Klinischer Fortschritt | Geriatrie

Herausforderungen beim älteren Rheumapatienten

Autor Werner-Johannes Mayet Institut Nordwest-Krankenhaus Sanderbusch Bibliografie DOI https://doi.org/10.1055/s-0043-101470 Dtsch Med Wochenschr 2017; 142: 1496–1500 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0012-0472 WA S I ST N E U?

Der alte Rheumapatient Eine adäquate Versorgung von alten Rheumapatienten sollte multimodal, interdisziplinär und patientenorientiert erfolgen. Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) ist die kardiovaskuläre Mortalität im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung 5fach erhöht. Geriatrische Patienten können als Folge des Abbaus fettfreier Körpermasse eine „rheumatoide Kachexie“ erleiden. Ein Body-Mass-Index von unter 20 kg/m2 hat sich dabei als kritisch erwiesen.

Besonderheiten rheumatischer Erkrankungen im Alter Die „late onset rheumatoid arthritis“ (LORA) in höherem

Lebensalter (> 60) manifestiert sich häufiger mit einem oligoartikulären Muster mit Bevorzugung größerer Gelenke. Die Therapie der LORA hat sich entscheidend gewandelt: Die Langzeittherapie mit Glukokortikoiden wurde durch eine altersadaptierte Basistherapie verdrängt. In über 90 % der Fälle sind Patienten mit Polymyalgia rheumatica (PMR) älter als 60 Jahre. Sonografisch nachweisbare Bursitiden werden mittlerweile als wichtigste Ursache angenommen. Prednisolon ist zwar weiter der Goldstandard der Therapie der PMR, aber initiale Dosen < 7,5 oder > 30 mg/Tag gelten nun als obsolet. Durch den Einsatz der hochauflösenden Farbdopplersonografie kann bei der Riesenzellarteriitis mittlerweile fast die Aussagekraft einer Biopsie der A. temporalis erreicht werden. Rheumatherapie im Alter Als wichtige Ursache einer gesteigerten Toxizität pharmakologischer Wirkstoffe im Alter gilt mittlerweile ein Abfall der Eiweißbindungskapazität. Bei älteren Rheumapatienten wird dieser durch einen Albuminmangel bedingt. Die früher häufig praktizierte „Low-dose“Glukokortikoidtherapie der RA Älterer wird nicht mehr empfohlen. Die Kombination mehrerer Basistherapeutika ist bei älteren Rheumapatienten risikoreich, sodass der Übergang auf Biologika oft der sicherere Weg ist.

„Frailty“ und Sarkopenie

Einleitung In der Altersklasse > 75 Jahren sind ca. 35 % von beeinträchtigenden Einschränkungen des Bewegungsapparates betroffen [1]. Einen bedeutenden Anteil an den altersbedingten muskuloskelettalen Symptomen haben allerdings entzündlich-rheumatische Erkrankungen. Deren Frühdiagnose wird häufig durch altersbedingte unspezifische Krankheitssymptome verzögert. Die sog. Gerontorheumatologie beschäftigt sich mit der besonderen Situation der Rheumapatienten in höherem Lebensalter. Dabei finden neben dem klinischen Verlauf auch speziell notwendige Therapieprinzipien Beachtung [2].

Der alte Rheumapatient Immunoseneszenz Eine für rheumatologische Erkrankungen relevante Folge des Alterns des Immunsystems ist eine ständig gesteigerte systemische entzündliche Aktivität [3].

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Ein möglicher Grund für eine vermehrte Gangunsicherheit mit erhöhter Sturzgefahr ist die sog. Sarkopenie. Kriterien dafür sind geringe Muskelkraft und Muskelmasse sowie ein Abbau der körperlichen Leistungsfähigkeit [4].

Interdisziplinäre Versorgung Die adäquate Versorgung von alten Patienten mit Multimorbidität muss interdisziplinär, multimodal und vor allem patientenorientiert erfolgen [5]. Beispielhaft seien hier kardiovaskuläre Erkrankungen, Schilddrüsenfunktionsstörungen oder der Diabetes mellitus genannt. Bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zählen kardiovaskuläre Komorbiditäten zu den häufigsten Todesursachen. Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis leiden häufiger an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und es liegt eine bis zu 5fach erhöhte kardiovaskuläre Mortalität im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung vor [6]. Besonders zu beachten sind ischämische Herzerkrankungen, periphere vaskuläre Erkrankungen, zerebrovaskuläre Erkrankungen und die Arteriosklerose.

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Challenges in Older Patients with Rheumatoid Arthritis

Von Healy et al. wurden 3 Unterformen der LORA vorgeschlagen [9]: ▪ Typ 1: Ähnlich der EORA, möglicherweise Rheumafaktor-positiv; Verlauf mit Rheumaknoten und Erosionen. ▪ Typ 2: Ähnlich dem primären Sjögren Syndrom mit Sicca-Symptomatik und indolenter Synovialitis. ▪ Typ 3: Ähnlich der Polymyalgia rheumatica verlaufend mit ausgeprägter Morgensteifigkeit, deutlich erhöhter BSG und nicht erosivem Verlauf.

Malnutrition

Im Jahre 1985 beschrieben McCarty et al. eine weitere Unterform mit charakteristischer rekurrierender symmetrischer seronegativer Synovialitis und teigig-ödematösen Schwellungen der Handrücken (Tenosynovialitiden). Diese wird auch als RS3PE-Syndrom bezeichnet [10]. Bei deutlich erhöhten Entzündungsparametern ist auch im akuten Stadium die sonstige rheumatologische Serologie negativ.

Geriatrische Patienten mit rheumatoider Arthritis leiden oft an einem krankheitsbedingten Gewichtsverlust, Unterernährung, sowie einem Mangel an spezifischen Nährstoffen und Eiweiß. Der Abbau fettfreier Körpermasse kann in die „rheumatoide Kachexie“ münden [8]. Klinische Relevanz In der Gerontorheumatologie müssen die Immunoseneszenz, das Frailty-Syndrom und die Sarkopenie beachtet werden. Die meist multimorbiden Patienten erfordern eine interdisziplinäre multimodale Behandlung. Infolge des krankheitsbedingten Gewichtsverlustes muss außerdem ein Augenmerk auf die Malnutrition gelegt werden.

Besonderheiten rheumatischer Erkrankungen im Alter Rheumatoide Arthritis mit Erstmanifestation in höherem Lebensalter Die rheumatoide Arthritis in höherem Lebensalter (> 60) („late onset rheumatoid arthritis“, LORA) bietet gegenüber der rheumatoiden Arthritis jüngerer („early onset rheumatoid arthritis“, EORA) einige Besonderheiten. Diese betreffen sowohl Verlauf als auch die Erstmanifestation [2].

LO R A -B ES O ND E R HE IT EN ▪ hohe humorale Entzündungsparameter ▪ oft akute Krankheitssymptome ▪ häufiger größere Extremitätengelenke betroffen ▪ Begleitmyalgien häufig ▪ Verhältnis Männer/Frauen 1,6:1 ▪ häufiger seronegativ ▪ oft stark exsudative Synovialitis

Besonders als unterschiedlich zur rheumatoiden Arthritis in jüngerem Lebensalter sind zu erwähnen: häufige Beteiligung der größeren Gelenke (Handgelenke, Schultergelenke, Kniegelenke) mit oligoartikulärem Muster und ein Verhältnis von Männern und Frauen von 1,6:1,0 [2].

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Zum Management dieser Komorbiditäten liegen aktuelle Empfehlungen der European League Against Rheumatism (EULAR) vor [7]. Ein niedriger Body-Mass-Index (BMI) sowie eine Kachexie bei Patienten mit rheumatoider Arthritis bedingen eine 3fache Risikoerhöhung für kardiovaskuläre Ereignisse. Im Stadium der Sarkopenie ist dieser Effekt noch deutlicher. Eine suffiziente Versorgung des älteren Rheumapatienten hat die Berücksichtigung der Polypharmazie, psychosozialer Aspekte und der Compliance zur Voraussetzung.

Generell hat die LORA keine bessere Prognose als die EORA. Bis zu 16 % der LORA-Patienten leiden initial unter Myalgien, hier ist die differenzialdiagnostische Abgrenzung zur Polymyalgia rheumatica notwendig. Die Therapie der LORA hat sich im Verlauf der Jahre entscheidend gewandelt. Die an das Alter adaptierte Basistherapie hat sich als effektiver erwiesen und die Langzeitmonotherapie mit Glukokortikosteroiden verdrängt. Diese führt neben den bekannten Nebenwirkungen wie Katarakt, Osteoporose und diabetischer Stoffwechsellage besonders auch zu einer gesteigerten Infektanfälligkeit. Für die klassischen Basistherapeutika zur Therapie der LORA ist zu beachten: ▪ Methotrexat (MTX)dosis 5 – 7,5 mg/Woche (Höchstdosis 10 mg/Woche). ▪ Bei Sulfasalazin langsamere Dosissteigerung als bei EORA. ▪ Leflunomiddosis zu Therapiebeginn höchstens 10 mg/Tag. ▪ Je nach Verträglichkeit langsame Dosissteigerungen möglich. ▪ Der Einsatz von Biologika ist auch bei LORA-Patienten möglich. Generell erfordert der Einsatz konventioneller Basistherapeutika und Biologika im Alter einige Vorsichtsmaßnahmen (s. u.).

Polymyalgia rheumatica (PMR) und Riesenzellarteriitis In 90 % der PMR-Fälle sind die Patienten > 60 Jahre. Bei > 50-Jährigen liegt die Inzidenz bei 50/10 000. Meist präsentiert sich die PMR als schweres Krankheitsbild mit aku-

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Klinisch stehen proximale Myalgien des Schulter- und Beckengürtels im Vordergrund und als Zeichen einer entzündlichen Gefäßerkrankung kann eine B-Symptomatik auftreten. Ursächlich werden sonografisch nachweisbare Bursitiden angenommen. Die Basis-Labordiagnostik sollte BSG, CRP, Leberfunktionsteste, Glukose, Kreatinin, ANA, ANCA und Knochenumsatzmarker umfassen. Außer einer Erhöhung der Entzündungsparameter BKS und CRP ist die Immunserologie bei der PMR meist negativ (also keine Anti-CCP-Antikörper, Rheumafaktoren, ANA, ANCA). Als weitere diagnostische Maßnahmen werden das Röntgen des Thorax und eine Sonografie des Abdomens empfohlen. [11].

K L A S S I F I K AT I O N D E R P O LY M YA LG I A R H E U MATIC A Empfehlungen der Britischen Gesellschaft für Rheumatologie [11] Einschlusskriterien ▪ Alter > 50 Jahre ▪ akuter Krankheitsbeginn ▪ Symptomendauer > 2 Wochen ▪ Schmerzen im Schulter- und/oder Beckengürtel ▪ Morgensteife > 45 Minuten ▪ erhöhte serologische Entzündungsparameter

Die empfohlene Labordiagnostik der RZA ist identisch mit der Labordiagnostik der PMR. Bei der RZA kann mithilfe der hochauflösenden Farbdopplersonografie ein „HaloPhänomen“ dargestellt werden. Je nach Untersuchererfahrung ist eine Sensitivität von bis zu 90 % zu erreichen. Damit wird fast die Aussagekraft der Biopsie der A. temporalis erreicht, die als der diagnostische Goldstandard gilt. Die beste bildgebende Diagnostik der RZA ist die aus Kostengründen leider nur begrenzt zur Verfügung stehende Positronenemissionstomografie (PET-CT). Differenzialdiagnostisch müssen sowohl bei der PMR als auch der RZA paraneoplastische Syndrome ausgeschlossen werden (Lymphome, Karzinome, Myelodysplasien). Häufige Primärtumoren sind das Bronchialkarzinom und das Mammakarzinom. Der Goldstandard der Therapie ist orales Prednisolon, wobei über einen möglichst kurzen Zeitraum die jeweils niedrigste effektive Dosis angestrebt werden sollte. Die empfohlene Dosierung liegt anfangs zwischen 12,5 und 25 mg/Tag Prednisolon, sollte aber für jeden Patienten individuell angepasst werden. Die Gabe als tägliche Einzeldosis ist vorzuziehen. Initiale Dosen kleiner 7,5 oder größer 30 mg/Tag Prednisolon sind obsolet [7]. Im Falle einer Besserung der Klinik sollte versucht werden, innerhalb von 1 – 2 Monaten eine Prednisolondosis von 10 mg/Tag oral zu erreichen. Insbesondere bei Patienten mit einem erhöhten Risiko der Glukokortikosteroidmedikation sollte nicht zu lange mit der MTX-Komedikation gewartet werden (7,5 – 10 mg/Woche). Der Einsatz von Biologika wird nicht empfohlen.

Ausschlusskriterien ▪ Neoplasien ▪ Infektionen ▪ Riesenzellarteriitis oder andere entzündlich rheumatische Erkrankungen ▪ Myalgien anderer Genese (z. B. medikamenteninduziert) ▪ Neurologische oder endokrinologische Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen

Diffuse Handrückenödeme („pitting edema“) und ein Karpaltunnelsyndrom können zusätzliche Symptome sein [12]. Das klinische Bild einer PMR findet sich auch bei bis zu 60 % der Patienten mit einer Riesenzellarteriitis. Bis zu 21 % der PMR-Patienten entwickeln eine Arteriitis temporalis, die die kraniale Verlaufsform der Riesenzellarteriitis darstellt [13]. Die Großgefäßvaskulitis vom Typ der Riesenzellarteriitis (RZA)/Arteriitis temporalis ist die häufigste Vaskulitis älterer Menschen. Mit zunehmendem Lebensalter steigt die Inzidenz (bei 80-Jährigen ca. 790 Neuerkrankungen pro 1 Mio. pro Jahr) [14]. Trotz der häufigen Manifestation der RZA als Arteriitis temporalis ist zu beachten,

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dass die RZA oft nicht nur auf die Schläfenarterien beschränkt ist: Es ist mit der Beteiligung anderer arterieller Gefäße (Aorta, A. subclavia, A.mesenterica, A. iliaca) zu rechnen. Bei bis zu 33 % sind ausschließlich diese Gefäßabschnitte betroffen [2].

Ein protrahiertes Ansprechen auf die initiale Therapie mit Glukokortikosteroiden ist möglicherweise ein Indiz auf das Vorliegen einer RZA. Diese muss meist mit höheren Dosen Glukokortikosteroiden (1 mg/kg Körpergewicht) über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden. Bei ischämischen Komplikationen wie Sehstörungen wird initial Methylprednisolon intravenös mit 500 – 1000 mg für 3 Tage eingesetzt. Oft müssen zusätzlich MTX, Azathioprin oder sogar Cyclophosphamid eingesetzt werden.

Chondrokalzinose Die Prävalenz der Kalzium-Pyrophosphat-DihydratArthropathie (Chondrokalzinose) nimmt von 6 % bei 60 – 70-Jährigen auf 30 – 40 % bei 80-Jährigen zu. Die auch als Pseudogicht bezeichnete Erkrankung manifestiert sich bei Jüngeren meist als monartikuläre akute Arthritis, bei Älteren eher als akute Oligo- bzw. Polyarthritis. Die prägnante entzündliche Aktivität (Schwellung, Rö-

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tem Beginn. Nahezu alle Aktivitäten des täglichen Lebens können bis zur Hilfsbedürftigkeit schwer beeinträchtigt sein.

Kollagenosen Im fortgeschrittenen Alter kommen die Polymyositis und die Dermatomyositis häufiger vor. Letztere ist zudem oft mit einem Malignom assoziiert. Das Sjögren-Syndrom ist die häufigste Kollagenose im Alter. Neben der charakteristischen Sicca-Symptomatik klagen die Patienten auch über allgemeine Symptome wie Müdigkeit und Antriebslosigkeit. Arthritiden leichterer Ausprägung und ein Raynaud-Phänomen beeinträchtigen Ältere signifikant [2]. Klinische Relevanz Für den Einsatz der klassischen Basistherapeutika der LORA sind MTX-Dosen von 5 – 7,5 mg/Woche (höchstens 10 mg/Woche), Leflunomiddosis zu Therapiebeginn höchstens 10 mg/d und die Möglichkeit von Biologica auch bei LORA-Patienten zu beachten. Ein protrahiertes Ansprechen auf die initiale Therapie der PMR ist ein Indiz auf das Vorliegen einer RZA oder eines paraneoplastischen Geschehens.

Veränderte Pharmakokinetik und Multimedikation im Alter Bei der Therapie älterer Rheumapatienten sind einige allgemeine Besonderheiten zu beachten. Die veränderte Pharmakokinetik wird durch unterschiedliche Parameter bestimmt [15]. Multimorbidität, Frailty und Sarkopenie wurden schon angesprochen (s. o.).

Im Alter ist häufig ein Albuminmangel mit nachfolgendem Abfall der Eiweißbindungskapazität festzustellen. Pharmakologische Wirkstoffe können so in erhöhter freier Konzentration vorliegen. Als Folge ist mit einer gestiegenen Toxizität zu rechnen [15]. Ein zentrales Problem ist die Einschränkung der Nierenfunktion mit der Folge einer Kumulation renal eliminierbarer Substanzen. Hier wäre besonders Methotrexat zu erwähnen. Um diese Gefahr bei älteren Rheumapatienten zu bannen, reicht allerdings die alleinige Bestimmung des Serum-Kreatinins nicht aus. Die Ermittlung der errechneten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) ist erforderlich [16]. Eine weitere Schwierigkeit ist die Multimedikation im Alter. Allgemein ist die Verordnung von mehr als 5 Medikamenten gleichzeitig als problematisch anzusehen. Nachfolgend noch einige kurze Anmerkungen zu den wichtigsten bei älteren Rheumapatienten eingesetzten Substanzen (Übersicht bei [15]).

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tung, Schmerz) wird durch die Freisetzung von Kalziumpyrophosphatkristallen im Gelenk erklärt. Differenzialdiagnostisch sind besonders die Gicht und die LORA abzugrenzen. Sind diese ausgeschlossen und lässt sich im Gelenk kein Erreger nachweisen ist das rasche Ansprechen auf höhere Glukokortikoiddosen ein Hinweis auf die Pseudogicht. Der Nachweis von Kalziumpyrophosphatkristallen im Gelenkpunktat gelingt häufig nicht, jedoch ist die Kristalleinlagerung im Gelenkknorpel oft radiologisch darstellbar.

Glukokortikosteroide Diese Substanzgruppe ist auch bei älteren Patienten wirksam und mit im Vergleich relativ niedrigem Nebenwirkungspotenzial einzusetzen. Interaktionen oder eine eingeschränkte Nierenfunktion sind weniger kritisch. Problematisch ist die Gefahr schwerer Infektionen bei längerem Einsatz. Da das Risiko selbst bei niedrigeren Dosen deutlich erhöht ist, wird mittlerweile die früher praktizierte „Low-dose“-Glukokortikoidtherapie bei der rheumatoiden Arthritis Älterer nicht mehr empfohlen [17]. Lässt sich ein längerer Einsatz nicht verhindern, sollten eine Osteoporoseprophylaxe und regelmäßige augenärztliche Kontrollen (Glaukom, Katarakt) Standard sein.

Methotrexat (MTX) Bei fehlenden Kontraindikationen und erhaltener Nierenfunktion ist MTX auch beim älteren Rheumapatienten Mittel der ersten Wahl zur Therapie der rheumatoiden Arthritis. Im Vergleich zu jüngeren Patienten ist die Abbruchrate bei gleicher Wirksamkeit erhöht.

HI NTERGRU ND

TIPP FÜR DIE PR AXIS

Besonderheiten der medikamentösen Therapie im höheren Alter unter Sicherheitsaspekten ▪ physiologische die Pharmakokinetik betreffende Veränderungen: – veränderte Verteilung und Absorption – eingeschränkte Elimination infolge von Niereninsuffizienz – reduzierter hepatischer Metabolismus ▪ Multimorbidität und Multimedikation ▪ beeinträchtigte Therapieadhärenz bzw. Dosierungsfehler ▪ Unterrepräsentation der Altersgruppe in klinischen Studien

Empfehlungen zum MTX-Einsatz bei älteren Patienten [15] ▪ Kontraindikationen strikt beachten (z. B. Nierenfunktionseinschränkungen) ▪ bei leichter Einschränkung der Nierenfunktion (GFR 45 – 60) Dosisreduktion ▪ vorsichtige Dosierung („start low, go slow“) 7,5 – 10 mg/Woche ▪ obligate Folsäure-Substitution ▪ bei fehlender Sicherheit parenterale Gabe vorziehen

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Literatur

Als Alternative zu MTX ist Leflunomid bei weitgehender Unabhängigkeit von der Nierenfunktion gut einsetzbar. Im Alter sind besonders die sonst bekannten Nebenwirkungen wie Entwicklung eines Hypertonus oder Exsikkose durch Diarrhö zu beachten. Eine Kombinationstherapie von MTX mit Leflunomid hat allerdings im Alter eine erhöhte Rate hämatologischer Komplikationen wie die Panzytopenie zur Folge [18]. Generell stellt die Kombination mehrerer Basismedikamente bei älteren Rheumapatienten ein deutlich erhöhtes Risiko dar, sodass der Übergang auf Biologika oft der sicherere Weg ist.

[4] Cruz-Jenoft A, Baeyens JP, Bauer JM. European working group on sarcopenia in people. Sarcopenia: European consensus on definition and diagnosis. Age Ageing 2010; 39: 412 – 423

Biologika

[5] Wollenhaupt J, Zink A. Rheuma im höheren Lebensalter. Z Rheumatol 2014; 73: 215 – 216

Bei zu Jüngeren vergleichbarer Wirksamkeit ist bei älteren Rheumapatienten eine leicht höhere Infektionsrate unter TNF-alpha-Blocker-Therapie festzustellen [19]. Generell ist auch der Einsatz von Abatacept, Tozilizumab, Rituximab u. a. als effektiv und sicher zu bewerten [20]. Besonders bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion bieten sich Biologika an. Klinische Relevanz Die altersbedingte Einschränkung der Nierenfunktion mit der Folge der Kumulation renal eliminierbarer Substanzen ist ein zentrales Problem. Oft ist unter diesem Gesichtspunkt der Übergang auf eine Biologika-Therapie sicherer als die Kombination mehrerer klassischer Basistherapeutika.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

[6] Maradit-Kremers H, Nicola PJ, Crowsons CS. Cardiovascular death in rheumatoid arthritis; a population-based study. Arthritis Rheum 2005; 52: 722 – 732 [7] Agca R, Heslinga SC, Rollefstad S. EULAR recommendations for cardiovascular disease risk management in patients with rheumatoid arthritis and other forms of inflammatory joint disorders: 2015/2016 update. Ann Rheum Dis 2017; 76: 17 – 28 [8] Lakomek H, Brabant T, Lakomek M et al. Multimorbidität bei älteren Rheumapatienten Teil 1. Z Rheumatol 2013; 6: 530 – 538 [9] Healy L. Subsets of rheumatoid arthritis in the aged. Arthritis Rheum 1986; 29: 149 [10] McCartey D, O´Duffy JD, Pearson L. Remitting seronegative symmetrical synovitis with pitting edema. JAMA 1985; 254: 2763 – 2767 [11] Dasgupta B, Borg FA, Hassan N. BSR and BHPR guidelines for the management of giant cell arthritis. Rheumatol 2010; 49: 186 – 190

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Prof. Dr. med. Werner-Johannes Mayet ist Rheumatologe, Gastroenterologe, Vorsitzender Rheumanetz Weser-Ems e.V., Sprecher der Arbeitsgemeinschaft „Geriatrische Gastroenterologie“ der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten sowie Ärztlicher Direktor und Leiter des Zentrums für Innere Medizin am NordwestKrankenhaus Sanderbusch. [email protected]

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Über die Autoren

Prof. Dr. W.-J. Mayet Ärztlicher Direktor, Leiter des Zentrums für Innere Medizin Nordwest-Krankenhaus Sanderbusch gGmbH Am Gut Sanderbusch 1 D-26452 Sande [email protected]

[2] Wollenhaupt J. Gerontorheumatologie. Z Rheumatol 2009; 68: 397 – 404

[12] Märker-Hermann E, Schmidt WA. Polymyalgia rheumatica. Dtsch med Wschr 134: 135 – 142

Interessenkonflikt

Korrespondenzadresse

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Leflunomid

[Challenges in Older Patients with Rheumatoid Arthritis].

Der alte Rheumapatient Eine adäquate Versorgung von alten Rheumapatienten sollte multimodal, interdisziplinär und patientenorientiert erfolgen. Bei Pa...
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