Journal Club Anaesthesist 2014 · 63:70–72 DOI 10.1007/s00101-013-2280-9 Online publiziert: 20. Dezember 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Originalpublikationen 1. Kim F, Nichol G, Maynard C et al (2013) Effect of prehospital induction of mild hypothermia on survival and neurological status among adults with cardiac arrest: a randomized clinical trial. JAMA. DOI 10.1001/jama.2013.282173 2. Nielsen N, Wetterslev J, Cronberg T et al (2013) Targeted temperature management at 33°C versus 36°C after cardiac arrest. N Engl J Med. DOI 10.1056/NEJMoa1310519

Hintergrund.  Patienten, die erfolgreich wiederbelebt worden sind, haben trotz intensiver Therapie ein hohes Risiko, zu versterben oder bleibende neurologische Defizite zu behalten. Ausschlaggebend für die Prognose ist neben der Schwere der zugrunde liegenden Erkrankung (in aller Regel ein koronares Ereignis) die Ausprägung des sog. Postreanimationssyndroms, das eine massive inflammatorische Reaktion sowie Veränderungen der Blutgerinnung und der Nebennierenrindenfunktion beinhaltet. Die resultierende zerebrale oder myokardiale Dysfunktion und seltener ein Multiorganversagen sind limitierende Faktoren für das Überleben der Patienten. Aufgrund von 2 randomisierten klinischen Studien an Patienten mit Kammerflimmern, die für 12 bzw. 24 h auf 32–34°C gekühlt wurden und bei denen diese Therapie eine signifikante Verbesserung nicht nur des Überlebens, sondern auch des neurologischen Überlebens erreichte [1, 2], empfahl das International Liaison Committee on Resuscitation (ILCOR) bereits 2003, dass Patienten nach initialem Kammerflimmern für 12–24 h auf eine Zielkörpertemperatur

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A. Brücken · M. Fries Klinik für Anästhesiologie, Uniklinik RWTH Aachen

Kommentar zu: Kühlung und Temperaturmanagement nach Herz-Kreislauf-Stillstand

von 32–34°C gekühlt werden sollten [3]. In diesem Zusammenhang blieben allerdings Fragen und Kritikpunkte zu der sog. milden therapeutischen Hypothermie (MTH) offen. Zum einen war der Zeitpunkt bis zum Erreichen der Zielkörpertemperatur mit fast 8 h sehr lang. Zum anderen hatten Patienten in der unbehandelten Gruppe die Tendenz, Fieber zu entwickeln (Ø≈37,5°C), was die neurologische Prognose verschlechtert [4]. Methode.  Kim et al. aus Seattle gingen der offenen Frage nach, ob eine frühzeitige, bereits am Notfallort initiierte Infusionstherapie mit bis zu 2 l kalter (4°C) NaCl-Lösung das Erreichen einer MTH (Zieltemperatur 18 Jahre mit allen initialen Herzrhythmen nach erfolgreicher Wiederbelebung in die Studie aufgenommen und randomisiert. Patienten in der Behandlungsgruppe erhielten mindestens eine 18-G-Venenverweilkanüle und hierüber 1–2 mg Diazepam sowie 7–10 mg Rocuronium. Zeitgleich wurde die NaCl-Lösung über eine Druckinfusion verabreicht. Die angefahrenen Krankenhäuser behandelten die Patienten nach eigenem Protokoll mit MTH, und die Outcome-Parameter wurden von verblindeten Mitarbeitern erhoben. Daneben war es Ziel der Arbeit, Sicherheitsdaten zu diesem Therapieansatz zu sammeln. Hierzu wurden Kreislaufparameter, Blutgasanalysen und das Auftreten von radiogra-

phischen Zeichen der pulmonalen Überwässerung herangezogen. In der zweiten, multizentrischen Studie aus Europa unter der Leitung von Nielsen wurde die Frage der optimalen Zielkörpertemperatur untersucht. In diese Studie wurden insgesamt 939 Patienten >18 Jahre nach erfolgreicher Reanimation und mindestens 20-minütigem anhaltendem Spontankreislauf aufgenommen. Ausgeschlossen wurden Patienten mit unbeobachtetem Herz-Kreislauf-Stillstand (HKS) und initialer Asystolie. Die Zielkörpertemperaturen von 36 oder 33°C wurden durch verschiedene Verfahren erreicht und für 28 h aufrechterhalten. Nach langsamer Wiedererwärmung (0,5°C/h) wurde die Sedierung beendet und nach 72 h eine neurologische Untersuchung durch einen verblindeten Neurologen durchgeführt. Vordefinierte Protokolle wurden zum Weiterführen oder Limitieren der Intensivtherapie genutzt. Hauptendpunkte der Studie waren Überlebensrate und neurologisches Defizit, gemessen mit der modifizierten Rankin-Skala. Ergebnisse.  Patienten der Studie von Kim et al. waren in Bezug auf demografische und „arrest“-relevante Parameter (Alter, Geschlecht, beobachteter HKS etc.) in beiden Gruppen gleich verteilt. Die Autoren belegen, dass die Infusion der kalten NaCl-Lösung zu einer signifkanten Reduktion der initialen Körpertemperatur von ca. 1,25°C bei Krankenhausaufnahme führte; dies trug in Folge zu einer Verkürzung des Intervalls bis zum Erreichen der Zielkörpertemperatur von ca. 1 h bei. Interessanterweise erhielten nur 50% der Patienten der Interventionsgruppe die

vorgesehene Menge der NaCl-Lösung von 2 l. Sowohl Krankenhausentlassungsrate als auch neurologischer Status bei Entlassung waren allerdings in beiden Gruppen nahezu identisch. Eine prähospitale Kühlung mit NaCl-Lösung führte zum signifikant häufigeren Auftreten von erneuter Pulslosigkeit, und sowohl reduzierte Oxygenierung als auch radiologische Zeichen der Lungenüberwässerung waren hier ebenfalls signifikant häufiger. Allerdings resultierte dies nicht in einer verlängerten Beatmungszeit oder einer erhöhten Reintubationsrate. Die Patienten, die von Nielsen et al. untersucht wurden, waren ebenfalls in beiden Gruppen vergleichbar. Die initiale Körpertemperatur betrug in beiden Gruppen zwischen 35,2 und 35,3°C. Bei 24% der Patienten wurde ein intravaskuläres Temperaturmanagement angewendet, während beim Rest die Körpertemperatur mit Oberflächensystemen reguliert wurde. In der 33°C-Gruppe verstarben 235 Patienten (50%) und in der 36°C-Gruppe 225 Patienten (48%; p=0,51). Auch bezüglich des neurologischen Ergebnisses gab es keinen Unterschied, und in beiden Gruppen war die Rate an Nebenwirkungen vergleichbar gering. Schlussfolgerung.  Kim et al. folgern aus ihren Daten, dass die prähospitale Induktion von MTH mit kalter NaCl-Lösung zwar die Körpertemperatur effektiv senkt und somit zum früheren Erreichen der Zieltemperatur beitragen kann, dies jedoch nicht mit einer Verbesserung der Krankenhausentlassungsrate und des neurologischen Ergebnisses einhergeht. Höhere Inzidenzen von erneutem HKS und Lungenödem lassen die Autoren zu dem Schluss kommen, dass die prähos­ pitale Gabe von kalter Infusionslösung nicht routinemäßig angewendet werden sollte. Nielsen et al. konkludieren aus den ihnen vorliegenden Daten, dass keine Evidenz dafür besteht, als Zieltemperatur nach präklinischem HKS 33°C zu wählen, da im Vergleich zu den Patienten, die eine Körpertemperatur von 36°C aufwiesen, kein Benefit nachweisbar war.

Kommentar Noch vor 10 Jahren wurde die überwiegende Zahl von Patienten nach einem HKS als infaust eingestuft und oftmals frühzeitig von allgemeinen, intensivmedizinischen Maßnahmen ausgeschlossen. Aus diesem Vorgehen festigte sich das Bild einer ausnahmslos nicht zu überlebenden Schädigung. Dies war und ist jedoch oft auch Ausdruck einer „self-fulfilling prophecy“. Die Überprüfung der MTH als Therapiekonzept war insofern revolutionär und in der Behandlung von Reanimationspatienten einzigartig, weil neben der extrem hohen Effektivität („number needed to treat“ =8) auch ein geringes Nebenwirkungsprofil gezeigt werden konnte. Sterz und Holzer, die die Studie Hypothermia after Cardiac Arrest (HACA) damals initiierten, ist trotz der berechtigten Kritik an der erhöhten Temperatur der Kontrollgruppe sehr zu danken, da sie erstmals zeigen konnten, dass solche Patienten mit einer Therapie eine signifikant bessere Prognose haben können. Heute werden Reanimationspatienten auf Empfehlung durch internationale Fachgesellschaften überwiegend mit MTH behandelt, erhalten häufiger eine Herzkatheteruntersuchung und werden länger intensivmedizinisch betreut [5]. Auch dies ist Folge der HACA-Studie. Aufgrund der breiten Akzeptanz der MTH ist es darüber hinaus in vielen Rettungsdienstsystemen zur prähospitalen Anwendung von kalter NaCl-Lösung als Induktionsmethode der MTH gekommen. Man muss wissen, dass in die HACA-Studie nur Patienten mit Kammerflimmern und beobachtetem Kollaps inkludiert wurden, also eine Subgruppe, die per se ein gutes neurologisches Überleben aufweist, i. Allg. aber lediglich 20–40% der Gesamtpatienten ausmacht. Vor diesem Hintergrund waren beide aktuellen Studien sinnvoll und wurden nach modernen sowie akzeptierten Methoden auf hohem Niveau durchgeführt. Allerdings müssen einige Aspekte klargestellt werden, um sinnvolle Interpretationen zu erlauben. Kim et al. erwähnen, dass es nur bei 50% der Patienten möglich war, die beabsichtigte Menge von 2 l NaCl-Lösung zu verabreichen. Letzteres ist zumindest in den meisten städtischen Regionen ein häufiges Szenario. Es ist hervorzuhe-

ben, dass Kim et al. lediglich in der Behandlungsgruppe Diazepam und Rocuronium verabreichten, um Muskelzittern zu verhindern. Der Einfluss dieses Vorgehens auf die Ergebnisse ist unbekannt. Darüber hinaus war die Behandlung in den teilnehmenden Krankenhäusern nicht vollständig standardisiert, und lediglich ein Zentrum kühlte auch Patienten mit nichtdefibrillierbaren Herzrhythmen. Die erhöhte Rate des Auftretens radiologischer Zeichen einer kardialen Stauung war transient und hatte klinisch keinen Einfluss auf Beatmungszeit und Reintubationsrate. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass die erhöhte Rate an Rearresten zum neutralen Ergebnis der Studie geführt hat. Daher erscheint es gerechtfertigt, mit der Applikation von kalter NaClLösung zurückhaltend umzugehen und diese nicht routinemäßig zu verwenden. Es bleibt jedoch unbeantwortet, ob andere Methoden zur MTH-Induktion einen Vorteil bieten. Die Ergebnisse der Studie von Nielsen et al. scheinen den Nutzen einer Therapie mit MTH auf den ersten Blick infrage zu stellen. Die Tatsache, dass diese Untersuchung mehr als 3-mal so viele Patienten umfasst hat als HACA- und Bernards Studie zusammen, unterstreicht die Bedeutung. Darüber hinaus wurden von Nielsen et al. nahezu alle Patienten, ungeachtet des initialen Herzrhythmus aufgenommen. Besonders hervorzuheben ist auch das protokollierte Vorgehen für das Beenden bzw. Entziehen von intensivmedizinischen Maßnahmen. Die Tatsache des Fehlens einer Wirkung der MTH im Vergleich zum Vorgehen mit 36°C kann mehrere Ursachen haben. Zum einen ist die Verbesserung der Intensivmedizin i. Allg. anzumerken, was den Benefit einer einzelnen Intervention verringern kann. Zum anderen wurden im Gegensatz zu den früheren Studien, wie bereits oben beschrieben, weniger selektierte Patienten aufgenommen. Man sollte sich jedoch hüten, aus den Ergebnissen zu folgern, dass die MTH sinnlos sei. Die Schwere der Postreanimationskrankheit variiert zwischen Patienten, und es ist denkbar, dass „kränkere“ Patienten sehr wohl von tieferen Körpertemperaturen profitieren können. Dies sollte immer auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die MTH in allen StudiDer Anaesthesist 1 · 2014 

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Buchbesprechungen en nicht zu mehr Nebenwirkungen (Blutungen oder Infektionen) geführt hat. Die beiden Studien sollten daher in keinem Fall dazu genutzt werden, um das Konzept des „targeted temperature management“ an sich infrage zu stellen. Ob bestimmte Subgruppen von Reanimationspatienten oder von Intensivpatienten ganz generell von bestimmten „Dosen“ an MTH profitieren, muss weiterhin evaluiert werden, um die Behandlungspfade weiter zu verbessern. Bis dahin ist es wichtig anzuerkennen, dass der Begriff „Temperaturmanagement“ einen sehr hohen Stellenwert besitzt und integraler Bestandteil moderner Intensivtherapie, gerade bei Patienten nach HKS, sein sollte.

Korrespondenzadresse PD Dr. M. Fries Klinik für Anästhesiologie, Uniklinik RWTH Aachen Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  A. Brücken und M. Fries geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur 1. Hypothermia after Cardiac Arrest Study Group (2002) Mild therapeutic hypothermia to improve the neurologic outcome after cardiac arrest. N Engl J Med 346:549–556 2. Bernard SA, Gray TW, Buist MD et al (2002) Treatment of comatose survivors of out-of-hospital cardiac arrest with induced hypothermia. N Engl J Med 346:557–563 3. Nolan JP, Morley PT, Vanden Hoek TL et al (2003) Therapeutic hypothermia after cardiac arrest: an advisory statement by the advanced life support task force of the International Liaison Committee on Resuscitation. Circulation 108:118–121 4. Gebhardt K, Guyette FX, Doshi AA et al (2013) Prevalence and effect of fever on outcome following resuscitation from cardiac arrest. Resuscitation 84:1062–1067 5. Tømte O, Andersen GØ, Jacobsen D et al (2011) Strong and weak aspects of an established postresuscitation treatment protocol-A five-year observational study. Resuscitation 82:1186–1193

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Der Anaesthesist 1 · 2014

R. Larsen, T. Ziegenfuß

Beatmung Indikationen – Techniken – Krankheitsbilder Springer-Verlag GmbH 2013, 5., 462 S., 121 Abb., (ISBN 978-3-642-29661-1), 44.95 EUR Das medizinische Lehrbuch „Beatmung“ von Larsen und Ziegenfuß gilt als Klassiker in Deutschland. Seit der 1. Auflage 1997 ist das Werk stetig überarbeitet, weiterentwickelt, verbessert und spezifiziert worden. Aktuell liegt die 5. Auflage vor, welche grundlegend umstrukturiert und neu gegliedert wurde. Dies ist vor dem Hintergrund geschehen, dass gerade in den letzten Jahren eine Vielzahl neuer technischer Entwicklungen und wissenschaftlicher Erkenntnisse das Spektrum für den Bereich der Beatmungsmedizin erheblich erweitert hat. Dies ist für Lernende oft unübersichtlich, weshalb die aktualisierte Auflage zum einen die Darstellung auf Grundlagen, Basistechniken und praktische Gesichtspunkte konzentriert und dabei didaktisch aufarbeitet. Zum anderen werden aber spezielle Krankheitsbilder und besondere Situationen sowie neue, wissenschaftlich etablierte Errungenschaften in spezifischer Weise dargestellt. Die 121 Abbildungen sowie die Vielzahl an Tabellen, Merksätzen und Gleichungen tragen zu der übersichtlichen Wissensvermittlung bei. Dabei sind die Struktur und die Inhaltsanordnung sinnvoll und didaktisch aufgebaut. Zudem erlaubt ein durchdachtes Stichwortverzeichnis die schnelle Orientierung innerhalb der 28 Kapitel, welche in 4 Sektionen aufgeteilt sind. Mit insgesamt 449 Seiten ist die 5. Auflage abermals erweitert im Vergleich zu der 4. Auflage und auch den Vorauflagen, was dem Wissenszuwachs in der Beatmungsmedizin Rechnung trägt. Jedes der 28 Kapitel wird durch ein Literaturverzeichnis abgeschlossen, welches die wesentlichen wissenschaftlichen Arbeiten beinhaltet, aber übersichtlich bleibt. Dabei werden auch aktuelle Leitlinien der Fachgesellschaften inkludiert und in ihren Kernaussagen in den jeweiligen Kapiteln bearbeitet.

Insgesamt konzentriert sich das Buch im Wesentlichen auf die Beatmung auf der Intensivstation. Dabei kommt allerdings das zunehmend wichtige Thema der nicht-invasiven und invasiven außerklinischen Beatmung zu kurz, da insbesondere in den letzten Jahren die Gruppe der chronisch vom Beatmungsgerät-abhängigen Patienten stark zugenommen hat. Hier ist gerade der Übergang von der Beatmung in der Klinik in die außerklinische Beatmung wichtig. Für den Bereich der Intensivstation werden allerdings alle etablierten Beatmungsverfahren didaktisch übersichtlich dargestellt. Dabei schaffen es die Autoren auch, geschickt durch den Dschungel der verschiedenen Bezeichnungen und Abkürzungen zu führen, so dass auch schwerverständliche Themenkomplexe gelernt werden können. Das Lehrbuch „Beatmung“ von Larsen und Ziegenfuß ist ein etabliertes Standardwerk zur Beatmungsmedizin. Die 5. Auflage integriert die neusten Entwicklungen in hervorragender Weise: Ein lesenswertes Buch für Anfänger und Fortgeschrittene! W. Windisch (Köln)

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