Aktuelle Diagnostik & Therapie

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Redaktion: H. Hornbostel, Hamburg U. Kuhlmann, Stuttgart H. Lode, Berlin T. Meinertz, Hamburg Ludwigshafen E. Ritz, Heidelberg M. Rothmund, Marburg VV. Sterry, Kiel -K.-H. Usadel, Mannheim

J. F. Riemann,

Bronchoalveoläre Lavage P. Entzian undJ. Barth

Die bronchoalveoläre Lavage ist ein Untersuchungsverfahren in der Pneumologie, das die Gewinnung von Material aus dem Bereich der distalen Bronchien, Bronchiolen und Alveolen ermöglicht. Obwohl noch bis vor kurzem Nutzen und Zweck dieser Methode umstritten waren (4), kann an der Bedeutung der bronchoalveolären Lavage mittlerweile kein Zweifel mehr bestehen. In dem Bericht der »European Society of Pneumology Task Group on Broncho-Alveolar Lavage« finden sich zudem weitgehende Standardisierungsvorschläge (7). Daher dürfte die große Schwankungsbreite in den Ergebnissen der einzelnen Zentren, die mit unterschiedlichen technischen Verfahren erklärt werden kann, zukünftig geringer werden (3). Indikationen und Kontraindikationen der bronchoalveolären Lavage sind in Tabelle 1 dargestellt.

Untersuchungstechnik Die bronchoalveoläre Lavage wird im Rahmen der Fiberbronchoskopie in Lokalanästhesie durchgeführt. Nach routinemäßiger Inspektion des gesamten Bronchialsystems wird das Bronchoskop so weit in einen Segmentbronchus vorgeschoben, daß es mit der Wand abdichtet. Als Standardlokalisation sollten Segmente des Mittellappens oder der Lingula dienen, da die Rückgewinnung der Spülflüssigkeit hier am vollständigsten gelingt (7). Die Lavage nur eines Lungensegmentes ist im allgemeinen von hinreichender diagnostischer Genauigkeit (7). Insgesamt werden 1 0 0 - 2 0 0 ml (fünf- bis zehnmal 20 ml) einer auf 37 °C angewärmten, ungepufferten, sterilen Kochsalzlösung instilliert und sofort wieder abgesaugt. Das Volumen der rückgewonnenen Spülflüssigkeit sollte 6 0 - 7 0 % der Ausgangsmenge betragen, bei bestimmten Lungenerkrankungen, zum Beispiel beim Emphysem, kann es auf unter 40% sinken (15).

Bei unklaren Lungenbefunden sollten, wenn möglich, weitere invasive Maßnahmen wie transbronchiale Lungenbiopsie oder geschützter Bürstenabstrich angeschlossen werden, da hierdurch die Sensitivität der Diagnostik erhöht wird (9). Unter primär therapeutischen Gesichtspunkten, zum Beispiel bei Alveolarproteinose, kann auch ein hiervon abweichendes Vorgehen erforderlich sein. Das gewonnene Material wird unter standardisierten Bedingungen bearbeitet (7). Das ist sehr aufwendig und kann daher nicht zum Routineprogramm eines klinischen Laboratoriums gehören. Jedoch ist der Versand des Materials innerhalb von 4 Stunden ohne Kühlung oder weitere Zusätze mög-

Tab. 1

Indikationen und Kontraindikationen einer bronchoalveolären Lavage

Indikationen - Verdacht auf interstitielle oder diffuse Lungenkrankheiten (Diagnose, Verlaufsbeurteilung, Therapie) - entzündliche Lungenveränderungen - periphere pulmonale Verschattungen unklarer Dignität - Diagnostik von immungeschwächten Patienten (AIDS. Organtransplantation) allgemeine Kontraindikationen d e r Bronchoskopie ( 5 , 9 , 1 0 ) - trotz 0 -Gabe persistierende Hypoxie - Hyperkapnie - schwere, nicht beherrschbare Herzrhythmusstörungen 2

relative Kontraindikationen (erfordern eine besondere Überwachung während und nach der Untersuchung; 5 , 9 . 11) - schwere bronchiale Obstruktion. Asthma bronchiale - hyperreagibles Bronchialsystem - frischer Myokardinfarkt - instabile Angina pectoris - Urämie begleitende M a ß n a h m e n bei Risikopatienten - 0,-Gabe über eine Nasensonde - Steroidgabe (am Vortag und mindestens 2 Stunden vor der Untersuchung 50 m g Prednison, vor allem bei Asthma bronchiale) - (5 -Sympathomimetika als Prämedikation (Asthma bronchiale) - Überwachung des Herzrhythmus - kontinuierliche Überwachung des 0 -Partialdrucks - mehrstündige Überwachungsphase nach der Untersuchung 2

Dtsch. med. Wschr. 1 1 5 ( 1 9 9 0 ) , 663-666 © Georg Thieme Verlag Stuttgart New York

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Abteilung Allgemeine Innere Medizin, I. Medizinische Klinik (Kommissarischer Direktor: Prof. Dr. II. D. Brunn) der Universität Kiel

Entzian,

Barth: Bronchoalveoläre

Lavage

lieh (13), mit etwas eingeschränkten diagnostischen Möglichkeiten sogar noch innerhalb von 24 Stunden. Daher können auch Proben einer extern durchgeführten Lavage in speziellen pneumologischen Zentren untersucht werden. Von dieser Möglichkeit sollte reger Gebrauch gemacht werden, da die Gefahr einer Fehlinterpretation der sehr komplexen Zusammenhänge nur durch große Erfahrung mit dieser Technik vermindert werden kann.

Komplikationen Über letale Kompliktionen im Rahmen der bronchoalveolären Lavage wurde bisher nicht berichtet; leichtere Komplikationen treten bei etwa 5% der untersuchten Patienten auf (3). So wurden Bronchospasmen, eine vorübergehende Verschlechterung der Lungenfunktionsparameter sowie das Auftreten von Fieber infolge einer Bakteriämie innerhalb der ersten 24 Stunden beobachtet; röntgenologisch wurden ferner passagere Infiltrationen festgestellt.

Grundlagen der Befundinterpretation Die Befunde bei der bronchoalveolären Lavage haben wesentlich zum Verständnis der Lungenkrankheiten beigetragen und sind nicht selten aufgrund spezifischer Zellcharakteristika pathognomonisch, zum Beispiel für die Histiocytosis X. Bei anderen Erkankungen kann die Zusammensetzung der Zellen verändert sein; sie ist oft wegweisend für den Gang der weiteren Diagnostik und Therapie, zum Beispiel bei der Sarkoidose. Bei den zellulären Bestandteilen der Lavage-Flüssigkeit handelt es sich vor allem um Alveolarmakrophagen, Lymphozyten und Granulozyten. Auch Pneumonozyten, Mastzellen und Bronchialepithelien können vorkommen. Eine erhöhte Zahl epithelialer Zellen weist auf eine Verminderung der alveolären und eine Vermehrung der bronchialen Anteile der Lavage-Flüssigkeit hin. Zur Vermeidung von Fehlinterpretationen müssen eine eitrige Bronchitis und eine artefizielle Schleimhautverletzung bei der Bronchoskopie ausgeschlossen werden. Auch muß bei der Interpretation bedacht werden, daß bei der bronchoalveolären Lavage nur Zellen von der alveolarlumenseitigen Lungenoberfläche gewonnen werden; es ist nicht bei jeder Erkrankung vorauszusetzen, daß sich darin auch die Verhältnisse im Lungeninterstitium widerspiegeln. Viele interstitielle Lungenkrankheiten gehen mit einer chronischen Entzündung von Lungenparenchym und alveolärem Interstitium (»Alveolitis«) einher, die durch eine Zellvermehrung nachweisbar ist. Bei einem erhöhten Lymphozytenanteil wird von lymphozytärer Alveolitis gesprochen, bei erhöhter Zahl an neutrophilen Granulozyten von

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neutrophiler Alveolitis (2). Eine weitere Unterteilung aus klinisch-prognostischen Gründen in »high-intensity«-Alveolitis (> 2 8 % Lymphozyten bzw. > 10% Granulozyten) und »low-intensity«-Alveolitis (< 2 8 % Lymphozyten bzw. < 10% Granulozyten) hat sich als hilfreich erwiesen (2).

Zytologie bei pneumologischen Erkrankungen Eine Übersicht über die Befunde bei den häufigsten interstitiellen Lungenerkrankungen gibt Tabelle 2. Weitere Einzelbefunde finden sich in Übersichtsarbeiten (2, 3, 15). Beim Alveolarzellkarzinom, bei malignem Lymphom und bei Lymphangiosis carcinomatosa ist durch den Nachweis der atypischen Zellen eine Diagnose oft möglich. Bei der Histiocytosis X sind normalerweise in der Lavage-Flüssigkeit nicht vorkommende Histiozyten mit charakteristischen elektronenmikroskopisch nachweisbaren Einschlußkörperchen zu finden. Zusätzlich exprimieren diese Zellen ein Antigen (OKT-6-Antigen), das immunzytochemisch nachweisbar ist. In der Zusammenschau der Befunde kann die Diagnose häufig gestellt werden, so daß in diesen Fällen eine offene Lungenbiopsie überflüssig ist (3). Bei Pneumokoniosen kann im allgemeinen entweder direkt mikroskopisch (zum Beispiel bei der Asbestose) oder elektronenmikroskopisch die Staubexposition des Patienten in Makrophagen-Einschlußkörpern nachgewiesen werden (3). Allerdings ist hieraus kein Rückschluß auf die Aktivität der Erkrankung zu ziehen. Sicher nachweisbar sind auch Eisenablagerungen in den Makrophagen, zum Beispiel bei der Hämosiderose, beim GoodpastureSyndrom oder bei Vitien (Herzfehlerzellen). Bei der aktiven Sarkoidose kommt es zu einer Lymphozytenvermehrung im Sinne einer

Tab. 2 Differentialzytologie der wichtigsten interstitiellen Lungenkrankheiten bei aktiver Erkrankung. Veränderungen im Vergleich mit gesunden Personen, n = nicht signifikant verändert; f = erhöht; { = erniedrigt; n ( f ) = normal oder erhöht (zum Beispiel bei unterschiedlicher Aktivität der Erkrankung oder unterschiedlichem Krankheitsstadium) Alveolarmakrophagen

Lymphozyten

neutrophil Granulozyten

T„/T Quotient

etwa 85%

< 15%

[Bronchoalveolar lavage].

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