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Chronischer Oberbauchschmerz: Diagnostischer und therapeutischer Algorithmus Jutta Keller, Peter Layer

20–40 % der Bevölkerung leiden an chronischen Oberbauchschmerzen – häufig in Kombination mit anderen dyspeptischen Beschwerden. Lässt sich eine organisch fassbare Erkrankung als Ursache ausschließen, spricht man von funktionellen Beschwerden. Der Weg zur Diagnose ist nicht immer eindeutig. Nationale Leitlinien fehlen bislang. Klare Handlungsanweisungen und Experten-Empfehlungen gibt es trotzdem – in diesem Beitrag. Dyspepsie | Epigastrische oder supraumbilikale Schmerzen, die chronisch oder rezidivierend auftreten, gehören zu den häufigsten Beschwerdebildern überhaupt. Die Schmerzen treten häufig auf in Kombination mit ▶▶ Druck- oder Völlegefühl, ▶▶ Aufstoßen, ▶▶ Übelkeit, ▶▶ Erbrechen oder ▶▶ Sodbrennen. Dieser dem Magen oder gelegentlich einem anderen Oberbauchorgan zugeord­ nete Symptomenkomplex wird als Dyspepsie bezeichnet [1] (▶ Tab. 1). Funktionelle Dyspepsie | Eine funktionelle Dyspesie – auch: Reizmagen – liegt vor, wenn ▶▶ sich die Symptome nicht durch eine organpathologische Ursache erklären lassen und ▶▶ die Beschwerden in Bezug auf Art, Häufigkeit und Dauer definierte Kriterien erfüllen. Eine funktionelle Dyspepsie verläuft oft mit fluktuierender Symptomatik und kann die Lebensqualität deutlich reduzieren. Eine ­krankheitsbezogene Letalität besteht jedoch nicht.

Tab. 1  Differenzialdiagnosen bei Dyspepsie. ▶▶ Magen- / Duodenalulzera, Gastritiden (z. B. erosiv) ▶▶ Erosive und nicht-erosive gaströsophageale Refluxerkrankung ▶▶ Magen- / Ösophaguskarzinom ▶▶ Erkrankungen der Gallenwege und des Pankreas ▶▶ Nahrungsmittelintoleranzen, -allergien, Sprue ▶▶ Chronische intestinale Ischämie ▶▶ Nebenwirkung von Medikamenten (Eisen, Antibiotika, Narkotika, Digitalis,

Östrogene, orale Kontrazeptiva, Theophyllin, Levodopa) ▶▶ Infektionen oder entzündliche Veränderungen im oberen Gastrointestinaltrakt ▶▶ Gastroparese ▶▶ Funktionelle Dyspepsie

Wie es dazu kommt | Weshalb es im Einzelfall zu gravierenden abdominellen Beschwerden ohne organisches Korrelat kommen kann, ist nach wie vor unzureichend geklärt. Man weiß aber, dass Motilität und Sensitivität gestört sind. Dies löst durch mechanische Stimulation (z. B. Erhöhung des intragastralen Drucks) oder chemische Stimulation (z. B. gesteigerte Antwort auf duodenale Lipide) dyspeptische Beschwerden aus. Zusätzlich ▶▶ ist die zentrale Verarbeitung viszeraler Afferenzen gestört, ▶▶ beeinflussen psychosoziale Faktoren Krankheitsverlauf und -erleben, ▶▶ gibt es Hinweise auf eine genetische Prädisposition und ▶▶ kommen postinflammatorische Mechanismen als Auslöser der Erkrankung in Frage (ähnlich wie beim Reizdarmsyndrom) [3]. Aus ebenfalls bislang unklaren Gründen verlieren über einen Zeitraum von 2 Jahren ca. 15 % der Patienten ihre Dyspepsie [2], über 5 Jahre werden bis zu 50 % der Patienten beschwerdefrei. Allerdings kann es auch zu einer Verschiebung der Symptomatik zu einer anderen funktionellen gastrointestinalen Erkrankung kommen, insbesondere zum Reizdarmsyndrom [5].

Tab. 2  Diagnostische Kriterien für eine funktionelle Dyspepsie [2].

Eines oder mehrere der folgenden Symptome müssen gegeben sein

UND

▶▶ Unangenehmes

▶▶ Keine Hinweise auf

postprandiales Völlegefühl ▶▶ Frühes Sättigungs­

gefühl ▶▶ Epigastrischer

Schmerz ▶▶ Epigastrisches

Brennen

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eine organische Erkrankung (auch nicht bei gastro­ ösophagealer Endoskopie), die die Symptome wahrscheinlich erklären können.

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Diagnostik Diagnosekriterien | Für die Diagnostik der funktionellen Dyspepsie werden aktuell international die Rom-III-Kriterien verwendet (▶ Tab.  2) [2]. Die Kriterien müssen ▶▶ für mindestens 3 Monate erfüllt sein und ▶▶ mindestens 6 Monate vor der Diagnose begonnen haben. Die Rom-III-Klassifikation unterscheidet je nach vorherrschender Symptomatik zusätzlich zwischen ▶▶ dem häufigeren postprandialen Distress-­ Syndrom (▶ Tab. 3) und ▶▶ dem selteneren epigastrischen Schmerz­ syndrom (▶ Tab. 4) [2]. Bildnachweis: Kirsten Oborny / Thieme Verlagsgruppe

Abb. 1  Palpation des Abdomens bei der körperlichen Untersuchung.

▶▶ Gewichtsverlust,

Zu erfragen sind

▶▶ Dysphagie / Odynophagie,

▶▶ Art,

▶▶ rezidivierendes Erbrechen,

▶▶ Lokalisation,

▶▶ Appetitlosigkeit,

▶▶ Ausstrahlung,

▶▶ Zeichen der gastrointestinalen Blutung,

▶▶ Ausmaß und

▶▶ kurze und monotone Anamnese,

▶▶ Dauer

▶▶ familiäre Belastung mit gastrointestinalen Kar-

der Beschwerden [1].

zinomen und

Dies ermöglicht u. a. eine orientierende Differenzierung zwischen ▶▶ viszeralen (von Eingeweiden ausgehend) und ▶▶ somatischen Schmerzen (durch Alteration des Peritoneums). Differenzialdiagnostisch bedeutsam sind ferner zusätzliche Fragen nach ▶▶ begleitenden Symptomen wie Erbrechen, Blutungen, Ikterus, Fieber, Gewichtsverlust, Meteo­ rismus, ▶▶ Veränderungen des Stuhlverhaltens oder der Miktion, ▶▶ extraintesti­nalen Symptomen, ▶▶ auslösenden Faktoren, ▶▶ Vorerkrankungen (z. B. Gallensteine, Ulkusleiden, KHK), ▶▶ Bauchoperationen, ▶▶ Risikofaktoren wie Alkoholkonsum, Medikamenteneinnahme und ▶▶ Reisen Körperliche Untersuchung | Die körperliche Untersuchung kann komplett unauffällig sein, meist besteht aber zumindest ein Druckschmerz im Oberbauch (▶ Abb. 1). Die weiteren potenziellen Untersuchungsbefunde sind wie die zugrunde liegenden Ursachen äußerst variabel. Alarmsymptome | Gegen die Diagnose einer funktionellen Dyspepsie sprechen die Alarmsymptome: ▶▶ Fieber, ▶▶ Anämie,

▶▶ höheres Lebensalter (50 ± 5 Jahre).

Tab. 3  Diagnostische Kriterien für das postprandiale Distress-Syndrom [2].

Eines oder beide der folgenden Symptome müssen gegeben sein: ▶▶ Unangenehmes Völlegefühl nach dem Essen, nach Mahlzeiten normaler Größe

mindestens mehrfach pro Woche. ▶▶ Frühe Sättigung, aufgrund derer eine normale Mahlzeit nicht beendet werden

kann mindestens mehrmals pro Woche. Unterstützende Kriterien ▶▶ Ein Gefühl des Aufgeblähtseins im Oberbauch oder Übelkeit nach dem Essen oder

exzessive Eruktationen können auftreten. ▶▶ Ein epigastrisches Schmerz-Syndrom (s. ▶ Tab. 4) kann gleichzeitig vorhanden

sein. Tab. 4  Diagnostische Kriterien für das epigastrische Schmerz-Syndrom [2].

Es müssen alle folgenden Kriterien erfüllt sein: ▶▶ Schmerzen oder Brennen im Epigastrium mit mindestens moderatem Schwere-

grad mindestens einmal pro Woche. ▶▶ Der Schmerz tritt intermittierend auf. ▶▶ Er tritt nicht generalisiert oder in anderen Regionen von Oberbauch oder Brust auf. ▶▶ Keine Erleichterung durch Stuhlgang oder Flatus. ▶▶ Die Kriterien für Störungen der Gallenblase oder des Sphinkter Oddi sind nicht

gegeben. Unterstützende Kriterien: ▶▶ Der Schmerz kann brennend sein, hat aber keine retrosternale Komponente. ▶▶ Der Schmerz wird üblicherweise durch die Nahrungsaufnahme induziert oder

abgeschwächt, kann aber auch ohne Nahrungsaufnahme auftreten. ▶▶ Ein postprandiales Distress-Syndrom kann gleichzeitig bestehen.

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Anamnese | Für die differenzialdiagnostische Einordnung chronischer dyspeptischer Beschwerden spielt die sorgfältige Anamnese eine große Rolle.

Dossier Abb. 2 Diagnostischer Algorithmus bei unklaren chronischen Oberbauchschmerzen / unklarer Dyspepsie. FD = funktionelle Dyspepsie.

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Fehlen die Alarmsymptome, schließt das eine schwere organische Erkrankung aber nicht aus [6, 7].

Deshalb richten sich Ausmaß und Invasivität der Diagnostik nach Begleitum­ständen wie ▶▶ Alter, ▶▶ Dauer der Symptome, ▶▶ Komedikation und ▶▶ Risikofaktoren Wann apparative Diagnostik? | Bei typischer Anam­nese ohne Risikofaktoren und jüngerem Alter kann zunächst ein zeitlich begrenzter Therapieversuch gerechtfertigt sein. Ohne den endoskopischen Normalbefund kann die Diagnose einer funktionellen Dyspepsie nach den Rom-III-Kriterien allerdings nicht gestellt werden.

Die endoskopische und apparative Diagnostik wird in der Regel bei älteren Patienten (> 50 Jahren) großzügiger eingesetzt. Liegen jedoch Warnsymptome vor, ist ihr Einsatz unabhängig vom ­Lebensalter erforderlich (▶ Abb. 2). Empfehlungen | Bislang gibt es keine nationalen Leitlinien zur apparativen Basisdiagnostik bei Verdacht auf funktionelle Dyspepsie. Die folgenden Untersuchungen werden aber ergänzend zu Anamnese und körperlicher Untersuchung von Experten empfohlen: ▶▶ Routinelaborparameter (kleines Blutbild, CRP / BSG, Gamma-GT, GOT / GPT, Kreatinin, Lipase) ▶▶ Abdomen­sonografie ▶▶ Ösophagogastroduodenoskopie (mit Helicobacter-pylori-Diagnostik).

Wirkung der diagnostischen Maßnahmen | Ist der Befund der apparativen Diagnostik unauffällig und der Patient beruhigt, kann das zu einem positiven Verlauf der funktionellen Erkrankung beitragen. Dies wird durch Studien belegt, die zeigen, dass der frühzeitige Einsatz der Endoskopie zur Abklärung der Dyspepsie mit einem besseren Therapieerfolg korreliert [8]. Weitere Diagnostik nötig? | Ob weitere diagnostische Maßnahmen nötig sind, ist von der individuellen Symptomatik abhängig (▶ Tab. 5).

Therapie Therapieziel | Liegt die Ursache der chronischen Oberbauchschmerzen in einer organisch fassbaren Erkrankung, wird diese entsprechend behandelt. Für Patienten mit funktioneller Dyspepsie existiert demgegenüber bislang keine kausale Behandlung. Eine dauerhafte Beschwerdefreiheit wird nur bei einer Minderheit der Patienten erreicht. Ziel der Therapie einer funktionellen Dyspepsie ist es, die Lebensqualität durch Kontrolle der Symptome zu verbessern.

Basistherapie | Als Basis für eine langfristige ärztliche Betreuung ist die verständliche Aufklärung über Wesen und Harmlosigkeit der funktionellen Dyspepsie quo ad vitam wichtig. Die Sorge des Patienten ist nämlich ein bedeutender Symptom-verstärkender Faktor – bereits der Ausschluss ­potenziell schwer­wiegen­der Erkrankungen kann den Verlauf günstig beeinflussen. Zur Basistherapie gehört es außerdem, aggravierende oder lindernde exogene Faktoren, also Lebens- und Ernährungsgewohnheiten, zu identifizieren und zu berücksichtigen. Fett-

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Dossier Beschwerden

Diagnostische Maßnahmen

Assoziierte Refluxsymptome

▶▶ 24h-pH-Metrie

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▶▶ ggf. + Mehrkanal-Impedanzmessung ▶▶ ggf. + Ösophagusmanometrie zum Ausschluss NERD

Oberbauch-Blähungen als dominierendes Symptom

▶▶ H2-Atemtests zum Ausschluss von Kohlenhydratintoleranzen und

bakterieller Fehlbesiedlung Starke Beschwerden, die auf Gastro­parese deuten (z. B. Erbrechen)

▶▶ Magenentleerungsszintigrafie

Starke Beschwerden, die auf generalisierte gastrointestinale Motilitätsstörung deuten (z. B. Subileuszustände)

▶▶ Erweiterte Bildgebung und Motilitätsdiagnostik

Hinweise auf Systemerkrankung

▶▶ Erweiterte Labordiagnostik (z. B. Elpho, Ca2+, Mg2+ , ANA, 5-ALA, etc.)

C-Atemtests (13C-Oktansäure, 13C-Acetat) ▶▶ ggf. EGG ▶▶ ggf. MRT ▶▶

13

▶▶ ggf. Dünndarm-Manometrie

reiche Speisen führen bei vielen Patienten zu einer Zunahme der Beschwerden, sodass eine fettarme Kost zumindest probatorisch sinnvoll ist. Medikamente: wann und wie? | Wenn durch die Basistherapie keine ausreichende Linderung der Beschwerden erzielt werden kann, richtet sich die Wahl der medikamentösen Therapie zunächst nach der dominierenden Sympto­matik. Sie sollte bei fehlendem Ansprechen jedoch auch auf Behandlungsansätze aus anderen Symptomkomplexen ausgeweitet werden. Um die individuelle Effektivität einer Behandlung beurteilen zu können, sind in der Regel 2–4 Wochen Therapiedauer erforderlich, insbesondere bei nichtmedikamentösen Therapieformen aber auch längere Zeiträume. Phytotherapeutika | Die Wirksamkeit von STW 5 (Iberogast®) ist bei funktioneller Dyspepsie gut belegt – gleichzeitig ist es sehr gut verträglich [14] und kann sowohl bei epigastrischem Schmerz­ syndrom als auch bei postprandialem DistressSyndrom eingesetzt werden. Außerdem gibt es jeweils in einzelnen Studien positive Wirksamkeitsdaten für ▶▶ eine Pfefferminzöl / Kümmelöl-Kombination [15], ▶▶ Artischockenextrakt [16], ▶▶ Capsaicin [17] und ▶▶ Süßholzwurzel [18]. Es handelt sich hierbei aber jeweils nicht um etablierte Therapien. Säuresekretionshemmer | Bei Patienten mit epigastrischen Schmerzen werden in erster ­Linie Protonenpumpeninhibitoren (PPI) eingesetzt (und H2-Antagonisten, jeweils in Standarddosis). Diese scheinen allerdings vorwiegend oder sogar ausschließlich bei Patienten mit Säure-assoziierten Beschwerden, insbesondere Sodbrennen, wirksam zu sein [19]. Beim Absetzen von PPI an den Rebound-Effekt denken! Die Oberbauchschmerzen können dann erneut und verstärkt auftreten [20].

Prokinetika | Die Dopamin-D2-Rezeptor-Agonisten Metoclopramid und Domperidon waren in Deutschland als Gastroprokinetika zugelassen und wurden bevorzugt beim postprandialen ­Beschwerdesyndrom empfohlen. Aktuell wurde für beide Medikamente die Zulassung deutlich begrenzt, so dass ihr (längerfristiger) Einsatz zur Behandlung chronischer dyspeptischer Beschwerden ggf. off-label erfolgt. Cisaprid wirkt als 5-HT4-Agonist prokinetisch und hat eine eigentlich noch besser belegte Wirksamkeit bei funktioneller Dyspepsie [21]. Wegen lebensbedrohlicher proarrhythmogener Wirkung ist es aber nur noch in wenigen Ländern eingeschränkt zugelassen. Zur Nachfolgesubstanz Prucaloprid gibt es keine Wirksamkeitsdaten und ebenfalls keine Zulassung in dieser Indikation. Es ließe sich aber analog schließen, dass Prucaloprid bei funktioneller Dyspepsie wirksam sein könnte. Antazida / Schleimhautprotektiva | Misoprostol und Sucralfat scheinen nicht effektiv zu sein. Entschäumer | Simethicon ist in Studien gegenüber Placebo überlegen und kann zur Therapie bei funktioneller Dyspepsie eingesetzt werden [22]. Helicobacter-pylori-Eradikation | Maximal 10 % der Patienten mit funktioneller Dyspepsie und Helicobacter-Nachweis profitieren von einer Eradikation [23, 24]. Insbesondere bei sonst therapierefraktären Beschwerden kann eine Eradikationstherapie aber sinnvoll sein. Akupunktur, Psychotherapie | Beide Therapieansätze können bei Patienten mit anderweitig refraktären Beschwerden eingesetzt werden: ▶▶ Es gibt positive Belege für die Wirksamkeit der gezielten Akupunktur [25]. ▶▶ Bestimmte psychotherapeutische Verfahren sind Studien zufolge der alleinigen supportiven Therapie und auch einer Medikation überlegen (Entspannungstherapie, Hypnotherapie) [26, 27].

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Tab. 5  Erweiterte Differenzialdiagnostik bei dyspeptischen Beschwerden [9–13].

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PD Dr. med. Jutta Keller ist Oberärztin und Leiterin der Funktions­diagnostik am Israelitischen Krankenhaus Hamburg [email protected]

Psychopharmaka | Demgegenüber gibt es für den Einsatz von Psychopharmaka zur Behandlung der funktionellen Dyspepsie keine überzeugenden Daten. Psychopharmaka sollten somit allenfalls bei Patienten mit schweren persistierenden Symptomen und Hinweisen auf eine psychische Komorbidität erwogen werden. Konsequenz für Klinik und Praxis ▶▶ Durch nationale Leitlinien abgesicherte

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▶▶

Prof. Dr. med. Peter Layer ist Ärztlicher Direktor des Israelitischen Krankenhauses sowie Direktor und Chefarzt der Medizinischen Klinik am Israelitischen Krankenhaus in Hamburg [email protected]

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▶▶

Empfehlungen zur apparativen Basisdiagnostik gibt es bislang nicht. Experten empfehlen bei Verdacht auf eine funktionelle Dyspepsie ergänzend zu Anam­ nese und körperlicher Untersuchung die Untersuchung von Routinelaborparametern, eine Abdomen­sonografie und eine Ösophagogastroduodeno­skopie Ein unauffälliger Endoskopie-Befund ist Voraussetzung für die Diagnose funktionelle Dyspepsie nach den Rom-III-Kriterien. Der Einsatz zusätzlicher diagnostischer Verfahren richtet sich nach Art und Schwere der Symptome. Bereits der Ausschluss potenziell schwer­ wiegen­der Erkrankungen kann den den Verlauf einer funktionellen Dyspepsie günstig beeinflussen. Die Basistherapie besteht in der Meidung aggravierender Nahrungsmittel und Verhaltensweisen. Die medikamentösen Therapiemöglichkeiten sind limitiert, richten sich primär nach dem Leitsymptom, müssen aber häufig auf Behandlungsansätze anderer Symptom­ komplexe ausgeweitet werden.

Literatur

Interessenkonflikt Die Autoren geben an, dass sie für Vortrags- und Beratertätigkeit sowie für die Teilnahme an klinische Studien Honorare der folgenden Firmen erhalten haben: Abbott, Abbvie, Almirall, Aptalis, Falk, Norgine, Shire, Steigerwald. J. K. hat zusätzlich Honorare von Astra Zeneca, Given Imaging, Lilly, Mundipharm und Standard Instruments erhalten. DOI 10.1055/s-0041-101692 Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 718–722 © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-0472

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Vollständiges Literaturverzeichnis unter http://dx.doi.org/10.1055/s-0041-101692

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Keller J, Layer P. Chronischer Oberbauchschmerz: Diagnostischer und ...  Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 718–722

[Chronic upper abdominal pain: Diagnostic and therapeutic algorithm].

Between 20% and 40% of the population have chronic or recurrent upper abdominal pain, frequently in combination with other dyspeptic symptoms. In abou...
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