Über die klinische Bedeutung von Manschettenciips in der Neurochirurgie E. C. Fuchs, Th. Grumme Neurochirurgische Abteilung, Klinikum Charlottenburg

Zusammenfassung Es wird über 5 Patienten berichtet, bei denen eine Unterbindung größerer arterieller Gefäße für die erforderliche Blutstillung vermieden wurde, indem Manschetten-Clips nach Heifetz verwandt worden waren. In 2 Fällen handelte es sich um Patienten mit Aneurysmen, in 3 Fällen um Patienten mit Hirntumoren. Eine postoperativ durchgeführte Computer-Tomographie sowie neurologische Folgeuntersuchungen scheinen in 2 Fällen auf die Durchgängigkeit der entsprechend versorgten Gefäße hinzuweisen. In den 3 weiteren Fällen wurde die Durchgängigkeit der Gefäße 2, 11 und 45 Tage nach der Versorgung durch einen Manschettenclip nach Heifetz mit Hilfe einer Carotisangiographie bewiesen.

Summary It is reported how, in 5 cases of arterial haemorrhage, the ligature of an artery was avoided by the use of Heifetz encircling clips with teflon liner. Two of the five patients had aneurysms. The remaining 3 were suffering from brain tumours. Postoperative computer tomography together with neurological follow up examinations indicated, that in two cases there was no disturbance of cerebral circulation. With a carotid angiography it was possible to show that in the other three cases normal flow 9 Neurochirurgia 19,3

through the arteries was maintained, 2, 11 and 45 days after emplacement of the clip. Key-words: microneurosurgery - arterial hemorrhage - Heifetz-clips

Die neue D i m e n s i o n der M i k r o n e u r o c h i r u r gie (1) ermöglicht es d e m N e u r o c h i r u r g e n Gefäße bis h e r a b von einem bis zwei m m im Durchmesser unter d e m M i k r o s k o p operativ zu versorgen (2, 3). In der täglichen Praxis zeigt sich jedoch, d a ß plötzliche Verletzungen größerer Gefäße im Arteria cerebri media, im Arteria cerebri anterior-Bereich u n d im Bereich der Arteria carotis interna m i t u n t e r trotz sorgfältigster P r ä p a r a t i o n nicht verhindert w e r d e n k ö n n e n . Sowohl in der Aneurysmachirurgie als auch bei T u m o r o p e r a t i o n e n sind sie d a n n einer rekonstruktiven Versorgung oft nicht schnell genug zugänglich. Für solche Fälle halten wir den M a n s c h e t t e n c l i p nach Heifetz für eine p r a k t i k a b l e N o t l ö s u n g , um die Alternative einer gänzlichen Gefäßu n t e r b r e c h u n g zu vermeiden. Wir berichten ü b e r 5 Patienten, bei denen große

Gefäße

intraoperativ

mit

Hilfe

des

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Neurochirurgie 19 (1976), 129-132 © Georg Thieme Verlag Stuttgart

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Gmmme

Manschettenclips nach Heifetz erhalten werden k o n n t e n . Teilweise w u r d e die Durchgängigkeit der Gefäße d u r c h Kontrollangiographie bewiesen. In den restlichen Fällen w a r es möglich, d u r c h neurologische Kontrolluntersuchungen auf die erhaltene Gefäßversorgung bestimmter H i r n a r e a l e zu schließen.

Frau H. Seh., geb. am 1. 7. 23, wurde am 21. 6. 1972 bei uns stationär aufgenommen. Es handelte sich offensichtlich um eine subarachnoidale Rezidivblutung. In einer Karotisangiographie konnte ein Aneurysma am Ramus communicans posterior rechts sowie ein zweites Aneurysma im Bereich der Arteria cerebri media rechts dargestellt werden. Bei der am 27. 6. 72 durchgeführten Operation (nach internationaler Nomenklatur war die Patientin neurologisch zu diesem Zeitpunkt im Stadium II) wurden nach entsprechender Präparation beide Aneurysmen am Abgang von den Hirngefäßen geclippr. Bei der Clippung des Aneurysmas im Bereich der Arteria cerebri media kam es jedoch zu einem plötzlichen Einriß des Mediaastes. Ein Manschettenclip nach Heifetz wurde über dieser Rißstelle eingesetzt. Durch diese Maßnahme konnte die Blutung sofort zum Stehen gebracht werden. Postoperativ zeigte die Patientin neurologisch eine ausgezeichnete Motorik im Bereich des linken Armes und im Bereich des linken N. facialis. Auf die Durchgängigkeit der Arteria cerebri media konnte in diesem Fall lediglich durch die neurologische Kontrolluntersuchung geschlossen werden. Frau E. G., geb. am 26. 2. 13, wurde am 9. 11. 1972 mit einer schweren Subarachnoidalblutung bei uns aufgenommen. Im Angiogramm konnte linksseitig ein Aneurysma am Ramus communicans anterior nachgewiesen werden, das am 21. 11. 72 (im Stadium II) operativ versorgt wurde. Eine Blutung aus der linken Arteria cerebri anterior konnte durch einen Manschettenclip nach Heifetz gestillt werden. Am 4. 1. 73 zeigte eine Kontrollangiographie, daß die Arteria cerebri anterior links zwar eine Einengung durch den Manschettenclip nach Heifetz in ihrem Verlauf erkennen läßt, insgesamt jedoch durchgängig ist (siehe Abb. 1). Der Patient B. S., geb. am 13. 8. 35, wurde am 25. 2. 75 aus einer neurologischen Klinik zu uns überwiesen. Wegen zunehmender Sehverschlechterung sowie psychischen Auffälligkeiten war eine Karotisangiographie durchgeführt worden, die ein

Abb. 1: Die Spitze des Pfeiles deutet auf den direkt am Abgang der Arteria cerebri anterior gesetzten Manschettenclip. Die Durchblutung erscheint etwas beeinträchtigt, die neurologischen Kontrolluntersuchungen ergaben jedoch keine funktionellen Ausfälle. großes Tuberculum sellae Meningeom erkennen ließ. Bei einer am 3. 3. 75 durchgeführten Teilexstirpation des Tumors kam es zu einer Verletzung der Arteria carotis interna. Durch die sofortige Anwendung eines Manschettenclips nach Heifetz konnte die Arteria carotis erhalten und die Blutung gestillt werden. Am 5. 3. 75 wurde durch eine Reangiographie die Durchgängigkeit der Arteria carotis interna nachgewiesen (s'ehe Abb. 2). Am 24. 3. 75 erfolgte eine Reoperation, bei der der Manschettenclip nach Heifetz entfernt wurde. Der Tumor konnte radikal entfernt werden. Die Arteria carotis selbst erschien intraoperativ gut durchgängig. Herr K. D„ geb. am 29. 9. 19, wurde am 2. 4. 74 mit diskreter Hemiparese rechts, partieller motorischer Aphasie und einem angiographisch nachgewiesenen Tumor links präzentral parasagittal bei uns aufgenommen. Am 2. 8. 74 wurde unter dem Verdacht auf ein parasagittales Meningeom eine Operation durchgeführt und in der Tat ein Falxmeningeom, das unter der Falx zur Gegenseite hinübergewachsen war, gefunden und entfernt. Bei der Präparation der über dem Balken

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Kasuistik

Abb. 2: Im seitlichen Strahlengang der Kontrollangiographie ist der Manschettenclip supraclinoidalen Teil der Arteria carotis interna gut zu erkennen.

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über

dem

Abb. 3: Die Abbildung zeigt, wie der Manschettenclip die Arteria cerebri anterior umfaßt. Durch die Subtraktion des Metallclips hindurch erkennt man das gut durchblutete Gefäß. liegenden Gefäße wurde ein Manschettenclip nach Heifetz wegen einer plötzlich aufgetretenen Blutung aus der Arteria perikalosa links eingesetzt. Postoperativ war der Patient neurologisch völlig beschwerdefrei. Auch in einer am 31. 7. 75 durchgeführten Computer-Tomographie zeigte sich kein Hinweis auf einen Hirninfarkt. Herr R. R., geb. am 14. 11. 20, wurde wegen eines großen rechts fronto-temporal gelegenen Tu9'

mors am 25. 11. 75 bei uns aufgenommen. Schon angiographisch und in der Computer-Tomographie konnte man erkennen, daß der Tumor von der rechten Seite zur Gegenseite links durchgewachsen war. Am 27. 11. 75 wurde der Versuch einer Totalexstirpation unternommen. Histologisch handelte es sich um ein Oligodendrogliom Malignitätsgrad II. Bei der Exstirpation des Tumoranteils, der zur Gegenseite durchgewachsen

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Über die klinische Bedeutung von Manschettenclips in der Neurochirurgie

war, kam es zu einer Blutung aus der Arteria cerebri anterior links. Diese wurde mit einem Manschettenclip nach Heifetz versorgt. Eine postoperative Angiographie am 8. 12. 75 zeigt eine ausgezeichnete Durchgängigkeit der Arteria cerebri anterior links, obwohl eine gewisse Einengung des Gefäßlumens im Clipbereich erkennbar ist (Abb. 3). Im postoperativen Verlauf wurden keine neurologischen Auffälligkeiten festgestellt, die als Hinweise auf eine Mangelversorgung im Arteria cerebri anterior-Versorgungsgebiet hindeuten würden.

Diskussion Bei 5 Patienten wurde 3mal im Bereich der Arteria cerebri anterior, lmal im Bereich der Arteria cerebri media und lmal im Bereich der Arteria carotis interna wegen einer plötzlich aufgetretenen Ruptur in diesen Gefäßen ein Manschettenclip nach Heifetz angewandt. In jedem Falle scheint zumindest im Beobachtungszeitraum eine akute Unterbrechung der Gefäßversorgung nicht aufgetreten zu sein. Durch 2 neurologische Kontrolluntersuchungen und 3 postoperative Angiographien wird dies belegt. Obwohl wir keineswegs davor abraten, primäre rekonstruktive mikroneurochirurgische Versorgungen bei Ruptu-

ren von großen intrakraniellen Gefäßen durchzuführen, möchten wir auf die Bedeutung und die Möglichkeiten von Manschettenclips nach Heifetz hinweisen. Gerade in der Tumorchirurgie kann es durch unvermeidbare Einrisse größerer Gefäße zu Blutungen kommen, die nur durch Manschettenclips nach Heifetz beherrscht werden können, wenn man eine mögliche Mangelversorgung des entsprechenden Hirnareals durch Verclippung des Gefäßes nicht in Kauf nehmen will. Gerade in solchen Situationen stehen die für die mikroneurochirurgische Versorgung des Gefäßes notwendigen Utensilien oft nicht sofort zur Verfügung. Unsere Erfahrungen sind so positiv, daß wir empfehlen, bei größeren neurochirurgischen Eingriffen immer Manschettenclips nach Heifetz mit verschiedenen Durchmessern in Bereitschaft zu halten. Manchmal genügt es allerdings nicht, den Manschettenclip direkt auf das spritzende Gefäß zu setzen, weil das Lumen des Clips in einem gewissen Mißverhältnis zu dem zu versorgendem Gefäß steht. In solchen Fällen empfiehlt es sich, durch kleine Tabotamp-Manschetten das Lumen des Manschettenclips an das Gefäßlumen anzupassen.

TJteratur 1 Pearäon Donaghy, R. M., M. Gazi Yasargil: MikroVascular Surgery. Georg Thierne Verlag, Stuttgart 1967 2 Yasargil, M. G.: Microsurgery applied to Neurosurgery. Georg Thierne Verlag, Stuttgart 1969

3 Handa, H.: Microneurosurgery. Igaku Shoin Ltd., Tokyo, Japan 1975

Ernst C. Fuchs, Ass.Prof., Neurocbirurgiscbe Abteilung Klinikum Charlottenburg (F. U. B.}, Spandauer Damm 130, 1000 Berlin 19

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[Clinical significance of encycling clips in neurosurgery].

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