Leitthema Chirurg 2014 · 85:31–36 DOI 10.1007/s00104-013-2563-3 Online publiziert: 25. Dezember 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

G. Folprecht1 · J. Weitz2 · R.-T. Hoffmann3 1 Medizinische Klinik und Poliklinik I, Universitätskrebszentrum,

Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden 2 Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden 3 Institut für Radiologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden

CT-morphologische Evaluation neoadjuvanter Chemotherapie Effektivität der Therapie   bei kolorektalen Lebermetastasen

Computertomographische (CT) Kontrollen oder Kontrollen mit anderen Schnittbildverfahren sind die wichtigsten Verlaufsuntersuchungen während einer Chemotherapie. Im Verlauf der neoadjuvanten Therapie sind verschiedene Fragen zu beantworten: Haben die Metastasen auf die Therapie angesprochen? Sind die Metastasen resektabel (geworden)? Lässt sich anhand des Ansprechens die Prognose abschätzen? Sind zusätzliche Metastasen aufgetreten? Kann die hepatische Toxizität abgeschätzt werden? Für die Beantwortung dieser ­Fragen ist meist eine exzellente ­Bildgebung vor Beginn der Therapie wichtig. Auch aus diesem Grund sollten die Befunde der Patienten vor Therapiebeginn interdisziplinär diskutiert werden – auch dann, wenn als erster Therapieschritt z. B. die Chemotherapie feststeht.

Beurteilung des Ansprechens Das Ansprechen auf eine Chemotherapie wird anhand der Größenänderungen der Tumorherde beurteilt. Die Response Evaluation Criteria In Solid Tumors (RE-

CIST; [4, 21]) sind hierbei die gebräuchlichste Methode. Mit ihrer Hilfe wurden in klinischen Studien die heutigen Therapiestandards etabliert. Die Methode nach RECIST stellt daher die Basis der Beurteilung des Ansprechens auf eine Chemotherapie dar – auch außerhalb von Studien. In die Therapieentscheidung gehen jedoch auch klinische Faktoren ein. Der Effekt bestimmter Therapien kann mit anderen Methoden sensitiver nachgewiesen werden, jedoch ist die Bedeutung dieser Evaluierungen in Bezug auf die Prognose der Patienten schlechter untersucht. Die Größenmessung nach RECIST ist nicht zur Bestimmung der Resektabilität geeignet. Die Magnetresonanztomographie (MRT) hat für den Nachweis von Lebermetastasen eine höhere Sensitivität und kann daher insbesondere bei Nachweis ­einer höheren Anzahl von Metastasen das Therapiekonzept ändern. Im Vergleich zum MRT mit Kontrastmittel ist die Sensitivität der Fluordesoxyglucose(FDG)Positronenemissionstomographie(PET) in Bezug auf die Detektion weiterer Lebermetastasen geringer [13]. Gründe hierfür sind u. a. die Atemverschieblichkeit und FDG der Leber. Die PET(-CT) hat jedoch

eine höhere Sensitivität für extrahepatische Metastasen [14]. Beiden Untersuchungen ist gemeinsam, dass die Sensitivität jeweils vor Beginn einer Chemotherapie am höchsten ist. Während die Rate an ­explorativen Laparotomien prinzipiell mit einem PET reduziert werden kann, [16] ändert ein PETCT erst nach einer Chemotherapie und unmittelbar präoperativ das Therapiekonzept bei Patienten mit sonst resektablen Lebermetastasen nur selten [12].

Beurteilung nach RECIST Die Größe der Tumorherde wird kurz vor Beginn einer Chemotherapie bestimmt. Empfohlen wird ein zeitlicher Abstand von ≤4 Wochen. Die Bildgebung erfolgt in der Regel mit einer CT- oder ggf. MRTUntersuchung. Die B-Bild-Sonographie wird aufgrund der schlechteren Reproduzierbarkeit der Größenmessungen für die Verlaufsuntersuchungen ausdrücklich nicht empfohlen. Bei Hautmetastasen ist auch eine klinische Größenbeurteilung und Vermessung möglich. Während der Chemotherapie werden Verlaufsuntersuchungen durchgeführt, in klinischen Studien in der Regel alle 8 WoDer Chirurg 1 · 2014 

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a

b

Abb. 1 8 RECIST Kriterien: Vermessung der Läsionen (Auszug). Pro Organ werden 2 Herde im größten Durchmesser vermessen. Die weiteren Läsionen sind Nichtzielläsionen (a). Dieselben Metastasen werden im Verlauf gemessen (b)

Grenze für Progression Summe der Tumordurchmesser

+20%

Neue Grenze für Progression +20% Neue Grenze für Progression –30% Grenze für Ansprechen

Ausgangssituation

Stabile Erkrankung

Partielle Remission

Partielle Remission

0

1

2

3

Progression 4 Zeitpunkt

Abb. 2 8 RECIST: Bewertung der Tumordurchmesser. Die Durchmesser der Tumorherde werden addiert. Nimmt der Durchmesser um mindestens 30% zur Ausgangsbildgebung ab, liegt ein Ansprechen vor. Bei einer Zunahme um mindestens 20% über dem kleinsten Durchmesser im Verlauf, ist der Tumor progredient. Liegt weder eine Progression noch ein Ansprechen vor, liegt eine stabile Erkrankung vor. Ein Auftreten neuer Metastasen ist immer eine Tumorprogression

chen (6–12 Wochen). Dabei soll dieselbe Untersuchungsmethode für den gesamten Verlauf der Therapie wie bei der initialen Untersuchung verwendet werden. Für die Beurteilung nach RECIST werden „messbare“ Läsionen und „nichtmessbare“ Läsionen unterschieden. Bei „messbaren“ Läsionen wird der jeweils ­größte Durchmesser in der Schnittbildgebung (in der Regel Spiral-CT) in der größten Ausdehnung bestimmt (. Abb. 1). Die Mindestgröße für eine messbare Läsion beträgt 10 mm. Lymphknoten werden in der kurzen Achse vermessen; die Mindestgröße beträgt hier 15 mm. ­Beispiele für nichtmessbare Läsionen sind u. a. maligner Aszites oder andere ­maligne Ergüsse, eine Lymphangiosis ­carcinomatosa

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oder Metastasen mit einer Größe unter 10 bzw. 15 mm.

»

Unterschieden werden komplette und partielle Remission, stabile Erkrankung oder Tumorprogression Für die Beurteilung des Ansprechens werden nach der aktuellen RECIST-Version (1.1) 5 messbare Zielläsionen (Tumorherde bzw. Metastasen, maximal 2 pro Organ) wie oben beschrieben vermessen. Für die Verlaufsbeurteilung werden die Durchmesser der Zielläsionen addiert. Zusätzlich werden die weiteren messbaren und die nichtmessbaren Läsionen beurteilt (Nichtzielläsionen). In Abhängig-

keit von den Ergebnissen wird ein Ansprechen als komplette Remission, partielle Remission, stabile Erkrankung oder Tumorprogression bezeichnet. Die Definition für eine partielle Remission ist eine Größenabnahme der Tumorherde um 30% (. Abb. 2). Als Basis dient die Summe der Tumordurchmesser zum Zeitpunkt des Therapiebeginns. Sind noch Tumorherde sichtbar, handelt es sich um eine partielle Remission. Die Nichtzielläsionen dürfen dabei nicht eindeutig progredient sein. Für eine komplette Remission dürfen weder die Zielläsionen noch die Nichtzielläsionen noch erkennbar sein. Die Ansprechrate ist der Anteil der Patienten mit einer partiellen oder kompletten Remission. Sie liegt bei Patienten mit kolorektalen Lebermetastasen mit aktuellen Chemotherapieregimen bei 50–70%. Zur weiteren Objektivierung des Ansprechens bestehen zwei Möglichkeiten: F Für unkontrollierte Studien mit dem primären Endpunkt Ansprechen wird eine zweite Bildgebung im Abstand von mindestens 4 Wochen zur Bestätigung des Ansprechens empfohlen. Findet sich auch auf dem nächsten CT ein Ansprechen, handelt es sich um ein „bestätigtes Ansprechen“. F Vor allem in randomisierten Studien werden die CT-Bilder einem zentralen Review unterzogen. Für die Fortsetzung der Chemotherapie wichtiger als die Frage nach einem Ansprechen ist der Ausschluss einer Tumorprogression. Dieser besteht, wenn F neue Metastasen auftreten oder F die messbaren Läsionen um 20% gegenüber der kleinsten Summe zu irgendeinem Zeitpunkt während der Therapie zunehmen (. Abb. 2) oder F die Nichtzielläsionen (­nichtmessbare Läsionen oder weitere messbare ­Herde) eindeutig progredient sind. Wegen möglicher Messungenauigkeiten und um keine klinisch irrelevanten Änderungen abzubilden, soll von einer Progression erst gesprochen werden, wenn die Größenänderung der Durchmesser mindestens 5 mm beträgt. Eine stabile Erkrankung liegt vor, wenn weder eine Größenabnahme im Sinne

Zusammenfassung · Abstract eines Ansprechens noch eine Größenzunahme im Sinne einer Tumorprogression vorliegt. Die RECIST-Beurteilung hat die aufwendigere Evaluation nach WHO-Kriterien abgelöst [11], bei der die Tumordurchmesser in zwei Ebenen gemessen wurden.

Steuerung der Chemotherapie Bei einer Tumorprogression wird die Chemo­therapie umgestellt oder abgebrochen, da von einem unzureichenden Effekt ausgegangen werden muss. Hingegen spricht das Vorliegen ­einer stabilen Erkrankung (also das Fehlen eines objektiven Ansprechens) nicht gegen die Fortsetzung der Chemotherapie. Für die praktische Entscheidung spielen meist Tumorsymptome und die Frage nach dem Vorliegen von Toxizitäten eine wichtige Rolle. Beim Auftreten von Nebenwirkungen ist nach einer Anpassung der Dosis der Chemotherapie häufig eine Fortsetzung der Behandlung möglich. Für die palliative Therapie kann eine lange Krankheitsstabilisierung bei geringen Nebenwirkungen unter Umständen besser sein als ein Ansprechen bei schweren Nebenwirkungen. Eine Umstellung der Chemotherapie für den Fall, dass „nur“ eine stabile Erkrankung, aber keine (partielle) Remission erreicht ist, ist kaum etabliert.

Größenänderung und Prognose Neben der Ansprechrate stellt die Zeit bis zur Tumorprogression einen wichtigen Surrogatparameter für das Überleben von Patienten unter einer Chemotherapie dar. Für beide Parameter ist eine Korrelation mit dem Überleben nachgewiesen [8, 17]. Die Zeit bis zur Tumorprogression wird im Rahmen von Zulassungsstudien beim kolorektalen Karzinom als Endpunkt akzeptiert [7]. Kürzlich wurden mehrere Arbeiten publiziert, die eine Korrelation eines frühen Ansprechens mit dem Gesamtüberleben zeigen. Als Grenzwert für die ­frühe Tumorreduktion unter Chemotherapie wurden dort nicht 30%, sondern 20% gewählt. Eine Größenreduktion zum Zeitpunkt 6, 8 oder 12 Wochen war jeweils

Chirurg 2014 · 85:31–36  DOI 10.1007/s00104-013-2563-3 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 G. Folprecht · J. Weitz · R.-T. Hoffmann

CT-morphologische Evaluation neoadjuvanter Chemotherapie. Effektivität der Therapie bei kolorektalen Lebermetastasen Zusammenfassung Hintergrund.  Bei Patienten mit nichtresek­ tablen Lebermetastasen ist ein Ansprechen auf eine Chemotherapie notwendig, um eine Resektion erreichen zu können. In Studien korreliert die Ansprechrate während einer neoadjuvanten/Konversionschemotherapie eng mit der Häufigkeit von Metastasenresektionen. Methoden.  Die Beurteilung des Ansprechens erfolgt in klinischen Studien mittels der RECIST-Kriterien. Diese werden für die Therapieentscheidung um Fragen zur Prog­ nose, zu Tumorsymptomen und zur Toxizität ergänzt. Für die Beurteilung der Resekta­ bilität sind das funktionelle Leberrestgewebe und prognostische Faktoren wichtig. Ergebnisse/Diskussion.  Regelmäßige bildgebende Kontrollen sind zur Therapiesteue-

rung notwendig. Hiermit soll eine Fortführung der Chemotherapie bei Tumorprogression vermieden werden. Die Chemotherapie wird beim Erreichen der Resektabilität in der Regel unterbrochen, um eine zusätzliche (Hepato-)Toxizität zu vermeiden. Morphologische Kriterien für das Ansprechen (z. B. ­mRECIST) können die Effekte einzelner Therapieverfahren sensibler erfassen, sind aber für die Steuerung der systemischen Therapie oder zum Vergleich mit anderen Therapieverfahren nicht etabliert. Schlüsselwörter Kolorektales Karzinom · Lebermetastasen · Neoadjuvante Therapie · Chemotherapie · Computertomographie

Computed tomographic morphological evaluation of neoadjuvant chemotherapy. Effectiveness of the therapy for colorectal liver metastases Abstract Background.  For patients with non-resectable liver metastases a response to chemotherapy is necessary in order to be able to achieve resection. Studies have shown that the response rate during neoadjuvant conversion chemotherapy is closely ­correlated with the frequency of resection of metastases. Methods.  Assessment of the response in clinical studies is based on the RECIST criteria. These criteria are supplemented by questions on the prognosis, tumor symptoms and toxicity for decisions on therapy. For assessment of resectability, the functional residual liver tissue and prognostic factors are important. Results and discussion.  Regular imaging controls are necessary for guiding therapy in

signifikant mit einem längeren Überleben korreliert [19]. Der Zusammenhang zwischen einem frühen Ansprechen und einem längeren Überleben wurde zuvor auch für Cetuximab-ChemotherapieKombinationen berichtet [15]. Zur Therapiesteuerung hat das frühe Therapieansprechen derzeit keine Bedeutung.

order to avoid a continuation of chemotherapy in cases of tumor progression. Chemotherapy is normally terminated when resectability has been achieved in order to avoid additional (liver) toxicity. Morphological criteria for response to therapy (e.g. mRECIST) can be more sensitive for assessing the effects of individual therapeutic procedures but are not established for guiding systemic therapy or for comparison with other therapeutic procedures. Keywords Colorectal cancer · Liver metastases · Neoadjuvant therapy · Chemotherapy · Computed tomography

Morphologische Änderungen Antiangiogenetische Substanzen

Für Bevacizumab und andere antiangiogenetische Substanzen sind morphologische Veränderungen ausgeprägter beschrieben. Diese bestehen insbesondere in einer Dichteabnahme der Läsionen im CT und in einer schärferen Randbegrenzung (. Abb. 3). Diese Parameter korrelieren bei Patienten nach Resektion von Der Chirurg 1 · 2014 

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Abb. 3 8 Ansprechen auf eine Kombination aus Chemotherapie und VEGF(„vascular endothelial growth factor“)-Antikörper. a Lebermetastasen im Ausgangsstadium und b nach Chemotherapie. Die Lebermetastasen sind nach Chemotherapie kleiner (Schnittebenen durch die Größe der Metastasen vor Therapie nicht identisch abbildbar), ferner ist der schärfere Rand und die Änderung in der Dichte erkennbar (Kriterien für morphologisches Ansprechen auf VEGF-Therapie). Durch die Einbeziehung aller Lebervenen besteht weiterhin keine Resektabilität (nicht abgebildet)

,6

Studien mit neoadjuv. Fokus

Resektionsrate

,5

(„Lebermetastasen“) r=0,96, p=0,002

,4 Studien met. KRK r=0,74, p

[Computed tomographic morphological evaluation of neoadjuvant chemotherapy. Effectiveness of the therapy for colorectal liver metastases].

For patients with non-resectable liver metastases a response to chemotherapy is necessary in order to be able to achieve resection. Studies have shown...
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