Kardiologie | Commentary

Zerebrale arterielle Verschlusskrankheit bei koronarer Herzerkrankung Carotid atherosclerosis in coronary heart disease S. Jander1 E. Stegemann2 Kardiologie, Angiologie Kardiologie | Klinischer Fortschritt

Institut Klinik für Neurologie, HeinrichHeine-Universität Düsseldorf Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie, HeinrichHeine-Universität Düsseldorf Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1370028 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 : 1224–1227 · © Georg 0 Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Prof. Dr. Sebastian Jander Oberarzt der Klinik für Neurologie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Moorenstr. 5 40225 Düsseldorf Tel. 0211-81-18978 Fax 0211-81-18485 eMail [email protected]

Was ist neu? 3Schlaganfallrisiko bei asymptomatischen Karotisstenosen: Das jährliche Schlaganfallrisiko bei asymptomatischen hochgradigen Karotisstenosen liegt nach neuen Kohortenstudien bei 0,3–0,5 % und damit deutlich unter den Werten von ca. 2–3 %, die in randomisierten Therapiestudien der 1980er und 1990er Jahre bestimmt wurden. 3Revidierte Ultraschallkriterien zur Stenosequantifizierung als Grundlage der aktuellen Therapieleitlinien: Die revidierten DEGUMKriterien zur Quantifizierung der extrakraniellen Karotisstenose korrelieren besser zu den angiographisch festgelegten Stenosegraden der randomisierten Therapiestudien. Die Therapieempfehlungen der S3-Leitlinie Karotisstenose basieren explizit auf den modifizierten DEGUM-Kriterien. 3Identifikation von Hochrisikopatienten: Neben dem Stenosegrad können Stenoseprogression und sonomorphologische Befunde wie Ulzeration, Oberflächenirregularität und niedrige Echogenität ein erhöhtes Schlaganfallrisiko bei asymptomatischer Karotisstenose anzeigen. 3Karotisstenose und koronare Bypass-Operation: Eine hochgradige Karotisstenose ist anscheinend nicht mit einem erhöhten Schlaganfall- oder Mortalitätsrisiko im Rahmen einer Koronar-OP vergesellschaftet. Eine Indikation zur simultanen Karotis- und Koronar-OP wird Einzelfällen mit hohem kardialen und neurologischen Risiko vorbehalten bleiben. 3Karotisplaques in Korrelation zur koronaren Herzerkrankung: Eine Zunahme des Plaquevolumens oder der Plaquefläche ist ein unabhängiger Marker für kardiovaskuläre Ereignisse 3Beziehung zwischen dem Ausmaß der Atherosklerose in verschiedenen Gefäßregionen: Zwischen dem Ausmaß von koronarer Herzerkrankung und zerebraler arterieller Verschlusserkrankung besteht eine direkte Beziehung

Einleitung ▼ Die atherosklerotische Makroangiopathie hirnversorgender Arterien ist eine wichtige Ursache des ischämischen Schlaganfalls, wird vielfach aber auch bei neurologisch asymptomatischen Patienten diagnostiziert. Hieraus ergeben sich wichtige Fragen nach dem adäquaten therapeutischen Vorgehen, insbesondere im Hinblick auf die Indikationsstellung zur revaskularisierenden Therapie.

Schlaganfallrisiko bei Karotisstenosen ▼ Ausschlaggebend für die Indikation zur invasiven Therapie einer Karotisstenose ist das mit der Stenose assoziierte Schlaganfallrisiko, das wiederum maßgeblich durch den Stenosegrad und das Auftreten einer zur Stenose korrespondierenden Symptomatik bestimmt wird. Es ist allgemeiner Konsens, dass hochgradige (> 70%ige), mit ipsilateralen zerebralen oder retinalen Durchblutungsstörungen symptomatische Stenosen aufgrund eines hohen Schlaganfallrisikos von über 10 % pro Jahr eine Indikation zur revaskularisierenden Therapie darstellen, die im Regelfall mittels chirurgischer Thrombendarteriektomie innerhalb der ersten Wochen nach Indexereignis erfolgen sollte [4]. Primär asymptomatische Stenosen sind hingegen durch ein deutlich niedrigeres Schlaganfallrisiko gekennzeichnet. Nach großen randomisierten Therapiestudien der 1980er und 1990er Jahre lag das jährliche Risiko für ein erstes ischämisches Ereignis ipsilateral zu einer hochgradigen Karotisstenose bei 2–3 %. Neuere Kohortenstudien zeigen aber ein deutlich niedrigeres Risiko von lediglich 0,34 % [8] bzw. 0,5 % [3]. Verantwortlich hierfür ist die verbesserte medikamentöse Therapie: Neben der Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern und konsequenter Blutdruckeinstellung ist vor allem der breitere Einsatz der Statine zu nennen, von dem Patienten mit atherosklerotischer Makroangiopathie besonders profitieren. Die deutlich verbesserten Ergebnisse der konservativen Therapie müssen immer berücksichtigt werden, wenn ein invasives Vorgehen erwogen wird, vor allem bei neurologisch asymptomatischen Patienten. Bemerkenswerterweise stehen in der OXVASC-Studie [8] dem niedrigen Schlaganfallrisiko deutlich höhere Risiken für Herzinfarkt (4,7 %) und vaskulären Tod (7,7 %) gegenüber.  Demnach erscheint die extrakranielle Makroangiopathie als Marker für ein insgesamt hohes kardiovaskuläres Risiko, und eine stringente Risikofaktortherapie ist dringend erforderlich. Dies begründet auch die Empfehlung von Screeninguntersuchungen der hirnversorgenden Arterien bei in anderen Gefäßterritorien bestehender Atherosklerose.

Klinische Relevanz Das Schlaganfallrisiko asymptomatischer hochgradiger Karotisstenosen lässt sich durch eine medikamentöse Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern, Statinen und konsequenter Blutdruckeinstellung deutlich senken.

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dem in dieser Gruppe insgesamt niedrigen Risiko die Patienten mit erhöhtem Risiko zu identifizieren und einer Revaskularisation zuzuführen. Eine signifikante Stenoseprogression in der Verlaufskontrolle kann die Indikation zur revaskularisierenden Therapie unterstützen [11]. Weiterhin können sonomorphologisch definierte Plaquecharakteristika wie Ulzeration, Oberflächenirregularität und niedrige Echogenität ein erhöhtes Schlaganfallrisiko bei asymptomatischer Stenose anzeigen [11].

Zur Stenosegraduierung der Karotisstenosen sind die aktualisierten DEGUMUltraschallkriterien anzuwenden. Sie korrelieren mit angiographisch ermittelten Stenosegraden und sind Grundlage für die Therapieempfehlungen der S3-Leitlinie zur extrakraniellen Karotisstenose.

Abb. 1 Beispielhafter Befund einer 70 %igen Stenose der A. carotis interna in der Farbduplex-Sonographie.

Ultraschallkriterien zur Stenosequantifizierung und Identifikation eines erhöhten Schlaganfallrisikos ▼ Das mit einer Karotisstenose assoziierte Schlaganfallrisiko nimmt mit dem Stenosegrad zu. Deshalb kommt der Methode der Stenosequantifizierung eine besondere Bedeutung zu. Goldstandard ist prinzipiell die katherangiographische Bestimmung nach den Kriterien des North American Symptomatic Carotid Endarterectomy Trials (NASCET), die auch als Grundlage für die Erarbeitung modifizierter Ultraschallkriterien der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Tab. 1

Medizin (DEGUM) herangezogen wurden (q Tab. 1, q Abb. 1) [4]. Im Vergleich zu den früher angewendeten sonographischen Kriterien liegen die nach den modifizierten Kriterien bestimmten Stenosegrade im Mittel um 10–20 % niedriger. Dies ist insofern wichtig, als auch die am Stenosegrad orientierten Therapieempfehlungen der aktuellen S3-Leitlinie zur extrakraniellen Carotisstenose [4] explizit auf den modifizierten DEGUM-Ultraschallkriterien basieren [2]. Nach wie vor besteht bei neurologisch asymptomatischen Patienten mit hochgradiger Karotisstenose das Problem, bei

Karotisstenose bei aortokoronarer Bypass-OP ▼ Ein häufiger Anlass, eine revaskularisierende Therapie zu erwägen, sind asymptomatische Karotisstenosen, die im Rahmen einer sonographischen Abklärung vor koronarer Bypassoperation entdeckt werden. Theoretisch könnten z. B. hochgradige Stenosen mit poststenotischer Flussreduktion ein Risiko für einen hämodynamisch bedingten Insult im Rahmen intraoperativer Blutdruckschwan-

Stenosegraduierung der A. carotis interna nach den modifizierten DEGUM-Kriterien [2].

Stenosegrad (NASCET-Definition) (%)

10

20 – 40

50

60

70

80

90

Verschluss

Stenosegrad alt (ECST-Definition) (%)

45

50 – 60

70

75

80

90

95

Verschluss

Hauptkriterien

1.  B-Bild

+ + +

+

2.  Farbdoppler-Bild

+

+ + +

+

+

+

+

+

+ + +

200

250

300

350–400 100–500

> 50

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