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Die CO2-Angiografie bei EVAR-Prozeduren: Grundlagen, Indikationen und Grenzen

Autor

J. Tessarek

Institut

Klink für Gefäßchirurgie, St. Bonifatius Hospital, Lingen, Deutschland

Schlüsselwörter " CO ‑Angiografie l 2 " EVAR l " kontrastinduzierte l Nephropathie " KIN l " Vapor Lock Syndrom l

Zusammenfassung

Abstract

!

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Die 2011 publizierten europäischen Leitlinien zur Behandlung des abdominellen Aortenaneurysmas fordern bei jedem Patienten die Evaluation hinsichtlich einer endovaskulären Versorgung (EVAR), da diese Methode im Vergleich zum konventionell-chirurgischen Vorgehen eine geringere Morbidität und Mortalität aufweist. Durch die verfahrensbedingte Applikation von Kontrastmitteln besteht bei EVAR allerdings das Risiko kontrastmittelassoziierter schwerer allergischer Reaktionen, einer Beeinflussung der Schilddrüsenstoffwechsellage sowie einer kontrastmittelinduzierten Nierenfunktionseinschränkung bis hin zum akuten Nierenversagen mit dauerhafter Dialyseabhängigkeit. Daher sollte generell zur Vermeidung von kontrastmittelassoziierten Komplikationen Kohlendioxid als alternatives Kontrastmittel genutzt werden. Die notwendige Bildverarbeitungssoftware ist Teil der Softwarelösungen moderner Angiografieeinheiten. Die diagnostische Wertigkeit dieser Methode entspricht bei adäquater Vorbereitung und Lagerung des Patienten derjenigen einer konventionellen Angiografie und ist in Bezug auf spezielle Fragestellungen sogar valider anzusehen als die einer Untersuchung mit herkömmlichen Kontrastmitteln.

Compared to open surgery, endovascular aneurysm repair has shown superior results in terms of morbidity and mortality. Therefore the 2011 published Practical Guidelines for Abdominal Aortic Aneurysm Repair (EVAR) demand an individual evaluation of every patient concerning an EVAR solution. To reduce the risk of contrast-associated complications such as severe allergic reactions hyperthyroidism or contrast-induced nephropathy with permanent loss of renal function, the use of carbon dioxide should be considered for every case. The imaging software solutions are part of the modern angiography technique and the imaging quality of CO2 angiography is equivalent or even better as compared to conventional angiography when the patient is appropriately prepared and positioned.

Einleitung

von Nebenwirkungen durch das applizierte Kontrastmittel, die den Behandlungserfolg negativ beeinflussen können. Neben Allergien und Schilddrüsenstoffwechsel-relevanten Nebenwirkungen steht die kontrastmittelassoziierte Schädigung der Nierenfunktion im Vordergrund, die einen chronischen oder akuten Verlauf nehmen kann. Das Altersspektrum und die Komorbiditäten der Aneurysmapatienten bedingen die Prädisposition zur akuten kontrastmittelinduzierten Nephropathie (KIN). CO2 als Kontrast gebendes Agens hat keine allergene Eigenschaft und keine Einwir-

Key words " CO angiography l 2 " EVAR l " contrast‑induced l nephropathy " CIN l " vapour lock syndrome l

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0033-1350634 Zentralbl Chir 2013; 138: 543–548 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0044‑409X Korrespondenzadresse Dr. med. Jörg Tessarek Klink für Gefäßchirurgie St. Bonifatius Hospital Wilhelmstraße 15 49808 Lingen Deutschland Tel.: 05 91/9 10 61 21 Fax: 05 91/9 10 97 61 21 joerg.tessarek@ bonifatius-lingen.de

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Die endovaskulären Verfahren spielen im Rahmen der Therapie aneurysmatischer Aortenpathologien (EVAR) eine kontinuierlich wachsende Rolle. Diese Entwicklung hat auch in den 2011 publizierten Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Gefäßchirurgie ihren Niederschlag gefunden. Hier wird eine Evaluation hinsichtlich der EVAR-Versorgung für jeden Patienten gefordert [1, 2]. Der Einsatz röntgengestützter Bildgebungsverfahren beinhaltet jedoch das Risiko

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Carbon Dioxide Angiography in EVAR: Basics Principle, Indications and Limitations

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kung auf den Schilddrüsenstoffwechsel oder die Nierenfunktion. Die CO2-gestützte Bildgenerierung bei EVAR ist mittlerweile technisch und der konventionellen Angiografie qualitativ gleichwertig und hinsichtlich spezieller Fragestellungen überlegen [3]. Als Alternative sollte sie zur Verfügung stehen und auch dann in Betracht gezogen werden, wenn kein erkennbares Risiko bez. einer KIN vorliegt. Die Vorgaben und Bedingungen für den effektiven Einsatz dieser Methode sollen hier dargestellt werden.

Entwicklung der CO2-gestützten Röntgendiagnostik !

Die Erstbeschreibung von Kohlendioxid als Kontrastmittel erfolgte 1914 durch Rautenberg [4] und im Weiteren von Rosenstein [5]. Die intravasale Applikation wurde erstmalig 1940 durch Moore [6] als venöse Untersuchung und arteriell 1980 durch Miller [7] durchgeführt. Seither wird Kohlendioxid als Alternative zum gängigen jodhaltigen Kontrastmittel angesehen, wenn bekannte Allergien gegen Jod, Nierenfunktionseinschränkungen oder eine Schilddrüsenstoffwechsellage vorliegen, die den Einsatz von Jod als kontraindiziert erscheinen lassen.

Gefäßsegmenten) und die Flussdynamik des Gases (Buoyancy-Effekt) für die Bildqualität verantwortlich. Kommt es zu einer Segmentierung der injizierten Gasmenge, z. B. durch einen relevanten Bluteinstrom über Seitenäste, eine nicht kontinuierliche Injektion oder einen langsamen Abfluss des Gases, so können Stenosen oder Verschlüsse vorgetäuscht oder die Kontrastierung und damit die Bildaussage relevant verringert werden. Ein Teil des CO2 kann bei geringer Fließgeschwindigkeit (Low Output, hoher peripherer Widerstand, stark reduzierter Runoff) durch Diffusion in das perivasale Gewebe verloren gehen. Aus den hier genannten Gründen ergibt sich die Notwendigkeit einer den Abstrom des gasförmigen Kontrastmittels fördernden Lagerung des Patienten und einer optimalen Injektionstechnik. Zudem muss die Software für die Bearbeitung von CO2-generierten Bildern vorhanden sein, die durch Anpassung der technischen Parameter (Eingangssignalverstärkung der Aufnahmespannung, mAs-Produkt [Milliampere Sekunde]) an das schlechtere Signal-Rausch-Verhältnis die Darstellung und Akkumulation von digitalen Bildern ermöglicht (Stacking-Software) [3, 11, 12].

Indikationen für die CO2-Angiografie !

Physiologische Grundlagen !

Kohlendioxid ist eine natürlich im Körper vorkommende gasförmige Verbindung, die mit H2O über Karboanhydrase als Katalysatorenzym zu H+ und Bikarbonat dissoziiert. Die Viskosität des Gases beträgt ca. 1/400 der Viskosität normaler Kontrastmittel. Im Vergleich zum Sauerstoff ist die Löslichkeit im Blut um das ca. 21-Fache höher, sodass eine Blasenbildung im fließenden Blut ausgeschlossen werden kann. Die Gesamtaufnahmekapazität von 100 ml venösem Blut beträgt bei 38 °C 114,6 ml CO2. Die pulmonale Elimination von 200– 500 ml Gas pro Exspiration wird zudem über die physiologischen Puffersysteme erweitert, wodurch eine messbare Akkumulation oder eine persistierende Verschiebung des Säure-Basen-Haushalts durch die zur Gefäßdarstellung notwendigen Mengen von CO2 verhindert wird [8]. Das Gefährdungspotenzial von Kohlendioxid als Kontrastmittel liegt in seiner Neuro- und Kardiotoxizität und in einer fehlerhaften Injektionstechnik begründet [9, 10].

Physikalische Grundlagen und technische Voraussetzungen für die CO2-Gefäßdarstellung !

Durch die im Vergleich zum umliegenden Gewebe geringere Röntgendichte des abfließenden Gases resultiert eine negative Kontrastverstärkung. Der sogenannte Buoyancy-Effekt (Auftriebseffekt) beschreibt die Ansammlung des Gases im „oben“ liegenden Bereich der Gefäßlumens. Es kommt zu einen Grenzflächeneffekt und nicht zur Durchmischung von gasförmigem Kontrastmittel und fließenden Blut, sodass gerade im aortoiliakalen Gefäßsegment aufgrund des größeren Gefäßradius eine inkomplette Darstellung des Gefäßbaums resultieren kann. Der Lagerung des Patienten, der Positionierung des Tisches und der Injektionstechnik kommt daher eine besondere Bedeutung hinsichtlich der Optimierung der Bildqualität und Bildinformation sowie der Vermeidung von Komplikationen zu. Neben der Injektionsmenge sind die Flussdynamik der Blutsäule (linkskardiales Auswurfvolumen, Wirbelbildungen in ektatischen

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Aufgrund der kontinuierlich wachsenden Zahl multimorbider Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion und Prädisposition zur kontrastinduzierten Nephropathie hat sich die CO2‑Angiografie als diesbezüglich unbedenkliche Alternative in der Gefäßdiagnostik und endovaskulären Therapie herauskristallisiert. Als rein diagnostische invasive Maßnahme sollte sie nur dann zur Anwendung kommen, wenn die Duplexsonografie (ggf. auch kontrastverstärkt) oder digitale Bildgebungsverfahren nicht anwendbar sind oder zielführend erscheinen. Der Einsatz von CO2 ist allerdings auf die Gefäßsegmente beschränkt, die nicht an der koronaren oder zerebrospinalen Versorgung teilhaben, da das Gas kardio- und neurotoxisch ist [8, 13]. Das Kontrastmittel kann in nahezu unbegrenzter Menge appliziert werden, ohne die Nierenfunktion oder die Schilddrüsenstoffwechselsituation zu beeinflussen. Eine Akkumulation mit Azidose ist nahezu ausgeschlossen, soweit keine Injektionsvolumina von über 100 ml pro Injektion appliziert und entsprechende Zeitabstände zwischen den Injektionen eingehalten werden. Die Indikationen und Kontraindikationen sind in der folgen" Tab. 1). den Tabelle aufgelistet (l Die wesentlichen Indikationen für die CO2-Angiografie sind eine erniedrigte glomeruläre Filtrationsrate unabhängig von der zugrunde liegenden Ursache sowie ein Diabetes mellitus oder eine Medikamentenanamnese mit potenziell nephrotoxischen Therapeutika, welche die Risikofaktoren für eine KIN [14] repräsentieren. Die Nierenfunktion kann nach Gabe von jodhaltigem Kontrastmittel mit einer Inzidenz von 0–44 % [15, 16] passager oder permanent vermindert oder komplett aufgehoben sein. Per definitionem liegt bei einer KIN eine Erhöhung des Serumkreatinins um 25 %, bezogen auf den Ausgangswert innerhalb von 24–48 Stunden nach Applikation des Kontrastmittels, vor. Die verzögerte renale Elimination des Kontrastmittels kann über toxische Wirkungen ein endotheliales Ödem in den Tubuli erzeugen. Dieses wird infolge des reduzierten Kapillarflusses während der KMPassage noch verstärkt [17]. CO2 hat keine bekannte allergische und keine nephrotoxische Wirkung. Die Passage durch das Kapillarbett ist aufgrund der viskösen Eigenschaften ungehindert und das Gas kann, abgesehen von schweren obstruktiven Atemstörungen oder bei Anästhesie mit volatilen Anästhetika (N2O)

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Tab. 1 Indikationen und Kontraindikationen für die CO2-Angio-/phlebografie. Dabei können die hier aufgeführten Prozeduren mittels CO2 als diagnostische und interventionell therapeutische Angiografien (abdominelle und periphere Gefäßsegmente, Armgefäße distal der A. vertebralis (auch Shuntangio), Morbus Raynaud und Detektion gastrointestinaler Blutungen) oder Phlebografien (Dialyse-Shuntdarstellung, Kavografie und Filterimplantation) erfolgen. Vorteile bietet die CO2-Angiografie aufgrund der Feinzeichnung der Gefäße bei der Angiografie von Nierentumoren und dem Morbus Raynaud. Wichtig ist die richtige Lagerung des Patienten und die Anpassung der Projektionsebene des C-Bogens. Indikationen

Kontraindikationen

1. Kontrastmittelallergie 2. akute/chronische Niereninsuffizienz 3. Z. n. Nierentransplantation

1. zerebrospinale Gefäßversorgung 2. schwere COPD 3. Narkose mit volatilen Anästhetika (N2O) 4. kardialer Rechts-Links-Shunt 5. Low Output 6. Gas-Bowel-Syndrom

4. latente/manifeste Hyperthyreose 5. Paraproteinämie 6. geplante Radiojodtherapie 7. KIN-Anamnese 8. Therapie mit oralen Antidiabetika

Abb. 1 Darstellung von Low-Flow-Gefäßsegmenten mit CO2. Darstellung eines TypII-Endoleaks (siehe Pfeil) bei fenestrierter Prothese nach retrograder Anspritzung der iliakalen Gefäßstrecke links und Füllung des Aneurysmasacks über die Kollateralen zwischen A.-iliaca-internaÄsten und der A. mesenterica inferior. Der Patient war für diese Darstellung mit CO2 in 15° Rechtsdrehung mit erhöhtem Oberkörper gelagert. Das Gas wurde manuell über eine lange 8F-Schleuse injiziert.

nicht akkumulieren (Cave: Schwere COPD und repetitive Gabe von Injektionsvolumina > 100 ml/Injektion).

Spezielle Maßnahmen bei der CO2-Angiografie !

Patientenvorbereitung Die CO2-Angiografie erreicht bei entsprechender Vorbereitung des Patienten eine der konventionellen Angiografie gleichwertige Bildqualität sowohl im abdominellen als auch in den peripheren Gefäßsegmenten. Aufgrund der geringen Viskosität ermöglicht CO2 eine im Vergleich zur herkömmlichen Angiografie validere Detektion bzw. Darstellung von schwachen Strömungs" Abb. 1), Blutunbewegungen, wie sie bei Typ-II-Endoleckagen (l gen parenchymaler Organe und Darmblutungen auftreten können und die eine diagnostische Herausforderung darstellen [18]. In einer Serie von 27 Fällen mit fraglicher gastrointestinaler Blutung konnten bei optimaler Patientenvorbereitung 44 % der Blutungen mit CO2, aber nur 14 % mittels konventioneller Angiografie erkannt werden [11, 19]. Auch komplexe Endografts unter Einbeziehung des Aortensegments IV stellen eine Indikation für diese Verfahren dar [20]. Die Aortografie mit CO2 erfordert Maßnahmen zur Reduzierung der Darmgasbildung und Darmmotilität. Beides kann zu Fehlinterpretationen aufgrund gleichartiger Kontrastphänomene durch meteoristisch geblähte und sich bewegende Darmschlingen führen. Die präinterventionelle Gabe von z. B. Espumisan® und die intraoperative Gabe von Buscopan® verringern diese Randkantenphänomene, zudem sollte der Patient während der " Abb. 2). Bei Injektion und der Bildgenerierung nicht atmen (l Operationen in Vollnarkose muss seitens der Anästhesie ein Atemstillstand hergestellt werden. Dies erfordert eine ausreichende Narkosetiefe und zeitgerechte Kommunikation zwischen OP-Team und Anästhesie.

Lagerung des Patienten In Anbetracht der physikalischen Eigenschaften des Kontrastmittels (s. o.) muss die Lagerung des Patienten das Abfließen der Kontrastmittelsäule auf der Blutsäule aufschwimmend erlauben, um eine maximale Kontrastierung der Zielgefäße zu gewährleisten. Dies erfordert, dass die Injektion des Gases an der tiefsten

Stelle des darzustellenden Gefäßsegments erfolgt. Für eine a.–p. Projektion der artefilikalen Gefäßstrecke muss der Patient in Kopftieflage (15°) auf dem Röntgentisch gelagert sein. Dies optimiert den Abfluss des CO2 und verhindert die Bildung von größeren Gasansammlungen in Exkavationen thrombotischer Wandveränderungen und arteriosklerotischen Nischen. Zur Darstellung seitlich aus der Aorta entspringender Zielgefäße ist eine Rotation des Tisches (oder des Patienten) um die Längsachse notwendig. Je nach Fragestellung kann die Rotation um die Längsachse 15–45° betragen. Ist eine angiografische Darstellung der Nieren geplant, muss das jeweilige Zielgefäß „oben“ liegen (Rechtsseitenlagerung des Patienten bei Darstellung der linken Nierenarterie und umgekehrt), um eine maximale Anflutung des Gases zu erreichen. Die Projektionsebene des Strahlengangs muss entsprechend angepasst werden. Cave: Die CO2-Angiografie der Aorta und Beckengefäße erfordert eine Kopftieflagerung. Eine hyperbare Regionalanästhesie birgt das Risiko einer nach kranial aufsteigenden Anästhesie und der intubationspflichtigen Atemdepression. Die Vorgehensweise sollte im OP-Plan vermerkt werden, sodass die Narkoseform entsprechend angepasst werden kann.

Injektionstechnik Die Injektion zur aortalen Bildgebung kann per Hand, sollte aber zur optimalen Kontrastierung mittels Injektomat durchgeführt werden. Die Einspeisung des Gases erfolgt über normale Schlauchleitungen mit steriler Verbindung zum OP-Tisch. Eine Vermischung mit Raumluft muss sicher ausgeschlossen sein, da diese zur Blasenbildung mit der Gefahr einer Luftembolie führen kann. Die Injektionsvolumina sollten entsprechend den Vor" Tab. 2) gewählt werden. gaben (l

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Abb. 2 Patientenvorbereitung bei CO2-Angiografie. Die Bildserie zeigt extreme Darmgasüberlagerung bei nicht ausreichender Patientenvorbereitung. Eine suffiziente Darstellung der Zielgefäße ist bei diesem Befund mit CO2 nicht möglich. Die rechte Nierenarterie ist noch erkennbar (linkes Bild, siehe Pfeil), der infrarenale Aortenanteil kann nicht ausreichend beurteilt werden. Die Darstellung der A. iliaca interna erfolgte mit Direktinjektion von 10 ml zu 50% verdünntem Kontrastmittel (KreaWert 2,1 mg%) über den in der distalen A. iliaca communis liegenden Katheter nach Anpassung der notwendigen Programmeinstellungen.

Tab. 2 CO2-Injektionsmengen/Injektion für die Darstellung verschiedener Gefäßsegmente. Aorta Iliakalgefäße Femoralarterien Nierengefäße Viszeralarterien Beckenvenen Shuntvenen

60–100 ml 40–80 ml 20–60 ml 20–40 ml 20–40 ml 20–40 ml 20–40 ml

1. Manuelle Injektion Stellvertretend für die verschiedenen Systeme soll hier das Opti" Abb. 3). Dieses fällt unter med®-System dargestellt werden (l den Begriff „Verbrauchsmaterial“, sodass eine Investition in die Anschaffung und die Wartung entfällt. Die Injektionsspritze muss vor jeder Injektion mehrfach (mindestens 5-mal) geflutet und über den Gefäß seitigen Schlauch entleert werden. Sämtliche Zu- und Ausgänge müssen über eine 3-Wege-Hahn gegen eine Rückflutung von Gas, Luft und Blut geschützt sein. Der Injektionsspritze muss ein Mikrofilter und ein Druckausgleichsgefäß vorgeschaltet sein. Die notwendige kontinuierliche Injektion mit gleichbleibenden Drücken ist manuell schwieriger durchzuführen als mit einem Injektomaten und erfordert eine entsprechende Erfahrung, um übermäßige Drucksteigerungen im Gefäßsystem zu vermeiden. Diese „explosionsartigen“ Injektionen können sowohl bei aortoilikaler wie auch peripherer Darstellung erheblich Schmerzen oder sogar Dissektionen hervorrufen. Die Injektion muss eine ausreichende Menge an Gas mit konstantem Druck von 1,3 bar fördern, eine unkontrollierte Erhöhung der Injektionsmenge oder des Injektionsdruckes kann zur retrograden Füllung von Gefäßabschnitten führen, die spinale Strukturen versorgen. Der Katheter muss daher vor jeder Injektion auf seine korrekte Lage hin kontrolliert werden.

Abb. 3 Injektionsspritze (CO2-Angioset nach Schmitz-Rode/Alzen; OptiMed Medizinische Instrumente GmbH, Ettlingen, Deutschland) für manuelle Injektionen von CO2.

2. Injektomat-gestützte Angiografie " Abb. 4) liegt in der ProgrammDer Vorteil der Injektomaten (l gesteuerten maschinellen Injektion definierter Gasmengen mit konstanten Flussvolumina und Druckkurven. Dieses Verfahren optimiert die Kontrastierung. Um eine Diffusion des Gases vor Erreichen des Zielsegmentes mit der Folge der Kontrastabschwächung zu verhindern, empfiehlt sich bei komplexen Aortenrekonstruktionen auch bei Nutzung eines Injektomaten die selektive Sondierung der Zielgefäße.

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Abb. 4 Malek-Injektomat (Malek Medical GmbH, Am Weißen See 9, 19417 Weiße Krug) (li.) mit Bedienpanel (re). Das Gerät erlaubt eine Programmvorwahl mit klar definierten Flussvolumina und Injektionsdrücken sowie die individuelle Festlegung des Injektionsvolumens.

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Abb. 5 Gemischter Einsatz von jodhaltigem Kontrastmittel und Kohlendioxid im Rahmen einer Aortenintervention bei Aneurysma und gleichzeitiger PTA einer Bypassstenose. Die Kontrastmittelapplikation erfolgt über einen transbrachialen Katheterzugang (siehe Pfeil Bild 1). Das viszerale Segment wird bei bereits liegendem Einführsystem der Prothese mit herkömmlichen Kontrastmittel und einer Flussrate von 10/10 ml/s dargestellt, um eine Überlagerung von KM‑Gas und Darmgas und eine Flutung spinaler Arterien (A. radicularis magna) zu vermeiden (1). Die periphere Darstellung der iliakalen Ausstrombahn erfolgt mit einer Injektion von 20 ml CO2 über den nach

kaudal geschobenen Katheter bei liegendem Einführbesteck der iliakalen Prothesenextension. Die retrograde Darstellung (Bild 3) der A. Iliaca externa und Femoralgabel mit CO2 zeigt eine filiforme Stenose der A. femoralis superficialis, die das Spendergefäß des 7 Jahre alten Cross-Overbypasses darstellt. Bild 4 zeigt die Darstellung mit CO2 in 15° Kopftieflage über eine 10FSchleuse nach Dilatation der Anastomose mit 5-mm-Ballon. Es zeigt sich eine zeitgleiche Anflutung der Profunda beidseits sowie eine klare Darstellung auch kleiner Kollateralgefäße im kleinen Becken (siehe Pfeil).

Nebenwirkungen der CO2-Applikation wie Brennen oder viszeraler Distensionsschmerz sind selten und meist von der Technik der Injektion abhängig. Die Symptome können direkt unter der " Tab. 3) und erforInjektion oder zeitlich verzögert auftreten (l dern eine symptomatische Therapie (Analgetika, Antiemetika).

durch den Verschluss kleiner Hautgefäße imponieren. Über die Diffusion in das Gewebe entweicht das Gas, die in den Gefäßen entstandenen Mikrothromben können das Gefäß aber weiterhin komplett verschließen. Inwieweit eine intraoperative Hypotonie oder die Flussreduktion aufgrund der eingebrachten Einführsysteme eine solche Komplikation fördert, ist unklar. Durch die präventive Schräglagerung des Patienten können solche Komplikationen vermieden werden, da der Transport der Gassäule optimiert wird und Gasreservoirs mit dem Blutstrom verkleinert werden. Besteht der Verdacht auf eine Gasretention, muss der Patient mehrfach umgelagert werden, um den Abstrom des Gases zu ermöglichen. Akut auftretende oder persistierende abdominelle Schmerzen erfordern immer eine Kontrolle des Serumlaktatspiegels und der Entzündungswerte über 24 Stunden. Differenzialdiagnostisch muss auch an eine Thrombusverschleppung durch die Kathetermanipulationen oder eine vorbestehende und durch die Implantation der Prothese und den Verschluss der A. mesenterica inferior aggravierte Minderperfusion des Darmes gedacht werden.

Vapor-Lock-Syndrom

Neurotoxizität und Kardiotoxizität von CO2

Die Darstellung der Aorta im Rahmen der EVAR-Prozedur trägt das Risiko einer Gasretention in Thrombusnischen oder vor trichterförmigen Gefäßabgängen. Dieses als „Vapor-Lock-Syndrom“ definierte Geschehen hat physiologisch die gleiche Wirkung wie eine Luftembolie, es kommt zur Blockade des Gefäßes und ggf. zur Ischämie der nachgeschalteten Organe. Im Falle der AMI (A. mesenterica inferior) kann dadurch eine segmentale Darmischämie auftreten, wenn Gas in den Hauptstamm oder stammnahe Kollateralen gedrückt wird und damit die direkte Versorgung der rektosigmoidalen Arterienäste blockiert. Im Extremitätenbereich kann dieses Phänomen nach aortaler Injektion klinisch gelegentlich als rötlich-bläuliche Felderung

CO2 hat eine nachgewiesene Kardio- und Neurotoxizität, sodass die Injektion oder Anflutung in die Koronarien oder zerebrale und spinale Territorien strengstens vermieden werden muss. Das Gas führt zur partiellen Aufhebung der Blut-Hirn-Schranke. Injektion in die Koronarien oder die zerebralen Gefäße führen zu einer Schädigung der endothelialen Zellmembranen mit irreversiblen multifokalen Ischämien und Zelluntergang. Die Gefäßdarstellung im Gefahrenbereich muss daher mit konventionellem Kontrastmittel durchgeführt werden. Für die suffiziente Darstellung der aortalen Landezone reichen 10 ml Volumen mit einem " Abb. 5), weiter distal in der Aorta und Fluss von 10 ml/s aus (l der Beckenarterie erfolgt die Gefäßdarstellung dann mit CO2.

Tab. 3 Häufig beschriebene Nebenwirkungen nach CO2-Angiografie. starke Rückenschmerzen bei Injektion im aortoiliakalen Bereich (abhängig vom Injektionsvolumen) abdominelle Schmerzen durch Distension der Darmwand nach Injektion in die Viszeralgefäße Defäkationsdrang mit teils krampfartigen Schmerzen im Analbereich vagale Reaktion mit Schweißausbruch und Hypotonie, Tachykardie und Schwindel (Schmerzreaktion) Schmerzen in den Akren bei weit peripherer Injektion (sehr selten) als Folge der Freisetzung von endogenen Gefäßdilatanzien nach CO2-Gabe

Nebenwirkungen von Kohlendioxid und spezifische Komplikationen der CO2-Angiografie !

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Aufklärungspflicht Die allgemeinen Risiken einer invasiven kathetergestützten Intervention und der Graftimplantation (Blutungen, Hämatome, Infektionen oder Nervenläsionen, Verschluss von aortalen Seitenästen durch Cholesterinembolisation oder die Fehlplatzierung einer Aortenendoprothese) sind als prozedurspezifische Komplikation unabhängig vom gewählten Kontrastmittel gleich [21]. Der Patient muss in der Patientenaufklärung zusätzlich auf die potenziellen Nebenwirkungen des CO2 hingewiesen werden. Mit dem Verzicht auf jodhaltiges Kontrastmittel können nur die damit assoziierten Risiken vermieden werden.

Fazit !

Zur Reduzierung kontrastmittelassoziierter spezifischer Risiken (Nierenfunktionsstörungen, Unverträglichkeiten mit oralen Antidiabetika) im Rahmen von EVAR sollte immer die Option der CO2Angiografie erwogen werden, sofern die spezifische Bildverarbeitungssoftware installiert und damit die notwendige Bildqualität erreichbar ist. Bei speziellen Fragestellungen wie z. B. der Endoleak-Detektion ist die diagnostische Sicherheit höher als die einer Untersuchung mit herkömmlichem Kontrastmittel [3]. Die CO2Angiografie muss daher fester Bestandteil des diagnostischen und therapeutischen Portfolios einer gefäßchirurgischen Abteilung sein.

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