Schwerpunkt Herzschr Elektrophys 2015 · 26:247–259 DOI 10.1007/s00399-015-0391-5 Eingegangen: 13. Juli 2015 Angenommen: 15. Juli 2015 Online publiziert: 7. August 2015 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

Abkürzungen EKG Elektrokardiogramm BrS Brugada-Syndrom SCD Plötzlicher Herztod ER Early repolarization RSB Rechtsschenkelblock f-QRS QRS-Fragmentierung ICR Interkostalraum RVOT Rechtsventrikulärer Ausflusstrakt VES Ventrikuläre Extrasystole VT Ventrikuläre Tachykardie VF Kammerflimmern

Sergio Richter Abteilung für Rhythmologie, Herzzentrum der Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland

Das Brugada-EKG kope, nächtliche agonale Atmung oder plötzlicher Herztod treten typischerweise in Phasen erhöhter vagaler Stimulation (Ruhe- oder Erholungsphasen nach körperlicher Aktivität, nachts, postprandial) und während Fiebers auf [4, 5]. Bereits symptomatische Patienten haben ein erhöhtes Risiko für zukünftige Arrhythmie-Ereignisse und sollten mit einem implantierbaren Kardioverter-Defibrillator (ICD) versorgt werden [3]. Das Elektrokardiogramm (EKG) ist der entscheidende Schlüssel zur Diagnose des BrS. Zudem nimmt es einen wichtigen Stellenwert insbesondere für die Risikostratifizierung von asymptomatischen Patienten ein. Im Folgenden sollen daher die verschiedenen EKG-Manifestationen

des BrS und deren potenzielle prognostische Bedeutung besprochen werden.

Diagnosekriterien Die Diagnose des BrS basiert auf dem elektrokardiographischen Nachweis einer charakteristischen, gewölbten („covedtype“) ≥ 0,2 mV ST-Streckenhebung mit nachfolgend negativer T-Welle in mindestens einer klassischen oder modifizierten rechtspräkordialen Ableitung (.  Abb. 1; [3]). Dieser charakteristische Phänotyp wird als Typ-1-Brugada-EKG bezeichnet und stellt die einzige diagnostische EKGManifestation des BrS dar. Ein diagnostisches Typ-1-EKG kann spontan vorhanden sein oder durch intravenöse Gabe

PAF Paroxysmales Vorhofflimmern ICD Implantierbarer KardioverterDefibrillator

Das Brugada-Syndrom (BrS) ist gekennzeichnet durch eine typische rechtspräkordiale ST-Streckenhebung und die Leitsymptome Synkope und plötzlicher Herztod als klinisches Korrelat von malignen ventrikulären Arrhythmien bei jungen Erwachsenen ohne strukturelle Herzerkrankung. Die Erkrankung wurde erstmalig 1992 von den Brüdern Pedro und Josep Brugada als ein eigenständiges klinisches und elektrokardiographisches Krankheitsbild beschrieben [1]. Aufgrund des fehlenden Nachweises einer strukturellen Herzerkrankung, der Assoziation mit Natrium- und Kalziumkanalmutationen in 25–30 % der Fälle [2] sowie der nachgewiesenen Effekte von Natriumkanalblockern wird das BrS heute als sog. Ionenkanalerkrankung den angeborenen primären Kardiomyopathien zugeordnet [3]. Das BrS manifestiert sich v. a. bei Männern im jungen und mittleren Erwachsenenalter. Maligne ventrikuläre Arrhythmien und assoziierte Symptome wie Syn-

Tab. 1 EKG-Risikomarker Spontane Typ-1-ST-Streckenhebungen in V1 und/oder V2(V3) Belastungsinduzierte ST-Streckenhebungen in V1 und/oder V2 Fragmentierte QRS-Komplexe in V1 und/oder V2 Prominente R-Zacke (≥ 0,3 mV) in aVR („aVR sign“) Verbreiterter QRS-Komplex in V2 (≥ 120 ms) Verlängerung der QTc-Zeit in V2 (> 460 ms) Verlängerung des Tp-e Intervals (≥ 100 ms) und der präkordialen Tp-e Dispersion (> 20 ms) Makroskopischer T-Wellen-Alternans (Ajmalin- oder Fieber-induziert) „Early repolarization pattern“ in den inferioren (lateralen) Ableitungen Verlängerte PQ-Zeit (> 200 ms) Tab. 2  Erregungsbildungs- und -leitungsstörungen Leitungsstörung Sinusknotendysfunktion Atrialer Stillstand Intraatriale Leitungsstörung Infranodale Leitungsstörung RV(OT) Leitungsverzögerung

EKG-Manifestation Sinusbradykardie, SA-Block, präautomatische Pause ↑ Sinusarrest ohne atrialen Escape P-Dauer ↑, PQ-Intervall ↑ PQ-Intervall ↑, AV-Block, QRSDauer ↑, RSB, LFB QRS-Dauer ↑, f-QRS, „aVR sign“, SZacke in I, II und III (SII >SIII), Typ-1 ST-Streckenhebung; LPs (SAECG)

EPU-Befund cSNRT ↑, SACT ↑ Keine AEGMs ableitbar IACT ↑, induzierbares AF HV ↑ Fraktionierte VEGMs, induzierbares VF

SA sinuatrial, cSNRT korrigierte Sinusknotenerholungszeit, SACT sinuatriale Leitungszeit, AEGM atriales Elektrogramm, IACT intraatriale Leitungszeit, AF Vorhofflimmern, AV atrioventrikulär, RBBB Rechtsschenkelblock, LFB linksfaszikulärer Block, RV(OT) rechter Ventrikel (Ausflusstrakt), LPs Spätpotenziale, SAECG Signalmittlungs-EKG, VEGM ventrikuläres Elektrogramm, VF Kammerflimmern. Herzschrittmachertherapie + Elektrophysiologie 3 · 2015 

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Abb. 1 8 Beispiele eines spontanen Typ-1-Brugada-EKGs. Charakteristisch ist eine gewölbte („coved-type“) ≥ 0,2 mV ST-Streckenhebung mit nachfolgend negativer T-Welle in mindestens einer der rechtspräkordialen Ableitungen V1 und V2 (Pfeile). a, b Fehlen einer reziproken S-Zacke in den Ableitungen V6 und I schließt das Vorhandensein eines inkompletten RSB aus (Sternchen). b ER pattern in den inferolateralen Ableitungen und Typ-2-EKG in V2 („single-lead type-1 ECG“). c Ausgeprägter EKG-Phänotyp mit Typ-1-EKG in V1 und V2, ST-Streckenhebung in aVL, PQ-Verlängerung, komplettem RSB mit überdrehter Linksachsenabweichung (SII >SIII) und prominenter R-Zacke (≥ 0,3 mV) in aVR („aVR sign“). Schreibgeschwindigkeit 25 mm/s

Abb. 2 9 Positiver Ajmalin-Test bei einer 53-jährigen Frau mit Synkope. 12-Kanal-EKG-Registrierung während intravenöser Gabe von 70 mg Ajmalin (1 mg/kg über 5 min) zeigt die sukzessive Ausbildung eines diagnostischen Typ1-Brugada-EKGs in V1, V2 und weniger ausgeprägt in V3. Zu beachten ist, dass die J-Punkt/ST-Streckenhebungen in V2 am höchsten sind und sich graduell nach dem Test zurückbilden. Schreibgeschwindigkeit 25 mm/s

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Zusammenfassung · Abstract eines Natriumkanalblockers (in Deutschland vor allem Ajmalin) provoziert werden (.   Abb. 2; [3]). Die Prävalenz des spontanen Typ-1-Brugada-EKGs in der Gesamtbevölkerung wird weltweit auf 0,01–0,05 % geschätzt [4]. Die mit dem BrS assoziierten sattelförmigen („saddleback-type“) ≥ 0,2 mV ST-Streckenhebungen (Typ-2- und Typ3-EKG) sind nicht diagnostisch für die Erkrankung [6]. Da das Typ-3-EKG relativ unspezifisch ist und gehäuft in der gesunden Bevölkerung vorkommt (Prävalenz in Asien bis zu 2,3 %), wird neuerdings nur noch zwischen diagnostischem Typ-1- und nichtdiagnostischem Typ-2EKG unterschieden (.  Abb. 3; [7]). Eine sorgfältige Analyse des 12-Kanal-EKGs sowie die Anwendung der im Konsensus von 2012 postulierten EKG-Kriterien [7] sind extrem hilfreich nicht nur zur Differenzierung zwischen einer sattelförmigen Typ-2 (oder Typ-3) J-Punkt/ST-Streckenhebung und einem inkompletten Rechtsschenkelblock (.  Abb. 4), sondern auch zur Vorhersage eines positiven AjmalinTests (. Abb. 3; [8]). Wichtig ist, dass die EKG-basierte Diagnose des BrS nur nach Ausschluss einer strukturellen Herzerkrankung und anderer klinischer Ursachen einer den Typ-1  imitierenden rechtspräkordialen ST-Streckenhebung („Brugada phenocopies“ [9]) erfolgen sollte. Das Vorhandensein mindestens eines der seit 2002 postulierten klinischen Kriterien (dokumentierte maligne ventrikuläre Arrhythmien, Symptome, positive Familienanamnese) ist aufgrund der geringen Sensitivität für die Diagnose nicht mehr erforderlich [3].

Variabilität Die spontanen Hebungen des J-Punktes und der ST-Strecke in den rechtspräkordialen Ableitungen zeigen sich sehr dynamisch in ihrer Ausprägung und über die Zeit bei nahezu allen Patienten mit BrS [10]. Diese ausgeprägte EKG-Dynamik umfasst transiente EKG-Normalisierungen und Fluktuationen von einem EKGTypus zum anderen mit oder ohne Zeichen eines (in)kompletten Rechtsschenkelblocks (. Abb. 5). Spontane oder medikamentös provozierte Typ-1-ST-Streckenhebungen sind häufig nur in einer rechts-

Herzschr Elektrophys 2015 · 26:247–259  DOI 10.1007/s00399-015-0391-5 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 S. Richter

Das Brugada-EKG Zusammenfassung Das Brugada-Syndrom (BrS) ist gekennzeichnet durch eine typische rechtspräkordiale STStreckenhebung und die Leitsymptome Synkope und plötzlicher Herztod als klinisches Korrelat maligner ventrikulärer Arrhythmien bei jungen Erwachsenen ohne strukturelle Herzerkrankung. Die Diagnose des TypBrugada-EKGs basiert auf dem Nachweis einer gewölbten („coved-type“) ≥ 0,2 mV STStreckenhebung mit nachfolgend negativer T-Welle. Die Anwendung der im Konsensus von 2012 postulierten EKG-Kriterien ist hilfreich zur Differenzierung zwischen sattelförmiger Typ-2 (oder Typ-3) J-Punkt/STStreckenhebung und inkomplettem Rechtsschenkelblock. Spontane oder medikamentös provozierte Typ-1-ST-Streckenhebungen sind häufig nur in einer rechtspräkordialen Standardableitung (V1 oder V2) nachweisbar, treten gleichzeitig mit Typ-2 (oder Typ-3) STStreckenhebungen im selben EKG auf und sind manchmal nur in modifizierten rechtprä-

kordialen Ableitungen nachweisbar. Die Typ1-ST-Streckenhebung ist bei Frauen geringer ausgeprägt. Spontane und belastungsinduzierte Typ-1-ST-Streckenhebungen, eine Fragmentierung des QRS-Komplexes, eine verlängerte PQ-Zeit (> 200 ms), eine QRS-Verbreiterung in V2 (≥ 120 ms) und Marker einer gesteigerten Heterogenität der Repolarisation sind mit einem erhöhten arrhythmogenen Risiko assoziiert. Das Auftreten einer spontanen und dynamischen Typ-1-ST-Streckenhebung, eines makroskopischen T-Wellen-Alternans oder einer ausgeprägten inferioren (lateralen) J-Punkt/ST-Streckenhebung sind dabei als Zeichen einer akuten elektrischen Instabilität zu werten. Schlüsselwörter Brugada-Syndrom · Plötzlicher Herztod · 12-Kanal-EKG · Präkordiale Ableitungen · Repolarisation

Brugada ECG Abstract The Brugada syndrome (BrS) is characterized by a typical electrocardiogram (ECG) pattern of right precordial ST-segment elevation and the cardinal symptoms syncope and sudden cardiac death as clinical correlate of malignant ventricular arrhythmias in young adults without structural heart disease. The diagnosis of a type 1 Brugada-ECG is based on the documentation of a coved-type (≥ 0.2 mV) ST elevation followed by a negative T wave. The use of the ECG criteria postulated in the consensus of 2012 is helpful to distinguish between saddleback-type 2 (or type 3) J point/ ST elevation and incomplete right bundle branch block. Spontaneous or drug-induced type 1 ST elevation can frequently only be detected in a single right precordial lead (V1 or V2), occurs sometimes together with a type 2 (or type 3) pattern in one and the same

präkordialen Standardableitung (V1 oder V2) nachweisbar oder treten gleichzeitig mit Typ-2 (oder Typ-3) ST-Streckenhebungen in ein und demselben 12-Kanal-EKG auf („single-lead type-1 ECG“; .  Abb. 1b; [11]). Mitunter kann ein diagnostisches Typ-1-EKG nur in einer der modifizierten rechtpräkordialen Ablei-

12-lead ECG and can sometimes only be seen in modified right precordial leads. The ST elevation is less pronounced in females. Spontaneous and exercise-induced type 1 ST elevation, fragmented QRS complex, prolonged PR interval (> 200 ms), QRS prolongation in V2 (≥ 120 ms) and markers of an increased heterogeneity of ventricular repolarization are associated with an increased arrhythmic risk. The occurrence of spontaneous or dynamic type 1 ST elevation, a macroscopic T wave alternans or pronounced inferior (lateral) J point/ST elevation are signs of acute electrical instability. Keywords Brugada syndrome · Sudden cardiac death · 12-lead-ECG · Precordial leads · Repolarization

tungen nachgewiesen werden (.  Abb. 6; [12]). Das Wissen um die ausgeprägte Dynamik und Variabilität des spontanen Brugada-EKGs hat hinsichtlich der Bedeutung des Index-EKGs für die Diagnosestellung, Therapieentscheidung und Risikostratifizierung zu einem konsequenten Umdenken geführt [3]. Dies verdeut-

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Abb. 3 9 Charakteristika der sattelförmigen („saddleback-type“) ≥ 0,2 mV STStreckenhebung. a Dynamik der J-Punkt/ST-Streckenhebungen und spontane Konversion von Typ2- zu Typ-1-EKG in V2. b, c Werte für β > 58° und x > 3,5 mm erlauben eine Differenzierung zwischen inkomplettem RSB und Typ-2-Brugada-EKG und Vorhersage eines positiven Ajmalin-Tests. β, Winkel zwischen Tangente durch den aufsteigenden Schenkel der S-Zacke und Tangente durch den absteigenden Schenkel der „J wave“. X, Dauer der Basis des entsprechenden Dreiecks bei 5 mm der maximalen J-Punktamplitude. Schreibgeschwindigkeit 25 mm/s. (c Mod. nach Chevallier et al. [8]).

licht, wie enorm wichtig es ist, in regelmäßigen Abständen EKG-Aufzeichnungen durchzuführen und diagnostische Mittel zur Demaskierung eines Typ-1-EKGs, sog. EKG-Modifikatoren, einzusetzen. Die wichtigsten sind die Gabe eines Natriumkanalblockers (Ajmalin oder Flecainid; [13]), die Registrierung modifizierter Ableitungen des rechtspräkordialen EKGs (sternale Ableitungen; 3. ICR; [12, 14]), die Aufzeichnung von Multikanal-HolterEKGs [15], sowie die Durchführung eines Belastungs-EKGs ([16]; . Abb. 7).

Risikomarker Die Mehrheit der Patienten mit einem Typ-1-Brugada-EKG wird im Laufe ihres Lebens keine Arrhythmieereignisse erfahren, wenn bestimmte Medikamente vermieden (www.brugadadrugs.org) und Fieber aggressiv behandelt wird (z. B. Pa-

racetamol). Dennoch verstirbt eine signifikante Anzahl der betroffenen Patienten plötzlich oder erleidet maligne ventrikuläre Arrhythmien (20–40 %), nicht selten als Erstmanifestation der Erkrankung ohne jegliche Vorankündigung [4]. Es ist daher von außerordentlicher Wichtigkeit, asymptomatische Patienten mit einem erhöhten Risiko zu identifizieren. Verschiedene EKG-Marker, v. a. spontane und belastungsinduzierte Typ-1-STStreckenhebungen ([16]; . Abb. 7) sowie eine Fragmentierung des QRS-Komplexes (f-QRS; [17, 18]; . Abb. 8) in den rechtspräkordialen Ableitungen V1 und/oder V2 sind mit einem deutlich erhöhten arrhythmogenen Risiko assoziiert. Zudem stellen eine Verlängerung der PQ-Zeit (> 200 ms; [19]) sowie eine lokalisierte rechtspräkordiale QRS-Verbreiterung (≥ 120 ms in V2; [20]) und assoziierte Marker einer gesteigerten Heterogenität der ventrikulä-

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ren Repolarisation (Tpeak-Tend-Intervall ≥ 100 ms, Tpeak-Tend-Dispersion > 20 ms, und QTc > 460 ms in V2) [21] Prognoseindikatoren dar (. Abb. 9). Das akute Auftreten einer spontanen und dynamischen Typ-1-ST-Streckenhebung, eines makroskopischen T-Wellen-Alternans (während Ajmalin-Test oder Fieber; [22, 23]), oder einer ausgeprägten inferioren (lateralen) J-Punkt/ST-Streckenhebung [24, 25] sind als Zeichen einer akuten elektrischen Instabilität zu werten, die mit einem deutlich erhöhten Risiko für maligne ventrikuläre Arrhythmien einhergeht (. Abb. 10). Die genannten EKG-Risikomarker sind in . Tab. 1 zusammengefasst. Einige dieser EKG-Risikomarker gehen allerdings nur mit einer Typ-1-STStreckenhebung einher und sind somit relativ selten zu beobachten. Die niedrige Penetranz von SCN5A-Mutationen und die ausgeprägte Variabilität des Bruga-

Abb. 4 8 Beispiele von rechtspräkordialen „J-wave patterns“, die bei Patienten mit BrS registriert wurden und einen inkompletten RSB imitieren (Pseudo-RSB). a–e im Gegensatz zur r’/R’-Zacke beim inkompletten RSB, ist der erhöhte J-Punkt bzw. die „J wave“ des Brugada-EKGs auf die rechtspräkordialen Ableitungen begrenzt (Pfeile) und geht nicht mit reziproken S-Zacken in V6 und I einher (Sternchen), es sei denn, ein (in)kompletter RSB liegt zusätzlich vor. c Dynamische J-Punkt/ST-Streckenveränderungen in V2 ohne Vorliegen eines RSB. Bei Dokumentation eines solchen Pseudo-RSB sollte ein Ajmalin-Test zur Demaskierung bzw. zum Ausschluss eines verborgenen BrS erfolgen. Schreibgeschwindigkeit 25 mm/s

Abb. 5 8 Ausgewählte 12-Kanal-EKGs, die während des Follow-up (FU) eines symptomatischen ICD-Patienten mit BrS registriert wurden. Spontane Variabilität des Brugada-EKGs in V2 und die Entwicklung eines kompletten RSB mit und ohne Vorliegen eines spontanen Typ-1-EKGs. Schreibgeschwindigkeit 25 mm/s

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Abb. 6 9 Nachweis eines diagnostischen Typ-1-Brugada-EKGs nur in der modifizierten Ableitung V2 im 3. ICR (V2IC3) bei einer 38-jährigen asymptomatischen Frau mit BrS. Beachte die erhöhte J-Punkt-Amplitude und die Konversion von Typ-2- zu Typ1-EKG durch Umpositionieren der Ableitung V2 vom 4. ICR (V2IC4) in den 3. ICR (V2IC3). Schreibgeschwindigkeit 25 mm/s

Abb. 8 8 Manifestationen einer rechtspräkordialen Fragmentierung des QRS-Komplexes (f-QRS) bei unterschiedlichen Patienten mit BrS (Pfeile). Beachte das Vorliegen eines spontanen Typ-1-EKGs in allen Fällen. Schreibgeschwindigkeit 25 mm/s

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Abb. 7 8 Belastungsinduzierte rechtspräkordiale ST-Streckenhebungen bei einem jungen Mann mit Synkope. Entwicklung eines diagnostischen Typ-1-EKGs in V1 und V2 während maximaler Belastung und weiterer Amplitudenanstieg des J-Punktes und der ST-Strecke in der Postbelastungsphase. Schreibgeschwindigkeit 25 mm/s

da-EKG-Phänotyps limitieren die EKGbasierte Risikostratifizierung. Ein heute komplett normales 12-Kanal-EKG kann morgen diagnostisch und somit prognostisch sein. Bei asymptomatischen Patienten mit spontanem Typ-1-Brugada-EKG kann daher von einer elektrophysiologischen Untersuchung Gebrauch gemacht werden. Eine verkürzte ventrikuläre effektive Refraktärperiode ( 60 ms) kann zusätzlich zur Risikostratifizierung genutzt werden [26]. Auch wenn es keinen Konsens über die Prognose von induzierbaren Patienten gibt, so bestätigen alle großen Register einen sehr hohen negativen prädiktiven Wert der programmierten Kammerstimulation (98–99 %; [27]). Aufgrund der

Supraventrikuläre Arrhythmien

Abb. 9 8 EKG-Zeichen einer lokalisierten rechtsventrikulären Depolarisations- und Repolarisationsstörung. Beachte den verbreiterten und fraktionierten QRS-Komplex in V1 (rote Pfeile) sowie die ausgeprägte Verlängerung der QTc-Zeit und des Tpeak-Tend-Intervalls in V2 in Gegenwart einer Typ-1-STStreckenhebung. Die Tpeak-Tend-Dispersion beträgt 30 ms. Angegeben sind ausgewählte Intervalle. Blaue Pfeile markieren Tpeak. Schreibgeschwindigkeit 25 mm/s

niedrigen Sensitivität der meisten EKGRisikomarker sollte man sich diese Informationen zunutze machen und asymptomatischen Patienten mit spontanem Typ1-EKG eine elektrophysiologische Untersuchung anbieten [28].

Ventrikuläre Arrhythmien Spontane ventrikuläre Arrhythmien präsentieren sich bei Patienten mit BrS gewöhnlich in Form von schnellen, polymorphen ventrikulären Tachykardien (VT) oder Kammerflimmern (VF). Monomorphe VTs sind selten bei Erwachsenen mit BrS, können aber insbesondere als Folge einer antiarrhythmischen Therapie zur Behandlung von rezidivierenden atrialen oder ventrikulären Arrhythmien auftreten [29]. Säuglinge und Kinder mit angeborener Nat-

riumkanalerkrankung scheinen besonders anfällig für diese Form der ventrikulären Arrhythmie zu sein [30]. Ventrikuläre Extrasystolen werden selten bei Patienten mit BrS beobachtet ausgenommen zum Zeitpunkt von spontanen VFEpisoden (. Abb. 11; [31]). Diese ventrikulären Extrasystolen sind oft morphologisch identisch mit denjenigen, die VF triggern, und haben ihren Ursprung überwiegend im rechtsventrikulären Ausflusstrakt (RVOT; [32]). Therapeutische Optionen zur Behandlung von rezidivierenden ventrikulären Arrhythmien sind die Antiarrhythmika Chinidin und Sotalol sowie die Substrat-gesteuerte (epikardiale) Katheterablation [33].

Die Prävalenz von supraventrikulären Arrhythmien bei Patienten mit BrS beträgt etwa 20–30 %. Paroxysmales Vorhofflimmern (PAF) ist die häufigste atriale Arrhythmie und stellt nicht selten die klinische Erstmanifestation eines BrS dar (.  Abb. 12; [34, 35]) Atriale MakroReentrytachykardien sind weitaus seltener, können aber bei Trägern einer SCN5A-Mutation oder Patienten unter antiarrhythmischer Therapie vermehrt auftreten (.  Abb. 13). Spontane oder induzierbare AV-Knoten-Reentry-Tachykardien sind mit einer Prävalenz von 7 % relativ häufig [36]. Supraventrikuläre Arrhythmien, insbesondere neu aufgetretenes PAF, stellen einen wichtigen Triggerfaktor und unabhängigen Prädiktor für inadäquate Schocks bei Patienten mit primär- und sekundärprophylaktischer ICDTherapie dar [29, 37]. Die Katheterablation ist aufgrund der limitierten Möglichkeiten einer antiarrhythmischen Therapie das Mittel der Wahl zur Behandlung von symptomatischen supraventrikulären Tachykardien. Die Pulmonalvenenisolation bietet eine attraktive Alternative zur antiarrhythmischen Therapie mit Chinidin oder Sotalol bei Patienten mit hochsymptomatischem PAF [38].

Erregungsbildungs- und -leitungsstörungen Störungen der Erregungsbildung und -leitung unterschiedlichen Ausmaßes werden häufig bei Patienten mit BrS beobachtet, v. a. bei denjenigen mit nachgewiesener SCN5A-Mutation [39]. EKG-Manifestationen einer gestörten Erregungsbildung und -leitung können sein (. Tab. 2): Zeichen eines Sinusknotensyndroms, Verlängerung der PQ-Zeit und des HV-Intervalls, Abweichungen der QRS-Achse, QRS-Verbreiterung mit oder ohne (in) kompletten Rechtsschenkelblock oder linksfaszikulären Hemiblock (. Abb. 13). Eine Leitungsverzögerung im Bereich des RVOT kann sich im Oberflächen-EKG als Rs-Konfiguration in Ableitung I, Linksachsenabweichung, S-Amplitude in Ableitung II>III, sowie prominente (≥ 0,3 mV) R-Welle in Ableitung aVR manifestieren („aVR sign“ [40]; . Abb. 1c).

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Abb. 10 8 BrS assoziiert mit malignem „early repolarization pattern“. Ausgewählte 12-Kanal-EKGs eines asiatischen Mannes mit überlebtem SCD und rezidivierenden VF-Episoden. a EKG-Dynamik und Vorhandensein ausgeprägter „J waves“ in den inferolateralen Ableitungen zum Zeitpunkt ventrikulärer Ereignisse (13. Mai und 15. Juni). Intravenöse Gabe von Ajmalin provozierte ein diagnostisches Typ-1-Brugada-EKG in V1 und V2 (20. Mai). Vorhofflimmern zeigt sich zum Zeitpunkt des „electrical storms“. b Spontane VF-Episode assoziiert mit inferiorem „early repolarization pattern“ (Pfeil). Schreibgeschwindigkeit 25 mm/s

Das Brugada-EKG bei Frauen Trotz des autosomal-dominanten Vererbungsmodus ist die phänotypische Expression des BrS deutlich seltener und weniger stark ausgeprägt bei Frauen im Vergleich zu Männern, was v. a. auf das elektrokardiographische Erscheinungsbild zutrifft [41]. Hierfür werden zum einen ein geringerer Ito -Ionenstrom im Bereich des epikardialen RVOT bei Frauen sowie hormonelle Unterschiede verantwortlich gemacht [42]. Die maximale spontane Typ1-ST-Streckenhebung ist bei Frauen signifikant geringer als bei Männern (2,5 ± 0,7 vs. 3,5 ± 1,8  mm, p 

[Brugada ECG].

The Brugada syndrome (BrS) is characterized by a typical electrocardiogram (ECG) pattern of right precordial ST-segment elevation and the cardinal sym...
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