Schwerpunkt: Leukämien Internist 2015 · 56:333–343 DOI 10.1007/s00108-014-3594-7 Online publiziert: 19. März 2015 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 Redaktion:

M. Hallek, Köln

Die chronische myeloische Leukämie (CML) ist eine klonale myeloproliferative Erkrankung, die biologisch, diagnostisch und therapeutisch ein Modell für zielgerichtete Therapien darstellt. Ein Produkt der zytogenetischen Translokation t(9;22) ist das Fusionsprotein BCR-ABL. Die in der Folge gesteigerte Tyrosinkinaseaktivität bewirkt eine unkontrollierte Zellproliferation und Reduktion der Apoptose. In Mausmodellen wurde die pathogenetische Rolle von BCR-ABL in der Leukämieentstehung bewiesen. Daraus ergab sich der Therapieansatz, durch Hemmung der gesteigerten Enzymaktivität die Krankheitsprogredienz zu verringern. Unter Hunderten von Kandidatenmolekülen wurde in präklinischen Untersuchungen Imatinib – seinerzeit noch STI571 genannt – als erster potenter und selektiver Hemmer der BCR-ABL-Tyrosinkinaseaktivität identifiziert. Dies war ein Durchbruch in der Therapie der CML [1].

»

Die Entwicklung von Imatinib bedeutete einen Durchbruch in der Therapie der CML In Deutschland erkranken jährlich etwa 1200 Patienten aller Altersgruppen an CML. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen 55 und 60 Jahren. Zurzeit beträgt die jährliche Mortalität etwa 1,5%. Als Folge der verbesserten Prognose steigt die Prävalenz der CML bei konstanter Inzidenz an [2].

Klinisches Bild Vor Einsatz der Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) war bei den meisten Patienten ein 3-stufiger Krankheitsverlauf zu beob-

A. Hochhaus · P. La Rosée · E. Eigendorff · T. Ernst Abteilung Hämatologie/Onkologie, Universitätsklinikum Jena

Chronische myeloische Leukämie achten. Die Erkrankung wird gewöhnlich in der chronischen Phase diagnostiziert, geht über in die akzelerierte Phase und endet schließlich in der Blastenkrise, einer akuten Leukämie, die unbehandelt innerhalb weniger Wochen tödlich verläuft. Die chronische Phase der CML ist gekennzeichnet durch eine Leukozytose mit pathologischer Linksverschiebung und unterschiedlich ausgeprägter Splenomegalie. Häufig liegt eine Anämie vor. Die Thrombozytenzahl ist oft erhöht, kann jedoch auch normal oder erniedrigt sein. Bei über 95% der CML-Patienten liegt eine spezifische Chromosomenaberration vor, die Translokation t(9;22)(q34;q11) mit dem charakteristischen Philadelphia(Ph)Chromosom 22q−. Durch die Translokation wird das Gen der Abelson(ABL)-Tyrosinkinase mit dem Breakpoint-clusterregion(BCR)-Gen verbunden. Es entsteht das Fusionsprotein BCR-ABL mit konstitutiver Tyrosinkinaseaktivität, das für die onkogene Transformation der betroffenen hämatopoetischen Stammzelle verantwortlich ist. D Die Erkrankung wird nicht selten

als Zufallsbefund bei einer Blutbildbestimmung diagnostiziert. Bei Patienten mit symptomatischer Erkrankung werden F Abgeschlagenheit, F Schwäche, F Appetitlosigkeit, F Gewichtsverlust, F Knochenschmerzen oder F Oberbauchbeschwerden infolge der Milzvergrößerung beobachtet ([1], . Tab. 1).

Bisher als Prognoseparameter gebräuchlich waren der Sokal- und Hasford/Euro-Score (online unter http:// www.leukemia-net.org/content/leukemias/cml/cml_score/index_eng.html). Sie wurden vor der TKI-Ära mit dem Endpunkt Überleben entwickelt [3, 4]. Für die Anwendung unter TKI-Behandlung mit dem Endpunkt Therapieansprechen wurde in einem Register der European Treatment and Outcome Study (EUTOS) ein neuer Score etabliert und validiert. Eingeschlossen waren 2060 Patienten unter Erstlinientherapie mit Imatinib. Der EUTOS-Score nutzt den Anteil der Basophilen im peripheren Blut und die Milzgröße zum Diagnosezeitpunkt, um die Chance auf das Erreichen einer kompletten zytogenetischen Remission (CCyR) vorherzusagen. Die 5-Jahres-Überlebensraten unterscheiden sich zwischen Niedrigund Hochrisikopatienten mit 90 vs. 82% deutlich [5]. EUTOS-Score = Anteil der Basophilen im peripheren Blut (%) ×7 + Milzgröße (cm unter dem Rippenbogen) ×4 Bei einem EUTOS-Score 30% (Blasten dabei 1%, nicht aber im Vergleich zu Patienten mit BCR-ABLWerten zwischen 0,1 und 1% [18]. Die Ergebnisse unterscheiden sich allerdings von der TOPS-Studie, in der Ima-

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tinib-Dosierungen von 400 und 800 mg/ Tag verglichen wurden. Aufgrund einer höheren Nebenwirkungsrate der Hochdosistherapie war die Abbruchrate relativ hoch. Deshalb wurde kein besseres Langzeitansprechen erreicht [19]. Der Vergleich beider Studien zeigt die Notwendigkeit einer Dosisanpassung der Hochdosistherapie bei Imatinib-induzierten Nebenwirkungen. Die Therapie der CML in der chronischen Phase kann durch eine primär höhere, individuell eingestellte Imatinib-Dosis optimiert werden. CCyR und MMR nach 12 Monaten sind mit einem Überlebensvorteil assoziiert. Die Dosierung von Nilotinib nach Imatinib-Resistenz beträgt 2-mal 400 mg/ Tag. Für die Situation nach Imatinib-Intoleranz sowie die Erstlinientherapie werden heute wegen einer verbesserten Verträglichkeit 2-mal 300 mg Nilotinib/Tag empfohlen. Für Dasatinib war in der chronischen Phase die Gabe von 1-mal 100 mg/ Tag einer 2-mal täglichen Einnahme (2mal 50–70 mg) überlegen. Eine Dosis­ optimierung von Bosutinib mit 400 mg statt 500 mg/Tag wird derzeit prospektiv untersucht. Wegen der hohen vaskulären Komplikationsrate unter einer PonatinibDosis von 45 mg/Tag wird eine Dosisanpassung auf 15–30 mg nach initialem Ansprechen empfohlen [20].

Kombination mit Interferon-α

Die Kombination aus Imatinib und pegyliertem IFN bietet höhere Remissionsraten bei guter Verträglichkeit und Induktion eines langfristig wirksamen T-Zellaktivierenden Effekts von IFN. In der französischen SPIRIT-Studie wurde unter der Kombination aus Imatinib und pegyliertem IFN-α2a im Vergleich zur Imatinib-Monotherapie vermehrt ein tiefes molekulares Ansprechen mit BCR-ABLWerten ≤0,01% beobachtet [21]. In einer skandinavischen Studie erhielten Patienten in kompletter hämatologischer Remission unter Imatinib eine Kombination aus Imatinib und pegyliertem IFN-α2b. Im Vergleich zur Imatinib-Standardtherapie konnte mit der Kombinationstherapie die MMR-Rate deutlich verbessert werden (82% vs. 54%; [22]). Nach einer Kombination von Imatinib mit pegyliertem IFN-α2a wurden auch nach Absetzen des TKI Langzeitremissionen beobachtet.

Eine Erhaltungstherapie mit IFN nach TKI erscheint nach vorläufigen Daten sinnvoll [23].

Therapiefreie Remission

Die Frage einer anhaltenden therapiefreien Remission nach >2-jähriger PCRNegativität wurde in der französischen STIM-Studie untersucht. Das langjährige rezidivfreie Überleben (39%) war assoziiert mit einer Niedrigrisikosituation nach Sokal und einer langen TKI-Vortherapie (>5 Jahre; [24]). Die Daten der STIM-Studie waren Anlass für die Etablierung des europäischen Stop-Kinase-Inhibitor(EURO-SKI)-Registers mit stringenteren Definitionskriterien der tiefen molekularen Remission. Aufgenommen werden Patienten nach mindestens 3-jähriger Behandlung mit TKI und mindestens 1-jähriger tiefer molekularer Remission (BCR-ABL ≤0,01%). Nach Einschluss von über 800 Patienten erfolgte für die ersten 200 Patienten im Dezember 2014 eine planmäßige Zwischenauswertung. Diese zeigte eine stabile molekulare Remission (BCR-ABL ≤0,1%) bei 111 von 200 Patienten (56%) nach 12 Monaten. Bemerkenswert ist das häufig beobachtete „TKI-Absetzsyndrom“ mit vorübergehenden Muskelkrämpfen, Sehnenschmerzen oder Akne nach TKI-Entzug. Die Einsparungen für die Gesundheitssysteme der acht EURO-SKI-Länder betrugen etwa 7 Mio. € [25]. Eine anhaltende molekulare Remission nach Absetzen der TKI ist ein vielversprechendes Zeichen auf dem Weg der Heilung. Bei einigen Patienten konnten klonale BCR-ABL-unabhängige Mutationen in der regenerierenden Hämatopoese nachgewiesen werden. Ob durch die alleinige Eradikation BCR-ABL-positiver Zellen tatsächlich eine Heilung erreicht werden kann, ist deshalb noch offen [26]. Die notwendige Dauer der TKI-Therapie sowie die Dauer und Tiefe der molekularen Remission müssen in zukünftigen Studien multivariat untersucht werden. Rezidive belegen das Vorhandensein von residuellen leukämischen Stammzellen mit der Fähigkeit der Repopulation des Knochenmarks. Eine Erhaltungstherapie mit (pegyliertem) IFN kann molekulare Remissionen erhalten bzw. verbessern. Wegen der Notwendigkeit einer stringen-

Tab. 2  Monitoring des Ansprechens auf TKI [6, 31, 46]   Untersuchung Hämatologisch

Untersuchungszeitpunkte Diagno- Innerhalb se der ersten 3 Monate X Alle 2 Wochen bis zur CHR

Nach 3 Monaten X

X

Zytogenetisch

X



X

X

Molekular (quantitative Real-timePCR)

X Multiplex-PCR



X

X

Nach 6 Monaten

Später

Alle 3 Monate Wenn klinisch erforderlich Nach 3 Monaten, dann alle 6 Monate bis zur CCyR Bei Verdacht auf TKIResistenz Bei unklarer Zytopenie Vor Therapiewechsel Alle 3 Monate bis zur MMR, dann alle 3–6 Monate Nach Absetzen (Studie) – Alle 4 Wochen im ersten Halbjahr – Alle 6 Wochen im zweiten Halbjahr – Danach alle 3 Monate

CCyR Komplette zytogenetische Remission; CHR komplette hämatologische Remission; MMR gute („major“) molekulare Remission; PCR Polymerase-Kettenreaktion; TKI Tyrosinkinaseinhibitor.

ten und standardisierten Messung der tiefen molekularen Remission und der zahlreichen offenen Fragen wird ein Absetzen momentan nur im Rahmen von Studien empfohlen.

darf wegen der Akkumulation von Polyethylenglykol in der Schwangerschaft nicht eingesetzt werden.

D Von einer Schwangerschaft ist unter

Optimale Therapieergebnisse können nur bei systematischer Beobachtung des therapeutischen Ansprechens erreicht werden (. Tab. 2). Das ELN empfiehlt nach Therapiebeginn eine 3- bis 6-monatliche zytogenetische Untersuchung des Knochenmarks bis zur CCyR. Nach CCyR ist eine Knochenmarkuntersuchung nur zur Evaluation einer persistierenden Zytopenie sowie vor jedem Therapiewechsel erforderlich. Allerdings sollte alle 3 Monate eine quantitative PCR-Untersuchung unter Angabe der BCR-ABL-Last nach internationalem Standard erfolgen. Bei allen Patienten mit steigenden Transkriptzahlen sollte die Compliance überprüft bzw. die Neueinnahme von Medikamenten erfragt werden, die den TKI-Abbau induzieren könnten. Die Definitionen des TKI-Ansprechens sind in . Tab. 3 und 4 zusammen-

der TKI-Therapie wegen des teratogenen Risikos streng abzuraten. Deshalb sind für Patientinnen mit Kinderwunsch individuelle Maßnahmen erforderlich, um die erreichte Remission während der Schwangerschaft unter Verzicht auf TKI zu erhalten. Eine Therapieunterbrechung ist nur bei einer stabilen molekularen Remission mit einem BCRABL-Spiegel 10% nach 3 Monaten, F eine fehlende CCyR nach einem Jahr, F eine klonale Evolution der CML unter Therapie und F einen deutlichen Anstieg der BCRABL-Transkripte mit Verlust der MMR ein [6]. Die Geschwindigkeit des initialen Ansprechens innerhalb der ersten 3 Monate, d. h. die BCR-ABL-Last nach 3 Monaten im Vergleich zum Wert vor Therapiebeginn, ist ein wesentlicher Prognosefaktor [28, 29] Unter Nilotinib und Dasatinib finden sich deutlich weniger frühe Therapieversager als unter Imatinib [11, 14]. Die häufigste Ursache der TKI-Resistenz sind BCR-ABL-Punktmutationen mit verminderter bis aufgehobener Wirksamkeit von Imatinib. Inzwischen sind mehr als 100 Mutationen bekannt. Eine Mutationsanalyse wird bei einem >5-fachen Anstieg der BCR-ABL-Last unter gleichzeitigem Verlust der guten molekularen Remission, d. h. bei BCR-ABL-Raten >0,1%, empfohlen. Bei Mutationen mit komplettem Wirkverlust, z. B. Y253F/H, E255K/V oder T315I, in einem dominanten Klon ist zur Verhinderung der weiteren Selektion resistenter Zellen das rasche Absetzen von Imatinib sehr wichtig. Die Überexpression des Transportproteins P-Glykoprotein oder von Wachstumsfaktorrezeptoren sowie der Verlust eines p53-Allels sind Beispiele für BCR-ABLunabhängige Resistenzursachen [30, 31].

Zweitlinientherapie

Die Wahl der Zweitlinientherapie erfolgt nach klinischen Kriterien und eventuell vorliegenden BCR-ABL-Mutationen. Die Verfügbarkeit von fünf zugelassenen TKI ermöglicht die individualisierte Therapie nach zytogenetischem und molekularbiologischem Ansprechen, nach kliniDer Internist 4 · 2015 

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Schwerpunkt: Leukämien Tab. 3  Definition des hämatologischen, zytogenetischen und molekularen Ansprechens [6] Methode Hämatologisch

Zytogenetisch

Molekular

Remission Komplett

Komplett Partiell „Minor“ Minimal Keine „Major“ Tief

Abkürzung CHR

CCyRa PCyRa MCyR MinCyR Keine CyR MMR MR4

MR4,5

Parameter Leukozyten 104,5 (32.000 ABL-Transkripte)

CCyR Komplette zytogenetische Remission; CHR komplette hämatologische Remission; IS internationaler Standard; MinCyR minimale zytogenetische Remission; MMR gute („major“) molekulare Remission; PCyR partielle zytogenetische Remission; Ph Philadelphia-Chromosom.a PCyR und CCyR bilden gemeinsam das „major“ zytogenetische Ansprechen (MCyR).b Für eine standardisierte Messung des molekularen Ansprechens wird die Bestimmung eines Konversionsfaktors für jedes Labor empfohlen, um die Ergebnisse nach dem IS ausdrücken zu können und somit national und international vergleichbar zu machen.c Quotient von BCR-ABL zum Kontrollgen ≤0,1% nach IS.

Tab. 4  Definition des unzureichenden Ansprechens und der Resistenz auf TKI [6] Zeit ab Beginn der TKI-Therapie (Monate) 3 6 12 18 Jeder Zeitpunkt

Ansprechen Hämatologische und zytogenetische Kriterien Keine CHR, keine CyR >35% Ph+, keine PCyR >0% Ph+, keine CCyR   Verlust der CHR Verlust der CCyR Mutationen mit komplettem Verlust der TKIWirkung Klonale Evolution

PCR-Kriterien   >10% BCR-ABL (IS) >1% BCR-ABL (IS) >0,1% BCR-ABL (IS) Verlust der MMR Andere Mutationen mit reduzierter TKI-Bindung

CCyR Komplette zytogenetische Remission; CHR komplette hämatologische Remission; IS internationaler Standard; MMR gute („major“) molekulare Remission; PCR Polymerase-Kettenreaktion; PCyR partielle zytogenetische Remission; TKI Tyrosinkinaseinhibitor.

schen Kriterien in Bezug auf das Nebenwirkungsspektrum und nach dem Mutationsstatus bei Resistenz auf die Primärtherapie. D Nilotinib, Dasatinib und Bosutinib

wurden nach TKI-Resistenz und -Intoleranz in allen Phasen der CML erfolgreich eingesetzt.

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Nilotinib wurde für die chronische und akzelerierte Phase nach Imatinib-Versagen in einer empfohlenen Dosierung von 2-mal 400 mg/Tag zugelassen [32, 33, 34]. Für Dasatinib wird in der chronischen und akzelerierten Phase nach Imatinib-Versagen eine Dosis von 100 mg/Tag empfohlen, in der Blastenkrise eine Dosis von 140 mg/Tag [13, 35, 36, 37, 38]. Bosutinib wurde als dritter Inhibitor der zwei-

ten Generation in Europa für die Behandlung von Patienten mit CML zugelassen, die schon mindestens einen TKI bekommen haben und bei denen Imatinib, Nilotinib und Dasatinib vom behandelnden Arzt als nicht sinnvoll erachtet werden [39]. Die Nilotinib-assoziierten Nebenwirkungen Hyperglykämie und Fettstoffwechselstörungen sowie die vermutete Häufung einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit sind Indikatoren hinsichtlich der Nutzung von Dasatinib oder Bosutinib bei entsprechend gefährdeten Patienten. Bei vorbestehenden Lungenerkrankungen und pulmonaler Hypertonie sollte eher Nilotinib oder Bosutinib verwendet werden. Bei Pankreatitis, Herzrhythmusstörungen und Blockbildern im EKG sind alle TKI mit Vorsicht einzusetzen [40]. Das Ansprechen auf Nilotinib war besonders günstig, wenn keine BCR-ABLMutation oder eine Mutation mit einer In-vitro-Sensitivität 3 nM; Q252H, E255K/V, V299L, F317L), geringere Ansprechraten als Patienten mit Mutationen mit höherer In-vitro-Sensitivität [42]. Im Falle der Mutation T315I und bei Versagen anderer TKI wird eine Therapie mit Ponatinib empfohlen, ggf. gefolgt von einer allogenen Stammzelltransplantation [16]. Einzelne Patienten mit unzureichender Kapazität der normalen Hämatopoese (rezidivierende Zytopenien, keine zytogenetische Remission unter der ImatinibTherapie) haben eine deutlich geringere Chance, eine Remission unter Zweit- oder Drittlinientherapie zu erreichen. Auch in diesen Fällen sollte die Option einer allogenen Stammzelltransplantation geprüft werden [43].

Fortgeschrittene Phasen der CML Der Mechanismus der CML-Progression ist heterogen und wurde noch nicht vollständig geklärt. Meist handelt es sich um

Schwerpunkt: Leukämien einen Prozess in mehreren Schritten, an dem chromosomale und molekulare Ereignisse beteiligt sind. Für die Wahl der Therapie in der fortgeschrittenen Phase der CML muss berücksichtigt werden, ob die Progression eine TKI-Resistenz darstellt. Der Therapiewechsel sollte sich am vorliegenden Mutations- und Zulassungsstatus orientieren. In jedem Fall ist bei geeigneten Patienten in der fortgeschrittenen Phase der CML die Option der allogenen Stammzelltransplantation zu erwägen. In der Blastenkrise ist vor Transplantation eine konventionelle Chemotherapie abgestimmt auf die Linienzugehörigkeit der Blasten mit oder ohne TKI sinnvoll. So soll die CML möglichst in eine zweite chronische Phase überführt und der Patient dann rasch einer Transplantation unterzogen werden [44].

Neue Entwicklungen Neue Therapieoptionen der CML befinden sich in der frühen klinischen Entwicklung, z. B. Kombinationstherapien sowie ein allosterischer BCR-ABL-Inhibitor mit innovativem Wirkprofil (ABL001; [45]).

serung der Therapiecompliance, die Kontrolle der persistierenden minimalen Resterkrankung sowie der Stellenwert von Kombinationstherapien. Prospektive klinische Studien wie die CML-V(TIGER)-Studie der deutschen CML-Studiengruppe sollen diese Fragen beantworten. F Zur frühen Identifizierung von Patienten mit suboptimalem Ansprechen und von Rezidiven wird ein konsequentes zytogenetisches und molekulares Monitoring empfohlen. F Im Monitoring sind standardisierte PCR-Methoden erforderlich, da sie die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zwischen verschiedenen Laboratorien und eine klare Identifizierung von Risikosituationen gewährleisten [46]. F Die Teilnahme an klinischen Studien ermöglicht angesichts der raschen Entwicklung der medikamentösen Optionen eine Therapieoptimierung und Qualitätssicherung (Übersicht auf der Website des Kompetenznetzes Akute und chronische Leukämien, www.kompetenznetz-leukaemie.de).

Korrespondenzadresse

Neue Form der Kooperation Um allen CML-Patienten in Deutschland ein optimales Management ihrer Erkrankung zu ermöglichen, wurde im Oktober 2014 die Deutsche CML-Allianz gegründet. Ziel dieser Initiative der CML-Studiengruppe und des Arbeitskreises klinische Studien ist es, eine Versorgung der Patienten nach modernen Standards zu gewährleisten. Hierzu sollen die Kommunikation und Zusammenarbeit der mit der CMLBehandlung betrauten Institutionen koordiniert und verbessert werden. Beteiligt sind Universitätskliniken, Krankenhäuser, onkologische Schwerpunktpraxen, Labore sowie Patientenvertreter.

Fazit für die Praxis F Nach Zulassung von Imatinib, Nilotinib und Dasatinib stehen drei TKI für den Erstlinieneinsatz zur Verfügung. F Offene Fragen der CML-Therapie sind die Behandlungsdauer bei Patienten mit gutem Ansprechen, die Verbes-

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Prof. Dr. A. Hochhaus Abteilung Hämatologie/ Onkologie, Universitätsklinikum Jena Erlanger Allee 101, 07740 Jena andreas.hochhaus@ med.uni-jena.de

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  A. Hochhaus: Forschungsunterstützung durch Novartis, BMS, Ariad, Pfizer und MSD. Das Manuskript beruht auf Daten aus Studien am Menschen, präklinischen Untersuchungen und Expertenmeinungen. Diese sind z. T. publiziert und nichtpubliziert. Die Studien erfolgten mit Zustimmung einer Ethikkommission.

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[Chronic myelogenous leukemia].

The advent of tyrosine kinase inhibitors (TKI) has improved the prognosis and outcome of patients with chronic myelogenous leukemia (CML) considerably...
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