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Hirninfarkt im hinteren Stromgebiet bei aktiver Riesenzellarteriitis – schnelle und definitive Diagnose durch CTA

Einleitung !

Zerebrale Ischämien gehören mit einer Häufigkeit von 7 % (Caselli RJ et al. Neurology 1988; 38: 352 – 359) zu den atypischen und seltenen Komplikationen einer floriden Riesenzellarteriitis (RZA). Wird die zu einer zerebralen Ischämie führende RZA nicht rechtzeitig erkannt, drohen in engem

zeitlichen Zusammenhang weitere Komplikationen bis hin zu lebensbedrohlichen Hirninfarkten und beidseitiger Erblindung, die durch eine rechtzeitige Steroidtherapie vermieden werden können. Die RZA ist eine systemische Vaskulitis der großen und mittelgroßen Arterien, die alle Schichten der Arterienwand befällt. Charakteristisch sind segmentale Stenosen, vor allem

Abb. 1 Bereits demarkierte beidseitige PICATeilinfarkte in der nativen kraniellen CT.

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Abb. 2 Abgangsnaher Verschluss der Aa. vertebrales (Pfeile in a). Langstreckig fehlende Kontrastierung, exemplarisch gezeigt in Höhe des 4. Halswirbels (Pfeile in b). Beide Gefäße werden erst im distalen V4-Segment wieder angefärbt (Pfeile in c). Die Karotisbifurkationen, die bds. geringe

arteriosklerotische Veränderungen aufweisen, sind mit Sternen markiert b. Auffällige Wandverdickung des Aortenbogens d und der supraaortalen Gefäßabgänge e in der CT-Angiografie (Pfeile).

Hittinger M et al. Hirninfarkt im hinteren … Fortschr Röntgenstr 2015; 187: 492–494 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1398957

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tisch gesicherter aktiver RZA wurde bei 27 Patienten eine Großgefäßvaskulitis festgestellt (Prieto-Gonzalez S et al. Ann Rheum Dis 2012; 71: 1170 – 1176).

Fallbeschreibung

Abb. 3 a, b Stenosierende Wandveränderungen der A. temporalis superficialis bds. (Pfeile). c, d Stenosierende Wandveränderungen der A. occipitalis externa rechts bei regelrecht kontrastierter A. occipitalis externa links (Pfeile).

der supraaortalen extraduralen großen und mittelgroßen Arterien (Wilkinson IM et al. Arch Neurol 1972; 27: 378 – 391) und aneurysmatische Erweiterungen, vor allem der thorakalen Aorta (Kermani TA et al. Ann Rheum Dis 2013; 72: 1989 – 1994). Die weitgehende Aussparung intraduraler Arterien wird mit der Verteilung dendritischer Zellen in der Arterienwand

in Zusammenhang gebracht (Weyand CM et al. N Engl J Med 2014; 371: 1653). CT und CTA spielen eine zentrale Rolle in der Notfalldiagnostik zerebrovaskulärer Erkrankungen. Wenn die RZA die großen Gefäße befällt, lassen sich durch die CTA typische Gefäßwandveränderungen und Stenosen darstellen. In einer prospektiven Untersuchung an 40 Patienten mit biop-

Ein 76-jähriger Patient mit bekannter arterieller Hypertonie und nicht insulinpflichtigem Diabetes mellitus wurde vom Notarzt nach einer Drehschwindelattacke mit anschließend „schwacher Stimme“ in die Notaufnahme unserer Klinik gebracht. Er berichtete über eine Gewichtsabnahme von 5 kg innerhalb der letzten 3 Wochen bei Appetitlosigkeit und nachts betonte Kopfschmerzen, rezidivierende Drehschwindelattacken sowie häufiges nächtliches Wasserlassen seit 3 Monaten. Der neurologische Untersuchungsbefund war regelrecht, das native CCT unauffällig. Das EKG zeigte ein Vorhofflattern. Im Labor fielen ein deutlich erhöhter CRP-Wert von 10 mg/dl (normal < 0,5 mg/dl), eine leichte Leuko- und Thrombozytose und eine hypochrom-mikrozytäre Anämie auf. Der Patient wurde zur weiteren Abklärung einer entzündlich/infektiösen oder neoplastischen Erkrankung in ein anderes Krankenhaus verlegt. Dort ergaben sich keine weiteren Anomalien, sodass der Patient schon nach wenigen Tagen entlassen wurde. Eine Woche später wurde er vom Notarzt mit einer neu aufgetretenen Hemiparese links, die sich im Verlauf zurückbildete, erneut in die Notaufnahme unserer Klinik eingeliefert. Er berichtete zusätzlich über vorübergehende Kauschmerzen vor 2 – 3 Wochen. Klinisch-neurologisch bestanden zum Untersuchungszeitpunkt eine Hypoglossusparese, ein Kulissenphänomen, eine leichte Pronation im Armhalteversuch (jeweils links) und eine Fallneigung nach links. Die A. temporalis superficialis (ATS) war bei der Palpation bds. induriert und pulslos, aber nicht druckschmerzhaft. Der CRP-Wert war unverändert erhöht, die BSG betrug 76 mm in der ersten Stunde (normal < 20 mm). Im EKG bestand weiterhin ein Vorhofflattern. Das native Kontroll-CCT zeigte lokal raumfordernde frische Infarkte im PICA-Versorgungsgebiet " Abb. 1a, b). Bei unter Thrombozybds. (● tenaggregationshemmung aufgetretener Hirnstammsymptomatik wurde eine höhergradige Stenose im hinteren Kreislauf vermutet und zur Abklärung des Gefäßstatus eine supraaortale CTA mit „Bolus tracking“ (Siemens Somatom 64; 32 × 0,6 mm Kollimation; 80 ml KM) durch-

Hittinger M et al. Hirninfarkt im hinteren … Fortschr Röntgenstr 2015; 187: 492–494 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1398957

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geführt. Die Aa. vertebrales (AaV) waren jeweils langstreckig bis zum distalen V4" Abb. 2a–c). Bei Segment verschlossen (● insgesamt nur geringen arteriosklerotischen Veränderungen war die rechte ACI im kavernösen Abschnitt mittelgradig eingeengt, die Wand des Aortenbogens und der supraaortalen Gefäßabgänge war ver" Abb. 2d, e). Die proximale ATS dickt (● wies bds. mehrere stenosierende Wandveränderungen auf und verdämmerte vor der Aufteilung in die Rr. frontales und parieta" Abb. 3a, b). Die A. occipitalis externa les (● war rechts proximal hochgradig stenosiert und distal verschlossen, links regelrecht " Abb. 3c, d). Eine Biopsie der kontrastiert (● rechten ATS bestätigte die Annahme einer floriden RZA.

Diskussion !

Die Falldarstellung belegt, dass atypische Manifestationen der RZA nicht selten zu langen Latenzen zwischen Erkrankungsbeginn und Diagnosestellung führen (Hassan N et al. BMJ 2011; 342: d3019). Oft wird die Diagnose erst nach Eintritt ischämischer Komplikationen gestellt. Ein Befall der großen Gefäße wurde in einer aktuellen Untersuchung an 40 Patienten (Prieto-Gonza-

lez S et al. Ann Rheum Dis 2012; 71: 1170 – 1176) in zwei Drittel der Fälle nachgewiesen. Bei den vorwiegend älteren Patienten mit einem Altersschwerpunkt in der 8. Lebensdekade liegen nicht selten mehrere Erkrankungen mit einem erhöhten Arteriosklerose- und Ischämierisiko vor. Zudem wird die Diagnosestellung oft durch unpräzise und lückenhafte Angaben der Patienten erschwert. Die Befunde der CTA zeigen ein für die RZA pathognomonisches Verteilungsmuster der entzündlichen Gefäßwandveränderungen (Befall der extraduralen hirnversorgenden Arterien und der A. carotis externa (ACE), Aussparung der intraduralen Arterien), das eine Abgrenzung von Arteriosklerose, Dissektion, fibromuskulärer Dysplasie und anderen seltenen Arteriopathien erlaubt. Die konzentrischen Wandverdickungen des Aortenbogens und der supraaortalen Gefäßabgänge sind nicht typisch für eine Aortendissektion. Differenzialdiagnostisch muss beim Vorliegen einer Aortitis neben infektiösen Ursachen wie Mesaortitis luica und Tbc an Autoimmunerkrankungen wie M. Behcet und bei Kindern an das Kawasaki-Syndrom gedacht werden. Bei diesen Erkrankungen ist aber eine Beteiligung der AaV oder der ACE ungewöhnlich.

Zusammenfassung/Fazit !

Bei bilateralen langstreckigen Okklusionen der extrakraniellen AaV sollte an eine aktive RZA gedacht werden und auf andere typische, mit der CTA erfassbare Anomalien der thorakalen Aorta und der supraaortalen Gefäße geachtet werden, auch wenn in der Fragestellung der Verdacht auf eine RZA nicht geäußert wird. Im vorliegenden Fall konnte die CTA nicht nur die klinische Diagnose einer RZA stützen, sondern mehrere typische Merkmale darstellen, die in der Zusammenschau eine Abgrenzung vor allem von der arteriosklerotischen Makroangiopathie erlaubt, die mit Verkalkungen an der Carotisbifurkation oder der proximalen AaV häufig als Nebenbefund anzutreffen ist. Typische CTA-Befunde erhalten auch deswegen ein besonderes Gewicht, weil bei der Großgefäßvariante der RZA die Biopsie der ATS in über 40 % der Fälle ein negatives Ergebnis liefert (Brack A et al. Arthritis Rheum 1999; 42: 311 – 317). M. Hittinger, A. Berlis, K. Pfadenhauer, Augsburg, Germany

Hittinger M et al. Hirninfarkt im hinteren … Fortschr Röntgenstr 2015; 187: 492–494 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1398957

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[Cerebral infarction in the posterior circulation region with active giant cell arteritis - rapid and definitive diagnosis by CTA].

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