Schwerpunkt Schmerz 2014 · 28:305–310 DOI 10.1007/s00482-014-1409-3 Online publiziert: 6. Juni 2014 © Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.   Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg all rights reserved 2014

O. Moormann1 · I. Gralow2 1 Klinik für Urologie, St.-Josefs-Hospital, Dortmund 2 Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie,

Schmerzambulanz und Schmerztagesklinik, Münster

Chronischer Beckenbodenschmerz Etwa 8% der ambulant urologisch behandelten Patienten klagen über länger bestehende Schmerzen im Unterbauch im Sinn eines Beckenschmerzsyndroms. Trotz dieser relativ großen Patientenzahl und den damit verbundenen Kosten im Gesundheitswesen sind urogenitale Schmerzsyndrome nicht nur in der Schmerzmedizin eine Randerscheinung. Das zeigt sich in der schmerzmedizinischen und urologischen Literatur zu dieser Thematik [9, 13, 23]. Abhängig von Patientenselektion und den zugrunde liegenden Diagnosekriterien wird die Häufigkeit der chronischen Prostatitis (CP) bzw. des chronischen Beckenbodenschmerzes (CPP) in der Literatur zwischen 1−16% [16], in Deutschland – abhängig vom Schweregrad zwischen 1,9– 9,6% angegeben [18]. Die Prävalenzen der interstitiellen Zystitis (IC) bzw. des Blasenschmerzsyndroms (BPS) schwanken zwischen 1−11% der Bevölkerung [5, 15, 21]. Das chronische Beckenschmerzsyndrom (CPPS) stellt keine Entität dar, sondern umfasst unterschiedliche Organsysteme und eine weitgehend noch ungeklärte heterogene Pathophysiologie. In der Urologie wird das CPPS auch als chronisches urologisches Beckenschmerzsyndrom (UCPPS) bezeichnet. Darunter werden beim Mann die CP und bei Männern und Frauen die IC und das BPS subsumiert. Die Bezeichnungen unterliegen zur Zeit einem Wandel, entsprechen jedoch den aktuellen Empfehlungen der International Continence Society (ICS) und der International Association for the Study of Pain (IASP), in denen die chronischen

Beckenschmerzsyndrome nach urologischen, gynäkologischen, anorektalen, neurologischen sowie muskulären Syndromen klassifiziert werden. Die Definitionen und Klassifikationsversuche zum UCPPS basieren auf unterschiedlichen pathogenetischen Modellen. So wurden bisher in der klassischen dichotomen Sichtweise zwischen organischstrukturellen vs. funktionellen Krankheitsbildern differenziert. Mittlerweile hat sich diese Sichtweise geändert. Es werden zwar pathophysiologisch je nach beteiligtem Organsystem abakteriell-entzündliche, immunologische, hormonelle sowie funktionelle und psychosomatische Faktoren diskutiert. Mittlerweile wird jedoch in der aktuellen Literatur berücksichtigt, dass Schmerzen, insbesondere im chronischen Verlauf, nicht eine simple Reizreaktion in eindeutiger Korrelation zum Schweregrad der sie verursachenden Erkrankung darstellen. Der Chronifizierungsprozess bei Schmerzsyndromen ist nicht nur als zeitliches Phänomen zu verstehen, vielmehr liegen komplexe Interaktionen somatischer und psychosozialer Faktoren vor. So können auch bei einer primär organisch ausgelösten Schmerzsymptomatik psychosoziale Faktoren und psychische Komorbiditäten die Krankheits- und Schmerzverarbeitung entscheidend mitgestalten [16, 30]. Insbesondere Erkrankungen des urogenitalen Bereichs haben Auswirkungen auf die psychosexuelle Befindlichkeit, auf partnerschaftliche, familiäre und berufliche Bereiche. Die häufigsten komorbiden Störungen sind depressive und Angsterkrankungen sowie somatoforme Schmerzsyndrome.

Ein signifikanter Zusammenhang zu körperlichem und, besonders bei gynäkologisch-funktionellen Schmerzsyndromen, sexuellem Missbrauch kann aufgrund der heterogenen Datenlage nicht abschließend bewertet werden [6, 7, 11]. Die ausgeprägte Einschränkung der Lebensqualität liegt etwa in der Größenordnung eines erlittenen Herzinfarkts, bei einer instabilen Angina pectoris oder bei M. Crohn, und führt neben den medizinischen Behandlungskosten zu nicht unerheblichen Arbeitsausfallzeiten bzw. beruflichen Leistungsverschlechterungen [28, 32].

Methodik Es erfolgte eine Recherche in den Datenbanken PubMed, Medline und der Cochrane Collaboration mit den Keywörtern „chronische Prostatitis“, „chronisches Beckenschmerzsyndrom“ und „interstitielle Cystitis“. Weiterhin wurden die Leitlinien zur Schmerztherapie des chronischen Beckenschmerzes der größten urologischen Gesellschaften, der American Urological Association und der European Association of Urology, betrachtet.

Definition des UCPPS UCPPS sind charakterisiert als über mindestens 3-monatige dauerhafte oder wiederkehrende Schmerzen im Becken innerhalb der letzten 6 Monate mit Episoden akuter Symptomverschlechterung und signifikanter Inanspruchnahme des Gesundheitssystems. Lassen sich bei Männern die Schmerzsensationen durch Palpation der ProstaDer Schmerz 3 · 2014 

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Schwerpunkt ta reproduzieren, wird diese Symptomatik als CP und nicht als CPPS klassifiziert. Sind die Schmerzen vornehmlich auf die Blasenregion konzentriert bzw. mit der Füllung bzw. Entleerung der Harnblase vergesellschaftet, wird von einem BPS gesprochen. Die IC ist eine Sonderform des BPS. Überlappungen der Symptomatik können vorkommen, sodass in diesen Fällen ein CPPS vorliegt [16].

CP/CPPS Pathophysiologische Mechanismen Im Gegensatz zu der mit etwa 5–10% Häufigkeit wesentlich selteneren bakteriellen Prostatitis ist die Ursache der CP/CPP nach wie vor unklar. In der Vergangenheit wurde die Ursache der CP/CPP (früher auch als Prostatodynie bezeichnet) im Bereich der Endorgane der projizierten Schmerzen gesucht. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass in der Entstehung des CP/CPP und auch anderer chronischer Schmerzsyndrome zentrale Pathomechanismen führend sind. Möglicherweise ist ein lokales Ereignis, z. B. ein infektiöses Geschehen, der Stimulus der Erkrankung. Die Entwicklung eines chronischen Schmerzsyndroms ist letztendlich jedoch die Folge einer Modulation auf neuronaler und zellulärer Ebene im peripheren und zentralen Nervensystem mit ihren entsprechenden Folgen [16, 29].

Symptomatik Charakteristische Symptome sind Schmerzen und Missempfindungen im Bereich des Beckens und/oder Perineums, oft assoziiert mit Symptomen des unteren Harntrakts (LUTS) wie z. B. imperativem Harndrang, Nykturie, Harnstrahlabschwächung, Pollakisurie, Dysurie, Harnträufeln und Harnstrahlunterbrechung. Weitere Symptome können Schmerzen und/oder Missempfindungen suprapubisch, im Bereich der Leisten sowie auch Ausstrahlungen in das Genitale sein. Rückenschmerzen sowie sexuelle Funktionsstörungen werden ebenfalls berichtet. Da sich die Symptomatik der CP mit typischen Beschwerden des unteren

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Harntraktes, wie z. B. denen einer Prostatavergrößerung oder einer Urethritis überschneidet, kommt der Ausschlussund Differenzialdiagnostik eine große Bedeutung zu. Zur standardisierten Erfassung der Symptomatik hat sich neben dem englischen Chronic Prostatitis Symptom Index (CPSI) des NIH der Giessener Symptomenindex (GPSS) bewährt [8, 14]. Diese Fragebögen sind insbesondere in Kombination mit dem International Prostate Symptome Score (IPSS) hilfreich [3, 5, 22]. Zur Einleitung einer adäquaten Therapie ist die Phänotypisierung der Symptomatik sinnvoll. Das sog. UPOINT-System (Urinary, Psychosocial, Organ Specific, Inflammation, Neurological/Systemic, Tenderness Phenotyping System) hat sich in der Urologie bewährt [16]. Zusätzlich sollte aufgrund der Komorbiditäten dieses Symptomenkomplexes eine psychosomatische Evaluierung erfolgen.

Therapieverfahren Die umfassendste, zum Teil auch evidenzbasierte, Konsensusempfehlung zur Behandlung der CP/CPP ist zuletzt 2012 von der European Association of Urology überarbeitet worden [16]. Die meisten der Veröffentlichungen weisen relativ kleine Patientengruppen und unterschiedliche Kriterien der Patientenrekrutierung auf. Die Beobachtungszeiten sind relativ kurz und psychosomatische Aspekte (Komorbiditäten, Therapien) werden selten berücksichtigt. Therapeutisch spiegelt sich in der Literatur der organspezifische Ansatz in der Behandlung dieses Symptomenkomplexes wieder. Multimodale Ansätze finden sich nicht [2]. Zum jetzigen Zeitpunkt ergeben sich folgende Aussagen zur Therapie der CP/ CPP: α-Blocker.  Bei CP/CPP mit einhergehenden obstruktiven Miktionsbeschwerden findet sich eine relativ gute Ansprechrate, die bei langjährig bestehender Problematik nicht so ausgeprägt ist. Eine signifikante Schmerzreduktion wird nicht erreicht [34].

Antibiotika.  Antibiotika sind die am häufigsten eingesetzten Medikamente bei diesem Krankheitsbild. Patienten, die auf Antibiotika reagieren, sollten 6 Wochen behandelt werden. Dadurch kann die Symptomatik deutlich reduziert werden. Signifikante Wirkung haben Ciprofloxacin und Levofloxacin gezeigt. Metaanalysen weisen auf eine Steigerung dieses Effekts in Kombination mit einem uroselektiven Alphablocker hin. Bei fehlendem Ansprechen ist ein längerer Behandlungsversuch nicht gerechtfertigt [16]. Entzündungshemmende Arzneistoffe.  Gegenüber Placebo konnte durch Celecoxib eine Besserung der Symptomatik erzielt werden. Metaanalysen zeigten eine Verbesserung der Symptomenscores während der Medikamenteneinnahme, jedoch müssen die Langzeitfolgen dieser Medikamente bedacht werden [16]. Finasterid (5α-Reduktasehemmer).  Nach aktueller Datenlage kann Finasterid zur Behandlung des CP/CPP nicht empfohlen werden [16]. Anticholinergika.  Anticholinergika sind insbesondere bei einer überaktiven Blase oder bei einer Reizblasensymptomatik wirksam. Untersuchungen über den Einsatz bei der CP/CPP liegen nicht vor [16]. Phytotherapie.  Die Datenlage zu phytotherapeutischen Medikamenten ist sehr heterogen. Pollenextrakte und Bioflavonoide können eine Symptomenverbesserung zeigen, sodass der Einsatz gerechtfertigt ist. Dies gilt nicht für Sägepalmenextrakte [16]. Pentosanpolyphosphat.  Dieses Mukopolysaccharid, das protektiv auf das Uro­ thel wirkt, wird zur Behandlung der IC eingesetzt. Ein Effekt auf die Symptomatik der CP/CPP ist nachgewiesen [24, 31]. Pregabalin.  Dieses Antiepileptikum wird in der Behandlung anderer chronischer Schmerzsyndrome eingesetzt. Eine klinische Studie zum Einsatz bei der CP/ CPP zeigte keine signifikante Reduktion des Symptomenscores [1, 16].

Zusammenfassung · Abstract Physikalische Therapie.  Elektromagnetische Behandlung, Thermotherapie [33], extrakorporale Stoßwellentherapie (Perineum), Elektroakupunktur [10], Nervenstimulation des N. tibialis posterior und auch myofasziale physikalische Therapie haben, wenn auch in kleinen Untersuchungen, eine deutliche Verbesserung der Symptomenscores gezeigt [5, 18]. Biofeedback.  Beckenbodenmyalgien werden als ein beeinflussender Faktor der CP/CPP angesehen. Im Hinblick auf eine Reedukation des gesamten Beckenbodens haben erste Untersuchungen einen positiven Effekt auf die Symptomatik gezeigt [12]. Psychotherapie.  Zwar liegen validierte Studienergebnisse zu einzelnen Psychotherapieverfahren nicht vor, eine frühzeitige Diagnostik und psychosomatische Mitbehandlung ist jedoch empfehlenswert [2, 6, 10, 16, 20]. Operative Verfahren.  In einzelnen Fällen wurde aufgrund der Schmerzsymptomatik einer CP eine Operation der Prostata durchgeführt. Die Resektion der Prostata (TURP) zeigte in der zitierten Studie eine Erfolgsrate von 66%, wird aber durch Einzelfallbeobachtungen nicht bestätigt. In der Literatur finden sich Einzelfalldarstellungen von Blasenhalsinzisionen, Samenblaseninzisionen und -resektionen mit unterschiedlichen Ergebnissen. Anekdotisch soll hier erwähnt werden, dass aufgrund der Schmerztherapie in Einzelfällen die radikale Prostatektomie ohne Verbesserung der Symptomatik durchgeführt wurde [4, 33]. Multimodale Therapie.  Mittlerweile haben multimodale Therapieverfahren im Rahmen der Behandlung chronischer Schmerzen einen festen Stellenwert. Aufgrund dieser Erfahrungen sollte bei der oben dargestellten Komplexität der CP/CPP frühzeitig ein multimodaler Therapieansatz angestrebt werden [2, 16, 20, 25].

Schmerz 2014 · 28:305–310  DOI 10.1007/s00482-014-1409-3 © Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg -   all rights reserved 2014 O. Moormann · I. Gralow

Chronischer Beckenbodenschmerz Zusammenfassung Hintergrund.  Der chronische Beckenbodenschmerz stellt eine multifaktorielle Erkrankung unklarer Ätiologie dar. International allgemein anerkannte und therapeutische Standards bestehen nicht. Methodik.  Übersicht mit Literatursuche in PubMed und Medline nach Übersichtsarbeiten und Leitlinien zur Prävalenz und Therapie des chronischen Beckenbodenschmerzes. Ergebnisse.  Häufigkeit, Beschwerdebild und Behandlungskonzepte der verschiedenen Formen des chronischen Beckenbodenschmerzes werden dargestellt. Bei Versagen der etablierten gebietsbezogenen Therapie sind multimodale interdisziplinäre Therapiekonzepte empfehlenswert. Letztere werden

in kontrollierten Studien zur Behandlung des chronischen Beckenbodenschmerzes nicht abgedeckt. Schlussfolgerung.  Wie bei anderen chronischen Schmerzsyndromen als effektiv nachgewiesen, sollten für den chronischen Beckenschmerz multimodale Therapiekonzepte entwickelt und überprüft werden. Schlüsselwörter Chronische Prostatitis mit chronischem Beckenbodenschmerz · Chronische interstitielle Zystitis · Blasenschmerzsyndrom · Therapie · Diagnose

Chronic pelvic pain Abstract Background.  Chronic pelvic pain represents a multifactorial problem of unknown etiology. International standardized diagnostic and therapeutic approaches do not exist. Methods.  Medline and PubMed databases were searched for systematic reviews and guidelines for prevalence and therapy of chronic pelvic pain syndrome. Results.  Frequency, clinical picture, and treatment concepts for various forms of chronic pelvic pain are presented. If established treatments fail, then multimodal ther-

IC/BPS Prävalenz, Verlauf und sozioökonomische Fragen IC/BPS ist eine nichtinfektiöse chronische Blasenerkrankung, die geprägt ist von Blasenschmerzen, qualvoller Pollakisurie, Nykturie und Harndrang. Folge ist eine deutliche Einschränkung der Lebensqualität mit psychosomatischen Veränderungen. Von diesen Patienten klagen 89% über Schlafstörungen, bei 79% besteht eine wiederholte oder dauerhafte Arbeitsunfähigkeit. Weiterhin kommt es bei 17% zu Partnerschaftskonflikten und in 17% zu einer psychiatrischen Behandlung [19].

apy concepts are recommended. Controlled studies, which fulfill evidence-based medicine criteria, are lacking. Conclusion.  The success of multimodal therapeutic approaches in other chronic pain diseases should lead to the development and verification of these for chronic pelvic pain. Keywords Chronic prostatitis with chronic pelvic pain syndrome · Chronic interstitial cystitis · Painful bladder syndrome · Therapy · Diagnosis

Die klinische Symptomatik überschneidet sich mit anderen Erkrankungen der Blase, wie z. B. rezidivierenden Harnwegsinfektionen, Beckenschmerzsyndromen und der überaktiven Harnblase. Die IC stellt eine Sonderform des BPS dar. Zystoskopisch finden sich Schleimhautgranulationen und sog. Hunnersche Ulzerationen. Die IC/BPS zeigt oftmals die Symptomatik typischer urogynäkologischer Erkrankungen wie z. B. rezidivierender Harnwegsinfekte, Pollakisurie und Nykturie, Endometriose oder Vulvodynie, wodurch es zu Fehldeutungen dieses Leidens kommen kann. So ist es auch zu erklären, dass ein großer Teil der Patienten nicht nur eine Vielzahl von Arztkontakten in den Jahren vor Diagnosestellung hatte, Der Schmerz 3 · 2014 

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Schwerpunkt Tab. 1  Therapiemöglichkeiten von IC/BPS   Medikamentös PPSP Cyclosporin A

Empfehlunga

Evidenzb

A B

Amitriptylin Hydroxyzine Analgetika (Opioide) Cimetidin Antibiotika Gabapentin Bioflavonoide Anticholinergika Prostaglandine Kortikosteroide (Langzeit) Antiallergika Intravesikal Lokalanästhetika PPSP DMSO Hyaluronsäure Chondroitinsulfat Heparin Interventionell Botulinustoxin

A, B A, B C B C, bei Harnwegsinfektion C Daten unzureichend C C C Nicht empfohlen

1a 1b, aber Nebenwirkungen höher als mit PPSP 1b 1b, bei Komorbiditäten 2b 2b, Datenlage unzureichend 2b, Datenlage unzureichend 3 3 3 3, hohe Nebenwirkungsrate 3  

A, kurzfristige Wirkung A A, B B B, Datenlage unzureichend C

1a 1b 1b, hohe Nebenwirkungsrate 2b 2b 3

C

TUR, Elektrokoagulation der   Ulzerationen Hydrodistension EMDA Hyperbare Oxygenierung Sakrale Neuromodulation Anticholinergika

B, C

1b, mit Hydrodistension 3, ohne Hydrodistension 3, nur bei Ulzerationen

C C C B, C Erhöhung der Blasenkapazität, erster Harndrang bei größerer Blasenfüllung, keine Aussage über Schmerzreduktion N.-tibialis-posterior-Stimulation C Chirugische Eingriffe Zystektomie, C; A als Ultima Ratio Augmentation Nicht pharmakologisch Multimodale Therapie A Typbasierte Therapie A Diät B, C Akupunktur C Physiotherapie B Hypnose  

3, Datenlage unzureichend 3, Datenlage unzureichend   3, unzureichende Daten  

   

           

aGrad der Empfehlung A-C [15, 16]. bEvidenzlevel 1-3 [16].

IC interstitielle Zystitis, BPS Blasenschmerzsyndrom, DMSO Dimethylsulfoxid, EMDA „electromotive drug administration“, PSPP Pentosanpolysulfat, TUR transurethrale Resektion.

sondern dass bis dorthin auch mehrfach diagnostische und operative Maßnahmen durchgeführt wurden [17, 26].

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Gesicherte pathophysiologische Mechanismen Bei der IC/BPS handelt es sich um einen wahrscheinlich multifaktoriellen Prozess,

der seinen Ausgang von Veränderungen der Blasenwand durch bisher unidentifizierte Trigger nimmt. Es finden sich Defekte der Glykosaminoglykanschicht der Harnblase mit einem daraus resultierenden Verlust der Schleimhautbarriere und einer erhöhten Penetration von Noxen (Urin, Kalium), die zu lokalen entzündlichen sowie auch zu neuronalen Veränderungen führen. Letztere können sowohl im peripheren als auch im zentralen Nervensystem im Verlauf der Erkrankung festgestellt werden [16, 17]. In manchen Fällen finden sich autoimmunologische Prozesse oder Veränderungen der Vanilloidrezeptoren [27].

Symptomatik und Diagnostik Vor Diagnose einer IC/BPS muss eine diese Beschwerden verursachende Erkrankung ausgeschlossen werden. Der Schmerz ist der Schlüssel zur Diagnose. Die Schmerzen oder Missempfindungen werden im Blasenbereich, suprapubisch und mitunter ausstrahlend in die äußeren Genitalien oder ins Becken beschrieben. Schmerzen bzw. Missempfindungen werden in einem Zusammenhang mit der Blasenfüllung wahrgenommen, steigern sich bei zunehmender Blasenfüllung und sind deutlich reduziert nach Entleerung der Harnblase. Zur Einschätzung der Symptomatik und auch um Verläufe zu betrachten, bietet sich neben einem Miktionsprotokoll der Interstitielle-Cystitis-Symptomen-Index (ICSI) an. Die Zystoskopie ist zur Differenzierung einer ulzerösen oder nichtulzerösen Erkrankung sinnvoll. In manchen Fällen finden sich diese Ulzerationen erst nach einer Hydrodistension. Bei Vorliegen von Ulzerationen ist eine Biopsie sinnvoll [16].

Behandlung Da eine heilende Kausaltherapie nicht zur Verfügung steht, sollte die Diagnose frühzeitig gestellt werden. Manche Autoren vermuten, dass bei einer möglichst intakten, schützenden Schleimhautbarriere sekundäre Veränderungen deutlich seltener eintreten [17].

Blasenschmerzsyndrom

Oral Pentosanpolyphosphat Amitriptylin Hydroxyzin Wirkung unzureichend

Gute Wirkung

Kontrolle nach 4-8 Wochen

Fortführen der Therapie

Reevaluation

Umstellung der Therapie ggf. zusätzliche orale Therapie (Analgetika, Antihistaminika, Antidepressiva) intravesikale Therapie (Pentosanpolyphosphat, Hyaluronsäure, Chondroitinsulfat) Wirkung unzureichend

Hunner´sche Ulzeration bei Zytoskopie

Reevaluation

Psychosomatische Behandlung Ernährungsgewohnheiten umstellen Beckenbodentraining

Gute Wirkung

nein

Rückläufige Beschwerden?

ja

Bei längerer Beschwerdefreiheit Therapieende

Fortführen der Therapie

ja TUR / Laser

Schmerztherapie Hydrodistension Sakrale Neuromodulation EMDA

(Subtrigonale) Zystektomie als Ultima Ratio

Abb. 1 8 Therapiealgorithmus zur Behandlung der IC/BPS

Deshalb sollten neben einer medikamentösen Therapie auch lokale, d. h. intravesikale Therapieverfahren, Anwendung finden. Eine Übersicht der verschiedenen Therapieansätze zeigt . Tab. 1. Multimodale Therapieansätze sind bei ausgeprägten psychosomatischen Komorbiditäten oder sekundären psychosozialen Veränderungen zwingend erforderlich. Neuromodulative Verfahren wie die vaginale oder sakrale Nervenstimulation können hilfreich in der Reduktion der Beschwerden sein, sind jedoch für eine ent-

sprechende Bewertung nicht ausreichend untersucht. Ultima Ratio ist die operative Therapie. Ist eine partielle Harnblasenentfernung, eine supratrigonale Zystektomie mit Augmentation durch Dünndarm möglich, sollte diese einer radikalen Zystektomie mit künstlicher Harnableitung vorgezogen werden [16]. Ein Therapiealgorithmus zur Behandlung der IC/BPS ist in . Abb. 1 dargestellt.

Fazit Bisher gibt es keinen standardisierten Behandlungsansatz zur Diagnostik und Therapie des UCPPS. Bei fehlendem Ansprechen auf die dargestellten gebietsbezogenen Therapieansätze sollte eine strukturierte interdisziplinäre multimodale Behandlung mit psychosomatischer Begleitung eingeleitet werden. Für die Zukunft ist zu hoffen, dass die komplexe Ätiologie der chronischen Beckenbodenschmerzen geklärt werden kann. Fachübergreifende evidenzbasierDer Schmerz 3 · 2014 

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Schwerpunkt te Konzepte zu Diagnostik und Therapie sowie methodisch hochwertige interdisziplinäre Studien mit langfristigem Follow-up unter Berücksichtigung der psychosomatischen Mitbehandlung sind dringend notwendig.

Korrespondenzadresse Dr. O. Moormann Klinik für Urologie, St.-Josefs-Hospital Wilhelm-Schmidt-Str.4, 44263 Dortmund [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  O. Moormann und I. Gralow geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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