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Originalarbeit

Moderne medizinische Versorgungsstrukturen am Beispiel der Videokapselendoskopie: Erfahrungen aus über 1000 Untersuchungen in einem überregionalen Netzwerk Capsule Endoscopy in a Supra-Regional Network Corporation: Experience in more than 1000 Cases Autoren

M. J. Farnbacher1, A. F. Hagel2, M. Keles1, M. Meier1, T. Schneider1

Institute

1

Schlüsselwörter

Zusammenfassung

Abstract

"

!

!

Hintergrund: Die Kapselendoskopie (KE) ist im diagnostischen Algorithmus der mittleren gastrointestinalen Blutung fest etabliert. Trotz des hohen diagnostischen Wertes limitieren fehlende Erfahrung bei der zeitintensiven Auswertung und hohe Investitionskosten eine flächendeckende Verfügbarkeit. Ein Anwendernetzwerk sollte diese Nachteile kompensieren. Methode: Ein zentral lokalisiertes Krankenhaus (ZK) stellt die KE peripheren Netzwerkpartnern (NP) zur Verfügung. Auf Anfrage wird das Equipment zugestellt. Die KE erfolgt beim NP unter Verantwortung des örtlichen Personals, die Auswertung nur im ZK. Ergebnisse: Von Januar 2002 bis Juli 2013 wurden netzwerkweit 1026 KE (548 M., 478 F.; 64 ± 16, 13 – 93 J.) durchgeführt. 744/1026 (73 %) KE fanden bei 17 NP, 282/1026 (27 %) im ZK statt. Zwischen 2002 (n = 39) und 2012 (n = 136) stiegen die jährlichen Untersuchungszahlen um das Dreifache. Hauptindikation zur KE war die mittlere GI-Blutung (80 %). Die Wartezeit zwischen Wunschdatum und Untersuchung lag unter 24 h, zwischen KE und Befundung 2 Tage. Durch die Gerätegemeinschaft wurden 95 % der Primärinvestition bei den NP vermieden. Schlussfolgerung: Die Erfahrungen aus über 1000 KE belegen, dass der mobile Einsatz eines zentral vorgehaltenen KE-Equipments dauerhaft realisierbar ist und die Prozessqualität im Netzwerk die einer abteilungseigenen Bereitstellung erreicht. Die Netzwerkbildung ermöglicht somit eine hochqualifizierte, flächendeckende und ökonomische Versorgung.

Introduction: Capsule endoscopy (CE) is firmly established as a standard procedure in the diagnostic algorithm of mid gastrointestinal (GI) bleeding. Despite its excellent diagnostic yield, missing expertise, reading time and financial expenditure limit an area-wide availability. A multicentric cooperation might compensate these disadvantages. Methods: The CE device was bought by a centrally located hospital (CH). CE-equipment is transported to the network partner (NP) on request and the procedure performed at the spot. Video reading is exclusively done in the CH. Results: Between January 2002 and July 2013, 1026 CE (548 m, 478f; 64 ± 16, 13 – 93 yrs.) were performed within the network. 744/1026 (73 %) CE were done at 17 NP, 282/1026 (27 %) in the CH. Between 2002 (n = 39) and 2012 (n = 136) the annual number of CE increased threefold. Leading indication for CE was suspected mid GI-bleeding (80 %). Mean latencies between requested date and actual examination were less than 24 h and 2 days between CE performance and report. 95 % of the capital investment in each cooperating hospital could be avoided by sharing one workstation within the network. Conclusion: The experience from more than 1000 CE show that long-term multicentric utilization of CE equipment is feasible. Such a network runs at stable procedural quality levels similar to an in-house supply, allows an economic as well as area-wide availability of CE and improves reading expertise by centralized video evaluation.

Einleitung

strument in der Visualisierung der Dünndarmmukosa geworden. Hauptindikation ist die Suche nach Blutungsquellen im mittleren Gastrointestinal (GI)-Trakt. Bei der okkulten oder obskuren GI-

● gastrointestinale Blutung ● Dünndarmblutung ● chronisch entzündliche " "

Darmerkrankung

Key words

● gastrointestinal bleeding ● small intestine bleeding ● chronic inflammatory " " "

disesase

eingereicht 25.1.2014 akzeptiert 9.4.2014 Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1366468 Z Gastroenterol 2014; 52: 1066–1074 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0044-2771 Korrespondenzadresse PD Dr. Michael J. Farnbacher Medizinische Klinik 2, Klinikum Fürth, Akademisches Lehrkrankenhaus der FriedrichAlexander-Universität ErlangenNürnberg Jakob-Henle-Str. 1 90766 Fuerth [email protected]

!

Seit ihrer Einführung im Jahr 2001 ist die Videokapselendoskopie (KE) ein unverzichtbares In-

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Medizinische Klinik 2, Klinikum Fürth, Akademisches Lehrkrankenhaus der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Medizinische Klinik I mit Poliklinik, Universitätsklinik Erlangen, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Originalarbeit

Material und Methodik !

Aufbau und Organisation des Anwendernetzwerkes Die erste Kapselendoskopieeinheit (Computer-Workstation, Software, ein Datenrekorder, wiederaufladbare Batterien und Sensorenfeld [Given imaging®, Yoqneam, Israel]) wurde vom zentralen Krankenhaus (ZK), finanziert durch eine Spende, im Jahr 2002 bereitgestellt. Alle in den Folgejahren verfügbaren technischen Entwicklungen wurden fortlaufend implementiert. Zeitgleich wurden ein Anwendernetzwerk für multizentrische Nutzung des KE-Equipments aufgebaut und Verantwortliche für die Durchführung der Kapselendoskopie im ZK definiert (ärztliche Mitarbeiter für Vorbereitung der KE-Equipments, Auswertung und Befundung der KE; Sekretariat, verantwortlich für Organisation, Kommunikation und logistische Unterstützung der NP sowie ein Kurierdienst für den Transport des Equipments zum NP).

Kapselendoskopie im zentralen Krankenhaus Nach Anforderung der KE über das elektronische Klinik-Informations-System (KIS) und Terminbestätigung durch das KETeam wird die Untersuchung am folgenden Werktag durchgeführt. Die Vorbereitung des Patienten erfolgt entsprechend der klinikweit für jeden Mitarbeiter via Intranet verfügbaren SOP (Standard Operation Procedure: 12 h Fasten, Einnahme von 2 – 3 Liter Dünndarmlavage mit polyethylenglycolhaltiger Lösung am Vorabend der Untersuchung). Nach Durchführung und umgehender Auswertung des Videos wird der Befund ins KIS über-

tragen. Ergänzend archiviert das KE-Team alle KE-Videos und schriftlichen Befunde.

Kapselendoskopie beim Netzwerkpartner Die Untersuchung inkl. Terminwunsch wird vom NP via Fax im Sekretariat des Kapselendoskopieteams angefordert. Auf dem vom ZK dafür bereitgestellten Anforderungsformular werden neben den Daten zur Patientenidentifikation auch die Indikation zur KE und relevante klinische Informationen z. B. Vor- bzw. Begleiterkrankungen, viszerale Voroperationen oder Probenentnahmen bei vorheriger flexibler Endoskopie angegeben. Nach telefonischer Rückbestätigung des Termins wird das mobile Kapselequipment (initialisierter Rekorder, aufgeladene Batterien, Sensorenfeld, Videokapsel) vorbereitet, bruchsicher in einem gepolsterten Koffer verpackt und von einem Kurierdienst zum NP transportiert. Die Kapselendoskopie wird unter Verantwortung des örtlichen geschulten Personals durchgeführt und das Equipment abschließend ins ZK zurückgebracht. Um die korrekte Handhabung auch beim NP sicherzustellen, erhalten alle beteiligten Mitarbeiter der NP initial und fortlaufend bei Veränderungen der Hardware Geräteeinweisungen gemäß Medizingeräteverordnung (MedGV) durch den Hersteller. Unmittelbar nach dem Eintreffen des Kapselequipments im ZK wird das Kapselvideo auf die Workstation heruntergeladen und durch ärztliche Mitarbeiter des Kapselteams analysiert. Trotz der bekannten Limitationen einer softwareassistierten Notfallauswertung werden die Videos, bei denen keine vollständige Auswertung am gleichen Tag erfolgen kann, mittels Quick View und SBI (Suspected Blood Identification) vorab evaluiert [9 – 11]. Im Falle einer aktiven Blutung wird der anfordernde NP umgehend telefonisch informiert. Nach kompletter Auswertung des Videos wird der Befund nach CEST (Capsule Endoscopy Standardized Terminology)-Kriterien [12] erstellt und sowohl via Fax als auch postalisch zugestellt. Dieser Befund enthält neben den Angaben zur KE auch eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen. Auf Anfrage erhält der NP das Video auf CD, um die Untersuchung mit der firmenseits für jeden NP bereitgestellten Lesesoftware selbst zu evaluieren. Kernaufgabe des Kapselteams im ZK ist die zeitnahe Auswertung des Videos. Zusätzlich müssen logistische und organisatorische Aufgaben übernommen werden, um die Verfügbarkeit und Funktionstüchtigkeit des Equipments sicherzustellen, Verbauchsmaterial (vor allem Videokapseln) zu bevorraten, Befunde und Videos zu archivieren und die NP bei Fragen zur Indikation, in der Handhabung oder hinsichtlich diagnostischer oder therapeutischer Folgeeingriffe zu beraten. Außerdem werden vom Kapselteam des ZK jährliche Fortbildungsveranstaltungen angeboten, um wissenschaftliche und technische Weiterentwicklungen im Bereich der Kapselendoskopie zu vermitteln und somit eine äquivalente Qualität der Durchführung unter allen partizipierenden Kollegen sicherzustellen. Auch netzwerkweit standardisierte Reinungsschemata stehen im Fokus der Fortbildungen, da der Reinigungsgrad essenziell für die Aussagekraft der Kapselendoskopie ist [1, 2, 8, 13] und die Lavage in den Verartwortungsbereich der NP fällt. Kernaufgabe des NP ist die Indikation zur Kapselendoskopie zu stellen, das Equipment zu ordern und die Untersuchung vor Ort durchzuführen. Außerdem trägt der NP die Verantwortung für den zeitnahen Rücktransport und die Veranlassung von Folgeein" Abb. 1). griffen (● Allen NP werden vom ZK pro Kapselendoskopie Kosten in Höhe von 1050 € (PillCamSB: 591 € plus 459 € für Transport, Aufwands-

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Blutung wird die KE gegenwärtig von der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Europäischen Gesellschaft für Gastroeintestinale Endoskopie (ESGE) als dritte Untersuchungsmethode empfohlen [1, 2]. Falls die bidirektionale gastrointestinale Endoskopie keine Blutungsquelle identifiziert, ist die KE seit November 2010 in der ambulanten Patientenversorgung bei dieser Indikation eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Obwohl Haemorrhagien des Dünndarms seltene Ereignisse sind und nur 5 % aller GI-Blutungen ausmachen [3], erzeugen sie im Vergleich zur oberen oder unteren GI-Blutung hohe Kosten, vor allem durch repititive Hospitalisierung und endoskopische Untersuchungen sowie durch den erhöhten Transfusionbedarf [4]. Die KE ermöglicht die Identifizierung der Blutungsquelle im Dünndarm in mehr als 60 % der Fälle, unterstützt die Entscheidung zur einer gezielten enteroskopischen, radiologisch interventionellen oder operativen Intervention und hilft so, die Kosten zu limitieren [5 – 8]. Allerdings liegt die Inzidenz der mittleren GI-Blutung nur bei 50 – 150/100 000 Fälle pro Jahr. Somit muss gerade in dünn besiedelten ländlichen Regionen von einer unrentabel geringen Auslastung einer vor Ort aufgestellten KE-Einheit ausgegangen werden. Zusätzlich verhindern die hohen Kosten der Primärinvestition, verbunden mit zeitintensiver Videoauswertung bei mangelnder Erfahrung der Untersucher in Folge niedriger Untersuchungsfrequenzen, eine flächendeckende Verfügbarkeit dieser Technologie. Ziel der Analyse unserer fast 12-jährigen Erfahrungen aus dem KENetzwerk war es zu evaluieren, ob die gemeinschaftliche Nutzung eines zentral bereitgestellten Kapselendoskopieequipments unter ökonomischen Gesichtspunkten langfristig in der Lage ist, diese Nachteile unter Sicherstellung einer Prozessqualität, vergleichbar einer abteilungseigenen Bereitstellung, zu kompensieren.

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Externes Krankenhaus

- Indikationsstellung - Aufklärung - Fax-Anforderung

Terminbestätigung (telefonisch) Zentrales Krankenhaus

Sekretariat Kapselteam: Vorbereitung Equipment

Externer Kurierservice

Externes Krankenhaus

- Lavage - Durchführung der Kapselendskopie - Rücktransport Kapselequipment

Sekretariat

Zentrales Krankenhaus

Kapselteam: Videodownload/Auswertung

Video- und Befund-Archivierung

Befundübermittlung (Fax/Post) Externes Krankenhaus

Abb. 1

Organigramm des Kapselendoskopienetzwerkes.

entschädigung und Amortisation) in Rechnung gestellt. Das Risiko der Refinanzierung aus der G-DRG (German Disease Related Group) bzw. GoÄ (Gebührenordnung Ärzte) trägt der NP.

Ausgewertete Parameter Um den multizentrischen Einsatz der Kapselendoskopie im Netzwerk zu evaluieren, wurden folgende klinische Parameter analysiert: Patientenalter und -geschlecht, Indikation zur KE, pathologische Dünndarmbefunde (Blutungsquellen, Stenosen, entzündliche oder neoplastische Läsionen) und Komplikationen (z. B. Kapselapplikation, Kapselretention, Aspiration, Herzschrittmacherfehlfunktion). Weiterhin wurde die chronologische Entwicklung des Netzwerkes (Untersuchungszahlen im ZK und den NP, Anpassung des Equipments) ermittelt und schließlich die Prozessqualität zwischen dem ZK und den NP verglichen. Zwei wesentliche Qualitätsmerkmale wurden dabei berücksichtigt: Wartezeit zwischen Wunschdatum und tatsächlicher Untersuchung, Zeit zwischen Durchführung der KE und abgeschlossener Befunderstellung.

Statistik Die statistischen Analysen wurden mit SPSS für Windows, Version 11.5.1 vorgenommen. Normalverteilte Daten werden präsentiert als Mittelwert, Standardabweichung (StAbw) und Wertebereich. Die Präsentation von nicht normalverteilten Daten erfolgt als Median (Interquartilsabstand). Statistische Unabhängigkeit zweier qualitativer Parameter wurde mit dem Pearson x2-Test ermittelt – mit Yates‘s Korrektur für Kontinuität falls erforderlich – und mit dem exakten Fisher-Test bei Fallzahlen < 20. Für Vergleich von Gruppen wurden quantitative Daten unter Verwendung des allgemein anerkannten oberen Normalwerts oder Medians dichotomisiert. Der Vergleich von Mittelwerten in paarigen Stichproben erfolgte mit dem Student-t-Test. Statistische Signifikanz wurde bei p < 0,05 angenommen.

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Ergebnisse

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Technische Ergebnisse, Prozessqualität und Entwicklung des Netzwerks Das KE-Netzwerk umfasst 18 Krankenhäuser mit gastroenterologischen Fachabteilungen in einem Radius von 100 Kilometern um das ZK. Die Krankenhäuser stellen im Mittel 245 ± 156 (85 – 706) Betten zur Verfügung. Zwischen Januar 2002 und Juni 2013 wurden netzwerkweit 1026 Patienten (548 M., 478 F.; Alter: 64 ± 16, 13 – 93 Jahre) mittels Kapselendoskopie untersucht. Mehr als zwei Drittel (72,5 %) der KE (744/1026) wurden bei NP, knapp ein " Abb. 2). Die AnDrittel (282/1026; 27,5 %) im ZK durchgeführt (● zahl der jährlichen KE stieg von 6 Untersuchungen im Jahr 2002 auf ein Maxinum von jeweils 137 in den Jahren 2009 und 2010. Nach passagerem Rückgang der Untersuchungszahlen auf 123 im Jahr 2011 erholten sich die Zahlen bereits im Folgejahr mit 136 Kapselendoskopien. Insgesamt wurden die Untersuchungs" Abb. 3). zahlen seit 2003 verdreifacht (● Begonnen wurde das Netzwerk mit nur einem Datenrekorder. Durch rasche Vergrößerung des Netzwerks und zunehmendem Einsatz der Kapselendoskopie kam es jedoch in den ersten Jahren wiederholt zu inakzeptablen Wartezeiten für die NP. Die Anschaffung weiterer Rekorder in den Jahren 2003, 2006 und 2009 ermöglichte jeweils einen überproportionalen Anstieg der Untersuchungszahlen (2003: 4 auf 39 (875 %); 2006: 48 auf 81 (69 %) und 2009: 108 auf 137 (29 %)) durch Optimierung der Verfügbarkeit des Kapsel" Abb. 3). Heute verfügt das Netzwerk über 4 bauequipments (● gleiche Rekordersysteme, die im Regelfall eine Kapselendoskopie am Tag nach Eingang der Anforderung sicherstellen. Über den gesamten Beobachtungszeitraum konnte das Wunschdatum für die KE in 86 % der Fälle erfüllt werden (884/1026). Daraus ergibt sich eine mediane Wartezeit von < 24 h (< 24h–5 d) Tagen. Die Wartezeiten zwischen Wunschdatum und tatsächlicher Durchführung

Abb. 2 Kapselendoskopien (2002 – 2013) im Zentralkrankenhaus und bei 17 Netzwerkpartnern. ZK: Zentrales Krankenhaus; NP: Netzwerkpartner, Nummer des NP, Anzahl KE; KE: Kapselendoskopie.

Abb. 3 Chronologische Entwickung der Untersuchungszahlen (2002 – 2013). ZK: Zentrales Krankenhaus; NP: Netzwerkpartner; KE: Kapselendoskopie; *: Jan. – Juni 2013.

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der Kapselendoskopie lagen sowohl bei NP als auch im ZK unter 24 Stunden, jedoch ZK mit 0 ± 0,06 (0 – 1) d etwas niedriger als " Abb. 4). bei den NP mit 0,29 ± 0,78 (0 – 5) d (p < 0,001, ●

!

Originalarbeit

Abb. 4 Arbeitstage zwischen Wunschdatum und Durchführung der KE (2002 – 2013). ZK: Zentrales Krankenhaus; NP: Netzwerkpartner; KE: Kapselendoskopie.

Abb. 5 Arbeitstage zwischen Kapselendoskopie und Befundung (2002 – 2013). 0: Befundung am Untersuchungstag; ZK: Zentrales Krankenhaus; NP: Netzwerkpartner.

Zwischen der Durchführung der Kapselendoskopie und der abgeschlossenen Befunderstellung lagen im Median 2 (0 – 13) Tage. Dabei war die Zeit bis Befunderstellung im ZK mit durchschnittlich 2,17 ± 1,84 (0 – 13) Tagen geringfügig kürzer als bei Auswer" Abb. 5). tung für NP mit 2,66 ± 1,71 (0 – 12) Tagen (p < 0,001) (● Eine notfallmäßige Auswertung unmittelbar nach Eintreffen des Equipments erfolgte sowohl für das ZK als auch für NP nur in Ausnahmefällen (8/1026; 0,78 %). Bezogen auf das jeweilige Jahresmittel fanden sich im gesamten Beobachtungszeitraum keine signifikanten Unterschiede in der Bereitstellungs- und Befundungszeit. Die Anzahl der aktiven Netzwerkpartner stieg von vier im Gründungsjahr des Netzwerks auf ein Maxiumum von 15 im Jahr

2010. Inzwischen verließen zwei Partner nach Anschaffung einer eigenen Kapselendoskopieeinheit das Netzwerk. Zwei weitere Partner verließen den Verbund, nachdem sie ökonomisch Teil einer Krankenhausholding wurden, die über eine eigene Kapselendoskopieworkstation verfügt. Insgesamt wurden im gesamten Beobachtungszeitraum pro Jahr 85,5 ± 44,06 (6 – 137) KE und pro NP 57,0 ± 67,05 (1 – 282) KE durchgeführt. Somit wurden im Mittel 7,2 KE pro NP pro Jahr vorgenommen. Die Anzahl der KE korrelierte signifikant mit der Größe des anfordernden Krankenhauses gemessen an der bereitgestellten Bettenzahl (Korrelationskoeffizient: 0,767, p < 0,001).

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Indikationen zur Kapselendoskopie

Läsionen in 16/1026 (1,6 %) und Zottenatrophie als Hinweis auf " Tab. 2). Zöliakie in 14/1026 der Fälle (1,4 %) (● Neben Befunden im Dünndarm wurden weitere Pathologien im Ösophagus, Magen und Kolon in 235/1026 Untersuchungen (22,9 %) detektiert. Magenerosionen waren dabei mit (165/1026; 16,1 %) am häufigsten, gefolgt von suspekter Barrett-Mukosa (5/ 1026; 0,5 %) und erosiven Refluxläsionen (11/1026; 1,1 %), Ulcera ventriculi (24/1026; 2,3 %), Angiodysplasien in Magen (8/1026; 0,8 %) oder Zäkum (5/1026; 0,5 %) sowie frisches Blut im Magen (13/1026; 1,3 %) oder Kolon (7/1026; 0,7 %). Komplett unauffällige Kapselendoskopien fanden sich in 150/1026 (14,6 %) der Fälle, ein singulärer Befund wurde in 312/1026 KE (30,4 %) festgestellt. In allen übrigen 564 KE (55,0 %) wurden mindestens zwei Befunde erhoben. Daher übersteigt die Befundzahl die Anzahl der Kapselendoskopien.

Während des gesamten Beobachtungszeitraums und unabhängig vom Netzwerkpartner war der Verdacht auf mittlere gastrointestinale Blutung die führende Indikation zur Kapselendoskopie in 809/1026 Fällen (78,9 %). Die Suche nach Neoplasien im Dünndarm (n = 104; 10,2 %), Verdacht auf Morbus Crohn (n = 63; 6,1 %), Bauchschmerzen (n = 37; 3,6 %) oder andere Indikationen (n = 13; " Tab. 1). 1,3 %) waren dagegen unterrepräsentiert (●

Klinische Ergebnisse Die Magentransitzeit lag im Median bei 67 (1 – 563) Minuten. Der Dünndarm wurde in 859/1026 (83,7 %) Untersuchungen komplett abgebildet. Die Dünndarmpassage dauerte durchschnittlich 250 ± 99 (12 – 710) Minuten. Bei kompletter Dünndarmdarstellung lag die Magentransitzeit bei 23 (1 – 452) vs. 52 (1 – 563) Minuten in Fällen mit inkompletter Abbildung des Dünndarms. Dabei war die Rate kompletter Dünndarmdarstellungen bei einer Pyloruspassage nach ≤ 60 Minuten signifikant höher als bei längerer Magentransitzeit (90 % vs. 75 %, p < 0,001). Insgesamt wurden 1221 pathologische Befunde im Dünndarm festgestellt. Potenzielle Blutungsquellen wie Angiodysplasien (341/1026; 33,2 %), Dünndarmulzera (104/1026; 10,1 %) und Erosionen (419/1026; 40,8 %) waren die häufigsten Befunde, während akute Blutungen unterrepräsentiert waren (106/1026; 10,3 %). Zusätzlich fanden sich neoplasieverdächtige Läsionen in 39/1026 (3,8 %), Polypen in 98/1026 (9,5 %), Dünndarmdivertikel in 29/1026 (2,8 %), Strikturen in 55/1026 (5,3 %), crohntypische

Kapselapplikation, Komplikationen und besondere Fälle Die meisten Patienten (1008/1026; 98,2 %) waren in der Lage, die Kapsel zu schlucken, nur in Ausnahmefällen 18/1026 (1,8 %) musste die Videokapsel endoskopisch platziert werden (bei Zustand nach BII-Magenresektion (n = 4) oder Whipple‘scher Operation (n = 1), bei partiellem Thoraxmagen (n = 2), Kapselretention im Ösophagus (n = 5) oder Magen (n = 5) bzw. lumenobstruierendem Duodenaladenom (n = 1). Die Videokapsel wurde in einem Fall aspiriert (0,09 %) jedoch unmittelbar danach ausgehustet und erneut auf natürlichem Weg geschluckt.

Indikationen zur Kapselendoskopie (2002 – 2013).

Jahr

2002

2003

2004

2005

2006

2007

V. a. MGI -Blutung

4

26

33

36

63

81

2

2008

Σ

2012

20131

98

106

54

809 104

2009

2010

2011

91

114

103

V. a. DD-NPL 3



6

6

4

12

6

5

14

12

12

18

9

V. a. CED 4

1

5

3

3

1

8

9

4

14

8

7



63

unkl. Bauchschmerz

1

2

2

5

4

2

1

4

7

3

2

4

37

andere









1

2

2

1

1

2

3

Gesamtzahl

6

39

44

48

81

99

108

137

137

123

136

1

13

68

1026

1

Januar–Juni 2013. MGI-Blutung: mittlere gastrointestinale Blutung. 3 DD-NPL: Dünndarmneoplasie. 4 CED: chronisch entzündliche Darmerkrankung. 2

Tab. 2

Kapselendoskopische Dünndarmbefunde (2002 – 2013).

Jahr

2002

2003

2004

2005

2006

sichtbares Blut



5

10

8

14

Angiodysplasie



12

23

17

Erosion

2

16

20

Ulzeration

1

5

Polyp



13

Dünndarm-NPL 2



CED 3-Läsion

2010

22

7

11

4

11

12

2

34

45

45

35

39

32

38

21

341

29

29

44

32

64

57

40

59

27

419

2

6

6

16

10

15

15

17

6

5

104

3

6

8

9

7

10

14

8

14

6

98

2



1

1

5

1

4

8

6

8

3

39

1



1

1

1

1

1

3

3



4



16

Zottenatrophie



2



1

1



1

6

1



2



14

Dünndarmstriktur



4

2

2

3

7

2

11

11

5

8



55

Phlebektasie

1

6

12

7

10

4

10

10

8

3

2



73

Lymphangiektasien

2

23

30

25

45

52

43

57

57

31

46

30

441



10

4

7

98

107

7

19

14

110

171

219

2

16

12

161

242

229

8 161

2012

Σ

2009

Gesamtzahl

2011

20131

2008

lymphat. Hyperplasie

2007

8 207

106

1

101

95

1807 4

1

Januar–Juni 2013. NPL: Neoplasie. 3 CED: chronisch entzündliche Darmerkrankung. 4 Durch das Auftreten mehrerer unterschiedlicher Befunde pro Video liegt die Anzahl der Befunde über der der Kapselendoskopien. 2

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Tab. 1

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1072

Eine Kapselretention im Magen während der gesamten Übertragungszeit ereignete sich in 18/1026 (1,8 %) Fällen. Eine Retention im Dünndarm (n = 5, 0,05 %) erfolgte in zwei Fällen in Folge einer Neoplasie und in drei Fällen durch postentzündliche benigne Stenosen. Insgesamt mussten vier retinierte Videokapseln operativ entfernt werden, bei einem Patienten gelang eine endoskopische Bergung mittels Push-and-Pull-Enteroskopie. Sechs Herzschrittmacherpatienten (0,6 %) wurden unter kontinuierlicher EKG-Kontrolle untersucht. Bei keinem Patienten kam es zu einer Störung der Schrittmacherfunktion oder der Bildübertragung der Videokapsel.

Finanzierungsplan !

Die Primärinvestition (Kapselendoskopiearbeitsplatz bestehend aus PC, Software, Monitor, Drucker, Rekorder incl. Tragetasche, Sensorenfeld/Gürtel, Transportkoffer) beträgt derzeit 37 658 € (Listenpreis incl. 19 % MwSt.). Die Umsatzsteuer ist bei der Finanzierung zu berücksichtigen, da Krankenhäuser aus Investitionen im Heilhandlungsbereich keinen Vorsteuerabzug geltend machen können. Bei Finanzierung mittels Investitionskredit ist gegenwärtig eine jährliche Zinsbelastung von ca. 2,75 % zu erwarten. Daraus ergibt sich ein anfänglicher jährlicher Zinsaufwand von 1036 €. Bei einer Laufzeit des Kredites von 5 Jahren (analog AfA-Tabelle [Abschreibung für Abnutzung] des Bundesministeriums der Finanzen Gesundheitswesen; Nr. 29: Lineare Abschreibung für Endoskopiegeräte über 5 Jahre) müssen jährlich zusätzlich 20 % des Kaufpreises getilgt werden. Somit erreichen die Kosten für einen Kapselendoskopiearbeitsplatz ein Gesamtvolumen von 8568 € pro Jahr. Bei einem Erlös von 1050 €, durchschnittlichen Transportkosten von 54 € für das Kapselequipment und einem Kapselpreis von derzeit 606 € entsteht pro KE-Untersuchung ein Gewinn von 390 €. Um eine Deckung der Finanzierungskosten zu erzielen, wären demnach 22 Kapselendoskopien " Tab. 3). Im beschriebenen Kapselendopro Jahr erforderlich (● skopienetzwerk wurden im Mittel 7 KE pro Netzwerkpartner durchgeführt. Unter diesen Bedingungen ist Kosteneffizienz eines KE-Netzwerkes bereits zu erwarten, wenn dem Netzwerk neben dem ZK zwei bis drei aktive NP angehören.

Diskussion !

Zweifellos hat die Kapselendoskopie seit ihrer Einführung im Jahr 2001 die Diagnostik des Dünndarms revolutioniert. Trotz des exzellenten klinischen Stellenwertes führen hohe Anschaffungskosten in Zeiten extremen Kostendruckes in der ambulanten und stationären Patientenversorgung, zeitintensive Auswertung und daraus resultierende fehlende Expertise zu einer mangelhaften flächendeckenden Verfügbarkeit. Überdies erzeugen durch

Erfahrungsmangel hervorgerufene zweifelhafte oder verzögerte Befunde mit konsekutiven diagnostischen oder therapeutischen Eingriffen vermeidbare Kosten. Dieser Circulus vitiosus kann durch Steigerung der Untersuchungszahl durchbrochen werden, da die Primärinvestition schneller amortisiert wird, die Erfahrung der Untersucher steigt und sich folglich Lesegeschwindigkeit und Validität des Befundes verbessern. Gemäß der Europäischen Leitlinie [2] war auch in der vorliegenden Studie die vermutete mittlere gastrointestinale Blutung mit 80 % die häufigste Indikation zur Kapselendoskopie. Dünndarmhämorrhagien sind jedoch gegenüber oberer und unterer GIBlutung seltene Ereignisse, sodass die Anschaffung einer Kapselendoskopieeinheit vor allem für kleine Krankenhäuser unwirtschaftlich ist [3]. In der vorliegenden Studie wurden im Durchschnitt nur 7 KE-Untersuchungen pro Netzwerkpartner pro Jahr durchgeführt, wobei die Untersuchungszahlen mit der Bettenzahl der Krankenhäuser signifikant korrelierte. Berücksichtigt man den vorgeschlagenen Finanzierungsplan, wäre bezogen auf das Untersuchungsaufkommen bei keinem Netzwerkpartner die Primärinvestition ökonomisch sinnvoll gewesen. Selbst für das ZK, das im Beobachtungszeitraum mit durchschnittlich 23 KE/Jahr die höchste Untersuchungsfrequenz aufwies, ist die Anschaffung einer Kapselendoskopieeinheit durch die grenzwertige Kostendeckung ökonomisch fragwürdig. Erst im Netzwerk führt die dadurch erhöhte Auslastung des KE-Arbeitsplatzes zu dauerhafter Kosteneffizienz. Daher wurde, um die Untersuchungsfrequenz zu steigern, im Jahr 2002 ein deutschlandweit in Aufbau und Größe bis heute einzigartiges Netzwerk für die gemeinsame Nutzung einer Kapselendoskopieeinheit gegründet. Seitdem stieg die Anzahl der KE-Untersuchungen dramatisch und verdreifachte sich zwischen 2003 und 2011. Die steigende Anzahl an Netzwerkpartnern von drei im Gründungsjahr 2002 bis auf ein Maximum von 15 im Jahr 2009 führte zusammen mit dem zunehmenden medizinischen Bewusstsein für dieses neue Untersuchungsverfahren zu inakzeptablen Wartezeiten auf einen Untersuchungstermin. Durch die mehrfache Anschaffung weiterer Recorder konnten die Wartezeiten reduziert und die Untersuchungszahlen schrittweise auf ein zuletzt stabiles Niveau von 120 – 140 Untersuchungen pro Jahr angehoben werden. Da sich Angebot und Nachfrage gleichsinnig entwickelten, konnten über ein ganzes Jahrzehnt ohne signifikante Unterschiede die gewünschten Untersuchungstermine in fast 90 % der Fälle eingehalten werden. Die Auswertung des Kapselvideos und die Befunderstellung waren im gesamten Beobachtungszeitraum im Median innerhalb von 2 Tagen abgeschlossen. Aufgrund der Transportzeit des Kapselequipments zum NP war das Intervall zwischen Kapseldurchführung und Befunderstellung bei NP um einen Tag länger als im ZK. Insgesamt demonstieren unsere Ergebnisse, dass die Kapselendoskopie netzwerkweit mit einer Prozessqualität angeboten werden kann, die zu einer kompletten

€ Gründungskosten (KE-Arbeitsplatz incl. MwSt.)

37 658

Finanzierungskosten (Investitionskredit, Laufzeit 5 Jahre)

1

Tilgungskosten p. a.

7532

Zinsaufwand p. a. (anfänglich) bei 2,75 %

1036

Gesamtkosten p. a.

8568

Ertrag (390 €/KE) bei 22 KE p. a.

8580

KE: Kapselendoskopie, p. a.: per anno.

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Tab. 3 Finanzierungsplan Kapselendoskopie im Netzwerk. 1

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Abwicklung im eigenen Haus äquivalent ist. Durch die gemeinschaftliche Nutzung der zentralen KE-Einheit wurde die Primärinvestition für eine separate Anschaffung eigener Kapselendoskopiestationen bei 17 Netzwerkpartnern vermieden und allein dadurch 95 % der Kosten eingespart. Bezogen auf die 500 in der BRD installierten KE-Einheiten bestünde durch die Einrichtung derartiger Netzwerke offensichtlich ein erhebliches Einsparungspotenzial ohne Einbußen in der flächendeckenden Versorgung mit moderner Dünndarmdiagnostik. Die klinischen Ergebnisse der netzwerkweit mehr als 1000 durchgeführten Kapselendoskopien sind vergleichbar mit den zuvor veröffentlichten Daten. Über den gesamten Betrachtungszeitraum waren neben der vermuteten mittleren GI-Blutung als häufigste Indikation zur KE die Suche nach Tumoren des Dünndarms oder nach Zeichen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen vergleichsweise seltene Indikationen. Bezogen auf die Hauptindikation fanden sich in Übereinstimmung zu bereits publizierten Daten [8] potenzielle Blutungsquellen in 60 % der Fälle, wobei aktive Blutungen durch Einhaltung des allgemein anerkannten diagnostischen Algorithmus (KE erst nach bidirektionaler flexibler Endoskopie) selten detektiert wurden [2, 14]. Malignomsuspekte Dünndarmläsionen waren ähnlich kleineren Patientenkollektiven nur Ausnahmen [16, 17]. Die Kapselretentionsrate im Dünndarm war mit 0,05 % günstiger als bisher publiziert [18]. Nur in einem Fall kam es zu einer Kapselaspiration. Wie vorbeschrieben, fanden auch in unserem Patientenkollektiv keine Störungen der Herzschrittmacherfunktion bzw. der Bildübertragung durch elektromedizinische Implantate statt [19]. Insgesamt darf die Kapselendoskopie somit auch in einem sehr großen unselektierten Patientenkollektiv und unter Netzwerkbedingungen als sichere diagnostische Methode gelten. Fast alle Patienten (98 %) konnten die Kapsel oral einnehmen. Eine komplette Dünndarmdarstellung wurde, wie in internationaler Datenlage vorbeschrieben, in mehr als 80 % erreicht [18], bei einer Magentransitzeit von höchstens 60 Minuten allerdings signifikant häufiger als bei verzögerter Magenentleerung. Daher wurde im ZK ein Überwachungsalgorithmus eingeführt, bei dem die Position des Kapselendoskops nach 60 Minuten mittels Realtime-Viewer überprüft wird. Befindet sich die Kapsel noch nicht im Dünndarm, wird die Propulsion durch Gabe von Metoclopramid und Rechtsseitenlagerung des Patienten unterstützt. Kommt es nach weiteren 30 Minuten nicht zur Pyloruspassage, erfolgt die endoskopische Platzierung der Kapsel ins Duodenum. Seit Einführung dieses Algorithmus konnte eine inkomplette Dünndarmdarstellung vollständig vermieden werden. Die neueste Kapselgeneration (PillCam SB3) hat eine größere Batteriekapazität, sodass Übertragungszeiten von 12 – 13 Stunden regelmäßig erreicht werden. Ob ein Überwachungsalgorithmus wie oben beschrieben unter diesen Bedinungen entbehrlich ist, muss noch überprüft werden.

Vergleichbare Organisationsstrukturen und vertragsrechtliche Aspekte Ein Kapselnetzwerk basierend auf einer identischen Organisationsstruktur existiert zurzeit nur in einer weiteren Großklinik in Südbayern. Als Besonderheit erfolgt dort eine Vorauswertung der Videos durch zwei erfahrene Endoskopiefachschwestern. Die dabei festgehaltenen Bilder werden anschließend nach dem Vieraugenprinzip von einem ärztlichen Mitarbeiter des Kapselteams bewertet und der schriftliche Befund erstellt. Außer der in unserem Netzwerk umgesetzten Kooperation zwischen stationären medizinschen Einrichtungen sind in der

BRD auch Kapselendoskopienetzwerke unter Vertragsärzten, aber auch zwischen Vertragsärzten und Krankenhäusern in verschiedenen Rechtsformen möglich. Vertragsärzte untereinander können dazu eine Organisations- (z. B. Apparate-) gemeinschaft, eine (überörtliche) Berufsausübungsgemeinschaft (auch KV-übergreifend) oder ein Medizinisches Versorgungszentrum bilden. Kapselendoskopiekooperationen von Vertragsärzten mit Krankenhäusern sind dagegen in Form des Belegarztwesens, als Konsiliardienst, durch die Teilanstellung eines Krankenhausarztes in der Vertragsarztpraxis bzw. vice versa oder nur in der gemeinschaftlichen Nutzung der Kapselendoskopieeinheit mit Bereitstellung in der Vertragsarztpraxis oder im Krankenhaus möglich. Berufsrechtlich ist jedoch zu beachten, dass die Leistungen nur an der von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) genehmigten Orten erbracht werden dürfen, die Präsenz des Vertragsarztes am Hauptsitz gesichert (≥ 20 h/Woche) und die Freiberuflichkeit des Vertragsarztes gewahrt wird, bidirektionale Zuweisungen gegen Entgelt ausgeschlossen und bei Anstellung von Ärzten die Qualifikationen für die zu erbringende Leistung sichergestellt werden. Beispielhaft für eine solche sektorenübergreifende Kooperation ist eine Facharztpraxis in Rheinland-Pfalz, der es über die Bildung einer Berufsausbildungsgemeinschaft mit einer weiteren gastroenterologischen Praxis und einem Konsiliardienstvertrag mit 2 Krankenhäusern im Umkreis von insgesamt 200 Kilometern gelungen ist, ein Kapselendoskopienetzwerk aufzubauen, das mehrere Kooperationsmodelle und Rechtsformen vereint. Mit fast 100 Untersuchungen pro Jahr erreicht dieser Verbund – unter Ausnutzung von Syergieeffekten aus ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen – ähnliche Dimensionen wie das von den Autoren vorgestellte Netzwerk ausschließlich stationärer Einrichtungen (persönliche Mitteilung).

Zusammenfassung !

Die Videokapselendoskopie kann in einem Netzwerk auch über einen langen Zeitraum mit stabiler Prozessqualität äquivalent zu einer abteilungseigenen KE-Einheit angeboten werden. Mit einem Kozept, bei dem die Patienten dezentral untersucht, das Video jedoch zentral ausgewertet wird, ergeben sich drei wesentliche Vorteile: In erster Linie gewinnt der Patient, der vor Ort sorgfältig durch ihm bekanntes medizinisches Fachpersonal untersucht wird. Der Netzwerkpartner kann sein diagnostisches Angebot unter Vermeidung eines finanziellen Risikos erweitern. Das zentrale Krankenhaus gewinnt infolge steigender Untersuchungszahlen an Erfahrung in der Kapselauswertung, der eine Beschleunigung und qualitative Verbesserung der Auswertung folgt. Zusätzliche Einnahmen durch KE-Untersuchungen der Netzwerkpartner erleichtern außerdem die Amortisierung der Primärinvestition. Kapselendoskopienetzwerke unterschiedlicher Rechtsformen sind ermutigende Beispiele, wie eine flächendeckende Versorgung mit moderner medizinischer Technologie unter Berücksichtigung ökonomischer, logistischer und qualitativer Aspekte erfolgreich realisiert werden kann. Interessenkonflikt: PD Dr. Farnbacher erhält gelegentliche Referentenhonorare der Firma Given Imaging.

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[Capsule endoscopy in a supra-regional network corporation: experience in more than 1000 cases].

Capsule endoscopy (CE) is firmly established as a standard procedure in the diagnostic algorithm of mid gastrointestinal (GI) bleeding. Despite its ex...
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