Oncol Res Treat 2015;38(suppl 3):12 DOI: 10.1159/000381374

Published online: April 28, 2015

Krebsfrüherkennung – Sinn oder Unsinn? Alexander Katalinic  Universitätsklinikum Schleswig Holstein, Lübeck, Deutschland

Trotz der diagnostischen und therapeutischen Fortschritte in der Onkologie bilden maligne Tumorerkrankungen immer noch die zweithäufigste Todesursache nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland. Derzeit erkranken hierzulande jährlich rund 480 000 Menschen neu an Krebs, während die Anzahl der krebsbedingten Todesfälle bei 210 000 liegt [1]. Die bevölkerungsmedizinische Relevanz von Krebssterblichkeit zeigt sich vor allem beim Sterbealter, welches mit 72,8 Jahren etwa 4,5 Jahre niedriger liegt als in der allgemeinen Bevölkerung (Todesursachenstatistik 2010). Gegenüber der allgemeinen Lebenserwartung gehen durch die Tumorerkrankung also wertvolle Lebensjahre verloren [2]. Als Erkrankung, die vor allem Ältere betrifft, wird die Anzahl an Krebs­ erkrankungen durch die demografische Entwicklung hierzulande weiter ansteigen. Bei vielen Krebserkrankungen kann durch Primärprävention nur ein geringer Teil der Erkrankungsfälle verhindert werden. Bei Krebserkrankungen wie z.B. dem Brustkrebs scheint daher eine ­Sekundärprävention sinnvoll. Dazu werden Filtertests (ScreeningUntersuchungen wie die Mammographie) angewandt, um die asymptomatischen, überwiegend gesunden Personen in Gruppen mit hoher und niedriger Erkrankungswahrscheinlichkeit aufzuteilen. Ob die Zielerkrankung wirklich vorliegt, zeigt dann erst die weitergehende Diagnostik. Dem Ziel des Screenings, Tumore in einem frühen, heilbaren Stadium zu entdecken, stehen unerwünschte Wirkungen entgegen, die in der Regel Gesunde betreffen: falsch positive Befunde und Überdiagnosen mit der Folge von zusätzlichen unnötigen Untersuchungen bis hin zu Übertherapien. Seit 1974 wurden verschiedene Untersuchungen zur Früherkennung von Karzinomen als Kassenleistung eingeführt, darunter für Zervix-, Darm-, Brust- und Hautkrebs. Diese Angebote werden über die Krebsfrüherkennungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) geregelt. In den letzten 10 Jahren lässt sich eine zunehmend kritische Diskussion zum Stellenwert von Früherkennungsprogrammen beobachten. Das Schadenspotenzial von Screening-Untersuchungen wird immer stärker wahrgenommen

und oftmals selektiv hervorgehoben. Dabei zeigen Beispiele wie der in den 1970er-Jahren eingeführte PAP-Test (Zervixkarzinom) oder der Test auf okkultes Blut im Stuhl (Darmkrebs), wie einfache, nur wenig belastende Untersuchungen zu einer belegten Senkung der Sterblichkeit führen können. Für das wenig belastende HautkrebsScreening existieren ebenfalls Hinweise auf eine Mortalitätsreduktion. Die Analyse eines Modellprojekts, das vor der flächendeckenden Einführung des Hautkrebs-Screenings in Schleswig-Holstein bereits 2003/2004 durchgeführt wurde, zeigte eine Halbierung der melanom-assoziierten Mortalität [3]. Beim Mammographie-Screening ist eine Mortalitätsreduktion gut belegt, dennoch wird hier intensiv diskutiert, ob potenzielle Schäden wie Überdiagnosen oder falsch positive Befunde den Nutzen überwiegen. Solche Diskussionen über Sinn und Unsinn bzw. Nutzen und Schaden der Früherkennung sind wichtig und sollten in der Zukunft zu einer verbesserten Information der Bevölkerung hin zu einer informierten Entscheidung für oder gegen eine Früherkennung führen. Disclosure Statement Der Autor war Referent beim «5. Interdisziplinären Expertenforum», das von Bristol-Myers Squibb unterstützt wurde.

Kernpunkte • Der Erfolg einer Krebsfrüherkennungsmaßnahme hängt von verschiedenen Faktoren ab, die von der Sensitivität/Spezifität des Testverfahrens über die Qualität der Durchführung und Akzeptanz in der Zielgruppe bis hin zu den Interventionsmöglichkeiten in der Sekundärprävention reichen. • Bislang ist die Datenlage zu den verfügbaren Screening-Programmen noch limitiert. Eine differenzierte Beratung und Aufklärung sollte die adäquate Einordnung von möglichem Nutzen und Schaden einer Früherkennung ermöglichen.

  1 Zentrum für Krebsregisterdaten: Krebsarten, Krebs gesamt. www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/­ Krebs_gesamt/krebs_gesamt_node.html (Zugriff 04.03.15).

© 2015 S. Karger GmbH, Freiburg 2296–5270/15/3815–0012$39.50/0 Fax +49 761 4 52 07 14 [email protected] www.karger.com

Accessible online at: www.karger.com/ort

 2 Nach Zahlen aus der Gesundheitsberichtserstattung des Bundes. www.gbe-bund.de (Zugriff 04.03.2015).

 3 Katalinic A, Waldemann A, Weinstock MA, et al.: Does skin cancer screening save lives? Cancer 2012; 118: 5395–5402.

Downloaded by: U.A.E. University 149.126.78.1 - 1/26/2016 10:17:41 PM

Literatur

[Cancer screening-- sense or nonsense?].

[Cancer screening-- sense or nonsense?]. - PDF Download Free
60KB Sizes 2 Downloads 8 Views