Kurzbeiträge Nervenarzt 2015  DOI 10.1007/s00115-014-4253-x © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

N. Esfahani-Bayerl1 · H. Radbruch2 · F. Connolly1 1 Klinik und Poliklinik für Neurologie, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum, Berlin 2 Institut für Neuropathologie, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Mitte, Berlin

Zerebrale Amyloidangiopathie assoziiert mit Inflammation Vorgestellt wird ein 70-jähriger Patient mit rasch progredientem Frontalhirnsyndrom, bei dem eine zerebrale Amyloidangiopathie assoziiert mit Inflammation (CAA-RI, „cerebral amyloid angiopathy related inflammation“) diagnostiziert wurde. Diese seltene Komplikation der CAA („cerebral amyloid angiopathy“) stellt eine wichtige Differenzialdiagnose dar, da in vielen Fällen ein gutes Ansprechen auf immunsuppressive Therapien zu beobachten ist.

vaskuläres Marklagerödem (. Abb. 1) ohne Hinweis auf eine progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) oder ein „posterior reversible encephalopathy syndrome“ (PRES). Histologisch wurde eine CAA mit intramuralen Amyloid-β-PeptidAblagerungen ohne Zeichen einer Enzephalitis oder Vaskulitis gesichert

(. Abb. 2). Geringe Infektparameter fanden sich im peripheren Blut (C-reaktives Protein 9 mg/l; Leukozyten 12,7/nl), der Liquor (Zellzahl, Eiweiß, Laktat, Glukose) war unauffällig. Liquor-PCRs („polymerase chain reaction“) für Herpes-simplexVirus, Varicella-zoster-Virus, Zytomegalovirus, Epstein-Barr-Virus und JC-Virus waren negativ. Zerebrale Autoantikörper

Fallbeschreibung Wir berichten über einen 70-jährigen Patienten mit progredientem Frontalhirnsyndrom. Angehörige schilderten eine seit 2 Jahren progrediente Gangstörung mit Wesensveränderung und Fehlhandlungen. Seit 3 Monaten bestünden zudem eine Dysarthrie und intermittierende Myoklonien im rechten Arm. Auffassungsvermögen und Gedächtnis hätten sich zuletzt rapide verschlechtert. An Vorerkrankungen sind eine koronare Herzerkrankung, ein Sick-SinusSyndrom sowie ein arterieller Hypertonus bekannt. Im neurologischen Untersuchungsbefund imponierte ein fortgeschrittenes Frontalhirnsyndrom mit dysexekutiven und affektiven Störungen, Primitivreflexen und frontaler Gangstörung. Eine neuropsychologische Testung war nicht möglich. Die kraniale Computertomographie (cCT) zeigte symmetrische flächige bilaterale subkortikale Hypodensitäten ohne Kontrastmittel(KM)-Aufnahme. In der Magnetresonanztomographie (MRT) fand sich neben diffusen subkortikalen Mikroblutungen (T2*) ein ausgedehntes

Abb. 1 8 Oben: MRT vor Therapie mit bifrontalen Hyperintensitäten der weißen Substanz in der T2Sequenz (a) sowie multiplen (sub-)kortikalen Mikroblutungen in der T2*-Sequenz (b). Unten: Kraniales CT Post-KM-Sequenz mit bifrontalen Ödemen ohne Schrankenstörung (c), die sich im Verlauf nach  8 Monaten fast vollständig zurückbildeten (d) Der Nervenarzt 2015

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Abb. 2 9 a Kortex mit  hyalinisierter Gefäßwand  (Pfeil, Hämatoxylin-EosinFärbung), b β-AmyloidAblagerungen in den Gefäßwänden (Humanes-Leukozytenantigen-DR MHC  [„major histocompatibility  complex“] II)

im Liquor gegen NMDA(N-Methyl-DAspartat)-Rezeptoren, AMPA („α-amino -3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazolepropionic acid“) -Rezeptoren (GluR1, GluR2), GABA (γ-Aminobuttersäure) -B-Rezeptoren, Anti-Hu, Anti-Yo, Anti-Ma, Anti-CV2/Anti-CRMP5, AGNA (AntiGlia-Nuklear-Antigen; SOX-1), ANNA-3 (“anti-neuronal nuclear antibody”) waren negativ. Das Elektroenzephalogramm zeigte eine leichte diffuse Hirnfunktionsstörung. Der Patient erhielt Prednisolon 500 mg i.v. über 3 Tage. Nach 7 Tagen waren die frontalen Hypodensitäten deutlich rückläufig und in späteren Kontrolluntersuchungen (2 Jahre Nachbeobachtungszeit) nicht mehr nachweisbar. Sämtliche klinische Symptome besserten sich dramatisch. Im Montreal Cognitive Assessment wurden nach 3 Monaten 20/30 Punkte, nach 8 und 24 Monaten 27/30 Punkten erreicht. Im Rey-Osterrieth-Complex-Figure-Test („delayed recall“) wurden nach 3 (24) Monaten 25/36 (29/36) Punkte gemessen.

Diskussion Die zerebrale Amyloidangiopathie (CAA) ist durch Ablagerung von Amyloid-β-Peptid in zerebralen Gefäßwänden gekennzeichnet. Selten kommt es im Verlauf zu einer begleitenden (peri-)vaskulären Entzündung. Dabei wird z. T. eine granulomatös transmurale vaskulitische („Aβ-related angiitis“, ABRA) von einer perivaskulär nichtdestruierenden Form unterschieden (CAA assoziiert mit Inflammation: CAA-RI; [6]). Inwieweit pathophysiologisch differente Subtypen bestehen ist unklar. Wesentlich erscheint eine Au-

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toimmunreaktion ausgelöst durch die intrathekale Produktion von Antikörpern (AK) gegen β-Amyloid. Die AK-Konzentration korreliert mit der Krankheitsaktivität und eignet sich womöglich für das Therapiemonitoring [2, 5]. Die Assoziation der CAA-RI zu bestimmten Genotypen (e4/e4 und e2/e4) des ApoE-Gens weist auf eine genetische Prädisposition hin [1]. Die CAA-RI manifestiert sich typischerweise durch ein akutes rasch progredientes demenzielles Syndrom mit Wesensveränderungen, epileptischen Anfällen, herdneurologischen Zeichen und Kopfschmerzen [6]. Inzidenz und Prävalenz der CAA-RI sind nicht bekannt. Die diagnostische Methode der Wahl ist die MRT. Wesentliche Befunde neben den CAA-typischen diffusen (sub-)kortikalen Mikroblutungen sind oft ausgeprägte bihemisphärielle vasogene Ödeme v. a. der weißen Substanz und ein leptomeningeales KM-Enhancement. Liquor ist häufig unauffällig, gelegentlich findet sich eine milde Pleozytose mit Zeichen der Schrankenstörung [2]. Die CAA-RI lässt sich histologisch durch den Nachweis des β-Amyloid mit begleitender (peri-)vaskulärer Infiltration von Lymphozyten, Eosinophilen, Makrophagen und multinukleären Riesenzellen sowie fibrinoiden Gefäßwandnekrosen sichern. Aufgrund des segmentalen Befalls der Gefäße schließt eine negative Biopsie eine CAA-RI allerdings nicht aus [5]. Jedoch ist die Biopsie zur Sicherung der Diagnose sowie zur Differenzierung der Suptypen einer CAA wichtig. So kann die ABRA von der CAA-RI unterschieden werden, welche wahrscheinlich besser als eine ABRA auf Immunsuppression insbe-

sondere auf Kortikoide anspricht und insgesamt einen günstigeren prognostischen Verlauf nimmt [7]. Kontrollierte randomisierte Studien zur Therapie der unterschiedlichen Subtypen der inflammatorischen CAA fehlen [4]. Kortikoide und andere Immunsuppressiva wie Cyclophosphamid führen i. d. R. zu einem deutlichen Rückgang der klinischen und bildgebenden Befunde der CAA-RI, auch spontane Remissionen sind beschrieben [3].

Fazit Die CAA-RI ist eine wichtige Differenzialdiagnose rasch progredienter dementieller Syndrome, die auf Immunsuppressiva meist sehr gut anspricht. Bei passendem klinischem und bildgebendem Befund (MRT) sollte eine Hirnbiopsie zur endgültigen Diagnosesicherung angestrebt werden. Bei negativem Biopsiebefund sollte bei ausreichendem bildgebendem und klinischem Verdacht dennoch eine immunsuppressive Therapie eingeleitet werden, da eine Hirnbiopsie nicht immer zielführend ist. Die Liquor- und Erregerdiagnostik dient dem Ausschluss wichtiger Differenzialdiagnosen.

Korrespondenzadresse N. Esfahani-Bayerl Klinik und Poliklinik für  Neurologie, Charité -  Universitätsmedizin Berlin,  Campus Virchow-Klinikum Augustenburger Platz 1,  13353 Berlin [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  N. Esfahani-Bayerl und F. Connolly geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur 1. Danve A, Grafe M, Deodhar A (2014) Amyloid beta-related angiitis – a case report and comprehensive review of literature of 94 cases. Semin Arthritis Rheum 44(1):86–92 2. DiFrancesco JC, Brioschi M, Brighina L et al (2011) Anti-Aβ autoantibodies in the CSF of a patient with CAA-related inflammation: a case report. Neurology 76(9):842–844 3. Martucci M, Sarria S, Toledo M et al (2014) Cerebral amyloid angiopathy-related inflammation: imaging findings and clinical outcome. Neuroradiology 56(4):283–289 4. Nouh A, Borys E, Gierut AK et al (2014) AmyloidBeta related angiitis of the central nervous system: case report and topic review. Front Neurol 5(13):1– 4 5. Piazza F, Greenberg SM, Savoiardo M et al (2013) Anti-amyloid β autoantibodies in cerebral amyloid angiopathy-related inflammation: implications for amyloid-modifying therapies. Ann Neurol 73(4):449–458 6. Salvarani C, Hunder GG, Morris JM et al (2013) Aβrelated angiitis: comparison with CAA without inflammation and primary CNS vasculitis. Neurology 81(18):1596–1603 7. Szpak GM, Lewandowska E, Sliwińska A et al (2011) Inflammatory cerebral amyloid angiopathy: the overlap of perivascular (PAN-like) with vasculitic (Aβ-related angiitis) form: an autopsy case. Folia Neuropathologica/Association of Polish Neuropathologists and Medical Research Centre, Polish Academy of Sciences 49(4):335–347

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