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Chronischer Oberbauchschmerz: Diese organische Erkrankungen können die Ursache sein Joachim Labenz, Christian Labenz, Manfred Gross

Die 5 Diagnoseschritte | Bei Patienten mit chronischen bzw. wiederkehrenden Oberbauchschmerzen steht an erster Stelle eine eingehende Anamnese und körperliche Untersuchung, die 5 essenzielle Schritte umfassen sollte (▶ Tab. 1). Somatische vs. viszerale Schmerzen | Besondere Aufmerksamkeit sollte der Abgrenzung von viszeralen und Bauchwandschmerzen geschenkt werden. Viszerale Schmerzen entstehen durch chemische und mechanische Stimuli. Die Signale werden über afferente Nerven in das Rückenmark geleitet. Der Schmerz wird im zugehörigen Segment empfunden und zwar hauptsächlich im Bereich der Mittellinie (▶ Abb. 1). Ausnahmen vom Mittellinienschmerz sind ▶▶ paarig angelegte Organe (z. B. Nieren), ▶▶ somatisch innervierte Strukturen (z. B. Bauchwand), ▶▶ die Gallenblase sowie ▶▶ das Colon ascendens und descendens. Schmerzempfindung | Der viszerale Schmerz wird als dumpf, unscharf, krampfend, kolikartig, beißend, bohrend, nagend beschrieben; somatischer Schmerz als scharf lokalisiert und

brennend. Er tritt schnell auf und verschwindet auch wieder schnell. Mitunter ist auch die Periodik der Schmerzen diagnostisch richtungsweisend: ▶▶ der Ulkusschmerz tritt intermittierend zumeist über Wochen auf, ▶▶ ein Karzinomschmerz beginnt schleichend und ist über die Zeit progredient. Diagnosealgorithmus | Einen einfachen diagnostischen Algorithmus, der in jedem Fall zielführend ist, gibt es aufgrund der Vielfalt an möglichen Ursachen nicht. In vielen Fällen lässt sich die Diagnose rasch und mit einfachen Mitteln stellen (Basislabor [Blutbild, CRP, Leberwerte, ­Lipase, Kreatinin, TSH basal], Sonografie, Ösophago-Gastro-Duodenoskopie mit Biopsie aus Magen und Duodenum). Sollte dies nicht gelingen, ist eine systematische Diagnostik angezeigt (▶ Abb. 2).

Chronischer Bauchwandschmerz Häufigkeit | Chronische Bauchwandschmerzen werden oft übersehen [2, 3]. Sie machen etwa 10 %



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Abb. 1 Projektionsgebiete viszeraler Schmerzen (a) und Organzugehörigkeit (b).



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Abdominalschmerzen sind eine der häufigsten Ursachen für einen Arztbesuch und für eine Überweisung zum Gastroenterologen. Ihnen können harmlose Störungen, aber auch lebensbedrohliche Krankheitsbilder zugrunde liegen. Nicht immer sind die Schmerzen viszeral bedingt. Trotzdem muss der Internist und Gastroenterologe sie kennen.

Dossier Diagnoseschritt

Danach müssen Sie fragen:

1. Schmerzbeschreibung

▶▶ Schmerzcharakter ▶▶ Punctum maximum ▶▶ Abhängigkeit von (bestimmter) Nahrung ▶▶ sonstige Auslöser (z. B. Körperlage, Bewegung,

Atmung) ▶▶ Ausstrahlung ▶▶ Dauer ▶▶ freie Intervalle

2. Begleitsymptome abdominal

▶▶ Gewichtsverlust ▶▶ verminderte Nahrungsaufnahme ▶▶ vorzeitige Sättigung ▶▶ Völlegefühl ▶▶ Sodbrennen ▶▶ Regurgitation ▶▶ Aufstoßen ▶▶ Übelkeit ▶▶ Erbrechen ▶▶ Durchfall ▶▶ Obstipation ▶▶ Was hilft gegen die Symptome?

3. Begleitsymptome extraabdominal

▶▶ Schmerzen in anderer Lokalisation (z. B. Kopf▶▶ ▶▶ ▶▶ ▶▶ ▶▶

4. Externe Einfluss­ faktoren

schmerzen, Rücken- oder Gelenkschmerzen) Fieber Tachykardie Hautausschlag Schlafstörungen allgemeine Leistungsfähigkeit

▶▶ Medikamenteneinnahme (u. a. ASS, NSAR, Kalium,

Syndrom der schmerzhaften Rippe Häufigkeit | Das Syndrom betrifft vor allem Frauen im mittleren Lebensalter. Es ist nicht selten und wird ähnlich wie der chronische Bauchwandschmerz häufig übersehen. Aus diesem Grund gehört die sorgfältige Palpation der Rippenbögen zur Diagnostik des chronischen Oberbauchschmerzes.

Eisen, Digitalis, Theophyllin, Antibiotika) ▶▶ Alkohol- und Drogenkonsum ▶▶ Rauchverhalten

5. Eingehende körperliche Untersuchung

Schmerzursache | Ursache ist vermutlich eine lokale Irritation des Nerven beim Durchtritt durch die Bauchwand. Die lokale Infiltration mit Lokalanästhetika ist oft hilfreich und stützt dann die Diagnose [3]. Längere Effekte lassen sich durch eine Kombination eines Lokalanästhetikums mit z. B. Triamcinolon erzielen [4]. Differenzialdiagnosen des chronischen Bauchwandschmerzes sind ▶▶ Bauchwandhernien (z. B. epigastrische Hernie, Spiegel’sche Hernie), ▶▶ Narben(bruch), ▶▶ Bauchwand-Endometriose und ▶▶ nervale Schmerzsyndrome wie z. B. eine diabetische Radikulopathie, postherpetische Neuralgie und Borreliose ▶▶ Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates.

▶▶ Auslösung eines Druckschmerzes ▶▶ lokalisierter oder diffuser Druckschmerz ▶▶ Abwehrspannung ▶▶ Resistenz ▶▶ Differenzierung zwischen viszeralem und

Bauchwandschmerz Tab. 1  Fünf Schritte in der Primärdiagnostik chronischer Oberbauchschmerzen.

der Überweisungen an einen Gastroenterologen aus und von dort werden 3 von 4 Patienten an einen Schmerztherapeuten überwiesen. Schmerzlokalisation | Das Schmerz­areal

▶▶ ist in aller Regel punktförmig, ▶▶ selten größer als 2 × 2 cm,

▶▶ der Patient zeigt mit dem Finger darauf. Die Schmerzen tritt bevorzugt rechts im Oberbauch auf – im Bereich des lateralen Randes des M. rectus abdominis [3]. Multiple Schmerzpunkte sind nicht ungewöhnlich. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, und die Zeit bis zur Diagnose ist oft lang [2].

Diagnostisch wegweisend ist das Carnett-Zeichen: ein lokalisierter Druckschmerz in einem kleinen Areal, der bei Anspannung der Bauchmuskulatur persistiert [3].

Symptome | Das Krankheitsbild ist durch eine klassische Trias gekennzeichnet: 1. Schmerzen unterer Thorax / oberes Abdomen 2. identifizierbare(r) Druckpunkt(e) im Verlauf der Rippenbögen und des Xiphoids 3. Auslösung der beklagten Schmerzen durch Druck auf die Schmerzpunkte Behandlung | Die Therapie ist symptomatisch, z. B. eine lokale Infiltration oder ein peripher wirksames Analgetikum [5]. Schmerzen können auch aufgrund abnormer Mobilität des knorpeligen Anteils der Rippen entstehen, der sich dann über eine angrenzende Rippe schiebt (slipping rib syndrome). Dieser Befund kann bei entsprechender Expertise durch eine hochauflösende Sonografie dargestellt werden [6].

Viszerale Schmerzen – die Klassiker Peptische Ulkuskrankheit | Früher war die genuine Ulkuskrankheit des Magens und des Duo­ denums aufgrund einer Helicobacter-pylori-­ Infektion sicher eine der häufigsten Ursachen für chronische bzw. wiederkehrende Ober­ bauchschmerzen. Die Abnahme der Durchseuchung und die Therapie der Infektion bei Betroffenen ­haben zu einem deutlichen Rückgang ­geführt [7].

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Nicht alle Patienten haben im Ulkusschub auch Schmerzen – sie können auch außerhalb eines Schubs auftreten.

Ulkus: Ursachen | Ulzera werden heute häufiger durch Medikamente, insbesondere Acetylsalicylsäure (ASS) und nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) hervorgerufen. Wenn der Patient diese Medikamente nicht einnimmt und auch keine ­Helicobacter-pylori-Infektion hat, muss an andere (seltene) Ursachen gedacht werden (z. B. Zollinger-Ellison-Syndrom, andere Infektion, Tumor­ erkrankung [Karzinom, Lymphom], eosinophile Gastroenteritis, M. Crohn) [10]. Gastritis | Im Zusammenhang mit Schmerzen im Oberbauch ist Gastritis ein „typisch deutscher Begriff“. International spricht man nur von Gastritis, wenn typische histologische Veränderungen vorliegen. Oberbauchbeschwerden sind je nach Status der Abklärung ▶▶ „uninvestigated dyspepsia“ oder ▶▶ „functional dyspepsia“ (Endoskopie ohne erklärenden Befund). Festzuhalten bleibt: Zwischen dem histologischen Nachweis einer Gastritis und dem klinischen Beschwerdebild gibt es höchst selten einen Zusammenhang.

Ausgenommen davon ist eine kleine Untergruppe (≤ 10 %) von Patienten mit Helicobacter-pyloriGastritis (Typ B). Diese Patienten profitieren auch langfristig von einer Sanierung der Infektion [11]. Auch zwischen dem makroskopischen Befund des Magens bei der Endoskopie und dem Beschwerdebild auf der einen Seite und der Histologie auf der anderen Seite gibt es keine Korrelation, die sich klinisch nutzen ließe. Insbesondere ist der Nachweis flacher (akuter) und erhabener (chronischer) Erosionen im Magen nicht kausal mit Beschwerden assoziiert. Cholelithiasis | Die meisten Patienten mit Gallensteinen bleiben zeitlebens asymptomatisch. Eine prophylaktische Cholezyst­ektomie – von einzelnen diskutierten Ausnahmen abgesehen – ist nicht indiziert.

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Insbesondere ist es nicht gerechtfertigt, bei anhaltenden oder rezidivierenden, uncharakteristischen Oberbauchsymptomen und nachgewiesenen Gallenblasensteinen die Gallenblase zu entfernen [12].

Abb. 2  Chronischer Abdominalschmerz: Ursachenspektrum als Basis für die systematische Abklärung.

Gallenkolik | Das (einzige) typische Symptom von Steinen in der Gallenblase ist die Gallenkolik. Sie ist gekennzeichnet ▶▶ als anhaltender (> 15 Minuten) Schmerz im rechten bis mittleren Oberbauch, ▶▶ eventuell mit Ausstrahlung in den Rücken und die rechte Schulter und ▶▶ oftmals begleitet von Übelkeit oder auch Erbrechen [12]. Cholezystitis | Die akute Cholezystitis ist eine etablierte Indikation für die Frühoperation [13]. Eine chronische Cholezystitis – diagnostiziert durch bildgebende Verfahren – dagegen nicht. Ein Zusammenhang mit der klinischen Symptomatik ist nicht gesichert. Ausnahmen können eine ▶▶ Porzellangallenblase und ▶▶ begleitende Gallenblasenpolypen > 1 cm sein [12]. Symptomatische Gallengangsteine werden endoskopisch im Rahmen einer ERCP behandelt [12]. Chronische Pankreatitis | Sie ist wahrscheinlich wesentlich häufiger als sie in der klinischen Routine diagnostiziert wird. Leitsymptome sind ▶▶ Oberbauchschmerzen, häufig mit Ausstrahlung in den Rücken, sowie ▶▶ Zeichen der exokrinen und endokrinen Insuffizienz in fortgeschrittenen Stadien [14]. Zur Diagnosestellung dienen bildgebende Verfahren: ▶▶ Die Sonografie ist Methode der ersten Wahl, ▶▶ bei unklaren Befunden empfiehlt sich ergänzend eine Endosonografie bzw. ▶▶ eine CT und MRT mit Darstellung des Gangsystems (MRCP) [14]. Die Endosonografie ist der MRCP insbesondere in frühen Stadien überlegen [15, 16]. Nicht mehr ­regelmäßig zum Einsatz kommen

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Diagnose und Therapie bei Ulkus | Die Diagnose wird endoskopisch gestellt mit Nachweis der Infektion aus Gewebeproben mittels Urease-Test und Histologie. Liegt eine Helicobacter-pylori-assoziierte Ulkuskrankheit vor (aktuell oder anamnestisch) besteht eine zwingende Indikation zur Eradikations-Behandlung [8, 9]. Der Erfolg der Therapie sollte endoskopisch-bioptisch oder bei unkompliziertem Ulcus duodeni auch nicht invasiv mittels ­eines 13C-Harnstoff-Atemtests oder einen mono­ klonalen Stuhl-Antigen-Test überprüft werden [8].

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Dossier ▶▶ ERCP: früher diagnostischer Goldstandard; Ein-

satz heute nur noch bei unklaren Befunden oder in therapeutischer Intention eingesetzt [14]. ▶▶ Abdomenübersichtsaufnahme zum Nachweis von Verkalkungen in Projektion auf die Pankreasloge ▶▶ Bestimmung der Elastase im Stuhl (sie ist nur geeignet zum Nachweis einer mäßigen bis schweren exokrinen Insuffizienz bei bereits nachgewiesener Pankreaserkrankung [14]) Tumorerkrankungen | Malignome des Magens, des Pankreas, der Gallenblase und der Gallenwege sowie der Leber können durch Oberbauchschmerzen in Erscheinung treten. Dies gilt im Einzelfall sicher auch für maligne Erkrankungen in anderen Bereichen des Verdauungstraktes bzw. des Bauchraums sowie der basalen Strukturen des Thorax. Der Verdacht auf eine maligne Grunderkrankung besteht bei ▶▶ progredientem Symptomverlauf und ▶▶ Begleitsymptomen wie Gewichtsverlust und Blutungszeichen. Dieser Verdacht muss mit bildgebender Diagnostik bestätigt bzw. ausgeschlossen werden.

Es ist von besonderer klinischer Relevanz, dass eine unauffällige Untersuchung aktuell oder in der jüngeren Vergangenheit niemals eine gravierende Diagnose ausschließt. Dies gilt insbesondere für das Pankreaskarzinom. Aber auch Magenund Kolonkarzinome werden immer wieder bei der Endoskopie übersehen. Bei entsprechendem klinischem Verdacht ist daher eine Wiederholung der Diagnostik angezeigt.

Viszerale Schmerzen – häufig ­übersehen oder fehlinterpretiert Gastroösophageale Refluxkrankheit | Die Leitsymptome der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) sind ▶▶ Sodbrennen, ▶▶ saures Aufstoßen und ▶▶ Regurgitation. Allerdings haben nicht alle Patienten dieses diagnoseweisende Beschwerdebild. Epigastrische Schmerzen können das führende oder sogar alleinige Symptom sein [17, 18]. Eine Therapie der Refluxkrankheit mit einem PPI führt dann auch häufig zur Beseitigung der Oberbauchschmerzen [19]. Schwierig ist die Diagnose dann, wenn endoskopisch keine Zeichen einer GERD vorliegen. Das symptomatische Ansprechen auf eine PPI-Therapie ist kein Beleg für eine GERD [20].

Eine axiale Hiatushernie disponiert zur GERD, verursacht aber per se keine Schmerzen. In seltenen Fällen können intermittierende Einklemmungen von Hiatushernien – insbesondere paraösophageal oder gemischt axiale/ paraösophageal – zu wiederkehrenden Schmerzen im Thorax und im Oberbauch führen. Biliäre Mikrolithiasis | An diese Erkrankung muss gedacht werden bei ▶▶ rezidivierenden Gallenkoliken oder ▶▶ rezidivierenden Pankreatitiden ohne Nachweis einer auslösenden Ursache in der konventionellen Diagnostik. Die Diagnose lässt sich bei entsprechender Expertise des Untersuchers endosonografisch stellen [21]. Diagnostische Alternativen sind ▶▶ eine Untersuchung aspirierter Galle (ERCP) und ▶▶ eine sonografische Untersuchung der Gallenblase unmittelbar nach einer ERCP. Die diagnostische ERCP wird aufgrund des Komplikationsrisikos heute aber kaum noch eingesetzt. Therapeutische Optionen sind je nach klinischer Situation alleine oder in Kombination: ▶▶ Ursodeoxycholsäure, ▶▶ eine endoskopische Papillotomie und ▶▶ eine Cholezystektomie Lebererkrankungen | Sie gelten häufig als schmerzlos. Dehnt sich das Lebergewebe aus, kann allerdings ein Kapselschmerz auftreten. Dies ist z. B. der Fall bei ▶▶ akuten Entzündungen, ▶▶ einer kardialen Stauung, ▶▶ einer venösen Abflussbehinderung oder ▶▶ benignen und malignen Raumforderungen. Weniger bekannt ist, dass offensichtlich auch chronische Leberkrankheiten mit Oberbauchschmerzen einhergehen können. In einer FallKontroll-Studie hatten Patienten mit chronischer Hepatitis C häufiger, insbesondere post­ prandial, Abdominalschmerzen als Patienten mit anderen Lebererkrankungen und lebergesunden Kontrollpersonen (45,3 % vs. 32,0 % vs. 20,3 %, p = 0,01) [22]. Zur Abklärung einer hepatischen Genese von Oberbauchschmerzen ist neben einer Sonografie eine Labordiagnostik (GPT, Gamma-GT, Cholinesterase angezeigt.

Chronische mesenteriale Ischämie | Die klassische Trias ist 1. postprandialer Oberbauchschmerz, 2. Gewichtsverlust (ca. 80 % der Patienten) durch Aversion gegen Nahrungsaufnahme und 3. auskultierbares Gefäßgeräusch. Sie liegt allerdings häufig nicht vor [23]. Die Patienten haben zumeist vaskuläre Komorbiditäten oder zumindest ein entsprechendes Risikoprofil. Das „Daran Denken“ ist der wichtigste Schritt zur Diagnose. In der akuten Situation kann die Be-

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Viszerale Schmerzen – die Kolibris | Zu den seltenen Ursachen für chronische bzw. wiederkehrende Oberbauchschmerzen zählen beispielsweise ▶▶ eosinophile Gastroenteritis, ▶▶ familiäres Mittelmeerfieber, ▶▶ Vaskulitiden, ▶▶ akute intermittierende Porphyrie, ▶▶ C1-Esterase-Inhibitor-Mangel, ▶▶ Bleivergiftung, ▶▶ Lues, ▶▶ Sichelzellanämie, ▶▶ abdominelle Epilepsie, ▶▶ abdominelle Migräne und ▶▶ parasitäre Erkrankungen. Daran müssen Sie denken, wenn die Suche nach den häufigen Ursachen ergebnislos bleibt. Wie häufig oder selten diese Erkrankungen tatsächlich im Kontext des unklaren chronischen bzw. wiederkehrenden Oberbauchschmerzes sind, ist weitgehend unbekannt. Immerhin fand man in einer großen Untersuchungsserie mit 33 000 Patienten, die intermittierend an Abdominalschmerzen litten, bei einem von 200 Patienten einen C1-Inhibitor-Mangel [25]. Die Zeit bis zur korrekten Diagnosestellung liegt bei diesen Patienten im Regelfall über 10 Jahre [26]. Ein vergleichbares Krankheitsbild kann auch durch ACE-Hemmer induziert werden [27]. Die Häufigkeit liegt bei 0,1–0,2 %. Gelegentlich findet sich dann ein endoskopisches oder auch sonografisches Korrelat [28]. Konsequenz für Klinik und Praxis ▶▶ Chronische Oberbauchschmerzen (> 3 Monate)

bedürfen einer Abklärung. ▶▶ Somatische Schmerzen müssen von viszeralen

Schmerzen abgegrenzt werden. ▶▶ Die Basisdiagnostik viszeraler Schmerzen umfasst Labor, Sonografie und ÖsophagoGastro-Duodenoskopie. ▶▶ Die weiterführende systematische Diagnostik berücksichtigt häufige, oftmals übersehene oder fehlinterpretierte und in Einzelfällen seltene organische Ursachen. ▶▶ Chronische Pankreatitis, biliäre Mikrolithiasis und chronisch mesenteriale Ischämie sind wichtige Ursachen, nach denen gezielt gesucht werden muss.

Literatur 1 Heading RC. Prevalence of upper gastrointestinal symptoms in the general population: a systematic review. Scand J Gastroenterol 1999; 231 (Suppl): 3–8 2 Constanza CD, Longstreth GF, Liu AL. Chronic abdominal wall pain: clinical features, health care costs, and long-term outcome. Clin Gastroenterol Hepatol 2004; 2: 395–399 3 Srinivasan R, Greenbaum DS. Chronic abdominal wall pain: a frequently overlooked problem. Practical approach to diagnosis and management. Am J ­Gastroenterol 2002; 97: 824–830 4 Nazareno J, Ponich T, Gregor J. Long-term follow-up of trigger point injections for abdominal wall pain. Can J Gastroenterol 2005; 19: 561–565 5 Scott EM, Scott BB. Painful rib syndrome – a review of 76 cases. Gut 1993; 34: 1006–1008 6 Meuwly JY, Wicky S, Schnyder P, Lepori D. Slipping rib syndrome: a place for sonografy in the diagnosis of a frequently overlooked cause of abdominal or lower thoracic pain. J Ultrasound Med Mar 2002; 21: 339–343 7 Sonnenberg A. Time trends of ulcer mortality in Europe. Gastroenterology 2007; 132: 2320–2327 8 Fischbach W, Malfertheiner P, Hoffmann JC et al. S3-Leitlinie „Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit“ der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie, Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung e. V. und der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie – AWMFRegister-Nr. 021/001. Z Gastroenterol 2009; 47: 1230–1263 9 Malfertheiner P, Megraud F, O’Morain CA et al. Management of Helicobacter pylori infection – the Maastricht IV / Florence Consensus Report. Gut 2012; 61: 646–664 10 Malfertheiner P, Chan FK, McColl KE. Peptic ulcer disease. Lancet 2009; 374: 1449–1461 11 Moayyedi P. Helicobacter pylori eradication for functional dyspepsia: what are we treating? Comment on “Helicobacter pylori eradication in functional dyspepsia”. Arch Intern Med 2011; 171: 1936–1937 12 Lammert F, Neubrand MW, Bittner R et al. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten und der Deutschen Gesellschaft für Viszeralchirurgie zur Diagnostik und Therapie von Gallensteinen. Z Gastroenterol 2007; 45: 971–1001 13 Gutt CN, Encke J, Köninger J et al. Acute cholecystitis: early versus delayed cholecystectomy, a multicenter randomized trial (ACDC study, NCT00447304). Ann Surg 2013; 258: 385–393 14 Hoffmeister A, Mayerle J, Beglinger C et al. S3-Leitlinie Chronische Pankreatitis: Definition, Ätiologie, Diagnostik, konservative, interventionell endoskopische und operative Therapie der chronischen Pankreatitis. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungsund Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Z Gastroenterol 2012; 50: 1176–1224 15 Kahl S, Glasbrenner B, Leodolter A et al. EUS in the diagnosis of early chronic pancreatitis: a prospective follow-up study. Gastrointest Endosc 2002; 55: 507–511 16 Pungpapong S, Wallace MB, Woodward TA et al. Accuracy of endoscopic ultrasonografy and magnetic resonance cholangiopancreaticografy for the diagnosis of chronic pancreatitis: a prospective comparison study. J Clin Gastroenterol 2007; 41: 88–93 17 Song HJ, Choi KD, Jung HY et al. Endoscopic reflux esophagitis in patients with upper abdominal pain-predominant dyspepsia. J Gastroenterol Hepatol 2007; 22: 2217–2221

Vollständiges Literaturverzeichnis unter http://dx.doi.org/10.1055/s-0041-101711

Prof. Dr. med. Joachim Labenz ist Chefarzt der Medizinischen Klinik des Jung-Stilling-Krankenhauses und Medizinischer Direktor des Diakonie Klinikums in Siegen [email protected]

Christian Labenz ist Student der Medizin und Doktorand, Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsklinikum Essen [email protected]

Prof. Dr. med. Dr. rer. biol. hum. Manfred Gross ist Chefarzt und Ärztlicher Direktor der Internistischen Klinik Dr. Müller, München [email protected]

Interessenkonflikt J. L. und C. L. geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. M. G. gibt an, dass er Honorare der Firmen Norgine GmbH, Falkfoundation, Daiichi-Sankyo, AstraZeneca und Pfizer erhalten hat.

DOI 10.1055/s-0041-101711 Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 723–727 © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-0472

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stimmung der D-Dimere als Ausschlussdiagnostik verwendet werden [24]. Der diagnostische Stellenwert bei der chronisch mesenterialen Ischämie ist unklar. Die Gefäßstenosen können farbduplexsonografisch sowie mit nicht invasiver Angiografie (CT, MR) dargestellt werden. Gelegentlich sieht man auch endoskopisch ischämische Läsionen im Verdauungstrakt. Es ist falsch, dass zwei der drei viszeralen Hauptarterien betroffen sein müssen, damit klinische Probleme entstehen [23]. Auf der anderen Seite sind asymptomatische Gefäßstenosen bei Patienten über 65 Jahre durchaus häufig [23]. Die Therapie erfolgt, falls technisch möglich, durch endovaskuläre oder operative Gefäßrekonstruktion.

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Dossier 23 Mensink PB, Moons LM, Kuipers EJ. Chronic gastrointestinal ischaemia: shifting paradigms. Gut 2011; 60: 722–737. 24 Block T, Nilsson TK, Björck M, Acosta S. Diagnostic accuracy of plasma biomarkers for intestinal ischaemia. Scand J Clin Lab Invest 2007; 67: 1–9. 25 Bork K, Meng G, Staubach P. Hereditary angiooedema: new findings concerning symptoms, affected organs, and course. Am J Med 2006; 119: 267–274. 26 Zuraw BL. Clinical practice. Hereditary angioedema. N Engl J Med 2008; 359: 1027–1036. 27 Byrne TJ, Douglas DD, Landis ME, Heppell JP. Isolated visceral angioedema: an underdiagnosed complication of ACE inhibitors? Mayo Clin Proc 2000; 75: 1201–1204. 28 Spahn TW, Grosse-Thie W, Mueller MK. Endoscopic visualization of angiotensin-converting enzyme inhibitor induced small bowel angioedema as a cause of relapsing abdominal pain using double-balloon enteroscopy. Dig Dis Sci 2008; 53: 1257–1260.

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18 Vakil N, van Zanten SV, Kahrilas Pet al? Global Consensus Group. The Montreal definition and classification of gastroesophageal reflux disease: a global evidence-based consensus. Am J Gastroenterol 2006; 101: 1900–1920 19 Labenz J, Armstrong D, Lauritsen K et al. A randomized comparative study of esomeprazole 40 mg versus pantoprazole 40 mg for healing erosive oesophagitis: the EXPO study. Aliment Pharmacol Ther 2005; 21: 739–746 20 Bytzer P, Jones R, Vakil N et al. Limited ability of the proton-pump inhibitor test to identify patients with gastroesophageal reflux disease. Clin Gastroenterol Hepatol 2012; 10: 1360–1366 21 Surlin V, Saftoiu A, Dumitrescu D. Imaging tests for accurate diagnosis of acute biliary pancreatitis. World J Gastroenterol 2014; 20: 16544–16549 22 Riley TR, Koch K. Characteristics of upper abdominal pain in those with chronic liver disease. Dig Dis Sci 2003; 48: 1914–1918.

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[Chronic abdominal pain: these diseases can be the cause].

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