

48

72

84

K0ntus.V.

,*W

Abb. 2 Zeitliche Entwicklung von intrakraniellen Hämatomen und Kontusionen.

und erst nach Auftreten von schwersten neurologischen Ausfällen zum Nachweis gebracht. -

Kontusionen und Kontusionsblutungen zeigen eine besondere Dynamik (7). Auch kleine Kontusionsherde können insbesondere bei Verletzten mit Aikoholabusus im weiteren Verlauf durch ausgedehnte parenchymatöse Blutungen und/oder Odembildungen eine rasche Volumenzunahme mit lokaler und/oder generalisierter Raumforderung verursachen. Die Dynarnik der kontusionsbedingten Raumforderung im weiteren Verlauf ist abhängig von Stärke und Dauer der systemischen und intrakraniel-

len Reaktionen auf das Trauma. Die Ansichten über die Operationspflichtigkeit grögerer Kontusionen bnv. Kontusionsblutungen sind unterschiedlich. Kontusionsherde mit Blutungen mit einem Volumen von mehr als 25ml sind nach Marshall (14) operationspflichtig. Zweifellos stehen hierbei die Mdnahmen zur Vermeidung einer sekundären Hirnschädigung mehr im Vordergrund. Hirnschwellung und Hirnödem: Seit Einführung der pathomorphologischen Testmethoden ist es möglich, die Ursachen der intrakraniellen Raurnforderungen mit Drucksteigerung besser zu analysieren. Die erstmalig von Reichardt (19) beschriebene Hirnschwellung mit trockener Schnittfläche ist durch eine Hyperämie bzw. durch eine Zunahme des Blutvolumens im Gehirn bedingt. Hingegen ist das Hirnödem durch eine Flüssigkeitsansammlung im Hirngewebe verursacht (Abb. 3). Die Hirnschwellung kann sofort nach einem Unfall auftreten, und beim Fortbestehen wird sie verlaufsbestimmend. Ihr akutes Auftreten ist bedingt durch Atem~örungenmit Hypoxämie und Hyperkapnie (11). Beim Uberschreiten der Autoregulation mit Vasoparalyse führt sie letztlich ohne Behandlung zu enormen intrakraniellen Drucksteigerungen mit irreversibler HirnSchädigung. Im Gegensatz zur Hirnschweliung tritt das Hirnödem erst im weiteren Verlauf nach Stunden auf. Mit einer relevanten raurnfordernden Wirkung ist meist nach 12-24 Stunden zu rechnen. Besonders stark ist das Hirnödem ausgeprägt am l., 4. und 7.Tag nach dem Trauma. Eine klinische Analyse bei 273 Verletzten zeigt, d d die Hirnschwellung nicht allein in der akuten Phase eines Traumas vorkommt, sondern über eine sehr lange Zeit anhalten und/oder immer wieder auftreten kann (21).

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Abb. l Sekundäre Ischämien und ihre Ursachen (SAH = Subarachnoidalblutung).

496 Anästhesiol. Intensivmed. Notfallmed. Schmerzther. 27 (1992)

A. Karimi-Nejad, K.-E. k c h a r d Abb.4 zeigt die zeitliche Entwicklung bzw. die zeitliche Dauer de; Hirnschwellung und des-~irnödemsin der posttraumatischen akuten Phase. In Kombination mit Kontusionen ist die Hirnschwellung mit einer Letalität bis zu 47% belastet.

Abb.3 a: Massive Hirnschwellung mit durch Herniation bedingter bds. Kompression der A. cerebri posterior und Infarkt im Versorgungsbereich okzipital. b: Hirnödem.

Relative Häufigkeit

90

.F.

t

I

Irl

I

I

l

l

l

!

,

;

l

1 2 3 6 1 2 1 2 3 4 5 6101420>21 Stunden Tage nach Trauma 273 Patienten mit schwerer Schädel-Hirnverletzung

Abb. 4 Zeitliche Entwicklung der Hirnschwellung und des HirnÖdems.

Tab. 2a Faktoren, die eine Hirnschwellung und/oder ein Hirnödem begünstigen. Kopf Blutgase Pa02 PaCOz arterieller pH RR-syst. „Spitzenu Serum-Natrium Serum-Osmolalität Hyperhydration

Flachlage < 6O/mmHg > 35 mmHg < 7,30 > 160 mmHg < 130 mmol/L < 250 mosmol/kg H20 > 500 ml

+

Flüssigkeits-Bilanzierung

Tab. 2 b Basistherapie bei Verletzten mit einer intrakraniellen Drucksteigerung unterschiedlicher Genese. Oberkörper-Kopfhochlagerung Pa02 PaC02 RR Flussigkeitsbilanzierung Serum- Natrium Serum- Osmolalität

30-40" > 70 mmHg 25-30 mmHg 100 mmHg < syst. < 160 mmHg I 500 ml 135- 145 mmol/L 280-295 mosmol/kgHzO

Eine ausfihrliche Besprechung präventiver und thera~eutischerMaßnahmen in der ~räklinischenPhase und ik Rahmen der Intensivmedizin i'st hier nicht möglich. In Tab.2a und b sind die Faktoren, die zusätzlich zu einer inyakraniellen Drucksteigerung fuhren, sowie die therapeutischen Mdnahmen bei bestehender intrakranieller ,Drucksteigerung tabellarisch aufgeführt. Die Behandlung einer intrakraniellen Drucksteigerung sollte stets Ursachen-orientiert erfolgen. Die von Rosner und Mitarb. (22) empfohlenen Richtlinien, sich nach dem errechneten zerebralen Perfusionsdruck von mindestens 70-80mmHg zu richten und notfalls medikarnentös und durch Flüssigkeitszufuhr bis zu 5-61/die den Blutdruck weiter zu erhöhen, sind umstritten. Ihre Wirkamkeit ist bis ietzt nicht bewiesen. Nach zahlreichen Untersuchungen besteht nämlich eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem kalkulierten zerebralen Perfusionsdruck und der Himdurchblutung. Nach unseren klinischen Erfahrungen ist bei stabilem Kreislauf mit ausreichendem Blutdruck in den ersten Tagen eher eine gewisse Restriktion hinsichtlich der Flüssigkeitszufuhr empfehlenswert. Ebenso zu empfehlen ist die Beatmung mit Hyperventilation und induzierter Hypokapnie. Der gefürchtete "Inverse-Steal-Effektn ist offenbar mehr theoretisch. Sichere Beweise für nachhaltige schädigende Wirkungen sind bis jetzt von keinem Autor geliefert worden. Nach einer randomisierten klinischen Studie sind die Ergebnisse mit Hype~entilationund kontinuierlicher Gabe von THAM-Lösung zur Beseitigung der Azidose erfolgversprechend (17). Zusatzuntersuchungen Bei einem bewußtlosen Verletzten sollte so bald wie möglich eine Computertomographie angefertigt werden. Ist die erste CT-Untersuchung innerhalb der ersten 4 Stunden nach einem Unfall erfolgt, so ist bei Verschlechterung der Neurologie (~ewußtseinsla~e, Abwehrreaktion, Pupillenfunktion) stets eine erneute Kontrolle erforderlich. Gerade bei einer ~ r i m ä leichten r Verleaune: sollte eine kontinuierliche klinis'che Kontrolle erfolgen. Die später auftretenden intrakraniellen Reaktionen mit sekundärer Hirnschädigung führen schon frühzeitig zu zunehmender Bewußtseinstriibung. Nur durch frühzeitige Diagnose können gezielte Therapiemdnahmen erfolgreich sein. Eine invasive Therapie der intrakraniellen Drucksteigerung sollte stets unter Monitoring des intrakraniellen Druckes erfolgen. Analog zu den Angaben von M i h r (16) sehen wir die Indikation zum intrakraniellen Druckmonitoring bei b e d t l o s e n Verletzten mit fehlender Darstellung des 3.Ventrikels und der perimesenzephalen Zisternen, bei akuten intrakraniellen Blutungen, bei Bewußtlosen mit pathologischen A b wehrreaktionen - Beuge- und Strecksynergismen - sowie bei beatmungspflichtigen polytraumatisierten Patienten.

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Prävention und Therapie der systemischen und intrakraniellen Reaktionen

Anästhesiol. Intensivmed. NotfaUmed. Schmerzther. 27 (1992) 497

Medikamentöse Therapie Bei der Vielzahl der genannten Ursachen einer sekundären Hirnschädigung wird es verständlich, da13 die Möglichkeiten zu einer medikamentösen Behandlung sehr eingeschrinkt sind. Die mit großem Enthusiasmus empfohlene Barbiturat-Therapie zur Senkung des intrakraniellen Druckes bnv. zum Schutz des geschädigten Gehirnes vor den Folgen eines Sauerstoffdefizits hat sich nicht bewährt und wird heute nur noch von wenigen Zentren gele~entlichverwendet. Über die Wirksamkeit der Glukokomioide liegen zahlreiche Publikationen vor. Es gibt gleich viele klinische Untersuchungen, die die Wirksamkeit des Kortisons bei Schädel-Hirn-Verletzungen belegen bnv. nicht nachweisen lassen. Nach den Ergebnissen einer abgeschlossenen randomisierten Doppelblind-Studie mit eigener Beteiligung konnte eine Wirksamkeit der Kortikosteroide bei Schädel-Hirn-Traumen nicht nachgewiesen werden. Ebenso war die Unwirksamkeit nicht nacuhweisbar. Aus dieser Studie ergaben sich jedoch keine Hinweise für eine Behandlungskomplikation. Sollte sich jemand zu einer Kortikoid-Therapie entschließen, so erscheint eine kurzfristige hochdosierte Applikation empfehlenswert. Hingegen erscheint nach den Ergebnissen einer gerade abgeschlosenen internationalen randomisierten Doppelblindstudie, ebenso unter eigener Mitwirkung, eine statistisch signifikante positive Wirkung von Nimodipin bei Vorliegen von Subarachnoidalblutungen analog zu Subarachnoidalblutungen bei GefäGmfibildungen vorzuliegen. Diese Behandlung ist jedoch nur in Spezialkliniken zu empfehlen. Literatur Adams,]. H.: The neurolopathology of head injuries. In: Vinken, P. J., G.f W. Bruyn (eds.): Handbook of clinical neurology. Vol. 23. Elsevier-North Holland Publ. Co., Amsterdam 1975 2 Baethmann, A., K. G. Go, A. Unterberg: Mechanisms of secondaq brain damage. Plenum Press, New York-London 1986 3 Becker, D. P.: The temporal genesis of primary and secondaiy brain damage in experimentaland clinical head iniury. Plenum Press, New York-London (1986) 47 4 Cervos-Nauarro, ]., J. Figols. C. Eberhardt: Microthrombosis: A conmbuting factor to the progression of cerebrai infarction in man. Plenum Press, New York-London (1986) 109 5 Clifbn, G. L, M. Ziegler, R Grossmann: Circulation catecholamines and sympathetic activity after head injury. Neurosurgery 8 (1981) 10 6 Frowein, R A., K.-E. Richard, R Firsching, P. Sanker, N. Diederich, U. Stammler, F. Thun: F~hprognoseschwerer Schädel-Him-Verletm g e n und Problematik der Hirntodfeststellung.In: Walter, W., W. Krenkel, unter Mitarbeit von R. Mewe (Hrsg.):Jahrbuch der Neurochirurgie. Biermann Verlag (1990) 121 7 Frowein, R A., U. Starnmier, R Firsching, G. Friedmann, F. Thun: Early Dynamic Evolution of cerebral connisions and lacerations. Clinical and radiological findings. In: Frowein, R. A. (ed.): Cerebral Contusions, Lacerations and Hematomas. Advances in Neurotraurnatology, Vol. 3. Springer, Wien-New York (1991) 201 8 Gennarelii, Th. A., J. H. Adams, D. L. Graham: Diffuse axonal injury - a new conceptuai approach to an old problern. Plenum Press, New York-London (1986) 15 9 Graham, D. L, J. H. Adams: Ischemic brain damage in fatai head injuries. Lancet 1 (1971) 265 10 Jmnett, B.: Epiderniologyof severe head injury: Socioeconomicconsequences of avoidable mortalicy and morbidity. In: Scriabine, A., G. M. Teasdale, D. Tettenborn, W. Young (eds.): Nimodipine. Pharmacological and clinical resuits in cerebral ischemia. Springer (1991) 225 1

Karimi-Nejad, A.: Erkennung und Behandlung der vitalen Funktionsstörungen und die diagnostische Strategie bei Schädel-Hirn~erletzun~e;.In: Karimi, A. ( ~ r s ~ ~raumatische .): und nicht-traumtische Notfälle. Erstversorgungund Reanimation im Rettungsdienst. de Gmyter (1988) 13 12 Karimi-Nejad, A., R A. Frowein: n i e effects of central respiratory disorders on blood and CSF gases. In: Pia, H. W., E. Grote, F. Mundinger, J. R. W. Gleave (eds.): Proceedings of the german society for neurosurgery. Modern aspects of neurosurgery, Vol. 1-2. Centrai dysregulation, cenical spine operations. Excerpta Medica, Amsterdam (1971) 74 13 Lobato, R D.,]. J. Riuas, P. A. Gomez, M. Castaneda, J. M. Canizal, R Sambria, A. Cabrera, M. 1. Munoz Headinjured patients who talk and deteriorate into coma. J. Neurosurg. 75 (1991) 256 14 Marshall, L. F.: Persönliche Mitteilung. 1991 ' 5 M i l k J. D..:: Head injury and brain ischemia - implications for therapy. Br; J. Anaesth. 57 (1985) 120 16 Miller,]. D., D. P. Becker: General principles and pathophysiology of head iniury. In: Yournans, J. (ed.): Neurological surgery, Vol. 4. Saunders, Philadelphia 1982 17 Muizelaar, J. P., A. Marmarou, J. D. Ward, H. A. Kontos, S. C. Choi, D. P. Becker, H. Gruerner, H. F. Young: Adverse effects of prolonged hyperventilation in patients with severe head injury: a randomized ciinical trial. J. Neurosurg. 75 (1991) 731 18 Overguard, J., C. Mosdal, W. A. Tweed: Cerebral circulation after head injury. Part3: Does reduced regional cerebral blood flow determine recovery of brain function after blunt head injury?J. Neure surg. 55 (1981) 63 ' 9 Reichardt, M.: Zur Entstehung des Himdrucks bei Hirngeschdsten und anderen Hirnkrankheiten und die bei diesen zu beobachtende besondere Form der Himschwellung. Dtsch. Z. Nervenheilk. 28 (1905) 306 20 Reilly, P. L., D. I. Graharn,]. H. Adams, et al.: Patients with head injury who talk and die. Lancet 2 (1975) 375 21 Richard, K.-E.: Traumatic Brain Swelling and Brain Oedema. In: Frowein, R. A. (ed.): Adv. in Neurotraumatology,Vol. 3 (1991) 101 Rosner, M. J., S. Daughton: Cerebral Perfusion Pressure Management in Head Injury. J. Trauma (1990) 933 23 Schlag, G., H. Redl: Morphology of the human lung after traumatic injury. In: Zapol, W. W., K. J. Falke, M. Dekker (eds.): Acute Respiratory Failure, Vol. 24, 3. New York-Basel 1985 24 Schulte um Esch, J., H. Murday, G. Pfeifer: Haemodynarnic changes in patients with severe head injury. Acta Neurochir. 54 (1980) 243 Ulmer, W. T.: Numn und Gefahren der Sauerstoffatrnung. Dtsch. k t e b l . 21 (1984) 29

11

Prof DY.A. Karimi Prof.DY. K-E. Richard Neurochirurgische Klinik der Universität zu Köln Joseph-Stehann-Straße 9 5000 Köln 41

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Schädel-Hirn-Trauma:Sekandäre Hirnschädigungen

[Craniocerebral trauma: secondary brain injuries].

Th. Prien: Polytrauma Schädel-Hirn-Trauma:Sekundäre Hirnschädigungen A. Karimi-Nejad, K.-E. Richard Neurochirurgische Klinik, Universität Köln Einle...
920KB Sizes 0 Downloads 0 Views