Übersichten Schmerz 2014 · 28:128–134 DOI 10.1007/s00482-014-1417-3 Online publiziert: 9. April 2014 © Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg - all rights reserved 2014

M. Marziniak1 · V. Malzacher2 · S. Förderreuther3 · T. Jürgens4 · P. Kropp5 · A. May4 · A. Straube3 · Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e. V. 1 Neurologische Klinik, Isar-Amper-Klinikum München-Ost, Haar 2 Neurologische Praxis Bismarckstraße, Reutlingen 3 Neurologische Klinik, Universität München, München 4 Institut für systemische Neurowissenschaften, Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf (UKE), Hamburg 5 Institut für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universität Rostock, Rostock

Konsensuspapier der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft zur Struktur von Kopfschmerz­­-  zentren und Kopfschmerz­-  schwerpunktpraxen in Deutschland

Ziele und Hintergrund Eine Klassifikation verschiedener Versorgungsstufen schmerztherapeutischer Einrichtungen wurde erstmalig durch die International Association for the Study of Pain (IASP; http://www.iasp.org) 1991 definiert [10]. Ziel war es, durch definierte Strukturmerkmale eine Verbesserung der Krankenversorgung von Schmerzpatienten zu erreichen. Zusammenfassend schlägt die IASP drei strukturelle Stufen der Schmerzzentren vor [10]: 1. Die „pain clinics“ 2. Die „multidisciplinary pain clinics“ 3. Die „multidisciplinary pain centres“ Wichtigstes gemeinsames Merkmal dieser prinzipiell multidisziplinären Einheiten ist, ein umfassendes multimodales und interdisziplinäres Konzept der Diagnostik- und Behandlungsoptionen zu ermöglichen. Dieses System ermöglicht das umfassende Schmerzmanagement einschließlich Diagnostik und Therapie unter Berücksichtigung nationaler und internationaler Leitlinien. Obligatorisch ist die Beteiligung des Fachs Psychiatrie oder klinische Psychologie.

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Das „multidisciplinary pain centre“ ist von den drei oben genannten Optionen die am weitesten entwickelte, da sie zusätzlich zur Diagnostik sowie ambulanten und stationären Behandlung ein eigenständiges Forschungs- und Lehrangebot nachweisen soll. Die Voraussetzung, die eine „pain clinic“ erfüllen muss, ist im Vergleich dazu weniger weit gefasst und besteht in der schmerzspezifischen Zusatzqualifikation des Leiters bzw. eines fest angestellten Mitarbeiters sowie dem Nachweis einer institutionalisierten, durch Absprachen geregelten Kooperation mit anderen Fachdisziplinen, um Schmerzpatienten zu behandeln. Die IASP diskutiert ebenfalls, dass neben den vorgeschlagenen Strukturen auch spezialisierte Einrichtungen vorhanden sein können, welche sich mit spezifischen Schmerzerkrankungen wie z. B. Kopfschmerzen oder kindlichen Schmerzen befassen können [10]. Kopf- und Gesichtsschmerzen stellen in Deutschland ein gravierendes Gesundheitsproblem dar. 54 Mio. Deutsche geben Kopfschmerzen als relevante Beeinträchtigung im Laufe ihres Lebens an. Hochrechnungen gehen in Deutschland täg-

lich von 17.000 Krankheitsfehltagen durch Kopfschmerzen aus, welche im Jahr 2005 zu indirekten Kosten von 2,3 Mrd. € geführt haben [1, 4]. In Deutschland werden pro Jahr Schmerzmedikamente in über 3 Mrd. Einzeldosierungen eingenommen, ca. 85% aufgrund von Kopfschmerzen [2, 14]. Viele Patienten mit Kopfschmerzen behandeln sich einerseits aufgrund von mangelnder Effizienz, andererseits aufgrund von unzureichenden Empfehlungen selbst mit nichtverschreibungspflichtigen Medikamenten. Durch Unzufriedenheit mit der Behandlung werden häufig alternative, nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin nicht validierte Therapieverfahren durchgeführt [5]. Bei fehlender langfristiger Wirksamkeit führt dies bei vielen Patienten zu einer Chronifizierung der Kopfschmerzerkrankung bis hin zum Medikamenten­übergebrauch, einer Zunahme der Tage mit Arbeitsunfähigkeit und letztlich Berentung. So zeigt eine Studie, dass der Anteil der Berufstätigen in der Gruppe der Patienten mit einer chronischen Migräne signifikant niedriger ist als in der Gruppe mit episodischer Migräne [13]. Diesen Problemen wurde versucht Rechnung zu tragen,

Übersichten u. a. mit Initiativen zur Entwicklung und Umsetzung der integrierten Versorgung in der Schmerztherapie [3, 15, 16]. Sie ist jedoch bisher nicht flächendeckend verfügbar. Patienten sind, bedingt durch die Vielschichtigkeit des Gesundheitssystems, darauf angewiesen, durch transparent vergebene Merkmale Hinweise für eine ihren Bedürfnissen gerechte Versorgung zu erhalten. Die Behandlung bezieht sich auf häufige primäre Kopfschmerzen wie z. B. Migräne oder Kopfschmerzen vom Spannungstyp mit episodischer sowie chronischer Verlaufsform, aber auch auf sekundäre Kopfschmerzen wie posttraumatische Kopfschmerzen oder Neuralgien. Die Diagnostik richtet sich standardisiert nach der internationalen Kopfschmerzklassifikation der International Head­ache Society [8]. Mittlerweile liegen erste Ergebnisse aus integrierten Versorgungszentren vor, die die Wirksamkeit solcher multidisziplinärer Therapieansätze qualitativ und quantitativ belegen [3, 6, 7]. Die European Headache Federation (EHF) schlägt in Anlehnung an die Vorschläge der IASP drei Level in der Kopfschmerzversorgung vor, die aus der allgemeinärztlichen Versorgung („primary care“, Level 1), dem Facharzt mit speziellem Interesse in der Kopfschmerzversorgung („special-interest headache care“, Level 2) und den Kopfschmerzspezialzentren („headache specialist centres“, Level 3) bestehen. Letztere werden in der Regel als universitäre Einrichtung angesehen [12]. Die Einteilung der EHF berücksichtigt auch die europäischen Länder, die traditionell eine geringere Facharztdichte jenseits der allgemeinärztlichen Versorgung als Deutschland haben, und betont daher die wichtige Rolle der medizinischen Grundversorgung und die steuernde Aufgabe des Hausarztes als Zuweiser für Fachärzte, welche in Deutschland bei freier Arztwahl geringer ausgeprägt ist. Ziel dieser Veröffentlichung ist es, zuverlässige Kriterien für die Strukturqualität in der Kopfschmerzversorgung zu definieren, die dann formal geprüft werden können und als Grundlage für einen späteren Zertifizierungsprozess durch die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) verwendet werden können.

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Methodik Für diese Empfehlungen wurde durch den federführenden Autor ein Vorschlag erstellt, der von den anderen Autoren jeweils ergänzt wurde. Zur Ist-Analyse wurde englischsprachige und deutschsprachige Literatur bis September 2013 analysiert mittels Recherchen in der Literaturbank PubMed. Diese Übersicht basiert auf den Empfehlungen der IASP, der EHF [12] sowie einer im Jahr 2011 erschienenen Empfehlung zur Klassifikation schmerztherapeutischer Einrichtungen in Deutschland [11] und den Erfahrungen der Autoren in der täglichen Versorgung von Kopfschmerzpatienten, einschließlich der zeitweiligen Teilnahme an Modellen der integrierten Versorgung.

Einteilung der Kopfschmerzeinrichtungen Basierend auf den Empfehlungen der IASP, der EHF [12] sowie einer im Jahr 2011 erschienenen Empfehlung zur Klassifikation schmerztherapeutischer Einrichtungen in Deutschland [11] wird von der DMKG die folgende Einteilung von Kopfschmerzeinrichtungen vorgeschlagen.

Allgemeinärztliche Grundversorgung von Kopfschmerzen Hausarzt mit speziellem Interesse an Kopfschmerzen. Die größte Anzahl von Patienten mit Migräne oder Kopfschmerz vom Spannungstyp wird leitliniengerecht versorgt. Die Diagnosestellung seltener Kopfschmerzen ist wünschenswert, zu fordern ist jedoch das Erkennen anderer Kopfschmerzarten und die daraus resultierende Überweisung zu einem Zentrum mit Level 1 oder höher. Eine Qualifizierung einer in der hausärztlichen Versorgung tätigen Praxis als Kopfschmerzschwerpunktpraxis Level 1 bedarf des Nachweises einer weiteren Qualifizierung, z. B. des Erwerbs des DMKG-Fortbildungszertifikats „Kopf- und Gesichtsschmerzen“ sowie der Erfüllung der unten genannten Kriterien. Grundsätzlich werden drei Ebenen der Versorgung für Patienten mit Kopfschmerzen jenseits der allgemeinärztli-

chen Grundversorgung vorgeschlagen. Für alle Level gilt, dass die Therapie gemäß den aktuellen Richtlinien der Fachgesellschaften [DMKG, Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), European Federation of Neurological Societies (EFNS)] durchzuführen und eine regelmäßige Weiterbildung im Bereich Kopfschmerz durch den Erwerb des DMKGFortbildungszertifikats „Kopf- und Gesichtsschmerzen“ nachzuweisen ist. Die Differenzialdiagnostik von primären und sekundären Kopfschmerzen nimmt ebenso wie die neurologische Untersuchung und die im Einzelfall notwendigen weiterführenden diagnostischen Verfahren und notwendigen therapeutischen Schritte einen breiten Raum in der neurologischen Facharztausbildung ein. Daher ist die Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ für die Behandlung von Kopfschmerzen durch neurologische Fachärzte erwünscht, aber nicht zwingend erforderlich.

Level 1: Kopfschmerzschwerpunktpraxis Definition und Voraussetzung.  Facharztpraxis für Neurologie mit den unten genannten Qualitätsmerkmalen im Bereich Kopfschmerzen oder Facharztpraxis für Anästhesie oder Allgemeinmedizin mit Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“. Nachweis einer zusätzlichen Qualifikation, z. B. durch den Erwerb des DMKG-Fortbildungszertifikats „Kopf- und Gesichtsschmerzen“. Für Praxen, die von einem nichtneurologischen Facharzt geleitet werden, ist eine Kooperation mit einem Neurologen nachzuweisen. Dies ist durch die grundsätzliche Notwendigkeit der Abgrenzung von sekundären gegenüber primären Kopfschmerzen begründet. Zudem ist für alle Fachdisziplinen eine etablierte Kooperation mit einem psychologischen oder ärztlichen Psychotherapeuten nachzuweisen. Die Diagnosestellung eines primären Kopfschmerzes (Migräne, Kopfschmerz vom Spannungstyp, trigeminoautonome Kopfschmerzen und Kopfschmerzen der Gruppe 4) nach den IHSKriterien setzt in der Regel einen unauffälligen neurologischen Status und zum Teil weitere neurologische Zusatzunter-

Zusammenfassung · Abstract suchungen voraus. Für die Erhaltung der geforderten Qualität ist zu fordern, dass regelmäßig mindestens 50 Patienten pro Quartal mit der Hauptdiagnose Kopfschmerzen versorgt werden. Eine Kooperation mit einem übergeordneten Zentrum (für Rückfragen/Überweisung/Mitbehandlung und Weiterbildung) des Levels 2 oder 3 ist nachzuweisen.

Level 2: Kopfschmerzspezialambulanz Definition und Voraussetzung.  Kopfschmerzspezialpraxis oder Spezialambulanz mit klarem, erkennbarem Kopfschmerzprofil. Der Leiter muss ein in der Behandlung von Kopfschmerzen erfahrener Facharzt für Neurologie sein mit der Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“. Im Einzelfall kann dies bei Nachweis einer entsprechenden Expertise (Ausbildung in einem Zentrum mit hoher Anzahl an Kopfschmerzpatienten und schon langjährige intensive Zusammenarbeit mit neurologischen Fachärzten) im Bereich Kopfschmerz auch durch einen anderen Facharzt im Besitz der Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ erfolgen, sofern zusätzlich ein Facharzt für Neurologie in der Kopfschmerzspezialambulanz tätig ist. Die Kriterien für eine „Multimodale Schmerztherapie“ (OPS 8-918) müssen am Zentrum erfüllt werden (interdisziplinäres Behandlungsteam, mindestens zwei Fachdisziplinen, drei aktive Therapieverfahren). Die gesamte apparative Zusatzdiagnostik (insbesondere Liquordruckmessung und Liquoranalyse, Elektrophysiologie) muss verfügbar sein. Zusätzlich muss ein Zugang zur kraniellen Bildgebung (Magnetresonanztomographie und Computertomographie) vorhanden sein. Es müssen die Möglichkeiten einer ambulanten und stationären Therapie (z. B. auch in kooperierenden Kliniken) bestehen. Eine institutionalisierte Kooperation mit einem psychologischen Psychotherapeuten [möglichst mit der Weiterbildung „Spezielle Schmerzpsychotherapie“ nach den Kriterien der Deutschen Schmerzgesellschaft/DMKG/Deutschen Gesellschaft für psychologische Schmerztherapie und -forschung (DGPSF)/Deut-

Schmerz 2014 · 28:128–134  DOI 10.1007/s00482-014-1417-3 © Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg - all rights reserved 2014 M. Marziniak · V. Malzacher · S. Förderreuther · T. Jürgens · P. Kropp · A. May · A. Straube · Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e. V.

Konsensuspapier der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft zur Struktur von Kopfschmerzzentren und Kopfschmerzschwerpunktpraxen in Deutschland Zusammenfassung Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft stellt ein Konsensuspapier zur Klassifikation von Einrichtungen in der Kopfschmerzversorgung in Deutschland vor. Die Klassifikation lehnt sich an die Empfehlungen der International Association of Pain (IASP) und der European Headache Federation (EHF) zur Klassifikation von (Kopf-)Schmerzschwerpunktpraxen an und wurde adaptiert an die spezielle Situation der Kopfschmerzversorgung in Deutschland. Drei Ebenen in der Kopfschmerzversorgung werden defi-

niert: die Kopfschmerzschwerpunktpraxis (Level 1), die Kopfschmerzspezialambulanz (Level 2) und das Kopfschmerzzentrum (Level 3). Ziel dieser Veröffentlichung ist es, zuverlässige Kriterien für die Strukturqualität in der Kopfschmerzversorgung zu definieren. Schlüsselwörter Kopfschmerzen · Kopfschmerzversorgung · Klassifikation von Kopfschmerzzentren · Empfehlung

Consensus paper of the German Migraine and Headache Society on the structure of headache care facilities in Germany Abstract This consensus paper introduces a classification of headache care facilities on behalf of the German Migraine and Headache Society. This classification is based on the recommendations of the International Association for the Study of Pain (IASP) and the European Headache Federation (EHF) and was adapted to reflect the specific situation of headache care in Germany. It defines three levels of headache care: headache practitioner (lev-

schen Gesellschaft für Schmerztherapie (DGS) [9]] oder ärztlichen Psychotherapeuten möglichst mit der Zusatzweiterbildung „Spezielle Schmerztherapie“ sowie Physiotherapeuten ist zu fordern. Im Quartal ist ein regelmäßiges Patientenaufkommen von mindestens 150 Patienten mit Kopfschmerzen als Hauptdiagnose nachzuweisen. Eine Kooperation mit einem übergeordneten Zentrum (für Rückfragen, Überweisung, Mitbehandlung und Weiterbildung) des Levels 3 ist nachzuweisen.

Level 3: Kopfschmerzzentrum Definition und Voraussetzung.  Einrichtung mit einer fachübergreifenden ambulanten, teilstationären und stationären Versorgung.

el 1), headache outpatient clinic (level 2) and headache centers (level 3). The objective of the publication is to define and establish reliable criteria in the field of headache care in Germany. Keywords Headache · Headache care · Classification of headache centers · Recommendation

Die Kriterien für eine „Multimodale Schmerztherapie“ (OPS 8-918) müssen am Zentrum erfüllt werden (interdisziplinäres Behandlungsteam, mindestens zwei Fachdisziplinen, drei aktive Therapieverfahren). Die Leitung durch einen Neurologen mit der Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ ist obligat. Eine regelmäßige Weiterbildung der beteiligten Ärzte/Psychologen im Bereich Kopfschmerzen (durch Besuche von durch Ärztekammern akkreditierten Fortbildungskursen zum Thema Kopfschmerz) ist nachzuweisen. Die Durchführung interventioneller Therapien muss möglich sein (ggf. auch in Kooperation mit anderen Abteilungen/Kollegen). Im Quartal ist ein regelmäßiges Patientenaufkommen von mindestens 150 Patienten mit Der Schmerz 2 · 2014 

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Übersichten Tab. 1  Übersicht über die Kriterien Kriterium

Kommentar

  1. Die Einrichtung verfügt über eine eigene räumliche Struktur und verfügt über ein nach außen erkennbares Kopfschmerzbehandlungsprofil. 2. Es liegen schriftlich fixierte SOP für die häufigsten Krankheitsbilder, Interventionen, Notfallmanagement sowie eine eindeutige Feststellung der Zuständigkeitsbereiche der verschiedenen Disziplinen vor. 3. Die Dokumentation erfolgt nach validierten und von den Fachgesellschaften empfohlenen Richtlinien. 4. Ein Neurologe als Mitglied im Team ist obligat. 5. Der Leiter muss die Zusatzqualifikation „Spezielle Schmerztherapie“ besitzen. 6. Das Behandlungsteam ist interdisziplinär einschließlich psychologischer/ärztlicher Psychotherapeuten und nichtärztlicher Berufsgruppen.

   

7. Nichtärztliche Mitarbeiter sollten fachspezifische Zusatzqualifikationen aufweisen. 8. Institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Disziplinen

9. Verbindliche Kooperationen für Kopfschmerzschwerpunktpraxen 10. Mindestens zwei regelmäßig verfügbare Fachbereiche müssen im Behandlungsteam vertreten sein. 11. Die Möglichkeit der ambulanten und stationären/teilstationären Behandlung muss vorhanden sein. 12. Die folgende durchschnittliche Anzahl an Patienten mit der Hauptdiagnose Kopfschmerzen ist pro Quartal zu behandeln. 13. Lehr- und Fortbildungsangebot 14. Die Einrichtung führt Forschung im Gebiet Schmerz durch (wünschenswert). 15. Regelmäßige Fortbildungen der ärztlich tätigen Kollegen zum Thema Kopfschmerz, nachgewiesen durch DMKG-Fortbildungszertifikat

Von den Einrichtungen zu erfüllende Kriterien Level 1 Level 2 Level 3 X X X

SOP müssen regelmäßig bzw. nach Erscheinen von neuen nationalen Leitlinien aktualisiert werden.



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Gemäß den Leitlinien/Empfehlungen der Fachgesellschaften (DMKG/DGN)

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Die Gruppe der nichtärztlichen Berufe umfasst medizinische Fachangestellte, Physio- und Ergotherapeuten, Pflegekräfte. Klinische Psychologen sollten die Weiterbildung in „Spezieller Schmerzpsychotherapie“ nach den Kriterien der Deutschen Schmerzgesellschaft/DMKG/DGPSF/DGS vorweisen können, ärztliche Psychotherapeuten die Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“. Eine Weiterbildung des nichtärztlichen Fachpersonals ist wünschenswert   (z. B. durch den Besuch entsprechender Kurse auf Schmerzkongressen)



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a) Für ambulante Strukturen besteht eine institutionalisierte Kooperation zwischen den sich an unterschiedlichen Orten befindlichen Fachdisziplinen. b) Für stationäre Einrichtungen existiert eine verbindlich institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen den Institutionen und Disziplinen. Werktägliche Visiten sowie mindestens wöchentliche und interdisziplinäre Teambesprechungen sind obligat. Für Praxen, die von einem nichtneurologischen Facharzt geleitet werden, ist eine Kooperation mit einem Facharzt für Neurologie und für alle Fachdisziplinen eine Kooperation mit einem Psychotherapeuten nachzuweisen. Ein Neurologe und ein Psychologe/Psychotherapeut/Psychiater sind obligat.



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Ein eigenständiges Lehr- und/oder Fortbildungsangebot muss nachgewiesen werden. Ausgenommen sind hier Phase-IV-Studien und reine Anwendungsbeobachtungen. Forschungsaktivitäten können durch bewilligte Förderanträge, wissenschaftliche Publikationen und Posterpräsentationen auf wissenschaftlichen Tagungen nachgewiesen werden.  





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X Referententätigkeit

DGN Deutsche Gesellschaft für Neurologie; DGPSF Deutsche Gesellschaft für psychologische Schmerztherapie und -forschung; DGS Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie; DMKG Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft; SOP „Standard operating procedure“.

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Kopfschmerzen als Hauptdiagnose nachzuweisen. Weiterhin muss ein Psychiater oder ein ärztlicher Psychotherapeut hauptamtlich tätig sein, der über die Zusatzweiterbildung „Spezielle Schmerztherapie“ verfügt bzw. ein psychologischer Psychotherapeut mit der Weiterbildung „Spezielle Schmerzpsychotherapie“. Zu den strukturellen Vorraussetzungen gehört, dass monatliche interdisziplinäre Schmerzkonferenzen abgehalten werden. Ein eigenständiges Lehr- und/oder Fortbildungsangebot muss nachgewiesen werden (z. B. durch Programmübersichten), ein Forschungsangebot ist wünschenswert (Nachweis z. B. durch Publikationen). Das Fortbildungsangebot umfasst auch Referententätigkeit in den Fortbildungskursen der DMKG zur Erlangung des DMKGFortbildungszertifikats „Kopf- und Gesichtsschmerzen“.

Erläuterungen Die Versorgung von Schmerzerkrankungen wurde durch die Einführung der Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ durch den 99. Deutschen Ärztetag 1996 als gebietsbezogene Diagnostik und Therapie chronisch schmerzkranker Patienten, bei denen der Schmerz seine Leit- und Warnfunktion verloren hat und einen selbständigen Krankheitswert erlangt hat, deutlich verbessert. Allerdings ist die Schwerpunktsetzung des Weiterbildungsinhalts auf interventionelle Techniken (diagnostische und therapeutische Lokal- und Leitungsanästhesie, Plexusund rückenmarksnahe Analgesien und Sympathikusblockaden) im Bereich Diagnostik und Therapie der Kopfschmerzerkrankungen nicht von Bedeutung und daher die Zusatzbezeichnung von Nichtfachärzten für Anästhesiologie nur schwer zu erreichen. Dagegen kann gerade die Differenzierung von primären und sekundären Kopfschmerzformen bei jugendlichen und älteren Patienten schwierig sein und setzt spezielle neurologische Kenntnisse für die Differenzialdiagnostik voraus. Fundierte klinische neurologische Kenntnisse und die Beherrschung der hierzu notwendigen apparativen Methoden sind von entscheidender Bedeutung, welche nur der Weiterbildungskata-

log des Facharztes für „Neurologie“ zwingend fordert. Die Ausstattung der Kopfschmerzspezialambulanz sowie des Kopfschmerzzentrums orientiert sich an der OPS 8-918 (gemäß OPS-Version 2013). Eine interdisziplinäre Diagnostik durch mindestens zwei Fachdisziplinen ist ebenso wie eine psychiatrische/psychosomatische oder psychologische Kooperation notwendig. Für alle Zentren ist die Überprüfung des Behandlungsverlaufs durch eine standardisierte therapeutische Erfolgskontrolle [leitliniengemäße Kopfschmerzdiagnostik und der Einsatz von Erhebungsbogen wie dem Migraine Disability Assessment (MIDAS) oder Headache Impact Test (HIT6), aber auch von psychologischen Skalen wie der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS)] zu fordern, die sich an den Vorgaben für die integrierte Versorgung Kopfschmerz orientiert. Im stationären oder teilstationären Bereich sind werktägliche ärztliche Visiten obligat, zusätzlich Teambesprechungen und interdisziplinäre, regelmäßig stattfindende (mindestens monatliche) Teamkonferenzen. Multimodale Gruppentherapien sind gemäß OPS auf maximal acht Personen zu begrenzen. Für die Level 2 und 3 der Einrichtungen gilt, wie für die Abrechnung des Codes „Multimodale Schmerztherapie“, die Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ bei dem verantwortlichen Leiter oder einem Teammitglied sollte vorhanden sein. Weitere Anforderungen werden in . Tab. 1 näher spezifiziert.

schmerzversorgung zu etablieren und die Bildung eines Netzwerks in der Kopfschmerzversorgung in Deutschland zu fördern.

Fazit

  1. Berg J, Stovner LJ (2005) Cost of migraine and other headaches in Europe. Eur J Neurol 12(Suppl 1):59–62   2. DAK Versorgungsmangement. DAK Gesundheitsreport 2007   3. Diener HC, Gaul C, Jensen R et al (2011) Integrated headache care. Cephalalgia 31:1039–1047   4. Evers S, Wallasch T (2009) Anmerkungen zur Die Versorgungssituation von Kopfschmerzpatienten in Deutschland. Nervenheilkunde 28:350–355   5. Gaul C, Schmidt T, Czaja E et al (2011) Attitudes towards complementary and alternative medicine in chronic pain syndromes: a questionnaire-based comparison between primary headache and low back pain. BMC Complement Altern Med 11:89   6. Gaul C, Doorn C van, Webering N et al (2011) Clinical outcome of a headache specific multidisciplinary treatment program and adherence to treatment recommendations in a tertiary headache center. An observational study. J Headache Pain 12:475–483

Die hier vorgestellten Strukturempfehlungen stellen ein Konsensuspapier der DMKG dar. Sie orientieren sich an den Empfehlungen der IASP sowie EHF und berücksichtigen die Empfehlungen der Deutschen Schmerzgesellschaft. Sie sind die Grundlage für eine qualitätsorientierte und verbesserte Versorgung der Kopfschmerzpatienten in Deutschland. Die drei Ebenen in der Kopfschmerzversorgung, die Kopfschmerzschwerpunktpraxis (Level 1), die Kopfschmerzspezialambulanz (Level 2) und das Kopfschmerzzentrum (Level 3), kooperieren und ergänzen sich idealerweise. Ziel ist es, zuverlässige Kriterien in der Kopf-

Korrespondenzadresse Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e. V. Ziemssenstr. 1, 80336 München [email protected]

Danksagung.  Die Autoren bedanken sich bei H.C. Diener und S. Evers für konstruktive Anregungen während der Manuskripterstellung.

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  M. Marziniak erhielt Vortragsoder Beratungshonorare sowie Reisekostenübernahmen von Bayer Vital, Biogen, Genzyme, Merk Serono, Novartis und Teva sowie Reisekostenübernahmen von Allergan. M. Marziniak erhielt Forschungsförderung durch Biogen, Novartis und Merk Serono sowie den IMF. V. Malzacher erhielt Vortragshonorare von Teva sowie Reisekostenübernahmen von Biogen, Genzyme, MSD, Novartis und Teva. S. Förderreuther erhielt Vortragshonorare von Boehringer Ingelheim und Allergan. T. Jürgens erhielt Vortrags- oder Beratungshonorare von Allergan, MSD, Autonomic Technologies Inc. und Pfizer. P. Kropp erhielt Vortragshonorare von Allergan und Biogen Idec sowie Forschungsförderung durch das BMBF. A. May wird und wurde gefördert von der DFG, BMBF und EU und ist Berater oder Vortragender für Pfizer, Bayer Vital, GSK, Allergan, ATI, MSD und Desitin. Er hat einen „unrestricted grant“ von Linde Gas (Real Fund). A. Straube erhielt Vortragshonorare von Allergan, Hormosan, Pfizer, Boehringer Ingelheim und St. Jude. A. Straube erhielt Forschungsförderung durch Cerbomed, BMBF und DFG.     Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

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Ausschreibung Oskar-Medizinpreis 2014

Die Stiftung Oskar-Helene-Heim fördert die  Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet  der Medizin. Als besonderes Förderprojekt verleiht die Stiftung jährlich den mit 50.000 Euro  dotierten Oskar-Medizinpreis. Mit diesem Medizinpreis werden hervorragende Leistungen  gewürdigt  und  die Weiterführung  von  Forschungen unterstützt.  Im Jahr 2014 wird dieser Medizinpreis auf dem  Gebiet der  Orthopädie und Unfallchirurgie ausgeschrieben. Der Gelenkersatz gehört zu  den  häufigsten  Operationen  in  deutschen  Krankenhäusern. Daher ist die Qualitätsverbesserung bei der Endoprothetik eine ständige Herausforderung. Es geht um die Optimierung des operativen Zugangs und die sichere  Platzierung der Implantate, die Reduktion von  Komplikationen und die schnelle postoperative Rehabilitation der Patienten. Die erhebliche  volkswirtschaftliche Relevanz gebietet es, die  Qualität und Patientensicherheit in der Endoprothetik zu verbessern. Letztlich ist ein wichtiger Maßstab die Erfassung des individuellen  Nutzens, den die Patienten von der Behandlung wahrnehmen. Die Hüftendoprothetik war in den vergangenen Jahren der häufigste Eingriff und wird als  die  erfolgreichste  orthopädische  Operation  eingeschätzt. Die Knieendoprothetik hat inzwischen mengenmäßig zu den Hüftoperationen aufgeschlossen und wird von der fachlichen Anforderung an das klinische Vorgehen  deutlich anspruchsvoller beurteilt. Mit dem   Oskar-Medizinpreis 2014 soll daher ein/e habilitierte/r Mediziner/in ausgezeichnet werden,  die/der einen relevanten Beitrag zum Thema „Verbesserung von Qualität und Patientensicherheit  beim  elektiven  Hüft-  und/oder  Kniegelenkersatz“ in der Grundlagen- und/oder klinischen Forschung in Deutschland leistet. Fachübergrei-

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fende Forschungsgruppen sind ebenfalls zur  Bewerbung zugelassen.  Der  prämierte  Erkenntnisgewinn  soll  einer  breiten Öffentlichkeit vermittelbar sein. Dem Antrag sollen der Lebenslauf, die fünf  wichtigsten Arbeiten aus den letzten drei Jahren zum Thema „Innovation und Patientensicherheit bei der elektiven Hüft- und/oder Knieendoprothetik (Primärversorgung und Wechselendoprothetik)“ sowie eine inhaltliche Zusammenfassung  der  Forschungsergebnisse  beigefügt werden, ergänzt um weitere Forschungsplanungen. Arbeiten, die bereits eine  anderweitige Prämierung erhalten haben, sind  nicht zugelassen.  Das Preisgeld ist für Forschungszwecke nach  der freien Entscheidung des Preisträgers zu  verwenden. Der Preisträger hat der Stiftung die  Verwendung in geeigneter Weise zu belegen.  Der Antrag ist bis zum 31. Mai 2014 bei der  Stiftung  Oskar-Helene-Heim  einzureichen  ( [email protected]). Weitere  Informationen erteilt der Geschäftsführer der Stiftung,  Werner Ukas:  [email protected],  Tel. 030 8102-1100. Zweck der Stiftung Oskar-Helene-Heim ist die  Förderung von Wissenschaft und Forschung in  der Medizin, insbesondere der Orthopädie, der  Lungenheilkunde, Gastroenterologie und Viszeralchirurgie sowie der Orthopädietechnik.  Zu diesem Zweck unterstützt die Stiftung Forschungsprojekte oder sonstige gemeinnützige  gesundheitsfördernde Vorhaben, verleiht Stipendien und vergibt jährlich den Oskar-Medizinpreis und die Helene-Medaille. Quelle: Stiftung Oskar-Helene-Heim, www.stiftung-ohh.de

[Consensus paper of the German Migraine and Headache Society on the structure of headache care facilities in Germany].

This consensus paper introduces a classification of headache care facilities on behalf of the German Migraine and Headache Society. This classificatio...
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