Puffertherapie in der Kardiopulmonalen Reanimation Indikation oder Routine? B. Eberle Klinik fik Anästhesiologie der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz

1. zeigen, worauf die Indikation zur Puffertherapie in der Vergangenheit basierte, 2. die Kriterien erörtern, die den derzeit noch gültigen Richtlinien zugrundeliegen, und 3. aktuelle Arbeiten darstellen, deren Ergebnisse zukünftige Entwicklungen und Richtlinien beeinflussen dürften. Der .pemenstellung entsprechend, beschränkt sich diese Ubersicht auf die unmittelbare Phase der CPR bis zum Wiedereinsetzen des Spontankreislaufes; sie wird nicht auf einzelne Pufferzubereitungen, deren Pharmakologie oder unerwünschte Wirkungen eingehen. Für eine allgemeine Information zum Einsatz von Natnumbikarbonat bei Laktatazidosen, z.B. bei Hypoxämie oder im Low-output-Syndrom etwa der Postreanimationsphase, sei auf die ausgezeichnete Übersicht von Hindman verwiesen (11). Als symptomatische und/oder kausale Indikation zur Puffertherapie bei Kreislaufstillstand und Reanimation gilt die dabei auftretende Azidose.

Anästhesiol. Intensivmed. Noddlmed. Schrnemther. 27 (1992) 234-237 O Georg Thieme Verlag Snittgart . New York

In der Ära der Blindpufferung wurde eine ~zidos;bei Reanimationspatienten als ein regelhaft auftretendes Symptom identifiziert (23); der Grad ihrer Ausprägung konnte mit der Mortalität korreliert werden. Seit langem ist bekannt, daß eine Azidose verantwortlich sein kann für die Hemmung pH-abhängiger Reaktionen im Zellstoffwechsel, für negativ inotrope Effekte am Herzen (17,29), Arrhythmien nach Kreislaufstillstand (15), für eine Erniedrigung der myokardialen Flimmerschwelle (8), und eine Abschwächung der Wirksamkeit von Katecholarninen (29). Um solchen Effekten entgegenzusteuern, kann in der allgemeinen Intensivmedizin der Ersatz des verbrauchten körpereigenen Pufferanions, also des Bikarbonats, durchaus indiziert sein (11). Befunde wie die zitierten basieren allerdings auf Untersuchungen an Modellen wie z.B. dem isolierten Papillarmuskel oder Meerschweinchenherz (17), an Hunden, die vor der Ischämie alkalisiert worden waren (15) oder deren metabolische Azidose durch Infusion von Milch- oder Salzsäure zustande kam (8,29), auf Studien an unselektierten, multimorbiden Intensivpatienten etc. In der Reanimationsforschung ist man sich heute weitgehend darüber einig, daß die Ursache vieler Mißverständnisse darin liegt, daß Schlui3folgerungenaus solchen Modellsituationen ungeprüft auf die Bedingungen der Kardiopulmonalen Reanimation übertragen wurden (20). Azidose als Svrn~tom Die arterielle Azidose 1976 prüften Bishop und Weisfeldt nach, inwieweit Reanimation immer mit schwerer Azidose gleichzusetzen sei, indem sie arterielle Blutgase unter kontrollierter CPR an volumenkonstant beatmeten Hunden untersuchten (5). Ihre Ergebnisse waren entscheidend für eine erste Revision der Lehrmeinung in diesem Punkt: Im arteriellen Blut ließen sich über 30 min Reanimationsdauer allein mit suffizienter Beatmung der pH-Wert oberhalb von 7,20 und der pCOz- Wert unterhalb von 30 rnrnHG halten. Nach Blkarbonatgabe in einer Dosis von 0,s-1 mval/kg zeigten sich Ahlosen bis zu pH-Werten von 7,56 sowie pC02 Anstiege bis 49 mmHg im arteriellen Blut. Diese Beobachtungen verifizierten die Autoren in der Folge auch an ihren Patienten. Ihre SchluiJfolgerungen nahmen die Entwicklung der nächsten 10Jahre vorweg: „Eine schwere Azidose läßt sich allein schon durch adäquate Beatmung verhindern. Natriumbikarbonat sollte unter Reanimationsbedingungen nicht eingesetzt werden ..., wenn die CO2-Elimination trotz ausrei-

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Neue Aspekte zur Pharmakotherapie in der Kardiopulrnonalen Reanimation (CPR) bedeuten derzeit in erster Linie eine Vertiefung des Verständnisses der Wirkungsmechanismen und Handhabung eines therapeutischen Arsenals, das schon lange zur Verfügung steht. Die Indikation zur hdosetherapie und die Anwendung medikamentöser Puffersubstanzen ist dabei keine Ausnahme: Nach den Richtlinien der American Heart Association (AHA) von 1974 war Natriumbikarbonat routinemhßig, ohne weitere Diagnostik (blind) und initial, noch vor der Katecholamingabe, indiziert, um die metabolische Azidose zu bekämpfen (1). In den Richtlinien von 1980 wurde die Indikation relativiert und eine Dosisreduktion empfohlen (2). Die derzeit noch gultige Fassung der AHA-Standards von 1986 empfiehlt die medikamentöse Pufferung als Routine überhaupt nicht mehr; sie überlißt es aber dem Leiter des Reanimationsteams, nach Durchführung der wichtigsten Maßnahmen (Defibrillation, Adrenalin) NaHC03 zu geben, wenn er dies für richtig hdt. Ein früherer Einsatz als nach etwa 10 min CPR sollte nur aufgrund einer klaren Diagnose, z.B. bei präexistenter Azidose oder Hyperkaliämie, stattfinden (3). Die folgende Übersicht soll diesen Sinneswandel transparent machen und

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chender Beatmung inadäquat ist, in Repetitionsdosen ohne Nachweis einer schweren Azidose sowie nach kudauerndem Hemtillstand ohne die Wahrscheinlichkeit einer präexistenten AzidoseK(5). Die Quintessenz war: Die arterielle Azidose ist unter CPR mit adäquater Beatmung bei weitem nicht so ausgeprägt wie ursprünglich angenommen.

viv0 beobachtet werden, etwa in Gehirn und Herz: Die Kernspin-Resonanz-Spektroskopie erlaubt es, nichtinvasiv den intrazellulären pH-Wert (pHi) und den intrazellulären Gehalt an Bikarbonat und energiereichen Phosphaten zu bestimmen. Dies geschieht über die Analyse des Resonanzverhaltens der Phosphatgmppen in einem starken Magnetfeld sowie seine pH-abhängige Anderung. Intramyokardiale pH-Mikroelektroden ermöglichen die Registrierung der Myokardazidose unter Reanimation (13).

Der Begriff Azidose bezog sich bei den Arbeiten dieser Zeit allein auf den arteriellen pH-Wert. Erst Jahre später begann man, sich vermehrt mit dem BlutgasStatus der venösen Seite unter Reanimation zu beschäftigen: Frühe Befunde von Redding (25) wurden von Weil und anderen Arbeitsgnippen bestätigt und als ,Paradox der venösen Azidoseu publiziert (24,31). Das Paradox besagt jedoch nur, in Analogie zur Sauerstoffaufnahme ins Gewebe: Je geringer der Organblutfluß bei konstanter Stoffwechselrate, desto größer 02-Ausschöpfung und C02-Beladung des perfundierenden Blutes, bzw.: avD-02 und avD-CO2 steigen unter Low-flow-Bedingungenan. Wird zudem wahrend der Reanimation konstant und suffizient beatmet, so bestimmt nicht mehr die Ventilation, sondern die pulmonaikapilläre Perfusion die COrAbgabe des Blutes. Dies ist auch der Grund dafür, daß sich das Monitoring des endexpiratorischen CO2 zur groben Beurteilung des pulmonalen BlutflusSes unter Reanimation eignet. Die Quintessenz dieser Ergebnisse war: Der arterielle pH-Wert reflektiert nicht die Gewebsazidose. Die intrazelluläre Azidose

In der Folge erschienen weitere Arbeiten (16,18), die die Existenz der arteriovenösen pH- und pC02Gradienten unter CPR bestätigten. In ihnen wurde regelmäßig der venöse Säure-Basen-Statusals das bessere Maß für die sog. Gewebsazidose diskutiert (24). Diese Hypothese basiert stillschweigend auf der Annahme, daß das venöse Blut den p H der interstitiellen Flüssigkeit und diese den pH des Intrazellulärraums korrekt reflektiere. Unter Normalbedingungen liegt dieser intrazelluläre pH-Wert, z. B. im Cytoso1 von Muskel bzw. Hirn, um 6,9 bis 7,1, in den Mitochondrien bei etwa 6,6. Das Bikarbonat/C02-System, als das wichtigste Puffersystem des Extrazellulärraumes, ist nur dann effektiv, wenn es offen ist, d. h. wenn, wie im Normalfall, CO2 auf dem Weg über Extrazellulärraum, Perfusion und schließlich Ventilation eliminiert wird.

Gehirn Eleffund Mitarb. (7) untersuchten den zeitlichen pH-Verlauf in verschiedenen intrakraniellen Kompartimenten, soWie das Verhalten der energiereichen Phosphate und des intrazellulären Bikarbonats wahrend 6 rnin Kreislaufarrest und 35 min suffizienter Reanimation. Trotz totalem ATP-Verlust und einem minimalen pHi von 6,28 f 0,09 nach 6min Kammerflimmern erholten sich - unter suffi~ intrazelzienter CPR - ATP innerhalb von 6 min. D H und luläres Bikarbonat innerhalb von 35 min: bnterdessen entwickelte sich systemisch (arteriell und zerebraivenös im Sinus sagittalis) die bekannte, zunächst respiratorisch kompensierte metabolische Azidose. Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß während CPR der zerebrale pHi vor der systemischen metabolischen Azidose zumindest dann geschützt bleibt. wenn eine in etwa normale Hirndurchblutung generiert wird. Auch wenn dies in der klinischen Reanimationspraxis kaum je erreicht wird, so bleibt doch festzustellen: Nach diesen Befunden spiegeln weder arterielle noch regional-venöse pH- und Bikarbonat-Werte Ausmaß und Verlauf der intrazellulären ischämischen Azidose zuverlässig wider. Myokard

Mt den Veränderungen des DH im MYOkard unter ~ e a n i m a t i o n s b e d i n g u nbeschdtigt sich 'intensiv die G r u ~ um ~ eWeil. Sie setzt hierzu intramvokardiale p~-~ikroeiei

[Buffer therapy in cardiopulmonary resuscitation--indication or routine?].

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