Klin. Pädiatr. 203 (1991)

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Kongenitale Lungenvenenstenosen als seltene Ursache einer pulmonalen Hypertension E. Mühler, W. Engelhardt, R ..G. Grabitz, B. J. Messmer, G. v. Bernuth

Einleitung Zusammenfassung Es wird über Diagnostik, Therapie und Verlauf eines Patienten mit kongenitaler Stenosierung aller Lungenvenen berichtet. Trinkschwäche und Apathie, Tachydyspnoe, Tachykardie und Hepatomegalie traten als typische Symptome im Alter von acht Wochen auf. Der Krankheitsverlauf war rasch progredient mit rezidivierenden kardiorespiratorischen Dekompensationen bei radiologischen Zeichen der Lungenvenenstauung bzw. des Lungenödems. Klinische Untersuchung, EKG und Sektorechokardiogramm geben nur unspezifische Hinweise, die Diagnose kann nur durch den Nachweis eines erhöhten Pulmonalkapillardruckes bei normalem linksatrialem Druck und durch eine beidseitige Pulmonalis-Wedge-Angiographie im Rahmen einer Herzkatheteruntersuchung gesichert werden. Die Erkrankung ist rasch progredient, sie ist in der Regel letal mit und ohne operative Behandlung.

Unter den angeborenen Herzfehlern, die zu einer pulmonalvenösen Abflußbehinderung und daraus resultierenden pulmonalen Hypertension führen können, sind die Mitralstenose, das Cor triatriatum und die totale Lungenvenenfehleinmündung gut bekannt; die Diagnose ist in den meisten Fällen bereits echokardiographisch unter Einbeziehung der (Farb-) Doppleruntersuchung sicher möglich. Wesentlich schwieriger ist die Diagnostik bei kongenitaler Stenose aller Lugenvenen, einem Krankheitsbild, welches zwar selten ist, jedoch differentialdiagnostisch bei venös bedingter pulmonaler Hypertonie einbezogen werden muß. Wir berichten über Diagnostik, Therapie und Verlauf eines Patienten mit kongenitaler Stenose aller Lungenvenen.

Kasuistik Congenital Pulmonary Vein Stenosis: A Rare Cause of Pulmonary Hypertension We re port on the history, the diagnostic, and the operative procedure in an infant with congenital stenosis of all pulmonary veins. First symptomes such as failure to thrive, tachydyspnoe, tachycardia and hepatomegaly occured in the eighth week of life. Electrocardiography, 2-dimensional echocardiography and radiography of the chest were unspecific. After recurrent episodes of pulmonary oedema cardiac catheterization was performed: bilaterally elevated pulmonary artery wedge pressure and anormal left atrial pressure proved pu[monary venous obstruction. Severe stenosis of all pulmonary veins was apparent cineangiographically only by selective injections into the right and left pulmonary artery branches in wedge position. The operation (excision of the stenotic area and reimplantation using autologous pericardium) was unsuccessfull as in most cases described in the literat ure. Congenital stenosis of all pulmonary veins is a rapidly progressive malformation. Death occurs usually in the first year of life with and without operation.

Klin. Pädiatr. 203 (1991) 137-140 © 1991 F. Enke Verlag Stuttgart

Ein 8 Wochen alter männlicher Säugling wurde wegen zunehmender Apathie und Trinkschwäche dem behandelnden Kinderarzt vorgestellt. Die bisherige Vorgeschichte zeigte keine Auffälligkeiten, regelrechte Spontanentbindung in der 39. SSW. nach unauffälligem Schwangerschaftsverlauf. Kinderärztliche Untersuchungen einschließlich Vorsorgeuntersuchungen innerhalb der ersten acht Lebenswochen ließen keinen Hinweis auf eine kardiale Erkrankung erkennen. Bei der Untersuchung fanden sich als gravierende Symptome eine Tachypnoe und Tachykardie bei normaler Körpertemperatur, ein graues Hautkolorit sowie eine Hepatomegalie. Die Einweisung erfolgte unter der Verdachtsdiagnose einer Myokarditis. Bei stationärer Aufnahme befand sich der Patient in deutlich reduziertem Allgemeinzustand, die klinisch-kardiologische Untersuchung erbrachte als auffällige Befunde ein überaktives Herz, einen betonten, einzelnen zweiten Herzton sowie ein kurzes uncharakteristisches frühsystolisches Geräusch links parasternal. Laborchemische Untersuchungen ergaben Normwerte für CPK, GOT, GPT, LDH, Harnstoff und Kreatinin; Entzündungszeichen fehlten. Das EKG bot Zeichen einer ausgeprägten rechtsventrikulären Druckbelastung bei Rechtslagetyp sowie Zeichen einer rechtsatrialen Belastung (Abb. I).

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Klinik für Kinderkardiologie (Direktor: Prof. Dr. v. Bernuth) und Klinik für Thorax-. Herz- und Gefäßchirurgie der RWTH Aachen (Direktor: Prof. Dr. Messmer)

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Klin. Pädiatr. 203 (1991)

E. Mühler et al.: Kongenitale Lungenvenenstenosen einer pulmonalen Hypertension

ter der Erkrankung - im weiteren Verlauf zu bedrohlichen und zunehmend therapierefraktären kardiorespiratorischen Dekompensationen, so daß die Patienten in der Regel noch im Säuglingsalter versterben (Kirklin und Barratt-Boyes, 1986). Die Diagnose ist schwierig zu stellen, nicht-invasive Untersuchungsmethoden ergeben lediglich unspezifische Hinweise. Im EKG kann eine rechtsatriale und rechtsventrikuläre Belastung nachgewiesen werden, die durch die Sektorechokardiographie bestätigt werden kann: rechter Vorhof und rechter Ventrikel sind vergrößert, der rechte Ventrikel ist bei fortgeschrittenem Krankheitsbild in seiner Kontraktilität deutlich eingeschränkt. Eine Mitralklappenstenose, ein Cor triatriatum und eine totale Lungenvenenfehleinmündung mit Obstruktion, die eine venös bedingte pulmonale Hypertonie verursachen, können ausgeschlossen werden. Wenn auch üblicherweise die Darstellung der Lungenvenenmündung in den linken Vorhof sektorechokardiographisch gelingt, so ist doch mit Hilfe dieser Methode keine Aussage über eventuelle Stenosen möglich (Presbitero et al., 1983). Der Verdacht einer Stenosierung kann möglicherweise durch den zusätzlichen Einsatz der gepulsten bzw. farbcodierten Dopplersonographie erhärtet werden (Hartyanszky et al. , 1990), inwieweit diese Methoden spezifische Ergebnisse liefern, ist jedoch bisher noch offen. Die Diagnose ,Lungenvenenstenosen' kann somit nur mit Hilfe einer differenzierten Herzkatheteruntersuchung sicher gestellt werden: die Druckmessungen bestätigen die arterielle pulmonale Hypertonie. Bei der Kontrastmittelinjektion in die Pulmonalarterie kann eine verzögerte Kontrastmittelpassage auffallen, die seitengleich ist, wenn beidseitige Lungenvenenstenosen vorliegen. Eine Lungenvenenfehleinmündung kann aufgrund der isolierten Anfärbung des linken Vorhofes ausgeschlossen werden, die Lungenvenenstenosen selbst kommen jedoch bei einer einfachen Pulmonalisangiographie nicht zur Darstellung. Wegweisend für die Diagnose ist der erhöhte Pulmonalkapillardruck bei normalem linksatrialem Druck, die Differenz beweist eine pulmonalvenöse Abflußbehinderung. Eine angiographische Darstellung der Lungenvenenstenosen gelingt nur mit Hilfe einer Pulmonalis-Wedge-Angiographie, bei der Kontrastmittel über einen endständig offenen Ballonkatheter in die rechte und linke Pulmonalarterie injiziert wird (Bini und Bargeron, 1982). Pathologisch-anatomisch findet man unspezifische, nicht entzündliche fibröse Intimaverdickungen der Lungenvenen, die entweder zu einer umschriebenen Einmündungsstenose oder zu einer mehr tubulären Stenose führen (Nakib et al. , 1967). Begleitende Herzfehler sind selten, können jedoch die Diagnose zusätzlich erschweren, wenn sie ebenfalls mit einer pulmonalen Hyper-

tonie einhergehen, wie dies z. B. beim Ventrikelseptumdefekt oder beim offenen Ductus arteriosus Botalli der Fall ist (Presbitero et al. , 1983). Zur operativen Behandlung dieser Erkrankung, die bei konservativer Therapie in der Regel im ersten Lebensjahr zum Tode führt, wurden verschiedene Verfahren angewandt: Resektion der Stenose und Reimplantation der Lungenvenen in den linken Vorhof, plastische Erweiterung unter Einbeziehung der Vorhofwand oder mit Hilfe von autologem Perikard bzw. von prosthetischem (Gore-Tex, Dacron) Material. Sämtliche Verfahren führten bisher nicht zu befriedigenden Ergebnissen. Die Frühmortalität ist hoch. In den wenigen Fällen mit dokumentierter Senkung des Pulmonalarteriendruckes postoperativ kam es meist innerhalb weniger Monate zu hochgradigen Restenosierungen mit schließlich letalem Ausgang (Bini et al. , 1984; Kirklin und Barratt-Boyes, 1986). Eine transvenöse Ballondilatation setzt voraus, daß die Lungenvenen sondiert werden können. Dies ist bei so hochgradigen Stenosen wie in unserem Fall sicher nicht möglich. Die wenigen bisher beschriebenen Behandlungsversuche mittels transvenöser Ballondilatation führten allenfalls zu einer kurzfristigen Erweiterung, im Verlauf jedoch regelmäßig zu Restenosen (Driscoll et al., 1982). Somit existiert bisher kein erfolgversprechendes Behandlungskonzept für die kongenitale Stenosierung aller Lungenvenen.

Literatur I

Bini, R. M., L. M. Bargeron Jr.: Visualization of pulmonary vein ob-

struction by pulmonary artery wedge injection. Pediatr. Cardiol. 2 (1982) 161-162 2 Bini, R. M., D. C. Cleveland, R. Ceballos, L. M. Bargeron Jr., A. D. Pacifico, J. W. Kirklin: Congenital pulmonary vein stenosis. Am. J. Cardiol. 54 (1984) 369-375 , Driscoll, D. J., P. S. Hesslein, C. E. Mullins: Congenital stenosis of individual pulmonary veins: Clinical spectrum and unsuccessful treatment by transvenous balloon dilation. Am. J. Cardiol. 49 (1982) 17671772 4 Hartyanszky, I. L., T. Hülll, K. Kadar, E. Koncz, K. Lozsadi: Stenosis of pulmonary veins with totalleft anomalous pulmonary venous return. Eur. J. Cardiothorac. Surg, 4 (1990) 284-286 I Kirklin, J. B. G. Barrall-Boyes: Cardiac Surgery 1. Churchill Livingstone, New York, Edinburgh, London, Melbourne 1986 6 Nakib, A., J. H. Moller, V. I. Kanjuh, J. E. Edwards: Anomalies of the pulmonary veins. Am. J. Cardiol. 20 (1967) 77-90 7 Presbitero, P., C. Bull, F. J. Macartney: Stenosis of pulmonary veins with ventricular septal defect. Br. Heart J. 49 (1983) 600-603 " Reye, D.: Congenital stenosis of the pulmonary veins in their extrapulmonary course. Med. J. Aust. 1 (1951) 801-802

w.,

Dr. med. E. Mühler Klinik f. Kinderkardiologie der RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 5100 Aachen

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[Congenital pulmonary vein stenosis as a rare cause of pulmonary hypertension].

We report on the history, the diagnostic, and the operative procedure in an infant with congenital stenosis of all pulmonary veins. First symptoms suc...
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