Leitthema Med Klin Intensivmed Notfmed 2014 · 109:495–503 DOI 10.1007/s00063-013-0342-z Eingegangen: 28. Juli 2014 Angenommen: 1. September 2014 Online publiziert: 16. Oktober 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

M. Christ1 · H. Dormann2 · R. Enk2 · S. Popp1 · K. Singler3 · C. Müller4 · H. Mang5 1 Klinik für Notfall- und Internistische Intensivmedizin,

Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Klinikum Nürnberg 2 Zentrale Notaufnahme, Klinikum Fürth 3 Klinik für Geriatrie, Klinikum Nürnberg 4 Departement Kardiologie, Universitätsspital Basel 5 Masterstudiengang Medical Process Management,

Redaktion

A. Kaltwasser, Reutlingen C. Dodt, München

Das Risiko, bei Vorliegen eines akuten Myokardinfarktes zu versterben, ist vom Ausmaß der Infarktgröße abhängig und mit einer Krankenhaussterblichkeit von bis zu 60% assoziiert [1, 2]. Die optimale Versorgung von Patienten mit akutem Myokardinfarkt ist komplex (. Abb. 1) und benötigt spezielle Ressourcen, die wiederum mit hohen Kosten für das Gesundheitssystem verbunden sind. Die technologischen Fortschritte haben zusammen mit einer Verbesserung der medikamentösen nichtinvasiven Therapiestrategien in den letzten Jahren dazu beigetragen, die Versorgung von Patienten mit akutem Myokardinfarkt nachhaltig zu verbessern und die Mortalität signifikant zu reduzieren [3].

Hintergrund Etwa 6% der Patienten, die sich in den Notaufnahmen des Klinikum Nürnberg vorstellen, weisen akute Thoraxschmerzen (Chest Pain) als Leitsymptom auf [4]. Dieses Leitsymptom ist mit schwerwiegenden Erkrankungen, wie Spannungspneumothorax, Lungenarterienembolie, akutem Aortensyndrom oder einem akuten Koronarsyndrom (ACS; ST-HebungsInfarkt, Nicht-ST-Hebungs-Infarkt, instabile Angina pectoris), aber auch mit relativ benignen Erkrankungen assoziiert [4]). Ähnliche Ergebnisse zeigen aktuelle­

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Chest Pain Units oder Chest-Pain-Algorithmus? Analysen der Zentralen Notaufnahme, Klinikum Fürth: Etwa 4,6% der 45.889 Notfallpatienten weisen das Leitsymptom akuter Thoraxschmerz auf. Bei 303 Patienten (0,6%) wird die Diagnose eines akuten Myokardinfarkts gestellt (nicht publizierte­ Daten, Klinikum Fürth, . Abb. 2). In den USA wird geschätzt, dass sich die direkten­Kosten für akute kardiovaskuläre Erkrankungen bis zum Jahr 2030 verdreifachen und dann etwa 800 Mrd. US-Dollars betragen [5]. Ähnliche Steigerungsraten sind ebenfalls in Europa und Deutschland zu erwarten. Seit Jahren ist bekannt, dass die konsequente Anwendung der Verfahren zur invasiven koronaren Reperfusion die Sterblichkeit und Morbidität von Patienten mit akutem ST-Hebungs-Infarkt, einer speziellen Form des akuten Myokardinfarkts, signifikant reduziert [6]. Trotz dieses­ Wissens und der flächendeckenden Vorhaltung der benötigten Ressourcen erhalten betroffene Patienten häufig nicht die optimale Therapie: Etwa 30% der Patienten mit einem ST-HebungsMyokardinfarkt (STEMI) erhalten keine­ Reperfusionstherapie, obwohl sie in medizinischer Betreuung sind und diese indiziert wäre [7]. Die Fehleinschätzung dieser zeitkritischen Hochrisikosituation und eine mangelnde Abstimmung von Logistik und Organisation können deshalb dazu führen, dass Patienten nicht die indizierte­ Therapie innerhalb des gewünschten

Zeitfensters erhalten [6]. Paradoxerweise­ werden Interventionen überproportional häufig bei Patienten mit niedrigerem Risiko durchgeführt, während Patienten mit hohem Risiko, die einen größeren Nutzen aus einer zeitnahen Reperfusion ziehen würden, nicht die empfohlene Therapie erhalten [8]. Fehldiagnosen und fehlerhafte bzw. unterlassene Handlungen sind mit einer signifikanten Morbidität und Sterblichkeit von Patienten mit akutem Myokardinfarkt assoziiert [9].

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Patienten mit Myokardinfarkt erhalten oft nicht die optimale Therapie Es besteht somit eine Diskrepanz zwischen den aktuellen Empfehlungen für die optimale Versorgung von Patienten mit akutem Myokardinfarkt und der klinischen Versorgungsrealität. Dies betrifft jedoch nicht nur die pressewirksame Darstellung der Unterversorgung von betroffenen Patienten, wie oben dargestellt, sondern auch deren Überversorgung [10]: Aufgrund mangelnder Leitlinienkonformität, ausdrücklichem Wunsch von Patienten und Ängsten von Ärzten vor „Every system is perfectly designed to get the results it gets. We must change systems to improve performance“. Donald Berwick, ehemaliger Präsident des Institute for Health Care Improvement, USA.

Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 7 · 2014 

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Leitthema Akute Symptome einer myokardialen Ischämie (Thoraxschmerzen, Dyspnoe, Verwirrtheit etc.) Umgehend (

[Chest pain units or chest pain algorithm?].

A large number of patients present to the emergency department (ED) for evaluation of acute chest pain. About 10-15% are caused by acute myocardial in...
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