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CME-EKG 43/Auflösung Palpitationen nach physischer Anstrengung

Ein 23-jähriger Student spurtete am Morgen aufs Tram. Dabei bemerkte er plötzlich starke Palpitationen. Zudem kam es nach kurzer Zeit zu einem präsynkopalen Ereignis, so dass ihn Passan-

ten auf die Notfallstation brachten. Bisher war der sportliche Patient komplett beschwerdefrei und leistungsfähig gewesen. Das auf der Notfallstation abgeleitete EKG zeigte folgenden Befund:

Abb. 1: Spontanes 12-Kanal Ruhe-EKG des Patienten (Schreibgeschwindigkeit 25 mm/s, 10 mm/mV).

Welche Diagnose ist korrekt? a) Idiopatbische Kammertachykardie b) AV-Knoten-Reentrytachykardie (AVNRT) c) AV-Reentrytachykardie (AVRT) d) Sinustachykardie e) Vorhofflattern

Auflösung Im Oberfläcben-EKG zeigt sich eine regelmässige, monomorphe Breitkomplextachykardie (QRS>120ms) mit einer Frequenz von 240/min, mit Rechtsschenkelblock- (RSB-) Morphologie (rR' Komplex in VI, breite S-Zacken in I und V6) © 2014 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern

Anhand der Brugada-Kriterien kann eine weitere Differenzierung zwischen einer Kammertachykardie (VT) und supraventrikulärer Tachykardie (SVT) erfolgen. Für eine VT würden folgende BCriterien sprechen: 1. Fehlen eines RS-Komplexes in sämthchen Brustwandableitungen (also nur monophasische positive oder negati-

ve Ausschläge in allen Brustwandableitungen sog. positive oder negative Konkordanz). Die Tacbykardie unseres Patienten zeigt jedoch RS Komplexe in den Brustwandableitungen (Abb. 1). 2. RS-Abstand in mindestens einer Brustwandableitung > 100 ms (RS-Abstand = Beginn R-Zacke bis zum tiefsten DOl 10.1024/1661-8157/a001523

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Abb. 2:4oox Vergrösserungvon II aus Abbildung!.

Abb. 3: Demaskierung von Flatterwellen (Pfeile) nach Adenosingabe.

Punkt S-Zacke (RS-Dauer bei unserem Patienten 40 ms) 3. ÄV-Dissoziation (Abb. 2) P-Wellen zeigen keinen Bezug zu den Kammerkomplexen (in diesem EKG sind die P-Wellen nicht sicher abgrenzbar) Evt. zusätzliche Hinweise auf eine VT wären: 4. Capture beats (Fusionsschläge) (fehlen im aktuellen EKG-Beispiel) 5. Extreme Abweichungen der Hauptachse Nach Eintreffen auf der Notfallstation konnten mittels 12 mg Adenosin i.v. Flatterwellen mit der gleichen Zykluslänge wie die klinische Tachykardie demaskiert werden (Abb. 3, blaue Pfeile).

Dies spricht also auch gegen eine atypische ÄVNRT und AVRT, die bei korrekter Adenosingabe terminieren müssten, da diese zum Unterhalten der Tachykardie den ÄV-Knoten benötigen. Zuletzt kommt noch eine atriale Tachykardie infrage. Hier würde man aber keine Flatterwellen, sondern P-Wellen mit isoelektrischer Linie zwischen P- und QRS-Komplexen erwarten, obwohl auch hier die RP-Zeit meist lang ist. Der Patient wurde zur differenzierten Diagnostik und Therapie elektrophysiologisch untersucht. Während dieser Untersuchung konnte das Vorhofflattern bestätigt werden. Der diagnostische Katheter im Koronarsinus = CS 1/2 bis GS 9/10 zeigt eine atriale Aktivität (Abb. 4, blaue Pfeile), die doppelt so

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schnell ist wie die ventrikuläre Aktivität (QRS-Komplexe auf Oberflächen-EKG und Katheter am distalen His-Bündel His dist. Diese Aktivität entspricht tatsächlich Flatterwellen mit 2:1 Überleitung und einer Vorhoffrequenz von 240/min (Kammerfrequenz 120/min). Dabei zeigen sich im Oberflächen-EKG nun auch biphasische P-Wellen über den Brustwandableitungen sowie negative P-Wellen in den Ableitungen II und III (Abb. 5), was gegen eine Sinustachykardie mit Rechtsschenkelblockaberration spricht. Im Sinusrhythmus (Abb. 6) sieht man typischerweise positive P-Wellen in Ableitung I und II, sowie biphasische P-Wellen in Ableitung VI. Auch während der elektrophysiologischen Untersuchung kam es erneut zu einer 1:1 Überleitung, die der Patient hämodynamisch schlecht tolerierte (Abb. 7). Die Diagnose eines typischen rechtsatrialen Vorhofflatterns um den Trikuspidalanulus konnte elektrophysiologisch bestätigt werden, und es erfolgte in gleicher Sitzung die Ablation des cavo-tricuspidalen Isthmus an typischer Stelle, was bei dieser häufigen Rhythmusstörung die Therapie der Wahl darstellt, und eine Erfolgsrate von über 95% aufweist. Eine strukturelle Herzerkrankung konnte mittels Echokardiographie und Magnetresonanztomographie des Herzens ausgeschlossen werden. Seit der Ablation ist der Patient vollständig beschwerdefrei.

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es 910 Abb. 4 : Demaskierung der Flatterwellen, nun 2:1 Überleitung.

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Abb. 5: Vorhoffiattern mit 2:1 Überleitung (Schreibgeschwindigkeit 25 mm/s, mV 10 mm/mV).

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Autoren Klinik für Kardiologie, Herz-Kreislauf Zentrum, Universitätsspital Zürich Dr. med. Jan Vontobel, Dr. med. Ardan M. Saguner, Prof Dr. med. Corinna B. Brunckhorst

Korrespondenzadresse

Pro/ Dr. med. Corinna Brunckhorst Leitende Ärztin Klinik für Kardiologie Universitätsspital Zürich Rämistrasse 100 8091 Zürich Abb. 6: Im Sinusrhythmus (Schreibgeschwindigkeit 25 mm/s, 10 mm/mV).

[email protected]

Bibliographie 1. Brugada P, Brugada J, Mont L, Smeets J, Andries EW: A new approach to the differential diagnosis of a regular tachycardia with a wide ORS complex. Circulation 1991; 83:1649-1659. 2. Delacrétaz E: Supraventricular tachykadia. N EngI J Med 2006; 354:1039-1051. 3. Walters TE, Kistler PM, Kaiman JM: Radiofrequency ablation for atrial tachycardia and atrial flutter. Heart Lung Circ 2012; 6-7:386-394.

Abb. 7: Vorhofflattern mit i:i Überleitung (Schreibgeschwindigkeit 25 mm/s, 10 mm/mV).

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