Leitthema Nervenarzt 2015 DOI 10.1007/s00115-014-4223-3 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

D. Capper1 · G. Reifenberger2 1 Abteilung Neuropathologie, Universitätsklinikum Heidelberg und Deutsches Konsortium

für Translationale Krebsforschung (DKTK), Klinische KooperationseinheitNeuropathologie, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg, Heidelberg, Heidelberg 2 Institut für Neuropathologie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf

Klassifikation von Gliomen Aktuelle Fortschritte und Perspektiven

In den letzten Jahren haben neue Erkenntnisse der molekularen Grundlagenforschung unser Verständnis der Pathogenese von Gliomen wesentlich erweitert. Zusätzlich hat sich gezeigt, dass bestimmten molekularen Veränderungen eine Bedeutung als Marker in der Hirntumordiagnostik zukommt. Weiterhin können innerhalb einer histologischen Tumorentität klinisch relevante Subgruppen identifiziert werden und bestimmte Marker können die Vorhersage des Therapieansprechens und der Prognose verbessern. Die molekulare Diagnostik wird daher in Zukunft einen wesentlichen Bestandteil der Hirntumorklassifikation einnehmen und die histologische Einteilung in sinnvoller Weise ergänzen.

Die Ursprünge der Klassifikation von Gliomen Die histologische Klassifikation von Gliomen hat eine lange Tradition. So unterschied bereits Rudolph Virchow in seinen Vorlesungen über die krankhaften Geschwülste (1864/1865) die Gliome von den Psammomen, Melanomen und den anderen Sarkomen. Ein historischer Meilenstein war die 1926 von Bailey und Cushing veröffentlichte erste systematische Klassifikation, in der die Gliome aufgrund von morphologischen Ähnlichkeiten der Tumorzellen zu bestimmten normalen Zellen des zentralen Nervensystems in definierte Gruppen eingeteilt wurden (Bailey und Cushing 1926). Diese Einteilung war

in verschiedenen Abwandlungen, z. B. der Kernohan-Klassifikation von 1949 lange Jahre im Gebrauch. Auch die erstmalig unter Federführung von Klaus-Joachim Zülch im Jahr 1979 publizierte WHO (Weltgesundheitsorganisation) -Klassifikation der Tumoren des Nervensystems folgte dem von Bailey und Cushing eingeführten Prinzip und basierte auf einer lichtmikroskopischen Beurteilung des Gewebebildes der Tumoren. Durch die WHO-Klassifikation wurde erstmalig eine weltweite Harmonisierung der Hirntumorklassifikation erreicht. Neben der Artdiagnose wurde ein histologisches Gradierungssystem von WHOGrad I bis IV eingeführt, das letztlich eine Abschätzung des natürlichen Verlaufs jeder Tumorentität reflektiert. Die WHOGradierung hat sich als wichtiger Parameter nicht nur für die Prognoseabschätzung, sondern auch für Entscheidungen hinsichtlich der postoperativen Therapie etabliert.

Die aktuell gültige WHOKlassifikation von 2007 Die aktuell gültige WHO-Klassifikation umfasst über 100 verschiedene Tumorentitäten [14]. Die Gliome im engeren Sinne, d. h. die astrozytären, oligodendroglialen, oligoastrozytären und ependymalen Tumoren, sind darunter mit 15 Entitäten und 10 Varianten vertreten. Insgesamt stellen sie somit eine histologisch und biologisch heterogene Gruppe dar, in der Tumoren unterschiedlicher Differenzierung und aller vier WHO-Grade zu finden sind

(. Tab. 1). Trotz der Entwicklung zusätzlicher diagnostischer Methoden wie der Immunhistochemie und der Molekularbiologie basiert die WHO-Klassifikation von 2007 nach wie vor im Wesentlichen auf histologischen Parametern. Die Beschränkung auf die Lichtmikroskopie hat den Vorteil, dass diese Methode weltweit zur Verfügung steht, was u. a. für die Akzeptanz der WHO-Klassifikation auch in weniger entwickelten Ländern wichtig ist. Gegenwärtig wird an einer Revision der WHO-Klassifikation gearbeitet, welche voraussichtlich im Frühjahr 2016 erscheinen wird. Wesentliches Thema ist dabei die Einbindung neuer molekularer Marker. In einem Vorbereitungstreffen, das im Mai 2014 in der niederländischen Stadt Haarlem stattfand, wurde mit den „Haarlem Consensus Richtlinien“ ein Vorschlag für die Integration von molekularen und histologischen Daten in der zukünftigen WHO-Klassifikation erarbeitet [15]. Dieser soll als Leitfaden bei der Überarbeitung der WHO-Klassifikation fungieren. Im Folgenden möchten wir kurz die wesentlichen Fakten zu den für die Gliomdiagnostik wichtigsten molekularen Markern zusammenfassen und deren diagnostische, prognostische und prädiktive Bedeutung darstellen. Am Ende werden wir kurz auf die vielversprechenden Perspektiven neuer molekularer Hochdurchsatzverfahren sowie auf das aktuelle Konzept zur Integration molekularer und histologischer Befunde eingehen.

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Leitthema Tab. 1  Gliome und ihre häufigen genetische Veränderungen Gliomentität Pilozytisches Astrozytom Variante: – Pilomyxoides Astrozytom Subependymales Riesenzellastrozytom Pleomorphes Xanthoastrozytom Diffuses Astrozytom Varianten: – Fibrillär – Gemistozytisch – Protoplasmatisch Anaplastisches Astrozytom Glioblastom Varianten: – Riesenzellglioblastom – Gliosarkom

WHO-Grad I   II I II II

Typische genetische/epigenetische Veränderungenb BRAF-Fusion alternativ: BRAF-V600E-, NF1-, FGFR1- oder PTPN11-Mutation, NTRK2-Fusion

III IV

Gliomatosis cerebri

II, III oder IV

Diffuses intrinsisches Ponsglioma

II, III oder IV

Oligodendrogliom Anaplastisches Oligodendrogliom Oligoastrozytom Anaplastisches Oligoastrozytom Subependymom Myxopapilläres Ependymom Ependymom Varianten: – Zellulär – Papillär – Klarzellig – Tanyzytisch Anaplastisches Ependymom

II III II III I I II

IDH1/2-Mutation, ATRX-Mutation/Verlust der nukleären Expression, TP53-Mutation MGMT-Promotormethylierung v. a. Glioblastome bei Kindern: (1) H3F3A-K27-Mutation, ATRX- Mutation/Verlust der nukleären Expression, TP53- oder PPM1D-Mutation (2) H3F3A-G34-Mutation, ATRX-Mutation/Verlust der nukleären Expression, TP53-Mutation, DNA-Hypomethylierung v. a. Glioblastome bei jungen Erwachsenen: (3) IDH1/2-Mutation, ATRX-Mutation/Verlust der nukleären Expressionb, TP53-Mutation, CIMP (4) PDGFRA-Amplifikation, TERT-Promotormutation, Chromosom 7 Gewinn/Chromosom 10 Verlust v. a. Glioblastome bei Erwachsenen: (5) Klassisches Expressionsmuster, EGFR-Amplifikation/TERT-Promotormutation, PTEN-Mutation, CDKN2A-Deletion, Chromosom 7 Gewinn/Chromosom 10 Verlust (6) Mesenchymales Expressionsmuster, TERT-Promotormutation, Chromosom 7 Gewinn/Chromosom 10 Verlust Variabel, entweder ähnlich Glioblastomen oder IDH-mutierten astrozytären oder oligodendroglialen Gliomen H3F3A-K27-Mutation oder ACVR1-Mutation, ATRX-Mutation/Verlust der nukleären Expression, TP53- oder PPM1D-Mutation IDH1/2-Mutation, 1p/19q-Kodeletion, CIC-Mutation, TERT-Promotormutation IDH1/2-Mutation, 1p/19q-Kodeletion, CIC-Mutation, TERT-Promotormutation Wie diffuses Astrozytom oder Oligodendrogliom Wie anaplastisches Astrozytom oder anaplastisches Oligodendrogliom Nicht bekannt Nicht bekannt Supratentoriell: RELA-Fusionen Spinal: NF2-Mutation Hintere Schädelgrube: Gruppe A und Gruppe B mit unterschiedlichen DNA-Methylierungsmustern

III

TSC1- oder TSC2-Keimbahnmutation BRAF-V600E-Mutation, CDKN2A-Deletion IDH1/2-Mutation, ATRX-Mutation/Verlust der nukleären Expression, TP53-Mutation

Supratentoriell: RELA-Fusionen Hintere Schädelgriube: Gruppe A und Gruppe B mit unterschiedlichen DNA-Methylierungsmustern

aBislang noch keine eigenständige Entität in der WHO-Klassifikation.bDiagnostische und/oder prädiktive Marker, die bereits in der Gliomdiagnostik eingesetzt werden, sind

fett gedruckt.

IDH-Mutation als diagnostischer und prognostischer Marker für diffuse Gliome Erstmalig wurden Isozitratdehydrogenase-1(IDH1)-Mutationen in Glioblastomen junger Erwachsener und in sekundären Glioblastomen identifiziert [18]. Nachfolgend wurde gezeigt, dass IDH1-, oder

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seltener IDH2-Mutationen, in bis zu 90% aller Astrozytome, Oligodendrogliome und Oligoastrozytome der WHO-Grade II und III vorkommen, sich in den meisten anderen Hirntumoren aber nicht finden [32]. Im IDH1-Gen betreffen die Mutationen nahezu ausschließlich das Codon 132, wobei es in über 90% der Fälle zu einem Austausch von Arginin zu His-

tidin (R132H) kommt. Dieses Codon liegt im aktiven Zentrum des Enzyms. IDH2Mutationen betreffen das homologe Codon 172. DIDH-Mutationen stellen wahrschein-

lich das initiale genetische Ereignis in der Entstehung diffuser Gliome dar.

Zusammenfassung · Summary Nervenarzt 2015 · [jvn]:[afp]–[alp]  DOI 10.1007/s00115-014-4223-3 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 D. Capper · G. Reifenberger

Klassifikation von Gliomen. Aktuelle Fortschritte und Perspektiven Zusammenfassung Die diagnostische Einteilung von Gliomen erfolgt traditionell histologisch auf Basis der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Tumoren des zentralen Nervensystems. In den letzten Jahren wurden verschiedene molekulare Marker identifiziert, die zu einer präziseren Tumorklassifikation und besseren Vorhersage des Therapieansprechens und der individuellen Prognose beitragen können. Zu den wichtigsten molekularen Tests mit differenzialdiagnostischer Bedeutung für Patienten mit astrozytären und oligodendroglialen Tumoren gehören der Nachweis von Mutationen in den Genen Isozitratdehydrogenase 1 (IDH1), IDH2, „alpha thalassemia/mental retardation syndrome X-linked“ (ATRX), Histon H3.3 (H3F3A) und „v-Raf murine sarcoma viral oncogene homolog B“ (BRAF) sowie von Kodeletio-

nen der Chromosomenarme 1p und 19q. Als wichtige prädiktive Marker für das Ansprechen auf alkylierende Chemotherapie haben sich der O6-Methylguanin-DNA-Methyltransferase (MGMT)-Promotormethylierungsstatus bei Patienten mit Glioblastomen und der 1p/ 19q-Status bei Patienten mit anaplastischen Gliomen in der Diagnostik etabliert. Onkogene c11orf95/RELA-Fusionen charakterisieren eine Gruppe von Patienten mit supratentoriellen Ependymomen. Neben Einzelgenanalysen bieten heute neue methodische Ansätze mittels Array- oder Hochdurchsatzsequenzierung-basierten Technologien vielsprechende Perspektiven. So erlaubt die Bestimmung des DNA-Methylierungsprofils an 450.000 über das Genom verteilten CpG-Dinukleotiden („450K-Array-Test“) eine verlässliche Klassifizierung von Gliomen in klinisch

relevante Entitäten und Varianten. Durch Sequenzierung gliomrelevanter Genpanels mittels „next generation sequencing“ besteht die Möglichkeit zur parallelen Analyse multipler diagnostischer und prädiktiver Markergene in einem einzigen Experiment. In Zukunft wird es darauf ankommen, die neuen Erkenntnisse und Methoden der molekularen Diagnostik in sinnvoller Weise mit der konventionellen histologischen Einteilung im Rahmen einer überarbeiteten WHO-Klassifikation zu verbinden. Schlüsselwörter Gliom · Klassifikation · Next-generation-  Sequenzierung · DNA-Methylierung ·   Molekulare Marker

Classification of gliomas. Current progress and perspectives Summary The diagnostic subdivision of gliomas is traditionally based on histological features as defined by the World Health Organization (WHO) classification of tumors of the central nervous system. In recent years molecular studies have identified a number of genetic and epigenetic markers that could contribute to an improved tumor classification and better prediction of response to therapy and prognosis in the individual patient. The most important molecular tests with differential diagnostic relevance in patients with astrocytic and oligodendroglial tumors include the detection of genetic mutations in the isocitrate dehydrogenase 1 (IDH1), IDH2, alpha thalassemia/mental retardation syndrome X-linked (ATRX), histone H3.3 (H3F3A) and v-raf murine sarcoma viral oncogene homolog B (BRAF)

Für sich allein genommen reichen sie aber nicht aus, um ein Gliom zu bilden, sondern es müssen zusätzliche Veränderungen hinzutreten, wie z. B. TP53- und ATRX-Mutationen in astrozytären Gliomen (s. u.). Funktionell handelt es sich um „Gain-of-function“-Mutationen, d. h. die mutierten Proteine nehmen im Vergleich zum normalen Enzym eine neue Funktion wahr [6, 32]: Anstatt der Decarboxylierung von Isozitrat zu α-Ketoglutarat und gleichzeitiger Gewinnung von

genes as well as the demonstration of codeletions of chromosomal arms 1p and 19q. Important predictive markers that have been linked to the response to alkylating chemotherapy are O-6-methylguanine-DNA methyltransferase (MGMT) promoter methylation in glioblastoma patients and 1p/19q codel status in anaplastic glioma patients. Oncogenic c11orf95/RELA fusion gene formation is characteristic for a subgroup of patients with supratentorial ependymoma. In addition to diagnostic testing of individual genes, novel microarray and next generation sequencing (NGS) techniques show promising perspectives in glioma diagnostics. The assessment of DNA methylation profiles using DNA methylation arrays representing 450,000 CpG dinucleotides distributed throughout the hu-

NADPH katalysieren mutante IDH-Proteine unter Verbrauch von NADPH die Reduzierung von α-Ketoglutarat zu 2-Hydroxyglutarat. Die Überproduktion von 2-Hydroxyglutarat führt durch kompetitive Hemmung verschiedener α-Ketoglutarat-abhängiger Enzyme, darunter Histondemethylasen und die „Ten-eleventranslocation“(TET)-Familie von 5-Methlycytosin-Hydroxylasen, zu genomweiten Veränderungen der DNA- und Histonmethylierung [31]. Dies schlägt sich

man genome (450 k array test) now allows the robust molecular classification of gliomas into clinically relevant entities and variants. Moreover, glioma-associated gene panel NGS promises the timely parallel sequencing of relevant diagnostic and predictive marker genes in a single test. It will now be a major task to integrate these novel results and techniques into the conventional histological procedures in the up-coming revision of the WHO classification. Keywords Glioma · Classification · DNA methylation · Next generation sequencing · Molecular   markers

in einer Hypermethylierung zahlreicher CpG-reicher Genpromotoren nieder, ein Phänomen das als „CpG island hypermethylator phenotype“ oder kurz „CIMP“ bezeichnet wird [16]. In der Diagnostik liefert der Nachweis von IDH-Mutationen wertvolle Zusatzinformationen bei der Abgrenzung zwischen diffusen Gliomen und anderen Hirntumoren, wie z. B. pilozytischen Astrozytomen, pleomorphen Xanthoastrozytomen, Gangliogliomen, anderen glioDer Nervenarzt 2015 

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Leitthema

Abb. 1 9 Histologische und molekulare Befunde von Gliomen. a Braune Markierung von IDH1R132H-mutierten Tumorzellen mittels Immunhistochemie. b Verlust der ATRXKernfärbung in den Tumorzellen eines anaplastischen Astrozytoms. c Darstellung chromosomaler Veränderungen eines Oligodendroglioms typischer 1p/ 19q-Kodeletion. d Beispielhafte Darstellung der chromosomalen Veränderungen eines Glioblastoms

neuronalen Tumoren, welche allesamt keine IDH-Mutationen aufweisen, oder sogar mutmaßlich entzündlichen Läsionen. Auch die Unterscheidung zwischen einem diffusen Gliom und einer reaktiven Gliose wird erleichtert. Zusätzlich hat sich gezeigt, dass der klinische Verlauf von Pa-

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tienten mit IDH-mutierten Gliomen im Vergleich zu Patienten mit nichtmutierten Tumoren gleicher Histologie deutlich günstiger ist [18, 24, 25]. So fand man, dass die Prognose für Patienten mit anaplastischen Gliomen ohne IDH-Mutation signifikant schlechter ist und derjenigen

von Glioblastompatienten nahe kommt [7, 29, 32]. Unter den Glioblastompatienten überleben Patienten mit einem IDHmutanten Tumor signifikant länger als Patienten ohne IDH-Mutation [7, 24]. IDHMutationen haben somit sowohl diagnostische als auch prognostische Bedeutung.

Die Erhebung des IDH-Status kann durch verschiedene Methoden erfolgen. Weit verbreitet ist die immunhistochemische Analyse mit einem mutationsspezifischen Antikörper gegen die IDH1R132H-Mutation, welche etwa 90% aller IDH-Mutationen in Gliomen abdeckt (. Abb. 1a, [5]). Bei antikörpernegativen Fällen sollte in Abhängigkeit von der Histologie eine zusätzliche Sequenzanalyse zum Nachweis anderer IDH1- oder IDH2Mutationen durchgeführt werden.

1p/19q-Kodeletion als diagnostischer und prädiktiver Marker für IDH-mutante Gliome Es ist bereits seit langem bekannt, dass oligodendrogliale Tumoren häufig Verluste der Chromosomenarme 1p und 19q (1p/19q-Kodeletion) aufweisen [19]. . Abb. 1c zeigt diesen charakteristischen chromosomalen Befund. 1p/19q-Kodeletion basiert auf einer balancierten Translokation zwischen den Chromosomen 1 und 19, mit nachfolgendem Verlust eines der beiden Derivatchromosomen. Gliome mit 1p/19q-Kodeletion haben häufig Mutationen des „homolog of the Drosophila gene capicua“ (CIC) -Gens auf 19q und zum Teil auch Mutationen des „farupstream element (FUSE) binding protein“ (FUBP)1-Gens auf 1p [2]. Weiterhin finden sich 1p/19q-Kodeletionen ausschließlich in IDH-mutanten Gliomen [20] und sind mit aktivierenden Mutationen im „telomerase reverse transcriptase“ (TERT)-Promotor assoziiert [1]. In prospektiven Phase-III-Studien sprachen Patienten mit 1p/19q-kodeletierten anaplastischen Gliomen besser auf eine zytotoxische Therapie (Radiotherapie und/oder Chemotherapie) an und wiesen eine günstigere Prognose auf als Patienten, deren Tumoren diesen Marker nicht zeigten. Langzeitauswertungen ergaben, dass unter diesen Patienten insbesondere diejenigen von einer initialen Therapiekombination aus Radio- und Chemotherapie profitieren, deren Tumoren eine 1p/19q-Kodeletion aufweisen [4, 23]. Dies bedeutet, dass der 1p/19q-Status nicht nur einen prognostischen, sondern einen prädiktiven Marker für diese Patientengruppe darstellt. Hinsichtlich der Klassifikation von Gliomen gibt es Bestrebungen,

den molekularen Nachweis einer 1p/19qKodeletion als diagnostisches Kriterium für oligodendrogliale Tumoren einzuführen, was ohne Zweifel zu einer präziseren Einteilung der Gliome führt, da die histologische Unterscheidung zwischen oligodendroglialen, oligoastrozytären und astrozytären Tumoren mit einer beachtlichen Variabilität zwischen verschiedenen Untersuchern verbunden ist. Für das diagnostische Vorgehen ergeben sich aus den o. g. Fakten zudem folgende Schlussfolgerungen: 1. Tumoren ohne IDH-Mutation brauchen nicht auf 1p/19q-Kodeletion hin untersucht werden. 2. Beim Nachweis von 1p- und 19q-Verlusten in einem Gliom ohne IDHMutation ist Skepsis angezeigt, da es sich meist nicht um die prognostisch günstige, vollständige 1p/19q-Kodeletion, sondern lediglich um partielle Deletionen handelt, die prognostisch ungünstig sind. 3. Eine 1p/19q-Testung empfiehlt sich nicht nur für histologisch oligodendrogliale Tumoren, sondern für alle IDH-mutierten Gliome, die immunhistochemisch keinen eindeutigen Verlust der nukleären Expression von ATRX zeigen (siehe . Abb. 1b und 2).

Molekulare Befunde stellen Oligoastrozytome als eigenständige Entität infrage Oligoastrozytäre Mischgliome sind eine histologisch schwierig zu klassifizierende Tumorgruppe, bei denen Vergleichsstudien zwischen verschiedenen Untersuchern nur geringe Übereinstimmungen in der Diagnosestellung ergaben [12]. In molekularen Studien ließen sich unter den IDH-mutierten Gliomen lediglich zwei große Gruppen abgrenzen: auf der einen Seite Tumoren mit 1p/19q-Kodeletion, Mutationen in CIC und TERT, aber ohne Mutationen von ATRX und TP53, entsprechend dem typischen molekularen Profil oligodendroglialer Tumoren, auf der anderen Seite Gliome ohne 1p/19q-Kodeletion und ohne Mutationen in CIC und TERT, aber mit Mutationen in ATRX und TP53, entsprechend dem molekularen Profil von Astrozytomen [20,

28, 29]. Hinweise auf das Vorhandensein eines zu diesen beiden Gruppen distinkten molekularen Profils in Oligoastrozytomen ergaben sich nicht. Sehr ähnlich sind die Ergebnisse einer gewebebasierten Untersuchung an IDH1mutierten Oligoastrozytomen, die mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) auf 1p/19q-Kodeletion und immunhistochemisch auf den Verlust der nukleären Expression von ATRX in nahezu allen Fällen entweder in die Gruppe der Oligodendrogliome oder in die Gruppe der Astrozytome umklassifiziert werden konnten [21]. Die molekularen Befunde sprechen somit dafür, dass Oligoastrozytome keine eigenständige Tumorentität darstellen. Durch Bestimmung des IDH, ATRX- und 1p/19q-Status können diese Tumoren in aller Regel entweder als Astrozytom oder als Oligodendrogliom klassifiziert werden (siehe . Abb. 1a, b, c und 2).

Anaplastische Gliome ohne IDH-Mutation Eine aktuelle Frage betrifft die Zuordnung von Gliomen, die histologisch einem diffusen oder anaplastischen Gliom entsprechen, aber keine IDH-Mutation aufweisen. Für anaplastische Gliome ohne IDHMutation hat sich gezeigt, dass diese sehr häufig zusätzliche chromosomale Veränderungen aufweisen, die typisch für Glioblastome sind, darunter Zugewinne von Chromosom 7, Verluste von Chromosom 10 und Amplifikation des Gens für den epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR; [20, 29]). Auch die globalen Methylierungsprofile zeigen eine große Ähnlichkeit zu denjenigen von Glioblastomen [29]. Klinisch treten IDH-intakte anaplastische Gliome typischerweise bei älteren Patienten auf und die Prognose ist ähnlich ungünstig wie bei Glioblastompatienten [7, 20, 29]. Zusammengenommen sprechen diese Daten dafür, dass es sich bei einem Großteil der IDH-nichtmutierten Gliome des WHO-Grades III tatsächlich um Glioblastome handelt. Vergleichsweise weniger klar ist die Datenlage zu nicht IDH-mutierten diffusen Gliomen des WHO-Grades II. Hierunter verbergen sich möglicherweise ebenfalls vereinzelt histologisch unterdiagnostizierte Glioblastome, zusätzlich aber auch verDer Nervenarzt 2015 

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Leitthema IDH1-/IDH2-Status mutiert

nicht mutiert

Anaplastisches Gliom oder Glioblastom

MGMTPromotorstatus

Pilozytisches Astrozytom

BRAF-Fusion BRAF-Mutation

Pleomorphes Xanthoastrozytom

BRAF-Mutation

Diffuses oder anaplastisches Gliom (astrozytär, oligodendrogliaI, oligoastrozytär), Glioblastom

Ependymom

RELA-Fusion (supratentorielle Ependymome)

Nukleäre ATRX-Expression erhalten

H3F3A-Mutation EGFRvIII-Expression

verloren

1p/19q-Status nicht deletiert

deletiert

Oligodendrogliom WHO-Grad II oder III

Besonders relevante Marker für erwachsene Gliompatienten

Astrozytom WHO-Grad II oder III, (sekundäres) Glioblastom

Abb. 2 8 Differenzialdiagnostisches Vorgehen und diagnostische Marker bei Gliomen

schiedene andere niedriggradige gliale und glioneuronale Tumoren. Vertiefende molekulare Analysen können hier im Einzelfall klare Hinweise für die eindeutige Zuordnung dieser Tumoren ergeben.

Molekulare Subgruppen des Glioblastoms Verschiedene Autoren haben Vorschläge zur Unterteilung von Glioblastomen in molekulare Subgruppen anhand globaler mRNA-Expressionsprofilen oder DNAMethylierungsprofilen gemacht [8]. Während auf Expressionsebene im Wesentlichen vier Klassen (klassisch, mesenchymal, proneural und neural) unterschieden wurden [8], lassen sich auf Basis distinkter DNA-Methylierungsmuster mindestens sechs molekulare Subgruppen des Glioblastoms unterscheiden [22]. Hierzu gehören zwei Subgruppen, die vornehmlich bei Kindern und Jugendlichen auftreten und durch Mutationen im Gen für das Histon H3.3 (H3F3A) charakterisiert sind, die das Lysin an Position 27 (K27) oder das Glycin an Position 34 (G34) betreffen und funktionell unterschiedliche Konsequenzen haben [22]. So führt die

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G34-Mutation, aber nicht die K27-Mutation, zu einer globalen DNA-Hypomethylierung. Die K27-Mutation findet sich gehäuft in Tumoren der Mittellinie, insbesondere im Thalamus, Pons und Rückenmark, wohingegen G34-mutierte Glioblastome in den Hemisphären liegen.

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Die G34-Mutation führt zu einer globalen DNA-Hypomethylierung Glioblastome bei jüngeren Erwachsenen fallen häufig in die prognostisch günstigste Subgruppe der IDH-mutierten und CIMP-positiven Tumoren, die ebenso wie die H3F3A-mutierten Glioblastome zusätzlich TP53- und ATRX-Mutationen aufweisen. Eine weitere Subgruppe von Glioblastomen bei jüngeren Erwachsenen, die als „Rezeptortyrosinkinase-I“Gruppe bezeichnet wurde [22], ist durch „platelet-derived growth factor receptor“ (PDGFR)A-Amplifikationen gekennzeichnet. Die meisten Glioblastome bei älteren Erwachsenen fallen in die entsprechend ihrer Expressionsprofile entweder als „klassisch“ (bzw. „Rezeptortyrosinki-

nase II“) oder „mesenchymal“ bezeichneten Subgruppen [22]. In den drei letztgenannten Tumorgruppen finden sich typischerweise TERT-Promotormutationen. In der klassischen Subgruppe zusätzlich oft eine EGFR-Amplifikation. . Abb. 1d zeigt ein Glioblastom, welches unter anderem eine PDGFRA- und eine EGFR-Amplifikation aufweist. Eine Besonderheit stellen die diffusen intrinsischen Hirnstammgliome (DIPG) dar, die histologisch astrozytären Gliomen der WHO-Grade II, III oder IV entsprechen können und molekulargenetisch entweder durch H3F3A-K27-Mutationen (ca. 80% der Fälle) oder Mutationen des Gens für den Aktivinrezeptor 1 (ACVR1, ca. 20% der Fälle) gekennzeichnet sind [3].

MGMT-Promotormethylierung als prädiktiver Marker für das Ansprechen auf Temozolomid Die o. g. molekulare Subtypisierung der Glioblastome hat für den klinischen Alltag bislang noch keine Bedeutung. Dagegen ist die Bestimmung der Promotormethylierung des MGMT-Gens von unmit-

telbarer Relevanz als prädiktiver Marker für das Ansprechen auf eine DNA-alkylierende Chemotherapie mit Temozolomid [27]. MGMT fungiert als DNA-Reparaturprotein, das die für die therapeutische Wirkung von Temozolomid wichtige Alkylierung der Tumor-DNA repariert und dadurch eine Therapieresistenz erzeugt. In 35–40% der IDH-Wildtyp-Glioblastome liegt eine Promotormethylierung des MGMT-Gens vor, die dazu führt, dass die Tumorzellen kein MGMT mehr exprimieren und deshalb sensitiver gegenüber Temozolomid reagieren als die Tumorzellen in Glioblastomen, in denen der MGMT-Promotor nicht methyliert ist und das DNA-Reparaturenzym exprimiert wird. Aus mehreren Studien ist bekannt, dass Glioblastompatienten, deren Tumoren eine MGMT-Promotormethylierung aufweisen, ein signifikant längeres Überleben bei Behandlung mit Temozolomid zeigen. Insbesondere bei älteren Glioblastompatienten, bei denen eine kombinierte Radiochemotherapie mit Temozolomid oftmals nicht möglich ist, hat sich die Bestimmung des MGMT-Promotorstatus als entscheidender Parameter für die Entscheidung zwischen Radio- oder Chemotherapie etabliert [26]. Methodisch erfolgt die MGMT-Testung zumeist mithilfe einer methylierungsspezifischen PCR (MSP) oder mittels DNA-Pyrosequenzierung [27].

Pilozytische Astrozytome, pleomorphe Xanthoastrozytome und supratentorielle Ependymome Aktivierende Mutationen des MAP („mitogen-activated protein“) -Kinase-Signalweges sind zentrale genetische Veränderungen in pilozytischen Astrozytomen und pleomorphen Xanthoastrozytomen. Für pilozytische Astrozytome sind besonders aktivierende Fusionen des Onkogens BRAF mit verschiedenen Fusionspartnern charakteristisch. Diese finden sich in etwa 80% der zerebellären Tumoren und etwas seltener in Tumoren anderer Lokalisation [9]. In pilozytischen Astrozytomen ohne BRAF-Fusion oder Punktmutation ließ sich in nahezu allen Fällen eine Mutation eines alternativen MAP-Kinase-Si-

gnalweg-Gens nachweisen [10]. Rekurrente Mutationen in anderen Signalwegen fanden sich nicht, sodass es sich beim pilozytischen Astrozytom um eine „single-pathway-disease“ des MAP-Kinase Signalweges handelt. BRAF-Fusionen werden nur sehr selten in anderen Tumoren beobachtet, sodass ihr Nachweis als diagnostischer Marker für pilozytische Astrozytome verwendet werden kann [13]. Beim pleomorphen Xanthoastrozytom finden sich in der Mehrheit der Fälle aktivierende Punkmutationen des BRAF Codons 600 (BRAF-V600E; [11]). Diese Mutation kommt u. a. auch in Melanomen vor, wo sie als Marker für eine gezielte Therapie mit BRAF-Inhibitoren gilt. Differenzialdiagnostische kann die BRAFPunktmutation zur Abgrenzung gegenüber diffusen Gliomen hilfreich sein. Allerdings ist zu beachten, dass BRAF-Mutationen gelegentlich auch in Glioblastomen vorkommen. Kürzlich wurden in etwa 70% der supratentoriellen Ependymome onkogene Fusionen des Gens für „p65/REL-associated protein“ (RELA), einer Untereinheit des Transkriptionsfaktors NF-κB, und dem etwa 1,9 Megabasen entfernten Gen C11orf95 berichtet [17]. Die C11orf95/RELA-Fusion findet sich nach derzeitigem Wissenstand ausschließlich bei supratentoriellen Ependymomen und führt zu einer Aktiviätssteigerung von NF-κB. Erste Hinweise sprechen dafür, dass die Aktivierung von RELA auch immunhistochemisch bestimmt werden kann [17].

Neue Ansätze mittels molekularer Hochdurchsatzanalysen Zwei verschiedene Techniken, die genomweite DNA-Methylierungsanalyse und das „next generation sequencing“, haben ein besonderes Potenzial für die zukünftige Gliomdiagnostik. In den meisten bisherigen Arbeiten wurde für die genomweite Analyse der DNA-Methylierung der Infinium HumanMethylation450 BeadChip (450K Array) verwendet. Dieser Array erlaubt es, die DNA-Methylierung an 450.000 einzelnen, über das gesamte Genom verteilt liegenden CpG-Dinukleotiden zu erheben. Es war bekannt, dass die DNA-Methylierung während der Zell-

differenzierung deutliche Veränderungen aufweist. Die Idee, spezifische DNA-Methylierungsprofile für die Tumordiagnostik zu verwenden, ist jedoch noch relativ neu. Für Hirntumoren ließen sich zunächst in Ependymomen der hinteren Schädelgrube anhand der DNA-Methylierungsprofile zwei verschiedenen Gruppen mit unterschiedlichem klinischem Verlauf nachweisen [30]. Die 450K-Array-Analyse ist darüber hinaus vielversprechend für die Klassifikation von Glioblastomen und anaplastischen Gliomen [22, 29]. Insbesondere für anaplastische Gliome ist die Trennschärfe der 450K-Array-basierten Klassifikation der histologischen Einteilung überlegen [29], wobei einschränkend zu sagen ist, dass eine vergleichsweise gute Klassifikation anaplastischer Gliome auch durch gezielte IDH1-, ATRX- und 1p/19qTestung erreicht wird [20].

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Pädiatrische Glioblastome lassen sich in drei klar unterscheidbare Gruppen differenzieren Eine besondere Bedeutung könnte dem 450K Array in der Klassifikation von Hirntumoren im Kindesalter bekommen. So lassen sich pädiatrische Glioblastome in drei klar unterscheidbare Gruppen differenzieren, die Größte umfasst etwa 80% der Tumoren und zeigt einen glioblastomtypischen ungünstigen Verlauf, die beiden anderen jedoch erinnern sowohl molekular als auch vom klinischen Verlauf her an niedriggradige Tumoren [33]. Aktuell wird ein deutschlandweites, durch die Deutsche Kinderkrebsstiftung gefördertes Projekt für die molekulare Klassifikation kindlicher Hirntumoren initiiert (Molecular Neuropath 2.0). Hierbei soll parallel zu der standardmäßig durchgeführten referenzhistologischen und -radiologischen Untersuchung eine molekulare Analyse mittels 450K Array erfolgen. Da die Anzahl an klinisch relevanten Tumorgenen durch neue Erkenntnisse stetig zunimmt, sind Einzelgenanalysen zukünftig vermutlich nicht mehr sinnvoll. Hier bietet die parallele Analyse multipler Gene mittels „next generation sequencing“ eine vielversprechende Option. Im Rahmen einer sog. Panel-Sequenzierung Der Nervenarzt 2015 

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Leitthema können über hundert Gene oder Genabschnitte mit einer einzigen Untersuchung analysiert werden. Hierzu liegen entweder kommerzielle Zusammenstellungen krebsrelevanter Gen-Panels vor oder es können wunschgemäß entitätenspezifische Panels erstellt werden. Sowohl der 450K Array als auch die Panel-Sequenzierung können an formalinfixiertem und in Paraffin eingebettetem Gewebe durchgeführt werden. Der zeitliche Bedarf für beide Analysen beträgt etwa 2 Arbeitswochen.

Integrierte histologische und molekulare Klassifikation der Gliome Die wichtigste Frage, die in der nächsten WHO-Klassifikation beantwortet werden muss, betrifft die Einbindung der diversen molekularen Tests in die Diagnostik der Gliome und anderer Hirntumoren. Hierzu liegt der Haarlem-Consensus-Vorschlag auf dem Tisch, die Hirntumorklassifikation in Zukunft auf mehreren Ebenen aufzubauen, mit der histologischen Artdiagnose als Grundlage, gefolgt von der WHOGradierung als zweiter und den Resultaten molekularer Tests als dritter Ebene. Abschließend erfolgt dann die Erstellung einer „integrierten Diagnose“, in der alle gewebsbasierten histologischen, immunhistochemischen und molekularpathologischen Befunde zusammengefasst werden [15]. Wie dieses Konzept dann konkret in der revidierten WHO-Klassifikation umgesetzt werden kann, muss allerdings von der WHO-Arbeitsgruppe für jede einzelne Entität genau festgelegt werden. Die aktuell zentralen molekularen Untersuchungen bei Gliomen und ihre klassifikatorische Anwendung sind in . Abb. 2 zusammengefasst.

Fazit für die Praxis F In den letzten Jahren haben sich mehrere molekulare Marker etabliert, die als diagnostische Marker zu einer verbesserten Klassifikation von Gliomen beitragen können. F In der Differenzialdiagnostik niedriggradiger Gliome im Kindesalter ist der Nachweis von BRAF-Alterationen in pilozytischen Astrozytomen, pleo-

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morphen Xanthoastrozytomen und verschiedenen glioneuronalen Mischtumoren von Bedeutung. In malignen Gliomen des Kindesalters einschließlich diffuser intrinsischer Ponsgliome sind H3F3A-Mutationen ein wichtiger Marker. F Für die molekulare Klassifikation von Gliomen des Erwachsenenalters empfiehlt sich zunächst die Bestimmung des IDH-Status. Für IDH-mutante Gliome erfolgt dann eine Testung auf Verlust der nukleären Expression von ATRX und auf 1p/19q-Kodeletion. Durch diese Untersuchungen können molekulare Astrozytome (IDHmutiert, Verlust von nukleärem ATRX, 1p/19q intakt) und Oligodendrogliome (IDH-mutiert, nukleäres ATRX erhalten, 1p/19q-Kodeletion) klar voneinander abgegrenzt sowie histologisch oligoastrozytäre Gliome der einen oder anderen Gruppe zugeordnet werden. Anaplastische Gliome ohne IDH-Mutation zeigen in der Regel molekulare Charakteristika von Glioblastomen und eine entsprechend ungünstige Prognose. F Unter den Glioblastomen können aktuell mehrere molekulare Subklassen abgegrenzt werden, deren klinische Bedeutung sich noch zeigen muss. Wichtiger ist hier die Bestimmung des MGMT-Promotormethylierungsstatus als prädiktiver Marker für das Ansprechen auf Temozolomid, insbesondere bei älteren Patienten. F Neue Hochdurchsatzmethoden wie der 450K-Methylierungsarray und die Genpanelsequenzierung sind vielversprechende Ansätze, welche die Bedeutung molekularer Testverfahren in der Hirntumordiagnostik weiter stärken werden.

Korrespondenzadresse Dr. D. Capper Abteilung Neuropathologie,   Universitätsklinikum Heidelberg und   Deutsches Konsortium für Translationale   Krebsforschung (DKTK), Klinische   KooperationseinheitNeuropathologie,   Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)   Heidelberg, Heidelberg Im Neuenheimer Feld 224, 69120 Heidelberg [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  D. Capper ist Miterfinder des IDH1 R132H-mutationsspezifischen Antikörpers H09 und Mithalter für ein Patent zu dessen diagnostischer Anwendung. Er ist Miterfinder einer auf DANN-Methylierung basierenden Methode für die Tumorklassifikation. Eine Patentanmeldung hierzu ist eingereicht. G. Reifenberger hat Unterstützungen für Forschungsprojekte von den Firmen Roche und Merck sowie Honorare für Vorträge oder Beratungstätigkeiten von den Firmen Amgen, Celdex und Roche erhalten. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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[Classification of gliomas. Current progress and perspectives].

The diagnostic subdivision of gliomas is traditionally based on histological features as defined by the World Health Organization (WHO) classification...
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