Bild und Fall Ophthalmologe 2015 DOI 10.1007/s00347-014-3181-2 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

M. Fiorentzis · R. Khoury · B. Seitz · A. Viestenz Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum des Saarlandes UKS, Homburg/Saar

Bilaterale Ablatio retinae? Anamnese

Klinischer Befund

Ein -jähriger pseudophaker Patient wurde in unserer Klinik zur operativen Versorgung bei der Diagnose einer hochblasigen Reablatio retinae am rechten Auge vorgestellt. Eine Kataraktoperation war vor  Jahren durchgeführt worden. Anamnestisch wurden beide Augen vor  Jahren bei Ablatio retinae operiert.

Der Visus des Patienten betrug , rechts und , links. Doppelbilder oder sonstige neuroophthalmologische Beschwerden wurden von dem Patienten verneint. Bei der Bindehautinspektion zeigte sich beidseits eine tumorartige subkonjunktivale Schwellung oben und temporal (. Abb. 1). Spaltlampenmikroskopisch stellte sich die Hornhaut klar und

die Vorderkammer ohne Zellen dar. Die Intraokularlinse war im Kapselsack zentriert. Am hinteren Pol wurde beidseits eine prominente Netzhaut ohne darunter liegendes retinales Pigmentepithel und Aderhaut in den oberen Quadranten festgestellt (. Abb. 2). Die Größe der subretinalen Prominenz betrug sonographisch × mm im Durchmesser (. Abb. 3). Es bestand keine der Raumforderung nahe oder entfernte Ablatio retinae.

Abb. 1 8 Spaltlampenfotos mit Bindehautschwellung R/L

Abb. 2 8 Netzhautprominenz durch die limbusparallele Plombe und uveosklerale Erosion R/L Der Ophthalmologe 2014

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Abb. 3 9 Sonographie (B-Bild). Netzhaut anliegend, Netzhautprominenz 10×15 mm R/L

D Wie lautet Ihre Diagnose?

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Diagnose: MIRAgel-Plombe mit uveoskleraler Erosion Therapie und Verlauf Aufgrund einer beidseitigen rhegmatogenen Ablatio retinae bei Hufeisenforamen vor  Jahren wurde eine komplikationslose Plombenaufnähung mittels MIRAgel-Plombe mit Exokryokoagulation durchgeführt. Bei postoperativ komplikationslosem Verlauf, Beschwerdefreiheit des Patienten und ansonsten unauffälligem ophthalmologischem Befund war weder eine konservative noch eine invasive Therapie erforderlich.

Diskussion Obwohl das skleraeindellende Verfahren der konventionellen Netzhautchirurgie die letzten Jahre zunehmend von der primären Vitrektomie verdrängt wurde, besitzt es noch einen hohen Stellenwert für viele vitreoretinale Chirurgen. Bei einer rhegmatogenen Amotio retinae hängt die Dringlichkeit des operativen Vorgehens von der Netzhautanlage im Bereich der Makula ab, da diese den postoperativen Visus entscheidend beeinflusst. Zur Verfügung stehen folgende extraokulare Operationsmethoden: die radiäre bzw. limbusparallele Plombe, Sklerakompressionsnähte, Cerclage, Kombination von Cerclage und Plombe und pneumatische Retinopexie [, ]. Bei unserem Patienten erfolgte die Fixation einer limbusparallelen Plombe mit MIRAgel. Als Alternativen zur MIRAgel-Plombe standen zum Zeitpunkt

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der operativen Versorgung unseres Patienten die folgenden eindellenden Verfahren zur Verfügung: „scleral buckling“ mit Fascia lata, Palmar- oder Plantarsehnengewebe, Knorpelgewebe, Spendersklera, Dura mater, Polyviol, Polyethylen, eindellende Nähte, Silikon bzw. temporäre extern fixierte Skleraballons. Weite Verbreitung haben inzwischen die Silikonschaumplomben bzw. solides Silikonmaterial gefunden []. Im Jahr  wurde die MIRAgel-Plombe als ein Hydrogel (copoly methylacrylat--hydroxyethyl acrylat) zum „scleral buckling“ für die operative Behandlung von rhegmatogenen Netzhautablösungen eingeführt. Das hydrophile Material ist eine niedermolekulare Substanz. Diese besteht aus -dimensionalen Polymernetzwerken, die für Wasser permeabel sind und wasserlösliche Substanzen absorbieren können. Es ist ein flexibles Implantat mit physikalischen Eigenschaften, die zu einer langsamen Größenzunahme führen und dadurch einen zunehmend eindellenden Effekt erzeugen []. Es wurde vermutet, dass das Material gut verträglich, resistent gegenüber Infektionen und leicht manipulierbar sei, sodass es zwischen  und  in der Retinachirurgie breit eingesetzt wurde. Aufgrund der langfristigen Komplikationen, verbunden mit der Schwellung und Fragmentierung des Implantats, wurde dieses Material im Jahr  vom Markt genommen. Die klassische Indikation für eine radiäre Plombe ist das Hufeisenforamen, während limbusparallele Plomben bei Oradialysen, Riesenrissen mit nicht umgeklappten Netzhauträndern und nebeneinander liegenden Foramina, die nicht

durch eine radiäre Plombe unterstützt werden können, indiziert sind [, ]. Ophthalmoskopisch sieht diese Schwellung einem orbitalen Tumor täuschend ähnlich. Auch echographisch besteht eine Verwechslungsgefahr, da die echographischen Kriterien ebenfalls sehr ähnlich sein können []. Das progressive Anschwellen von MIRAgel kann zur okulären Motilitätseinschränkung, zu Diplopie, Schmerzen und zur periokulären Inflammation führen. In der Literatur ist das Auftreten von diesen Komplikationen nach  Jahren dokumentiert. Der Effekt der Steroidinjektion zur Verkleinerung der Implantatschwellung ist nicht bekannt []. Die Entfernung von MIRAgel kann eine Herausforderung für den Operateur darstellen, da es typischerweise zu einer Fragmentierung des Materials und wiederum zu einer schweren periokularen Entzündung kommen kann []. Die symptomatischen MIRAgel-Plomben lassen sich im berührungsfreien Verfahren unkomplizierter entbinden: über einen Bindehaut-Tenon-Schnitt wird eine Öffnung an dem Plombenende angelegt und von kontralateral die Plombe mit einem Spatel durch sanften Druck in toto herausluxiert. So kann die Fragmentierung vermieden werden. Wir hatten aufgrund der noch anliegenden Netzhaut und der fehlenden Beschwerdesymptomatik sowie bei fortgeschrittenem Alter des Patienten von einer Plombenentfernung abgesehen. Die Entfernung der Plombe allein hätte zu einem direkten Bindehaut-Netzhaut-Kontakt geführt, wahrscheinlich zu einer Ablatio retinae, möglicherweise auch zur Endophthalmitis. Ein großer Sklerapatch

mit Pars-plana-Vitrektomie wäre alternativ infrage gekommen. So blieb auch unter Kontrolle der Befund ohne operative Intervention stabil.

Fazit für die Praxis F Bei der skleraeindellenden Ablatiochirurgie sollte bei den postoperativen Kontrollen an die Imitation der Eindellung wie bei orbitalen Tumoren gedacht werden.

Korrespondenzadresse M. Fiorentzis Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum des Saarlandes UKS Kirrberger Str. 100, Gebäude 22, 66424 Homburg/Saar [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  M. Fiorentzis, R. Khoury, B. Seitz und A. Viestenz geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur 1. Brinton DA, Wilkinson CP (2009) Retinal detachment. Principles and practice, 3. Aufl. Oxford University Press, New York, S 159 2. Clemens S (2008) Skleraeindellende Ablatiochirurgie und pneumatische Retinopexie. Ophthalmologe 105:499–500 3. Faude F, Meier P, Wiedemann P (2002) Eindellende Operationen bei rhegmatogener Amotio retinae. Ophthalmologe 99:308–323 4. Hausmann N, Diem W, Greite JH (1991) Pseudomelanom nach eindellenden Ablatio-Operationen. Spektrum Augenheilkd 5:96–98 5. Hoerauf H, Heimann H, Hansen L, Laqua H (2008) Skleraeindellende Ablatiochirurgie und pneumatische Retinopexie. Ophthalmologe 105:7–18 6. Shields CL, Demirci H, Marr BP et al (2005) Expanding MIRAgel scleral buckle simulating an orbital tumor in four cases. Ophthal Plast Reconstr Surg 21:32–38

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