Klinische Wochenschrift

Klin. Wochenschr. 57, 1137-1138 (1979)

/,~ Springer-Verlag 1979

Zirkulierende Thrombozytenaggregate wiikrend Hiimodialyse K.F. Silberbauer, A. Wolf, H.K. Stummvoll,

H . S i n z i n g e r , F. R i n g u n d W . F . P i n g g e r a

II. Medizinische Universitfitsklinik Wien

Circulating Platelet Aggregates During Haemodialysis Summary. In eight chronically haemodialysed patients a significant increase of circulating platelet aggregates (method of Wu and Hoak) was observed immediately after starting haemodialysis. The number of aggregates decreased at the end of haemodialysis reaching the starting values after 360 min. The platelet interaction with the dialysis membrane surface might cause this phenomenon. Anticoagulation with heparin alone was insufficient in preventing aggregate formation during haemodialysis. Key words: Circulating platelet aggregates Haemodialysis

Foreign surface

Znsammenfassung. Bei acht Patienten, die sich im Dauerdialyseprogramm befanden, wurde unmittelbar nach AnschluB an den H/imodialysator eine massive Zunahme yon zirkulierenden Thrombozytenaggregaten mit der Methode nach Wu und Hoak gefunden. Die Zahl der Aggregate war noch wfihrend der It~imodialyse r/~ck15.ufig, wobei nach 360 min der Ausgangswert wieder erreicht wurde. Als ausl6sende Ursache rnuB die Interaktion der Thrombozyten mit der Membranoberflfiche des Diatysators gesehen werden. Antikoagulierung mit Heparin allein ist nicht ausreichend, um eine Mikroaggregatbildung wS_hrend Hfimodialyse zn verhindern.

direkt aus der Cubitalvene in zwei Polypropylenspritzen aufgezogen, von denen die eine 2 ml einer gepufferten EDTA-L6sung (PBSPuffer, pH 7,4), die andere 2 ml einer gepufferten EDTA-L6sung mit Formalin (Endkonzentration 1%) enthielt. Nach sorgf/iltiger Mischung wurden die Proben getrennt in Plastikzentrifugenr6hrchen 15 min lang bei Zimmertemperatur stehengelassen und danach 8 min mit 200 g zentrifugiert. Aus dem l~berstand beider R6hrchen wurde die Thrombozytenzahl in der Biirker-Kammer im Phasenkontrastmikroskop gez~ihlt (als Z/ihlfltissigkeit diente 1% Ammonoxalat). Aus den Thrombozytenzahlen der Blut-FormalinEDTA-Probe und der Blut~EDTA-Probe wurde der Aggregatindex (AI) nach der Formel

AI - Thrombozytenzahl (EDTA + Formalin) Thrombozytenzahl (EDTA)

Zirkulierende Thrombozytenaggregate

errechnet. Die Methode beruht auf dem Prinzip, dab reversible Thrombozytenaggregate durch Formalin trotz Vorhandensein von EDTA fixiert werden und nach Zentrifugation im Sediment zu finden sind, w/ihrend es in der EDTA-Probe zur Aufl6sung dieser Aggregate kommt. Eine Vermehrung zirkulierender Thrombozytenaggregate wird durch einen AI kleiner als 1 angezeigt. (Nach ven6ser Blutabnahme betrug der AI bei 30 gesunden Kontrollpersonen 0,98 _+0,07 (SD): bei in vitro-Untersuchungen mit ADP lieg sich eine v o n d e r ADPKonzentration abMngige Verminderung beobachten.) Die Morphologie der Thrombozyten bzw. der Mikroaggregate wurde lichtund rasterelektronenoptisch kontrolliert. Die Untersuchung erfolgte an acht Patienten, die sich im Dauerdialyseprogramm befanden (4d, 4 ~; Alter: 18-45 a; dreimal w6chentliche HSmodialysedauer yon 6 h). Die H/imodialyse erfolgte mit Kapillarnieren aus regenerierter Zellulose mit einer Dialyseoberfi/iche yon 1,8 m 2 (C-DAK 1,8 Cordis-Dow). Das extracorporale Blur wurde einer Cimino-Fistel entnommen und in Polypropylenschlfiuche gefiihrt (Blutflul3 250 ml/min). Mit Beginn der H~imodialyse wurden die Patienten mit 1 000 IE Heparin (Novo)/kg K6rpergewicht antikoaguliert, gefotgt von einer kontinuierlichen Infusion von durchschnittlich 1 000 IE pro Stunde. Die Blutabnahmen erfolgten vor der H/imodiatyse (Ausgangswert), zum Nullpunkt (wurde mit dem Wiedereintritt des durch den Dialysator geflossenen Blutes in die Shuntvene festgesetzt), w/ihrend der ersten 5 min in Minutenabstfinden, sowie 10, 15, 30, 180 und 360 min nach Beginn der Hgtmodiatyse gleichzeitig aus dem ZufluB zum Dialysator (,,Arterie") und dem Abflug (,,Vene").

Die Bestimmung zirkulierender Thrombozytenaggregate erfolgte mit der Methode nach Wu und Hoak [9]. Je 0,5 ml Blut wurden

Statistik

Sonderdruckanfragen an." Dr. K.F. Silberbauer (Adresse s. nach Literatur)

Die Ergebnisse wurden im Mittelwert und einfacher Standardabweichung (x_+ SD) angegeben. Der Gruppenvergleich erfolgte mit dem Student t-Test fiir gepaarte Daten.

Schliisselw6rter: Zirkulierende Thrombozytenaggregate - FremdoberflS.che - Hfimodialyse

Die Interaktion von Blutelementen mit FremdoberflS.chen kann zu diffusen Mikroembolisationen in der terminalen Strombahn fiihren [8]. Durch Filtrationsdruckmessungen wurden indirekte Hinweise fiir das Auftreten von Zellaggregaten in der Zirkulation w/ihrend H~imodialyse gefunden [2, 3]. Eine neue Methode zur quantitativen Erfassung zirkulierender Thrombozytenaggregate [9] schieu uns besonders geeignet, zu untersuchen, ob unter den klinischen Bedingungen der H/imodialyse zirkulierende Mikroaggregate nachweisbar sind. Unsere Ergebnisse lassen auf ein massives Auftreten von reversiblen thrombozytfiren Aggregaten w~hrend H~imodialyse schlieBen.

Patienten und Methode

1138

Kurze wissenschaftliche Mitteilungen

AI 13 1,0

0,9 0,8 0,7 0,6

0,5 0,4

0,3 0,2 0,1 m

--r,-

K

~/

b

i

5

10

1'5

---T-

30

60

120

360 =" t(min )

Abb. 1. Aggregatindex (AI) bei Kontrollpersonen (K), bei Patienten vor (V) und nach dem AnschluB an den Hfimodialysator (zum Zeitpunkt O Definition s. Material und Methode), sowie im Ablauf der H6modialyse (t in Minuten) im ,,arteriellen" ( - - ) und ,,ven6sen" ( - ) Schenkel des Dialysators (2 + SD). Das Absinken des AI wfihrend der Hfimodialyse zeigt ein Auftreten von zirkulierenden thrombozyt/iren Mikroaggregaten an

Ergebnisse und Diskussion

Literatur

Bei den ur/imischen Patienten lag der AI (0,94_+ 0,05) vor Beginn der Hfimodialyse im Normalbereich (Abb. 1). Nach Heparinisierung, Anschlug des zuffihrenden Schlauches (,,Arterie") und erster Passage des Blutes durch den Dialysator fanden wir in dem aus dem Dialysator austretenden Blut (,,Vcne") im Durchschnitt einen verminderten AI, w/ihrend im Blut der ,,Arterie" noch keine zirkulierenden Aggregate nachweisbar waren. Eine Minute nach Dialysebeginn wurde ein hochsignifikanter Abfall (p < 0,001) des AI beobachtet, als Ausdruck einer massiven Zunahme zirknlierender Mikroaggregate. Auffallend war, dab zu diesem Zeitpunkt keine Differenz des AI zwischen zuffihrendem und abffihrendem Schlauchsystem bestand. Der Abfall des AI blieb in den ersten 30 min konstant, um bei 360 min wiederum den Ausgangswert zu erreichen, womit eine Abnahme yon zirkulierenden Aggregaten angezeigt wurde. Dies k6nnte durch die abnehmende F/ihigkeit der Dialysemembran, nach Ausbildung eines Mikrofilms [5, 6, 7], bestehend aus Zellresten und Fibrin-fihnlichen Substanzen, an ihrer Oberfl/iche Thrombozyten zu aktivieren, bedingt sein. Ober den Verbleib der Aggregate im Laufe der Hfimodialyse bzw./fiber den m6glichen Mechanismus der Wiederaufl6sung kann derzeit keine definitive Erkl/irung gegeben werden. Die fehlende ,,arterio"-,,ven6se" Differenz des AI bedeutet jedoch for die extracorporale Zirkulation, dab vor und nach dem Dialysator gleiche Mengen zirkulierender Mikroaggregate nachweisbar waren, ffir den intracorporalen Kreislauf, dab der Lunge keine wesentliche Filterfunktion ffir diese Aggregate zukommt (m6glicherweise durch ihre relative Kleinheit beding0. Phasenkontrastmikroskopisch und rasterelektronenoptisch bestanden die Aggregate im Durchschnitt aus 5 8 Thrombozyten, die nur sehr lose ,,zusammengepackt" waren und teilweise Erythrozyten einschlossen (eigene, unver6ffentlichte Ergebnisse). ObwohI Heparin in vitro eine Steigerung der ADP-induzierten Thrombozytenaggregation bewirkt [1], konnte in Vorversuchen ein wesentlicher Einflug yon Heparin allein auf den AI ausgeschlossen werden. Die Antikoagulierung mit Heparin allein war jedoch nicht in der Lage, die Mikroaggregatbildung zn verhindern. Inwieweit die beschriebenen Mikroaggregate mit Lungenfunktionsfinderungen w~ihrend Hfimodialyse [2-4] in Zusammenhang stehen, wird derzeit yon uns untersucht.

1. Bestermann, E.M.M., Gillett, M.P.T.: Heparin effects on irreversible platelet aggregation. Atherosclerosis 17, 503-513 (1973) 2. Bischel, M.D., Orrell, F.L., Scoles, B.G., Mohles, J.G., Barbour, B.H. : Effects of microemboli blood filtration during haemodialysis. Trans. Am. Soc. Artif. Intern. Organs 19, 49~498 (1973) 3. Bischel, M.D., Scoles, B.G., Mohler, J.G. : Evidence for pulmonary microembolization during haemodialysis. Chest 67, 335-339 (1975) 4. Craddock, P., Fehr, R., Brigham, J., Kronenbcrg, L., Jacob, H.S. : Complement and leucocyte-mediated pulmonary dysfunction in haemodialysis. N. Engl. J. Med. 14, 76%774 (1977) 5. Kreiter, H., Albert, F.W. : Verhalten yon Leukozyten, Thrombozyten und Retikulozyten wfihrend H/imodialyse. Med. Klin. 66, 1234-1238 (1971) 6. Lindsay, R.M., Prentice, C.R.M., Ferguson, D., Burton, J.A., McNicol, G.P.: Reduction of thrombus formation on dialyser membranes by aspirin and RA 233. Lancet 1, 1287-1290 (1972) 7. Lindsay, R.M., Prentice, C.R.M., Burton, J.A., Ferguson, D , Kennedy, A.C. : The role of the platelet-dialysis membrane interaction in thrombus formation and blood loss during haemodialysis. Trans. Am. Soc. Artif. Intern. Organs 19, 48%491 (1973) 8. Salzman, E.W., Berger. S., Merrill, W.E., Wrong, P.S.L.: Thrombosis induced by artificial surfaces. In: Deutsch, E., Lechner, K., Brinkhous, K.M., Hinnom, S. (eds.). Thrombosis: Patbogenesis and Clinical Trials. Stuttgart, NewYork: Schattauer 1973 9. Wu, K.K., Hoak, J.C. : A new method for the quantitative detection of platelet aggregates in patients with arterial insufficiency. Lancet 1, 924-930 (1974) Eingegangen am 18. September 1978 Angenommen am 2. Mai 1979 Dr. K.F. Silberbauer II. Med. Univ.-Klinik Garnisongasse 13 A-1090 Wien 0stcrreich

[Circulating platelet aggregates during haemodialysis].

Klinische Wochenschrift Klin. Wochenschr. 57, 1137-1138 (1979) /,~ Springer-Verlag 1979 Zirkulierende Thrombozytenaggregate wiikrend Hiimodialyse K...
216KB Sizes 0 Downloads 0 Views