review Wien Med Wochenschr (2014) 164:363–371 DOI 10.1007/s10354-014-0294-9

Bullöses Pemphigoid – Diagnostik und Therapie Andrea Kneisel · Michael Hertl

Eingegangen: 2. April 2014 / Angenommen: 25. Juni 2014 / Online publiziert: 31. Juli 2014 © Springer-Verlag Wien 2014

Zusammenfassung  Das bullöse Pemphigoid ist die häufigste blasenbildende Autoimmundermatose und kommt vor allem im höheren Lebensalter vor. Klinisch zeigen sich pralle Blasen und ekzematöse Hautveränderungen bei starkem Juckreiz. Die Gruppe der Pemphigoiderkrankungen umfasst z.  B. Schleimhautpemphigoid, Pemphigoid gestationis und lineare IgA-Dermatose. Die Diagnosestellung erfolgt durch Immunfluoreszenzuntersuchungen sowie Bestätigungstests (ELISA, Immunoblot). Das klassische bullöse Pemphigoid weist IgG-Autoantikörper gegen BP180 sowie BP230 auf. Therapeutisch werden topische und ggf. systemische Kortikosteroide und adjuvante Immunsuppressiva eingesetzt. Schlüsselwörter  Autoantikörper  · blasenbildende Autoimmundermatose · Blasen · bullöses Pemphigoid · dermoepidermale Junktionszone  · Pemphigoiderkrankungen   · Schleimhautpemphigoid  · Pemphigoid gestationis   · AntiLaminin-γ1-pemphigoid  · lineare IgA-Dermatose  · Lichen planus pemphigoides · direkte Immunfluoreszenzuntersuchung · indirekte Immunfluoreszenzuntersuchung · Affen-

Dr. med. A. Kneisel () Praxis Dr. M. Herbst & Kollegen, Rheinstraße 7–9, 64283 Darmstadt, Deutschland E-Mail: [email protected] Dr. med. A. Kneisel Klinik für Dermatologie und Allergologie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg Baldingerstraße, 35043 Marburg, Deutschland Prof. Dr. med. M. Hertl Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg Baldingerstraße, 35043 Marburg, Deutschland E-Mail: [email protected]

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ösophagus  · humane Kochsalzspalthaut  · ELISA  · Immunoblot  · Immunpräzipitation  · BP180  · BP230  · topische Kortikosteroide  · systemische Kortikosteroide · Azathioprin · Mycophenolat Mofetil · Dapson · Methotrexat · Ciclosporin · Cyclophosphamid - hochdosierte, intravenöse Immunglobuline · Rituximab · Immunadsorption  · PlPlasmapherese · Plasmapherese · monoklonale Anti-IgE-Antikörper

Bullous pemphigoid: diagnosis and therapy Summary  Bullous pemphigoid is the most common autoimmune bullous skin disease which occurs more often at higher age. Clinically it presents with tense blisters and eczematous lesions combined with severe pruritus. The pemphigoid-like diseases include mucous membrane pemphigoid, pemphigoid gestationis and linear IgA disease. Diagnosis is based on immunofluorescence microscopy and confirmatory tests (ELISA, immunoblotting). Classical bullous pemphigoid presents with IgG autoantibodies against BP180 and BP230. Treatment includes topical and systemic corticosteroids and adjuvant immunosuppressants. Keywords  Autoantibodies  · Autoimmune bullous skin dermatoses  · Blisters  · Bullous pemphigoid  · Dermalepidermal junction  · Pemphigoid-like diseases  · Mucous membrane pemphigoid  · Pemphigoid gestationis  · AntiLaminin-γ1-pemphigoid · Linear IgA disease · Lichen planus pemphigoides  · Direct immunofluorescence microscopy · Indirect immunofluorescence microscopy · Monkey oesophagus  · Human salt split skin  · ELISA  · Immunoblotting  · Immunoprecipitation  · BP180  · BP230  · Topical corticosteroids  · Systemic corticosteroids  · Azathioprine  · Mycophenolic acid  · Dapsone  · Methotrexate  · Cyclosporine · Cyclophosphamide · High-dose intravenous immunoglobulins  · Rituximab  · Immunoadsorption  · Plasmapheresis · Monoclonal anti-IgE antibodies

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review Einleitung Das bullöse Pemphigoid (BP) ist die häufigste blasenbildende Autoimmundermatose in Mitteleuropa. Der Name setzt sich zusammen aus dem lateinischen Wort bulla sowie dem griechischen Wort pemphix, was beides „Blase“ bedeutet. Während in der Vergangenheit pemphix als Überbegriff für Hauterkrankungen diente, die ungeachtet der Ätiologie mit Blasenbildung einhergingen, wird es heute vornehmlich im Zusammenhang mit blasenbildenden Autoimmundermatosen verwendet. Sie stellen eine Gruppe klinisch heterogener Krankheitsbilder dar, die meist schwere, chronische Verläufe aufweisen. Pathogenetisch ist allen Vertretern gemeinsam, dass es durch die Bildung von zirkulierenden Autoantikörpern gegen Strukturproteine der Haut zu einem Adhäsionsverlust kommt. Klinisch imponieren Blasen, Krusten und Erosionen der Haut und Schleimhäute. Je nach Lage der Zielantigene unterscheidet man zwischen Erkrankungen, bei denen ein intraepidermaler Adhäsionsverslust vorliegt (Pemphigusgruppe), und solchen mit subepidermalem Adhäsionsverlust (Pemphigoidgruppe, Epidermolysis bullosa aquisita, Dermatitis herpetiformis). Das bullöse Pemphigoid ist der wichtigste Vertreter der Erkrankungen mit subepidermalem Adhäsionsverlust und wurde erstmals im Jahre 1953 durch Lever von

den Pemphiguserkrankungen abgegrenzt [1]. Die Inzidenz liegt in Mitteleuropa bei 12–13 Fällen pro 1.000.000 Einwohner pro Jahr [2–4]. Es ist vor allem eine Erkrankung des höheren Lebensalters [2, 5], jedoch kommen auch kindliche Formen vor. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung weisen Patienten mit bullösem Pemphigoid eine erhöhte Mortalitätsrate auf [6]. Besonders gefährdet sind Patienten höheren Alters, mit niedrigem KarnofskyIndex, Begleiterkrankungen (v.  a. Herzinsuffizienz und neurologische Grunderkrankungen), unter Therapie mit systemischen Glukokortikoiden sowie bei Hypoalbuminämie [7, 8]. Zusätzlich ist eine Assoziation zwischen der Inzidenz des bullösen Pemphigoid und neurologischen Grunderkrankungen sowie der Einnahme bestimmter Medikamente (u.  a. Diuretika und Neuroleptika) beschrieben, über weitere mögliche Auslösefaktoren (u. a. UV-Licht, Strahlentherapie) wurde berichtet [9–12]. Der Zusammenhang zwischen bullösem Pemphigoid und Malignomen wird diskutiert, ließ sich jedoch bisher in großen Kohortenstudien nicht bestätigen [13, 14].

Klinik Das Vollbild des bullösen Pemphigoid lässt sich meist bereits klinisch diagnostizieren: Auf der Haut zeigen sich pralle Blasen serösen Inhalts (Abb.  1a), selten lie-

Abb. 1  Klinik des bullösen Pemphigoid. a pralle Blasen serösen Inhalts sowie Erosionen auf erythematösem/ urtikariellen Grund. b pralle hämorrhagische Blasen und Erosionen. c Mundschleimhautbeteiligung mit Erosionen. d Prämonitorisches Stadium mit Urtikae und Exkoriationen. e Pruriginöses bullöses Pemphigoid mit erodierten Papeln

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Tab. 1  Klinik von Erkrankungen der Pemphigoidgruppe Erkrankung

Klinik

Besonderheit

Bullöses Pemphigoid

Pralle Blasen, Abheilung unter Krusten und Erosionen, Juckreiz, klinisch polymorph z. T. Schleimhautbeteiligung

Prämonitorisches Stadium ohne Blasenbildung

Schleimhautpemphigoid

Ausgeprägte Schleimhautbeteiligung (oral, nasal, konjunktival, genitoanal, laryngopharyngeal/ösophageal)

Abheilung unter Narbenbildung. CAVE: Augenbeteiligung und Stenosenbildung

Pemphigoid gestationis

Periumbilikal betonte urtikarielle Papeln und Plaques, z. T. Blasen Manifestation im 2./3. Trimenon oder postpartal starker Juckreiz Spontanremission nach Entbindung Rezidive in Folgeschwangerschaften

Lineare IgA-Dermatose

Gruppierte Blasen und urtikarielle Plaques streckseitenbetont und iliosakral, „perlschnurartig“, zu 50 % Schleimhautbeteiligung

Häufigste blasenbildende Autoimmundermatose des Kindesalters

Anti-Laminin-γ1 Pemphigoid

Ähnlich BP

Assoziation mit Psoriasis

Lichen planus pemphigoides

Lichenoide Papeln, läsionale bzw. periläsionale pralle Blasen

Blasen auch außerhalb der lichenoiden Papeln

gen auch hämorrhagische Blasen vor (Abb. 1b). Die darunterliegende Haut kann entzündlich verändert sein, Blasen können sich jedoch auch auf klinisch unveränderter Haut zeigen. Eine Blasenbildung tritt bevorzugt an den Beugen und Flanken sowie der intertriginösen Areale auf. In der Regel heilen die Blasen nach mehreren Tagen unter Bildung von Krusten und Erosionen ab. Eine Beteiligung der Schleimhäute liegt in 10 bis 30 % vor (Abb. 1c). Das Nikolski II-Phänomen ist stets positiv, d. h. eine Blase lässt sich auf seitlichen Druck verschieben. Periläsional kann auch das Nikolski I-Phänomen positiv sein, d. h. es lassen sich auf scheinbar gesunder Haut durch tangentialen Druck Blasen auslösen. Die Krankheitsaktivität lässt sich anhand verschiedener Scores (BPDAI, ABSIS) abschätzen [15, 16]. Neben dem Vollbild des bullösen Pemphigoid existieren jedoch auch Sonderformen, die sich initial häufig einer eindeutigen klinischen Diagnose entziehen: Hier ist allen voran das prämonitorische – auch präbullöse – Stadium genannt, das insbesondere durch quälenden Juckreiz gekennzeichnet ist. Klinisch imponieren urtikarielle, teils exkoriierte und ekzematisierte Plaques, die dem Vollbild des bullösen Pemphigoid um Monate bis Jahre vorausgehen können (Abb. 1d). Eine Blasenbildung liegt in diesem Stadium noch nicht vor und kann zum Teil auch gänzlich ausbleiben, vereinzelt können sich Papulovesikel zeigen. Eine weitere Sonderform ist das pruriginöse bullöse Pemphigoid, das meist streckseitenbetont erodierte Papeln aufweist und klinisch einem Prurigo nodularis ähnelt (Abb.  1e). Das lokalisierte bullöse Pemphigoid zeigt sich durch Läsionen in nur einem Körperareal, z.  B. prätibial oder im Halsbereich. Das dyshidrosiforme bullöse Pemphigoid ähnelt einem dyshidrosiformen Ekzem, während das vesikulöse bullöse Pemphigoid streckseitenbetont durch juckende Papulovesikel gekennzeichnet ist und somit der Dermatitis herpetiformis ähnelt. Beim vegetierenden bullösen Pemphigoid finden sich verruköse Plaques und Krusten in den Intertrigines [17]. Neben dem bullösen Pemphigoid und seinen Sonderformen werden weitere Entitäten zu den Pemphigoiderkrankungen gezählt, nämlich das Schleimhautpemphigoid, das Pemphigoid gestationis, das Anti-

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Tab. 2  Differentialdiagnose von Erkrankungen der Pemphigoidgruppe Infektiös

Bullöse Impetigo Staphylococcal scalded skin syndrome/ Lyell-Syndrom Herpes simplex/Herpes zoster Tinea/Candida Scabies

Physikalisch

Mechanische Blasenbildung Verbrennung/Verbrühung Erfrierung Dermatitis solaris (photo)toxische Dermatitis

Genetisch

Erkrankungen der Epidermolysis bullosa-Gruppe (EBS, EBJ, EBD, Kindler-Syndrom) Pemphigus chronicus benignus familiaris Porphyrie Acrodermatitis enteropathica Incontinentia pigmenti Morbus Darier Psoriasis Atopisches Ekzem

Autoimmunologisch

Pemphiguserkrankungen Epidermolysis bullosa acquisita Dermatitis herpetiformis

Sonstige

Bullosis diabeticorum Bullöse Insektenstichreaktion Bullöse Mastozytose Dyshidrosiformes Ekzem Urtikaria Prurigo nodularis/Prurigo simplex subacuta Subkorneale Pustulose Erythema exsudativum multiforme Toxische epidermale Nekrolyse Bullöser Lichen ruber planus Arzneimittelexanthem Allergisches Kontaktekzem Kutanes T-Zell Lymphom

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Abb. 2  Dermo-epidermale Junktionszone mit der Lage der Zielantigene

Laminin-γ1-Pemphigoid, die lineare IgA-Dermatose sowie der Lichen planus pemphigoides (Tab. 1). Durch ihr klinisch heterogenes Erscheinungsbild müssen die Erkrankungen der Pemphigoidgruppe bei zahlreichen Dermatosen differentialdiagnostisch in Betracht gezogen werden (Tab. 2).

Diagnostik Aufgrund der unspezifischen Prodromalphase sowie der zahlreichen Sonderformen ohne klassische Blasenbildung lässt sich die Diagnose in vielen Fällen anhand der Klinik nicht eindeutig stellen. Das Kardinalsymptom ist aber meist der ausgeprägte Juckreiz. Daher sollten insbesondere bei Dermatosen des älteren Patienten, die mit Juckreiz einhergehen, auch die Erkrankungen der Pemphigoidgruppe in die differentialdiagnostischen Überlegungen miteinbezogen werden. Die diagnostischen Charakteristika lassen sich durch die Kenntnis der Lage der jeweiligen Zielantigene veranschaulichen (Abb.  2). Anhand eines diagnostischen Algorithmus können dann die weiterführenden Untersuchungen erfolgen (Abb. 3). Das schrittweise Vorgehen verdeutlicht, dass sich durch orientierende Untersuchungen (direkte und indirekte Immunfluoreszenz) umfassende Spezialuntersuchungen (ELISA, Immunoblot, Immunpräzipitation) häufig reduzieren lassen.

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Histologie Allein basierend auf der histologischen Untersuchung lässt sich das bullöse Pemphigoid nicht eindeutig diagnostizieren, trotzdem ist diese im Rahmen der Primärdiagnostik auch zum Ausschluss anderer Dermatosen unverzichtbar. Hinweisend auf Erkrankungen der Pemphigoidgruppe ist der histologische Nachweis einer subepidermalen Blase, deren Dach von der gesamten Epidermis gebildet wird. Da sich die subepidermale Spaltbildung in der Regel nur aus einer frischen Blase nachweisen lässt, sollten bei der Biopsie neben gesunder periläsionärer Haut stets Blasenanteile miterfasst werden. Im prämonitorischen Stadium liegt meist noch keine Spaltbildung vor, hier findet sich z.  T. eine eosinophile Spongiose. Beim bullösen Pemphigoid unterscheidet man histologisch zwischen der zellreichen Variante, die ein ausgeprägtes Infiltrat aus Eosinophilen, Lymphozyten und Neutrophilen aufweist, sowie der zellarmen Variante mit nur geringem Entzündungsinfiltrat (Abb.  4a). Eine weitere Differenzierung zwischen den Erkrankungen der Pemphigoidgruppe ist histologisch meist nicht möglich.

Direkte Immunfluoreszenzuntersuchung (DIF) Die direkte Immunfluoreszenzuntersuchung dient dem direkten Nachweis gewebegebundener Autoantikörper und stellt mit einer Sensitivität von über 90 % den Goldstandard in der Diagnostik der bullösen Autoimmundermatosen dar [18, 19]. Entscheidend ist die Lokalisation

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Abb. 3 Diagnostischer Algorithmus bei klinischem Verdacht auf eine Erkrankung der Pemphigoidgruppe. (DIF direkte Immunfluoreszenzuntersuchung; IIF indirekte Immunfluoreszenzuntersuchung; SSS humane Kochsalzspalthaut, positiv (epi)dermal: Fluoreszenz auf der (epi)dermalen Seite in der Kochsalzspalthaut; IB Immunoblot; IP Immunpräzipitation;

LAD-1 lösliche Ektodomäne von BP180; EBA Epidermolysis bullosa acquisita; SH-Pemphigoid Schleimhautpemphigoid. *diese Testsysteme sind nicht kommerziell erhältlich bei negativem Befund und weiterhin bestehendem klinischen Verdacht sollten klinische, histologische und serologische Verlaufskontrollen erfolgen.

der Biopsieentnahme, die im Unterschied zur histologischen Untersuchung streng periläsional ohne Mitnahme einer Blase erfolgen sollte. Ferner sollten nur geeignete Transportmedien eingesetzt werden, z.  B. physiologische NaCl-Lösung, Michel-Puffer oder Flüssigstickstoff, da es in formalinfixiertem Gewebe zu einer Degradierung der Antikörper und somit zu falsch negativen Ergebnissen kommen kann. Bei Erkrankungen der Pemphigoidgruppe lassen sich in den meisten Fällen lineare Ablagerungen von Komplement C3 sowie IgG entlang der dermoepidermalen Junktionszone nachweisen, auch

Ablagerungen von IgA und IgM können vorkommen (Abb. 4b). Die meisten Pemphigoiderkrankungen lassen sich jedoch allein aufgrund der direkten Immunfluoreszenzuntersuchung nicht weiter differenzieren. Eine Ausnahme stellt die lineare IgA-Dermatose dar, die vornehmlich durch lineare IgA-Ablagerungen gekennzeichnet ist.

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review Abb. 4  Diagnostik des bullösen Pemphigoid. a Histologie: subepidermale Spaltbildung und gemischtzelliges entzündliches Infiltrat. b direkte Immunfluoreszenzuntersuchung: lineare Ablagerungen von Komplement C3 entlang der dermoepidermalen Junktionszone. c indirekte Immunfluoreszenzuntersuchung (Affenösophagus): lineare Fluoreszenz im Bereich der Basalmembranzone. d indirekte Immunfluoreszenzuntersuchung (Kochsalzspalthaut): lineare Fluoreszenz an der epidermalen Seite des Spaltes (bullöses Pemphigoid). e indirekte Immunfluoreszenzuntersuchung (Kochsalzspalthaut): lineare Fluoreszenz an der dermalen Seite

Indirekte Immunfluoreszenzuntersuchung (IIF) Anhand der indirekten Immunfluoreszenzuntersuchung lassen sich zirkulierende IgG-Autoantikörper im Serum nachweisen. Als Substrat wird Affenösophagus eingesetzt, der bei Erkrankungen der Pemphigoidgruppe eine lineare Fluoreszenz im Bereich der Basalmembranzone aufweist (Abb.  4c). Die indirekte Immunfluoreszenzuntersuchung lässt sich auch an humaner Kochsalzspalthaut durchführen, die zuvor mit 1M NaCl-Lösung inkubiert wurde. Hierdurch kommt es zur artifiziellen Spaltbildung auf Höhe der Lamina lucida, was zu einer linearen Fluoreszenz an der epidermalen Seite des Spaltes (bullöses Pemphigoid, Abb.  4d) oder der dermalen Seite (Epidermolysis bullosa acquisita, anti-Lamininγ1-Pemphigoid, Abb.  4e) führt. Beim Schleimhautpemphigoid kann auch eine kombinierte epidermale und dermale Fluoreszenz vorkommen (Laminin-332-Pemphigoid). Bei der linearen IgA-Dermatose zeigen sich zirkulierende IgA-Autoantikörper sowohl an der epidermalen als auch an der dermalen Seite des Spalts. Ein großer Vorteil der indirekten Fluoreszenzuntersuchung ist, dass sich hiermit auch zirkulierende IgG- bzw. IgAAutoantikörper gegenüber Zielantigenen nachweisen lassen, für die noch kein kommerzieller ELISA erhältlich ist, oder die molekular noch nicht näher charakterisiert sind.

ELISA Nach Durchführung der Immunfluoreszenzuntersuchungen eignen sich serologische Bestätigungstests in

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Form von ELISA oder auch Immunoblot/Immunpräzipitation zur weiteren Spezifizierung der Zielantigene und somit zur endgültigen Diagnosestellung (Abb. 2 und 3). Beim bullösen Pemphigoid lassen sich zirkulierende Autoantikörper vom IgG- (und IgE-) Isotyp gegen die hemidesmosomalen Strukturproteine BP180 ( = Kollagen XVII) sowie BP230 nachweisen [20, 21]. Die Autoantikörper gegen BP180 sind meist gegen die immundominante NC16A-Domäne gerichtet, und ihr Titer korreliert mit der Krankheitsaktivität [22], so dass sich die Bestimmung auch zur Verlaufskontrolle in ca. 2–3 monatigen Abständen eignet. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass bisweilen auch bei pruriginösen Dermatosen älterer Patienten IgG-Autoantikörper gegen BP180 und/oder BP230 nachgewiesen werden können, ohne dass alle Kriterien eines bullösen Pemphigoid erfüllt sind. In solchen Fällen lassen sich jedoch in der direkten Immunfluoreszenzuntersuchung keine gewebegebundenen Autoantikörper nachweisen [23]. Es ist unklar, ob es sich hier um Frühformen eines bullösen Pemphigoid handelt [24]. Während ELISA- und Immunoblot-Assays zum Nachweis von IgG gegen BP180 und BP230 kommerziell erhältlich sind, lassen sich IgG-Autoantikörper gegen weitere Antigene der Pemphigoiderkrankungen (weitere Epitope von BP180/230, Laminin 332, Laminin γ1, LAD-1 und α6/β4-Integrin) nur mittels nicht-kommerzieller Testsysteme nachweisen. Diese Untersuchungen werden nur in spezialisierten Zentren durchgeführt und weisen derzeit noch eine geringere Sensitivität und Spezifität auf [25]. Eine Übersicht über die Erkrankungen der Pemphigoidgruppe mit den entsprechenden Zielantigenen und anderen diagnostischen Charakteristika gibt Tab. 3.

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Tab. 3  Diagnostische Charakteristika von Erkrankungen der Pemphigoidgruppe. (Nach [18]) Diagnose

DIF

IIF Affenösophagus

IIF Kochsalzspalthaut

Zielantigene

Bullöses Pemphigoid

Linear C3, IgG

Linear IgG

Linear IgG epidermal

BP180 ( = Kollagen Typ XVII) BP230

Schleimhautpemphigoid

Linear IgG, C3 (IgA, IgM)

Linear IgG

Linear IgG (IgA) epidermal und dermal

BP180 (IgG und IgA) Laminin 332a( = Laminin 5) BP230 α6β4-Integrina Laminin 311 Kollagen Typ VII

Pemphigoid gestationis

Linear C3 (IgG, IgA, IgM)

Linear IgG

Linear IgG epidermal

BP180 BP230

Lineare IgA-Dermatose

Linear IgA, C3

Linear IgA

Linear IgA epidermal oder dermal

LAD-1 (IgA)a BP180 (IgA)a BP230 (IgA)a

Anti-Laminin γ1-Pemphigoid

Linear IgG, C3

Linear IgG

Linear IgG dermal

Laminin γ1 a

Lichen planus pemphigoides

Linear Ig, C3 cytoid bodies IgM

Linear IgG

Linear IgG epidermal

BP180 BP230

Die Haupt-Zielantigene sind fett hervorgehoben, es handelt sich um Autoantikörper vom Isotyp IgG, falls nicht anders angegeben DIF direkte Immunfluoreszenz; IIF indirekte Immunfluoreszenz a Bestimmung nur in Speziallabors möglich

Therapie Vor Therapieeinleitung ist die exakte Diagnosestellung essentiell, da die verschiedenen klinischen Varianten der Pemphigoiderkrankungen unterschiedliche Krankheitsverläufe aufweisen und somit z. T. unterschiedliche Therapieregimes erforderlich sind. Insgesamt ist die Datenlage insbesondere zur adjuvanten Therapie des bullösen Pemphigoid unzureichend, eine deutsche S2k- und eine europäische Leitlinie wird in Kürze veröffentlicht [26]. Bei allen Pemphigoiderkrankungen sind allgemeine Maßnahmen zur Vermeidung von bakteriellen Superinfektionen erforderlich, z.  B. Antiseptika in flüssiger oder Cremeform sowie topische Antibiotika. Große Blasen sollten unter Belassen des Blasendachs steril abpunktiert werden, als Wundauflagen dienen salbenbeschichtete Gazen. Ferner sollten möglicherweise auslösende Medikamente abgesetzt werden. Bei lokalisierten und moderaten Formen des bullösen Pemphigoid gilt die Lokaltherapie mit hochpotenten Kortikosteroiden als Therapie der Wahl [27−29]. Es hat sich gezeigt, dass diese Therapie bei guter Wirksamkeit eine geringere Nebenwirkungsrate im Vergleich zur Systemtherapie aufweist. Als limitierend erweist sich hier jedoch die Notwendigkeit der täglichen Ganzkörperbehandlung, die ältere Patienten meist selbst nicht durchführen können. Bei schweren oder therapierefraktären Verläufen wird eine Systemtherapie mit Kortikosteroiden in einer Anfangsdosierung von 0,5 mg Prednisolonäquivalent pro kg Körpergewicht empfohlen, eine rasche Reduktion der Anfangsdosis sollte angestrebt werden. Als adjuvante Therapie oder auch Monotherapie werden vielfach Azathioprin, Mycophenolat Mofetil, Dapson, Methotrexat, Ciclosporin oder Doxycyclin in Kombination mit Nicotinamid eingesetzt. Bei therapierefraktären Verläufen stehen Cyclophosphamid, hochdosierte intravenöse Immunglobuline, Rituximab und Immunadsorption bzw. Plasmapherese sowie monoklonale Anti-IgE-Antikörper zur Verfügung [30].

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Da das Schleimhautpemphigoid häufig chronische, therapieresistente Verläufe aufweist, ist ein rechtzeitiger Therapiebeginn essentiell. Insbesondere bei okulärer, genitaler, nasopharyngealer, laryngealer und ösophagealer Beteiligung sollte frühzeitig mit einer Systemtherapie mit hochpotenten Kortikosteroiden (1–1,5 mg Prednisolonäquivalent pro kg Körpergewicht) begonnen werden. Als adjuvante Therapie dienen Cyclophosphamid oder Azathioprin sowie bei therapieresistenter Augenbeteiligung auch hochdosierte intravenöse Immunglobuline oder Rituximab [31]. Bei milden Krankheitsverläufen kann Dapson als Initialtherapie angesetzt werden [32]. Essentiell beim Schleimhautpemphigoid ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Ophthalmologen, HalsNasen-Ohrenärzten, Urologen und Gastroenterologen. Beim Pemphigoid gestationis sollte zum Schutz des ungeborenen Kindes und aufgrund des selbstlimitierenden Verlaufes nach Entbindung nach Möglichkeit ein mildes, nebenwirkungsarmes Therapieregime gewählt werden. Im Vordergrund stehen symptomatische antipruritische Maßnahmen, z.  B. mit oralen Antihistaminika, ergänzt durch topische Kortikosteroide. In schweren Fällen ist die kurzfristige Gabe von systemischen Kortikosteroiden möglich, ferner die Immunadsorption oder hochdosierte, intravenöse Immunglobuline [33]. Die Therapie des anti-Laminin-γ1-Pemphigoid entspricht der des bullösen Pemphigoid; meist findet sich ein rasches Therapieansprechen. Diese Pemphigoidvariante ist häufig mit einer Psoriasis assoziiert. Kennzeichnend für die lineare IgA-Dermatose ist in der Regel ein gutes Ansprechen auf Dapson, das mit topischen Kortikosteroiden kombiniert werden kann. Bei schweren Verläufen können systemische Kortikosteroide verabreicht werden. Auch eine Therapie mit Sulfapyridin, Sulfasalazin, Immunglobulinen oder Immunadsorption ist möglich.

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review Fazit für die Praxis Bei allen Dermatosen, die mit einer Blasenbildung und ausgeprägtem Juckreiz einhergehen, sollten Erkrankungen der Pemphigoidgruppe ausgeschlossen werden. Auch bei länger bestehenden juckenden, urtikariellen, ekzemartigen oder prurigoartigen Hautveränderungen des älteren Patienten muss das Vorliegen eines bullösen Pemphigoid in Betracht gezogen werden und eine weiterführende Diagnostik erfolgen. Aufgrund der prognostischen Bedeutung von Grunderkrankungen, auslösender Medikamente und möglicher Therapienebenwirkungen kann im Rahmen der Diagnostik und Therapie bei Patienten mit bullösem Pemphigoid ein interdisziplinäres Vorgehen hilfreich sein. Danksagung Wir danken Frau Dr. Carlotta Harries für die Erstellung der IIF-Fotographien. Interessenskonflikt Andrea Kneisel und Michael Hertl geben bekannt, dass kein Interessenskonflikt besteht.

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Bullöses Pemphigoid – Diagnostik und Therapie  

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[Bullous pemphigoid: diagnosis and therapy].

Bullous pemphigoid is the most common autoimmune bullous skin disease which occurs more often at higher age. Clinically it presents with tense blister...
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